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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_991/2021  
 
 
Urteil vom 21. Dezember 2021  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Seiler, Präsident, 
Bundesrichter Donzallaz, 
Bundesrichter Hartmann, 
Gerichtsschreiber Kocher. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Kevin Russi, 
 
gegen  
 
Steuerverwaltung des Kantons Graubünden, 
Steinbruchstrasse 18, 7001 Chur. 
 
Gegenstand 
Staats- und Gemeindesteuern des Kantons Graubünden, Steuerperioden 2007 bis 2015, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden, 4. Kammer, vom 2. November 2021 (A 20 35). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. A.________ (nachfolgend: der Vermieter) ist Eigentümer einer Liegenschaft, die in der Gemeinde U.________/GR gelegen ist. Ab dem Jahr 1995 vermietete er diese an B.________ (nachfolgend: der Mieter). Im kantonalen Verfahren führte der Vermieter dazu aus, dass der Mietzins ursprünglich Fr. 8'000.-- pro Monat bzw. Fr. 96'000.-- pro Jahr betragen haben soll. In den Jahren 1997 bis 2002 sei der Mieter seiner Mietzinspflicht zwar nicht mehr regelmässig, insgesamt aber doch vollständig nachgekommen. Ab dem Jahr 2003 habe er den Mietzins dann nur noch teilweise beglichen, sodass am Ende des Jahres 2005 ein Ausstand von rund Fr. 280'000.-- vorgelegen habe. Im November 2005 sei er, der Vermieter, erstmals anwaltlich gegen den Mieter vorgegangen, um die Auflösung des Mietvertrages zu erwirken. Aufgrund von Zusicherungen, Schuldanerkennungen und Versprechen habe er von weiteren Schritten aber abgesehen. Entsprechend habe er in den Steuererklärungen zu den nunmehr streitbetroffenen Steuerperioden 2007 bis 2015 den Mietzins jeweils vollumfänglich deklariert. Die Steuerverwaltung des Kantons Graubünden (KSTV/GR; nachfolgend: die Veranlagungsbehörde) übernahm dies. Alle diese Veranlagungsverfügungen sind unangefochten in Rechtskraft erwachsen.  
 
1.2. Ende Mai 2018 leitete der Vermieter gegen den Mieter die Schuldbetreibung ein. Das Betreibungsamt stellte am 29. Oktober 2019 über den Betrag von Fr. 1'818'900.-- eine Pfändungsurkunde als Verlustschein aus. Zuvor hatte die Veranlagungsbehörde die Steuerperiode 2016 veranlagt. Nachdem der Vermieter in dieser Steuererklärung die Mietzins nicht mehr deklariert hatte, schloss die Veranlagungsbehörde sich der Deklaration an (Veranlagungsverfügung vom 25. März 2019). Am 11. November 2019 beantragte der Steuerpflichtige bei der Veranlagungsbehörde, die Veranlagungsverfügungen zu den Steuerperioden 2007 bis und mit 2015 seien dahingehend zu revidieren, dass die nicht eingebrachten Mietzinse aus der Veranlagung zu entfernen seien. Die Veranlagungsbehörde veranlagte am 18. Februar 2020 die Steuerperiode 2017, dies wiederum unter Ausschluss der geschuldeten Mietzinse, und trat am 15. Juli 2020 auf das Revisionsgesuch, sowohl die Staats- und Gemeindesteuern des Kantons Graubünden als auch die direkte Bundessteuer betreffend, nicht ein. Die Begründung ging dahin, dass es dem Vermieter ohne Weiteres möglich gewesen wäre, fristgerecht Einsprache gegen die jeweilige Veranlagungsverfügung zu erheben und geltend zu machen, dass der Mietzins nicht beglichen worden sei.  
 
1.3.  
 
1.3.1. Der Vermieter erhob am 14. August 2020 Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, wobei er hauptsächlich geltend machte, im Zeitpunkt der jeweiligen Deklaration habe er von den finanziellen Verhältnissen des Mieters (noch) keine Kenntnis gehabt, weshalb auch kein Anlass bestanden habe, Einsprache zu erheben.  
 
