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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_312/2017  
   
   
 
 
 
Urteil vom 22. November 2017  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin, 
Gerichtsschreiberin Berger Götz. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Volker Pribnow, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Aargau, 
Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau 
vom 14. März 2017 (VBE.2016.680). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Der 1960 geborene A.________ war zuletzt vom 1. September 2012 bis 31. August 2013 bei der B.________ AG als Verkaufsberater im Aussendienst angestellt. Am 3. September 2013 meldete er sich unter Hinweis auf ein Schlafapnoe-Syndrom und einen Bandscheibenvorfall bzw. eine Diskushernie zum Bezug von Leistungen der Invalidenversicherung an. Die IV-Stelle des Kantons Aargau klärte die erwerblichen und medizinischen Verhältnisse ab, insbesondere holte sie ein polydisziplinäres Gutachten der Swiss Medical Assessment- and Business-Center AG, St. Gallen (nachfolgend: SMAB AG), vom   2. Mai 2016 ein. Nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens verneinte sie mit Verfügung vom 11. Oktober 2016 einen Rentenanspruch unter Hinweis auf einen 30%igen Invaliditätsgrad. 
 
B.   
In teilweiser Gutheissung der dagegen erhobenen Beschwerde änderte das Versicherungsgericht des Kantons Aargau die Verfügung vom 11. Oktober 2016 insoweit ab, als es A.________ für die Zeit vom 1. April bis 31. Oktober 2014 eine ganze Rente zusprach (Entscheid vom 14. März 2017). 
 
C.   
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, der angefochtene Entscheid sei insoweit aufzuheben, als ihm ab 1. November 2014 keine Invalidenrente gewährt worden sei, und es sei ihm ab 1. November 2014 eine Viertelsrente zuzusprechen. 
Während die IV-Stelle ohne weitere Ausführungen auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Stellungnahme. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).  
 
1.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).  
 
2.   
Die für die Beurteilung relevanten Rechtsgrundlagen sind im angefochtenen Gerichtsentscheid zutreffend dargelegt worden. Dies betrifft namentlich die Bestimmungen und Grundsätze zu den Begriffen der Invalidität (Art. 4 Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 ATSG) und Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG) sowie zum Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 28 IVG). Richtig sind auch die Ausführungen zum Beweiswert und zur Beweiswürdigung medizinischer Berichte und Gutachten (BGE 137 V 210 E. 6.2.2 S. 269; 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3 S. 352 mit Hinweisen). Darauf wird verwiesen. 
 
3.   
Streitig ist einzig, ob ein leidensbedingter Abzug vom tabellarisch ermittelten Invalideneinkommen zu gewähren ist. 
 
3.1. Wird das Invalideneinkommen auf der Grundlage der Lohnstrukturerhebung des Bundesamtes für Statistik (LSE) ermittelt, ist der entsprechende Ausgangswert allenfalls zu kürzen. Ohne für jedes zur Anwendung gelangende Merkmal separat quantifizierte Abzüge vorzunehmen, ist der Einfluss aller Merkmale auf das Invalideneinkommen (leidensbedingte Einschränkung, Alter, Dienstjahre, Nationalität/ Aufenthaltskategorie und Beschäftigungsgrad) unter Würdigung der Umstände im Einzelfall nach pflichtgemässem Ermessen gesamthaft zu schätzen. Der Abzug darf 25 % nicht übersteigen (BGE 135 V 297 E. 5.2 S. 301 mit Hinweisen). Ob und in welcher Höhe statistische Tabellenlöhne herabzusetzen sind, hängt von sämtlichen persönlichen und beruflichen Umständen des Einzelfalles ab, die nach pflichtgemässem Ermessen gesamthaft zu schätzen sind. Ob ein (behinderungsbedingter oder anderweitig begründeter) Abzug vom hypothetischen Invalideneinkommen vorzunehmen sei, ist eine Rechtsfrage. Demgegenüber stellt die Höhe des Abzuges eine typische Ermessensfrage dar (Urteil 8C_381/2017 vom 7. August 2017 E. 4.1.1).  
 
3.2. Das kantonale Gericht gelangte nach umfassender Würdigung der medizinischen Unterlagen zur Auffassung, dass die gesundheitlichen Einschränkungen bereits bei der Bemessung der Arbeitsfähigkeit sowie im angegebenen Profil einer Verweistätigkeit hinreichend berücksichtigt seien. In einer angepassten Beschäftigung bestehe eine 90%ige Arbeitsfähigkeit, welche in einem Vollpensum verwertet werden könne. Die 10%ige Einschränkung sei dem vermehrten Bedarf an Pausen und Ruhezeiten geschuldet. Das fortgeschrittene Alter wirke gemäss der verwendeten LSE 2012, Tabelle TA1, bei Männern lohnerhöhend, dies unabhängig davon, ob vom Totalwert oder von der Berufsgruppe "Dienstleistungsberufe und Verkaufskräfte" ausgegangen werde (LSE 2012, Tabelle T17). Damit sei unter diesem Titel ebenfalls kein Abzug vorzunehmen. Gleiches gelte für die vom Beschwerdeführer erwähnte Mobilitätseinschränkung, soweit es sich dabei überhaupt um einen abzugsberechtigten Umstand handle. Es treffe nämlich nicht zu, dass er überhaupt nicht mehr Auto fahren dürfe. Vielmehr sei das Führen von Fahrzeugen bloss ab einer bestimmten Zeitdauer der Aktivität kontraindiziert. Genau hätten dies die Gutachter nicht quantifizieren können. Indes sei anzunehmen, dass eine halbstündige Fahrt ohne Weiteres möglich sei. Im Übrigen stehe es dem Versicherten frei und sei ihm zumutbar, den Arbeitsweg oder andere Strecken mittels öffentlicher Verkehrsmittel zu bewältigen. Die IV-Stelle habe bei Fehlen weiterer Aspekte, die einen leidensbedingten Abzug begründen könnten, zu Recht keinen solchen gewährt.  
 
