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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_712/2022  
 
 
Urteil vom 21. Juli 2022  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin, 
Bundesrichter Denys, 
Bundesrichterin van de Graaf, 
Gerichtsschreiberin Arquint Hill. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Güterstrasse 33, Postfach, 8010 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Amtliche Verteidigung, Verletzung der Verkehrsregeln; rechtliches Gehör, Willkür; 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Strafkammer, vom 20. April 2022 (SU210032-O/U/ad). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Mit Strafbefehl vom 26. November 2020 büsste das Stadtrichteramt Zürich den Beschwerdeführer wegen Überschreitens der allgemeinen Höchstgeschwindigkeit, begangen durch pflichtwidrige Unvorsichtigkeit, mit Fr. 250.--. Der Beschwerdeführer erhob Einsprache, worauf das Stadtrichteramt die Akten am 5. Mai 2021 an das Bezirksgericht Zürich überwies. Dieses verurteilte den Beschwerdeführer am 21. Juni 2021 wegen Überschreitens der allgemeinen Höchstgeschwindigkeit, begangen durch pflichtwidrige Unvorsichtigkeit, zu einer Busse von Fr. 250.-- (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Tage). Dagegen legte der Beschwerdeführer Berufung ein. Mit Präsidialverfügung vom 22. September 2021 wies die Verfahrensleitung des Obergerichts des Kantons Zürich das Gesuch um Bestellung einer amtlichen Verteidigung ab. Am 20. April 2022 bestätigte das Obergericht des Kantons Zürich im schriftlichen Verfahren den bezirksgerichtlichen Schuldspruch, die Busse und die zweitägige Ersatzfreiheitsstrafe. 
Der Beschwerdeführer wendet sich mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht. Er ficht sowohl die Präsidialverfügung vom 22. September 2021 als auch das Urteil vom 20. April 2022 an und beantragt deren Aufhebung und sinngemässe Rückweisung zur neuen Beurteilung. Zudem ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. 
 
2.  
Anfechtungsgegenstand bilden vorliegend das Berufungsurteil der Vorinstanz als letztinstanzlicher kantonaler Entscheid, der das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer abschliesst (vgl. Art. 80 Abs. 1, Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 1 BGG, Art. 90 Abs. 1 BGG), und die Zwischenverfügung der Verfahrensleitung vom 22. September 2021 betreffend Verweigerung der amtlichen Verteidigung, zu deren Anfechtung der Beschwerdeführer zusammen mit dem Endentscheid nach Art. 93 Abs. 3 BGG befugt ist. 
 
3.  
Der Antrag auf Bestellung eines amtlichen Verteidigers wurde am 22. September 2021 von der Verfahrensleitung mit der Begründung abgewiesen, es gehe um eine Verurteilung zu einer Busse von Fr. 250.--, der einfache und kurze Sachverhalt sei auch für einen Laien gut nachvollziehbar, der Prozess sei weder tatsächlich noch rechtlich schwierig und der Beschwerdeführer habe sowohl die Einsprache als auch die Berufung fristgerecht erhoben und seinen Standpunkt in seinen Eingaben stets ausführlich darlegen können, so dass davon auszugehen sei, er könne diesen auch vor der Vorinstanz ohne anwaltlichen Beistand gehörig vertreten (vgl. kantonale Akten, act. 35, Präsidialverfügung vom 22. September 2021). 
Was in der Beschwerde in diesem Zusammenhang vorgebracht wird, lässt die angefochtene Verfügung nicht als bundesrechtswidrig erscheinen. Der Beschwerdeführer weist vor Bundesgericht namentlich darauf hin, weder über Einkommen noch über Vermögen zu verfügen und wegen der Sicherheitshaft, in welcher er sich (in anderer Sache) befinde, sozial isoliert zu sein. Der Beschwerdeführer wurde wegen Überschreitens der allgemeinen Höchstgeschwindigkeit, begangen durch pflichtwidrige Unvorsichtigkeit, mit Fr. 250.-- gebüsst. Es kann offen bleiben, ob hier von einem Bagatellfall im Sinne von Art. 132 Abs. 2 und 3 StPO auszugehen ist. Selbst wenn dies verneint würde, sind hier - wie die Vorinstanz ohne Rechtsverletzung erkennt - keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Natur im Sinne von Art. 132 Abs. 2 StPO ersichtlich, welche eine Offizialverteidigung als sachlich geboten erscheinen liessen. Die vorinstanzliche Verweigerung der amtlichen Verteidigung hält damit vor Bundesrecht stand. 
 