1.3.2. Mit Entscheid A 20 35 vom 2. November 2021 trat das Verwaltungsgericht auf die Beschwerde, soweit die direkte Bundessteuer betreffend, sinngemäss nicht ein. Anlass gab der Umstand, dass das Einspracheverfahren, das im Bereich der direkten Bundessteuer zwingend vorgeschrieben ist, noch nicht durchlaufen worden war. Die Beschwerde bezüglich der Staats- und Gemeindesteuern des Kantons Graubünden, Steuerperioden 2007 bis und mit 2015, wies es ab.  
 
1.3.3. Das Verwaltungsgericht erwog, die 90-tägige Frist zur Anhebung eines Revisionsgesuchs habe - entgegen dem Vermieter - nicht erst mit der Ausstellung des Verlustscheins vom 29. Oktober 2019 zu laufen begonnen, sondern früher. Der Mieter sei seinen vertraglichen Pflichten ab dem Jahr 2003, wenn überhaupt, nur noch sporadisch nachgekommen. Der Vermieter habe vernünftigerweise nicht mehr davon ausgehen dürfen, dass die Mietzinsforderungen ungefährdet seien. Seinen Beteuerungen, wonach er bis zum 29. Oktober 2019 um die allgemeine schlechte Zahlungsmoral des Mieters nicht gewusst habe, seien nicht stichhaltig. Bei der ihm zumutbaren Sorgfalt hätte der Vermieter schon während der Dauer der streitbetroffenen Veranlagungsverfahren erkennen müssen, dass mit einem Zahlungseingang nicht (mehr) zu rechnen sei. Entsprechend habe er mit seinem Revisionsgesuch vom 11. November 2019 die 90-tägige Frist nicht wahren können.  
 
1.4. Mit Eingabe vom 6. Dezember 2021 erhebt der Vermieter beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Er beantragt, dass das Bundesgericht die streitbetroffenen Veranlagungsverfügungen in Revision zu ziehen bzw. die Veranlagungsbehörde anzuweisen habe, auf das Revisionsgesuch einzutreten. Eventualiter sei der angefochtene Entscheid aufgrund des "besonders stossenden, dem Gerechtigkeitsempfinden geradezu zuwiderlaufenden Ergebnisses" aufzuheben und antragsgemäss neu zu entscheiden oder die Sache zur Neubeurteilung an die Veranlagungsbehörde zurückzuweisen.  
 
1.5. Der Abteilungspräsident als Instruktionsrichter (Art. 32 Abs. 1 BGG [SR 173.110]) hat von Instruktionsmassnahmen, insbesondere einem Schriftenwechsel (Art. 102 Abs. 1 BGG), abgesehen.  
 
2.  
 
2.1. Die Voraussetzungen der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 lit. a, Art. 83 e contrario, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2, Art. 89 Abs. 1, Art. 90 und Art. 100 Abs. 1 BGG in Verbindung mit Art. 73 StHG [SR 642.14]) sind gegeben. Auf die Beschwerde ist grundsätzlich einzutreten. Nicht einzutreten ist darauf, soweit der Beschwerdeführer beantragt, das Bundesgericht habe die Revision in eigener Kompetenz vorzunehmen. Revisionsgesuche sind an die Behörde zu richten, die den revisionsbetroffenen Entscheid erlassen hat (iudex a quo; Urteil 2C_629/2021 vom 19. Oktober 2021). Das Bundesgericht kann im Rahmen der nachträglichen Verwaltungsrechtspflege (Urteil 2C_1052/2020 vom 19. Oktober 2021 E. 2.2.3) lediglich prüfen, ob die Vorinstanz bundesrechtskonform vorgegangen sei.  
 
