Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
6B_345/2020  
 
 
Urteil vom 21. Juli 2020  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, 
Bundesrichterin van de Graaf, 
Gerichtsschreiber Held. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Freiburg, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Nichteinreichen der Berufungserklärung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Freiburg, Strafappellationshof, vom 27. Januar 2020 
(501 2019 168/cst). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Der Polizeirichter des Sensebezirks verurteilte den Beschwerdeführer am 18. Oktober 2019 wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln (Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit) zu einer bedingten Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu Fr. 100.- und einer Busse von Fr. 700.- respektive einer Ersatzfreiheitsstrafe von sieben Tagen im Falle der Nichtzahlung und Uneinbringlichkeit der Busse. Der begründete Entscheid wurde dem Beschwerdeführer nach Anmeldung der Berufung am 3. Dezember 2019 zugestellt. 
 
2.   
Mit als "Berufungserklärung Dossier 50 2019 18/mpo" überschriebener Eingabe vom 23. Dezember 2019 (Poststempel) an die Vorinstanz ersuchte der Beschwerdeführer um Gewährung einer "neuen Frist" bis zum 31. Januar 2020", da es ihm innert der kurzen Zeit von 20 Tagen nicht möglich gewesen sei, einen Anwalt zu konsultieren. Er werde jeden Punkt des Urteils vom Polizeirichter anfechten. 
Die Vorinstanz antwortete mit Schreiben vom 24. Dezember 2019, dass die gesetzliche Frist von 20 Tagen zur Einreichung der Berufungserklärung nicht verlängerbar sei. Mit Urteil vom 27. Januar 2020 schrieb sie den "Fall 501 2019 168 ohne Kostenfolge als gegenstandslos ab", da der Beschwerdeführer innerhalb der Frist von 20 Tagen seit Zustellung des begründeten erstinstanzlichen Urteils keine Berufungserklärung gemäss Art. 399 Abs. 2 StPO eingereicht habe. 
 
3.   
Der anwaltlich nicht vertretene Beschwerdeführer beantragt mit Beschwerde in Strafsachen sinngemäss, das Urteil der Vorinstanz sei aufzuheben. 
Die Vorinstanz und die Beschwerdegegnerin haben auf Vernehmlassungen verzichtet. 
 
4.   
Gemäss Art. 399 Abs. 1 StPO muss die Berufung beim erstinstanzlichen Gericht innert 10 Tagen seit der Urteilseröffnung angemeldet werden. Nach Ausfertigung des begründeten Urteils übermittelt das erstinstanzliche Gericht die Anmeldung zusammen mit den Akten dem Berufungsgericht (Art. 399 Abs. 2 StPO). Die Partei, die Berufung angemeldet hat, reicht dem Berufungsgericht innert 20 Tagen seit der Zustellung des begründeten Urteils eine schriftliche Berufungserklärung ein (Art. 399 Abs. 3 StPO), in der sie anzugeben hat, ob sie das Urteil vollumfänglich oder nur in Teilen anficht (lit. a), welche Abänderungen des Urteils sie verlangt (lit. b) und welche Beweisanträge sie stellt (lit. c). Sofern sie nur einzelne Punkte anficht, hat sie in der Berufungserklärung verbindlich anzugeben, auf welche Teile sich die Berufung beschränkt (Art. 399 Abs. 4 StPO; zum Ganzen: BGE 143 IV 40 E. 3.4.1; Urteil 6B_684/2017 vom 13. März 2018 E. 1.4.2). 
 
Der angefochtene Entscheid verletzt Bundesrecht. Die Vorinstanz konnte die Eingabe nicht ausschliesslich als Gesuch um eine - wie sie im Übrigen selbst zutreffend ausführt - nicht mögliche Erstreckung oder Neuabsetzung der gesetzlichen Berufungsfrist (vgl. Art. 399 Abs. 3 i.V.m. Art. 89 Abs. 1 StPO) entgegennehmen. Die mit "Berufungserklärung Dossiernummer 50 2019 18/mpo" überschriebene Eingabe des Beschwerdeführers vom 23. Dezember 2019 ging innert der 20-tägigen Frist zur Berufungserklärung bei der Vorinstanz ein und trägt die gesetzliche exakte Bezeichnung, wobei selbst die unzutreffende Bezeichnung des Rechtsmittels nicht geschadet hätte (vgl. Art. 385 Abs. 4 StPO; BGE 138 I 367 E. 1.1 S. 367; Urteil 6B_1066/2019 vom 4. Dezember 2019 E. 1). Der Beschwerdeführer bringt in seiner Eingabe unmissverständlich zum Ausdruck, dass er das erstinstanzliche Urteil vollumfänglich ("jeden Punkt) " anfechten will. Die Vorinstanz scheint - wie der Beschwerdeführer - zu verkennen, dass die Berufungserklärung keine Begründung enthalten muss (Urteil 6B_684/2017 vom 13. März 2018 E. 1.4.2, publ. in: Pra, 2018, Nr. 88 S. 773; SZS, 2019 S. 173). Die Begründung des Rechtsmittels erfolgt erst nach Abgabe der Berufungserklärung und deren Vorprüfung im Rahmen des mündlichen (Art. 405 i.V.m. Art. 346 StPO) oder schriftlichen Berufungsverfahrens (Art. 406 Abs. 3 i.V.m. Art. 385 Abs. 1 lit. b StPO), soweit auf die Berufung eingetreten wird (Art. 403 StPO). Ob das unzulässige Gesuch um Ansetzung einer "neuen" Berufungsfrist allenfalls als (verfrühtes) Gesuch um Wiedereinsetzung hätte entgegengenommen werden müssen, kann offenbleiben, da ein solches aufgrund der gleichzeitig eingereichten Berufungserklärung gegenstandslos geworden ist. 
 
5.   
Die Beschwerde ist im Verfahren gemäss Art. 109 BGG gutzuheissen. Bei diesem Verfahrensausgang sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG) und keine Entschädigungen auszurichten (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Kantonsgerichts Freiburg vom 27. Januar 2020 aufgehoben und die Sache zur Durchführung des Berufungsverfahrens an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2.   
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Freiburg, Strafappellationshof, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 21. Juli 2020 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Der Gerichtsschreiber: Held