 
3.3. Der Beschwerdeführer wendet ein, das kantonale Gericht habe Bundesrecht verletzt, indem es ihm im Hinblick auf seine Mobilitätseinschränkung und sein fortgeschrittenes Alter keinen Abzug gewährt habe. Unter Berücksichtigung eines entsprechenden Abzuges beim Invalideneinkommen bestehe Anspruch auf eine (unbefristete) Viertelsrente.  
 
3.3.1. Es trifft zu, dass gemäss Gutachten der SMAB AG vom 2. Mai 2016 die angestammte Tätigkeit als Verkaufs-Aussendienstmitarbeiter für Berufskleidung mit häufigen Autofahrten nicht mehr zumutbar ist. Dies hat das kantonale Gericht allerdings bereits berücksichtigt, indem es das Invalideneinkommen nicht anhand des effektiven Einkommens im bisherigen Beruf, sondern anhand von Tabellenlöhnen im Kompetenzniveau 2 berechnet hat. Bei solchen Hilfstätigkeiten, sei es unter der Rubrik "Total" oder auch im alternativ beigezogenen Wirtschaftszweig "Detailhandel", ist das Führen eines Motorfahrzeugs mehrheitlich nicht erforderlich. Da folglich aufgrund der Mobilitätseinschränkung keine Lohneinbusse zu gewärtigen ist, erübrigt sich die Diskussion, für welche Zeitdauer der Beschwerdeführer gesundheitsbedingt einen Personenwagen lenken darf. Die Einschätzung der Vorinstanz sodann, wonach er den Arbeitsweg - oder auch andere Strecken - mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegen könne, musste entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht weiter begründet werden. Weder der Gesundheitszustand noch der Wohnort, welcher mit einer Busverbindung an den öffentlichen Verkehr angeschlossen ist, sprechen gegen den Verzicht auf ein Motorfahrzeug für die Zurücklegung des Arbeitswegs und anderer Distanzen. Es kann deshalb mit der Vorinstanz offen bleiben, ob und allenfalls unter welchem Aspekt der Versicherte aus seiner Argumentation für den Leidensabzug überhaupt etwas ableiten könnte.  
 
3.3.2. Bezüglich Alter stellt der Beschwerdeführer fest, er sei bereits nahe am Pensionsalter. Er rügt, die Vorinstanz entleere das Konzept des leidensbedingten Abzugs seines Sinnes, wenn sie argumentiere, aus der LSE 2012 ergebe sich ein mit zunehmendem Alter höherer Verdienst. Es seien nämlich genau solche Nuancen, wie ein konkretes Alter in einer spezifischen Branche, welche durch die Lohnstatistiken nicht berücksichtigt werden könnten. Die Veränderungen des durchschnittlichen Lohnes mit zunehmendem Alter würden in der LSE nur anhand dreier Alterskategorien beurteilt. So möge ein 50jähriger in einem festen Anstellungsverhältnis einen höheren Lohnansatz erwarten als ein 35jähriger in derselben beruflichen Situation. Mit lediglich drei Alterskategorien werde aber den gerichtsnotorisch bekannten Schwierigkeiten eines wesentlich über 50jährigen Mannes, eine Anstellung zu finden, und den damit einhergehenden tieferen Lohnansätzen, gerade in weniger gut bezahlten Branchen, nicht Rechnung getragen.  
Das Alter ist im Zusammenhang mit dem Leidensabzug nur soweit zu berücksichtigen, wie es die Erwerbsaussichten in Verbindung mit dem versicherten Gesundheitsschaden zusätzlich schmälert. Davon kann mit Bezug auf den im Zeitpunkt des Verfügungserlasses erst 56 Jahre alten Versicherten entgegen seiner Ansicht nicht ausgegangen werden. Auch die Unterteilung der LSE-Tabelle TA17 in drei Kategorien (bis 29 Jahre/30 bis 49 Jahre/50 Jahre und älter) mit je steigenden Verdienstmöglichkeiten lässt sich nicht in Frage stellen. Denn wäre statistisch tatsächlich eine Tendenz zu erkennen, dass - gesunde - Mitarbeiter kurz vor dem Pensionsalter eine Lohneinbusse in Kauf nehmen müssten, so hätte das Bundesamt für Statistik für diese Erscheinung eine weitere Kategorie bilden müssen. Dass das Alter die Stellensuche faktisch negativ beeinflussen kann, muss als invaliditätsfremder Faktor grundsätzlich unberücksichtigt bleiben (Urteil 8C_808/2013 vom 14. Februar 2014 E. 7.3). 
 
3.4. Da die Kriterien für einen Leidensabzug nicht erfüllt sind, bleibt es bei der vom kantonalen Gericht befristet für die Zeit vom 1. April bis 31. Oktober 2014 zugesprochenen ganzen Rente. Ein weitergehender Rentenanspruch besteht nicht.  
 
4.   
Das Verfahren ist kostenpflichtig. Der unterliegende Beschwerdeführer hat die Kosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau, der Sammelstiftung C.________ für berufliche Vorsorge, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 22. November 2017 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Berger Götz