2.2. Das Bundesgericht wendet das Bundesgesetzesrecht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG) und prüft es mit uneingeschränkter (voller) Kognition (Art. 95 lit. a BGG; BGE 147 II 300 E. 1).  
 
2.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG; BGE 147 V 124 E. 1.1). Es stellt deshalb grundsätzlich auf die sachverhaltlichen Elemente im Zeitpunkt des angefochtenen Entscheids ab (BGE 147 II 49 E. 3.3). Die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen können von Amtes wegen oder auf Rüge hin berichtigt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 105 Abs. 2 und Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 147 V 16 E. 4.1.1). "Offensichtlich unrichtig" ist mit "willkürlich" gleichzusetzen (zum Ganzen: BGE 146 IV 88 E. 1.3.1). Tatfrage ist auch die Beweiswürdigung, namentlich die antizipierte Beweiswürdigung (BGE 146 V 240 E. 8.2). Die Anfechtung der vorinstanzlichen Feststellungen unterliegt der qualifizierten Rüge- und Begründungsobliegenheit (BGE 147 IV 73 E. 4.1.2).  
 
3.  
 
3.1. Streitig und zu prüfen ist, ob der Vermieter mit seinem Revisionsgesuch vom 11. November 2019 die 90-tägige Frist gemäss Art. 51 Abs. 2 StHG bzw. dem gleichlautenden Art. 142 Abs. 1 des Steuergesetzes (des Kantons Graubünden) vom 8. Juni 1986 (StG/GR; BR 720.000) zu wahren vermocht hat. Das Steuerrecht des Kantons Graubünden stimmt insoweit mit der harmonisierungsrechtlichen Vorgabe überein.  
 
3.2.  
 
3.2.1. Eine rechtskräftige Verfügung oder ein rechtskräftiger Entscheid kann auf Antrag oder von Amtes wegen zugunsten des Steuerpflichtigen insbesondere dann revidiert werden, wenn erhebliche Tatsachen oder entscheidende Beweismittel entdeckt werden (Art. 51 Abs. 1 lit. a StHG). Die Revision ist aber von vornherein ausgeschlossen, wenn die antragstellende Person als Revisionsgrund vorbringt, was sie bei der ihr zumutbaren Sorgfalt schon im ordentlichen Verfahren hätte geltend machen können (Art. 51 Abs. 2 StHG). Das Revisionsbegehren muss in jedem Fall innert 90 Tagen nach Entdeckung des Revisionsgrundes, spätestens aber innert zehn Jahren nach Eröffnung der Verfügung oder des Entscheides eingereicht werden (Art. 51 Abs. 3 StHG).  
 
3.2.2. Mit Blick auf die zehnjährige absolute Verjährung können vorliegend einzig Veranlagungsverfügungen in Betracht fallen, die seit dem 11. November 2009 eröffnet worden sind. Ob dies auf alle streitbetroffenen Veranlagungsverfügungen zutrifft, musste die Vorinstanz nicht ausdrücklich prüfen, nachdem sie zum Ergebnis gelangt war, dass schon die relative Frist von 90 Tagen nicht gewahrt sei. Wie es sich mit der absoluten Verjährung verhält, kann auch hier offenbleiben, nachdem die Beschwerde abzuweisen ist, wie zu zeigen bleibt.  
 
