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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
1C_637/2019  
 
 
Urteil vom 22. Juni 2020  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Chaix, Präsident, 
Bundesrichter Kneubühler, Haag, 
Gerichtsschreiberin Hänni. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt 
des Kantons Bern. 
 
Gegenstand 
Entzug des Führerausweises für Motorfahrzeuge / Anordnung von Verkehrsunterricht, 
 
Beschwerde gegen das Urteil der Rekurskommission 
des Kantons Bern für Massnahmen gegenüber Fahrzeugführerinnen und Fahrzeugführern 
vom 18. September 2019 (300.2019.28). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Am 7. August 2018 um ca. 21 Uhr abends fuhr A.________ mit seinem Personenwagen auf der Autobahn A13 auf dem Verzögerungsstreifen der Ausfahrt Sennwald. In einer Rechtskurve verlor er die Herrschaft über sein Fahrzeug und kollidierte mit einem Verkehrsteiler. Am 6. Dezember 2018 bestrafte ihn die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen wegen Verletzung der Verkehrsregeln (Art. 90 Abs. 1 SVG) mit einer Busse von Fr. 400.--. Diese Verfügung erwuchs in Rechtskraft. 
 
2.   
Am 18. Januar 2019 entzog das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons Bern (SVSA) A.________ den Führerausweis wegen einer mittelschweren Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften für die Dauer von vier Monaten und ordnete einen Tag Verkehrsunterricht an. 
Gegen diesen Entscheid hat A.________ bei der Rekurskommission des Kantons Bern für Massnahmen gegenüber Fahrzeugführerinnen und Fahrzeugführern (Rekurskommission) Beschwerde geführt und beantragt, es sei von einer leichten Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften auszugehen und ihm der Führerausweis bloss für die Dauer von einem Monat zu entziehen. Die Rekurskommission hat die Beschwerde mit Urteil vom 18. September 2019 abgewiesen. 
 
3.   
Mit Eingabe vom 5. Dezember 2019 führt A.________ Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen diesen Entscheid. Er beantragt im Wesentlichen die unentgeltliche Rechtspflege sowie die Aufhebung des angefochtenen Entscheids. 
Die Rekurskommission, das SVSA und das Bundesamt für Strassen ASTRA beantragen die Abweisung der Beschwerde. 
Mit Eingabe vom 12. Juni 2020 beantragt der Beschwerdeführer, seine Anwaltskosten seien vollumfänglich dem Strassenverkehrsamt Bern anzulasten. 
 
4.   
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid über einen Führerausweisentzug. Dagegen steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nach Art. 82 ff. BGG offen; ein Ausnahmegrund ist nicht gegeben (Art. 83 BGG). Der Beschwerdeführer ist offensichtlich zum Rechtsmittel befugt (Art. 89 Abs. 1 BGG). Soweit er allerdings die unentgeltliche Rechtspflege beantragt, ist auf dieses Begehren mangels Begründung nicht einzugehen (Art. 42 Abs. 2 BGG). Dasselbe gilt für den Hinweis auf seine "sehr schwierige, existenzbedrohende Situation", den er nicht weiter begründet. Der Antrag betreffend Auferlegung der Anwaltskosten ist ausserdem verspätet (Art. 100 Abs. 1 BGG). 
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Von den tatsächlichen Grundlagen des vorinstanzlichen Urteils weicht es nur ab, wenn diese offensichtlich unrichtig - d.h. willkürlich - sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen und die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG; BGE 142 I 135 E. 1.6 S. 145; BGE 140 III 16 E. 1.3.1 S. 17 f.). 
 
5.   
Der Beschwerdeführer schildert in seiner Rechtsmitteleingabe eingehend den Unfallhergang aus seiner Sicht, ohne der Vorinstanz allerdings eine offensichtlich unrichtige oder eine unvollständige Sachverhaltsfeststellung vorzuwerfen. Das ist, wie soeben ausgeführt, unzulässig. Das Bundesgericht ist damit an die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz gebunden. 
 
6.   
Wenn der Beschwerdeführer geltend macht, die Unterscheidung zwischen leichter und mittelschwerer Widerhandlung gegen das SVG sei sachlich nicht vertretbar bzw. nicht nachvollziehbar, ist ihm entgegen zu halten, dass das Gesetz in Art. 16a und 16b SVG gerade diese Unterscheidung selbst trifft und die rechtsanwendenden Behörden sich daran zu halten haben. 
Gemäss Art. 16a Abs. 1 lit. a SVG begeht eine leichte Widerhandlung, wer durch Verletzung von Verkehrsregeln bloss eine geringe Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft und ihn dabei nur ein leichtes Verschulden trifft. Eine mittelschwere Widerhandlung nach Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG begeht demgegenüber, wer durch Verletzung von Verkehrsregeln eine Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt. Diesfalls fehlt mindestens eines der beiden privilegierenden Elemente (geringe Schuld oder geringe Sicherheitsgefährdung) von Art. 16 Abs. 1 lit. a SVG (BGE 136 II 447 E. 3.2 S. 451 f.; Urteile 1C_320/2018 vom 14. Januar 2019 E. 2.2; 1C_266/2014 vom 17. Februar 2015 E. 3.3 und 3.4). Die Vorinstanz musste damit zwingend prüfen, welche Folgen das Fehlverhalten des Beschwerdeführers hätte mit sich bringen können. Sein Vorwurf, die Rekurskommission habe sich mit "Eventualitäten" befasst statt mit dem tatsächlich Vorgefallenen, geht damit an der Sache vorbei. 
 
7.   
Die Vorinstanz hat befunden, der Beschwerdeführer habe trotz einer signalisierten Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h bei Dämmerung und starkem Regen und folglich einer nassen Fahrbahn die Kurve mit einer Geschwindigkeit von zwischen 40 und 50 km/h befahren, dies obwohl er ortsunkundig gewesen und mit einem älteren, ihm noch nicht vertrauten und nicht über die modernen Sicherheitssysteme verfügenden Fahrzeug unterwegs gewesen sei. Bei diesem Verhalten könne nicht mehr von einer bloss leichten Unachtsamkeit die Rede sein. Sein Verhalten müsse vielmehr als pflichtwidrig unvorsichtig bezeichnet werden, weshalb das SVSA zurecht von einer mittelschweren Widerhandlung im Sinne von Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG ausgegangen sei. Diese Erwägungen sind bundesrechtlich nicht zu beanstanden. 
 
8.   
Damit erweist sich die Beschwerde als unbegründet. Sie ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 BGG). Parteientschädigungen sind nicht zu sprechen (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 1'500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons Bern, der Rekurskommission des Kantons Bern für Massnahmen gegenüber Fahrzeugführerinnen und Fahrzeugführern und dem Bundesamt für Strassen Sekretariat Administrativmassnahmen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 22. Juni 2020 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Chaix 
 
Die Gerichtsschreiberin: Hänni