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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
6B_871/2020  
 
 
Urteil vom 22. September 2020  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Gerichtsschreiber Held. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Philip Stolkin, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Solothurn, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Einstellung (aussergewöhnlicher Todesfall); Nichteintreten, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts 
des Kantons Solothurn, Beschwerdekammer, vom 26. Juni 2020 (BKBES.2020.2). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Tochter der Beschwerdeführerin befand sich seit dem 19. Dezember 2018 aufgrund einer chronischen therapieresistenten Depression in Behandlung bei den Psychiatrischen Diensten Solothurn. Am 12. Januar 2019 begab sie sich in suizidaler Absicht auf Bahngleise und erlag 23. Januar 2019 den Folgen des Bahnunfalls. 
 
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn verfügte am 13. Dezember 2019 die Einstellung des von ihr wegen der Ereignisse vom 12. Januar 2019 eröffneten Strafverfahrens. Die von der Beschwerdeführerin gegen die Einstellungsverfügung erhobene Beschwerde wies die Vorinstanz mit Beschluss vom 26. Juni 2020 kostenfällig ab. 
 
2.   
Die Beschwerdeführerin beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, der Beschluss der Vorinstanz sei aufzuheben und die kantonalen Straf (verfolgungs) behörden seien anzuweisen, Anklage gegen unbekannt zu erheben. 
 
3.  
 
3.1. Gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG ist die Privatklägerschaft zur Beschwerde in Strafsachen nur berechtigt, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG). Als Zivilansprüche im Sinne der Vorschrift gelten Ansprüche, die ihren Grund im Zivilrecht haben und deshalb ordentlicherweise vor dem Zivilgericht durchgesetzt werden müssen (BGE 146 IV 76 E. 3.1 S. 82; 141 IV 1 E. 1.1 S. 4). Hingegen können öffentlich-rechtliche Ansprüche, auch solche aus Staatshaftungsrecht, nicht adhäsionsweise im Strafprozess geltend gemacht werden und zählen demnach nicht zu den Zivilansprüchen im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG (BGE 146 IV 76 E. 3.1; 131 I 455 E. 1.2.4; je mit Hinweisen).  
 
3.2. Unbekümmert um die fehlende Legitimation in der Sache selbst kann die Privatklägerschaft die Verletzung ihr zustehender Verfahrensrechte geltend machen, deren Missachtung eine formelle Rechtsverweigerung bedeutet. Unzulässig sind Rügen, deren Beurteilung von der Prüfung in der Sache nicht getrennt werden kann und die im Ergebnis auf eine materielle Überprüfung des angefochtenen Entscheids abzielen ("Star-Praxis"; BGE 141 IV 1 E. 1.1; 138 IV 78 E. 1.3).  
 
4.   
Die Beschwerdeführerin ist zur Beschwerde in Strafsachen nicht legitimiert. 
 
4.1. Wie die Beschwerdeführerin zutreffend einräumt, kann sich der angefochtene Entscheid, mit dem die Vorinstanz die Verfahrenseinstellung der Staatsanwaltschaft schützt, nicht auf die Beurteilung von Zivilforderungen auswirken. Eine strafrechtliche Verantwortung könnte lediglich Mitarbeiter der Psychiatrischen Dienste treffen, in deren Behandlung sich die Tochter der Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt des Ereignisse befand. Die Psychiatrischen Dienste gehören zur Solothurner Spitäler AG. Gemäss § 19bis des Spitalgesetzes des Kantons Solothurn vom 12. Mai 2004 (SpiG/SO; BGS 817.11) richtet sich die Haftung der Aktiengesellschaft und ihres Personals nach dem kantonalen Gesetz über die Haftung des Staates, der Gemeinden, der öffentlich-rechtlichen Körperschaften und Anstalten und die Verantwortlichkeit der Behörden, Beamten und öffentlichen Angestellten und Arbeiter vom 26. Juni 1966 (Verantwortlichkeitsgesetz/SO; BGS 124.21; vgl. auch § 1 Abs. 3 VG/SO). Gemäss § 2 VG/SO haftet der Staat für den Schaden, den ein Beamter in Ausübung seiner amtlichen Tätigkeit Dritten widerrechtlich mit oder ohne Verschulden zufügt und der Geschädigte kann Beamte nicht unmittelbar belangen.  
 
Soweit die Beschwerdeführerin die in Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG getroffenen Regelung kritisiert und eine Verletzung des Gleichheitssatzes geltend macht, dringt sie nicht durch. Das Bundesgericht hat sich vor kurzem im Leitentscheid vom 13. November 2019 ausführlich mit der Problematik unter Berücksichtigung der teils kritischen Lehre auseinandergesetzt. Es hat seine bisherige Rechtsprechung erneut bestätigt, wonach die Privatklägerschaft keine Zivilansprüche i.S.v. Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG geltend machen kann, wenn eine Körperschaft des öffentlichen Rechts für die der beschuldigten Person vorgeworfenen Handlungen haftet, und auch eine damit verbundene ungerechtfertigte Ungleichbehandlung verneint (BGE 146 IV 76 E. 3). Für den vorliegend in rechtlicher Hinsicht identisch gelagerten Fall kann vollumfänglich auf den Leitentscheid verwiesen werden. Dies gilt auch, soweit die Beschwerdeführerin ihre Legitimation zur Beschwerde in Strafsachen unter verschiedenen Titeln direkt aus der EMRK ableiten möchte. 
 
4.2. Verletzungen der ihr im Strafverfahren eingeräumten Verfahrens- und Parteirechte, deren Missachtung eine formelle Rechtsverweigerung bedeutet und die nicht auf eine materielle Überprüfung des angefochtenen Entscheids abzielen, bringt die Beschwerdeführerin nicht vor.  
 
4.3. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ist auf die von ihr vorgebrachten Rügen auch nicht im Rahmen der subsidiären Verfassungsbeschwerde gemäss Art. 113 ff. BGG einzutreten. Diese steht nicht offen, wenn die Beschwerde in Strafsachen gegeben ist und kommt zudem nicht in Betracht, wenn auf die Beschwerde mangels Legitimation nicht einzutreten ist (vgl. Urteile 6B_730/2017 vom 7. März 2018 E. 1.1; 6B_1018/2017 vom 2. Oktober 2017 E. 2).  
 
5.   
Auf die Beschwerde ist im Verfahren nach Art. 108 BGG nicht einzutreten. Auf eine Kostenauflage kann ausnahmsweise verzichtet werden (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt der Präsident:  
 
1.   
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.   
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Solothurn, Beschwerdekammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 22. September 2020 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Der Gerichtsschreiber: Held