3.2.3. Die Vorinstanz hat die Sachumstände einer umfassenden Beweiswürdigung unterzogen und festgestellt, dass der Vermieter längst hätte erkennen müssen, in welch (ungünstiger) finanzieller Lage der Mieter sich befinde und dass deshalb mit einer substanziellen Zahlung nicht (mehr) zu rechnen sei. Diese Einschätzung ist jedenfalls nicht offensichtlich unrichtig (vorne E. 2.3) : Der Vermieter will zwar auf die steten Zusicherungen des Mieters und Dritter vertraut haben und sieht sich heute als Opfer eines "täuschenden Verhaltens", das schon im Jahr 2005 eingesetzt habe. Dies alles wirkt wenig überzeugend, mussten sich ernsthafte Zweifel an der Zahlungsbereitschaft bzw. Solvenz des Mieters doch spätestens Ende 2005 einstellen, als bereits Ausstände von Fr. 280'000.-- aufgelaufen waren. Vernünftiges Geschäftsgebaren hätte darin bestanden, spätestens ab diesem Zeitraum einschneidendere Massnahmen zu ergreifen und gegebenenfalls den Rat einer Fachperson einzuholen. Der Vermieter spricht zwar davon, dass er einen Rechtsanwalt beigezogen habe, konkrete Schritte sind aber nicht nachgewiesen. Mit Blick auf die Höhe des Mietzinses von Fr. 96'000.-- pro Jahr, der im Jahr 2006 auf Fr. 78'000.-- pro Jahr herabgesetzt worden sei, wie der Vermieter im bundesgerichtlichen Verfahren vorträgt, wäre es wohl ein Leichtes gewesen, den Mietvertrag aufzulösen und gegebenenfalls auf eine Exmission hinzuwirken. Gründe für eine Mieterstreckung dürften bei Mietobjekten dieser Grössenordnung von vornherein nicht ernstlich in Betracht fallen. Der Vermieter scheint die fehlende Zahlungsbereitschaft des Mieters weitgehend untätig hingenommen zu haben.  
 
3.2.4. Verfassungsrechtlich haltbar durfte die Vorinstanz den Einwand, die wahre finanzielle Lage sei erst mit dem Verlustschein vom 29. Oktober 2019 erkennbar geworden, als Schutzbehauptung würdigen. Angesichts der ausbleibenden Zahlungen hätte es auch einer gutgläubigen Person allmählich klar werden müssen, dass an der Einbringlichkeit zumindest ganz erhebliche Zweifel bestehen. Was die Steuererklärungen betrifft, wäre vom Vermieter zu erwarten gewesen, dass er bei der ihm zumutbaren Sorgfalt davon abgesehen hätte, die nicht erbrachten Mietzinse weiterhin zu deklarieren bzw. rechtzeitig Einsprache zu erheben und hinsichtlich der rechtskräftigen Veranlagungsverfügungen umgehend ein Revisionsgesuch zu stellen. Damit ist es bundesrechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz die Beschwerde mit Bezug auf Art. 51 Abs. 3 StHG abgewiesen hat.  
 
3.2.5. Der Vermieter beruft sich für diesen Fall auf ein "besonders stossendes, dem Gerechtigkeitsempfinden geradezu zuwiderlaufendes Ergebnis". Entgegen seiner Ansicht unterliegen die gesetzlichen Revisionsgründe einem Numerus clausus (BGE 142 II 433 E. 3.1). Das besonders streng ausgebildete abgaberechtliche Legalitätsprinzip (Art. 127 Abs. 1 BV; BGE 144 II 454 E. 3.4; 143 II 87 E. 4.5; 142 II 182 E. 2.2.1) lässt weder aussergesetzliche noch übergesetzliche Revisionsgründe zu. Weitere Aufhebungs- oder Abänderungsgründe als die im Gesetz genannten sind folglich ausgeschlossen und können weder von der steuerpflichtigen Person noch von der öffentlichen Hand angerufen werden (ausführlich dazu Urteil 2C_629/2021 vom 19. Oktober 2021 E. 2.4.5 mit Hinweisen).  
 
3.3. Die Beschwerde erweist sich mithin als offensichtlich unbegründet. Die Sache kann im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG entschieden werden.  
 
4.  
Nach dem Unterliegerprinzip sind die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 65 in Verbindung mit Art. 66 Abs. 1 BGG). Dem Kanton Graubünden, der in seinem amtlichen Wirkungskreis obsiegt, steht keine Parteientschädigung zu (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, 4. Kammer, und der Eidgenössischen Steuerverwaltung mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 21. Dezember 2021 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Seiler 
 
Der Gerichtsschreiber: Kocher