4.  
Auch die Kritik des Beschwerdeführers am angefochtenen Urteil erweist sich unbegründet. 
Die Vorinstanz weist darin zu Recht darauf hin, dass ihre Überprüfungsbefugnis als Berufungsinstanz angesichts der dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Übertretung eingeschränkt ist (Art. 398 Abs. 4 StPO). Sie prüft im Folgenden die Einwände des Beschwerdeführers, mit welchen er die bislang prinzipiell anerkannte Lenkerschaft in der Berufungserklärung bestreitet, verneint eine offensichtlich unrichtige oder rechtsverletzende Sachverhaltsfeststellung der ersten Instanz mit sachlichen Argumenten und legt schliesslich nachvollziehbar dar, weshalb auch sie es für erstellt hält, dass sich der Beschwerdeführer des Überschreitens der allgemeinen Höchstgeschwindigkeit durch pflichtwidrige Unvorsichtigkeit und damit der fahrlässigen einfachen Verletzung der Verkehrsregeln schuldig gemacht hat. 
Wie vor Vorinstanz macht der Beschwerdeführer auch vor Bundesgericht geltend, das Fahrzeug nicht gelenkt zu haben, und legt in der Folge dar, dass er die Lenkerschaft (grundsätzlich bis zur Einreichung der Berufungserklärung) angeblich irrtümlich anerkannt haben will. Zudem qualifiziert er die bei den Akten liegenden Fotografien in Bezug auf die Erkennbarkeit der Lenkerschaft als unbrauchbar und mutmasst, wahrscheinlich sei es sein Vater gewesen, der im Tatzeitpunkt das Fahrzeug gelenkt habe. Damit führt der Beschwerdeführer im Wesentlichen nur aus, von welcher Sachlage aus seiner eigenen Sicht auszugehen wäre bzw. wie die Beweise richtigerweise gewürdigt werden müssten, zeigt aber nicht auf, dass die Vorinstanz zu Unrecht Willkür verneint und den angeklagten Sachverhalt in unzulässiger Weise als erstellt erachtet hat. Dies ist im Übrigen auch nicht ersichtlich. Die Vorinstanz gibt die in den verschiedenen Verfahrensabschnitten gemachten Aussagen des Beschwerdeführers im angefochtenen Urteil zutreffend wieder und stellt fest, er habe seine Lenkerschaft in Bezug auf die ihm vorgeworfene strafbare Handlung unter detaillierter und ausführlicher Schilderung der konkret zugrundeliegenden Verkehrssituation grundsätzlich stets eingestanden und seine diesbezüglichen Aussagen und damit auch sein Geständnis erst in bzw. mit der Berufungserklärung ohne weitere Grundangabe widerrufen. Der Widerruf des Geständnisses sei daher in Würdigung aller Umstände nicht beachtlich und auf das mehrfach wiederholte Geständnis, Lenker des Fahrzeugs gewesen zu sein, könne abgestellt werden, weil keine Hinweise bestünden, dass dieses nicht der Wahrheit entspräche. Die Sachverhaltsfeststellung der ersten Instanz, wonach es unbestritten sei, dass der Beschwerdeführer Lenker des Fahrzeugs sei, sei damit nicht willkürlich. Der Vorwurf des Beschwerdeführers, seine Aussagen seien aus dem Kontext gerissen worden und es sei "nur das davon verwendet" worden, was zu einer Verurteilung führe, ist unbegründet; die Aussagen des Beschwerdeführers wurden gegenteils umfassend und nachvollziehbar gewürdigt. Zusammenfassend hat die Vorinstanz eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung durch die Erstinstanz rechtsfehlerfrei verneinen dürfen. Auf die Fotografien wurde für die Frage, wer das Auto gelenkt hat, im Übrigen zu Recht nicht abgestellt. Dass und inwiefern dem Beschwerdeführer das rechtliche Gehör verweigert worden sein soll, ist weder dargetan noch ersichtlich. Die Beschwerde ist im Verfahren nach Art. 109 BGG abzuweisen, soweit sie den Begründungsanforderungen (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG) zu genügen vermag. 
 
5.  
Ausgangsgemäss sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist in Anwendung von Art. 64 BGG abzuweisen, weil die Rechtsbegehren aussichtslos erschienen. Der finanziellen Lage des Beschwerdeführers ist durch eine herabgesetzte Gerichtsgebühr Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 21. Juli 2022 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari 
 
Die Gerichtsschreiberin: Arquint Hill