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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
6B_760/2019  
 
 
Urteil vom 23. Januar 2020  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichterin van de Graaf, 
Bundesrichterin Koch, 
Gerichtsschreiber Moses. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Tanja Knodel, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
1. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8090 Zürich, 
2. C.A.________, 
handelnd durch B.A.________, 
Beschwerdegegnerinnen. 
 
Gegenstand 
Sexuelle Handlung mit einem Kind, versuchte Schändung; Willkür; Anklagegrundsatz, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Strafkammer, vom 25. März 2019 (SB180231-O/U/cwo). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Das Bezirksgericht Uster erklärte A.A.________ am 28. November 2017 der sexuellen Handlung mit einem Kind und der versuchten Schändung zum Nachteil seiner damals zweijährigen Tochter C.A.________ sowie des Fahrens in fahrunfähigem Zustand schuldig. Es bestrafte ihn mit einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten, dessen Vollzug es zugunsten einer ambulanten Behandlung im Sinne von Art. 63 StGB aufschob. Das Bezirksgericht stellte ebenfalls fest, dass A.A.________ C.A.________ gegenüber dem Grundsatze nach schadenersatzpflichtig ist und verpflichtete ihn, ihr eine Genugtuung von Fr. 3'000.-- zu bezahlen. Gegen dieses Urteil erhob A.A.________ Berufung. 
 
B.  
Das Obergericht des Kantons Zürich stellte am 25. März 2019 fest, dass der Schuldspruch wegen Fahrens in fahrunfähigem Zustand in Rechtskraft erwachsen ist. Es erklärte A.A.________ der sexuellen Handlung mit einem Kind sowie der versuchten Schändung schuldig und bestrafte ihn mit einer bedingten Geldstrafe von 300 Tagessätzen zu Fr. 30.--. Von einer ambulanten Behandlung sah es ab. Im Zivilpunkt bestätigte es das erstinstanzliche Urteil. 
 
C.  
A.A.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, er sei vom Vorwurf der sexuellen Handlung mit einem Kind und der versuchten Schändung freizusprechen. Die Zivilklage sei abzuweisen, eventualiter auf den Zivilweg zu verweisen. Für das Verfahren vor dem Bundesgericht sei ihm die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu gewähren. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz kann vor Bundesgericht nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Offensichtlich unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (BGE 143 IV 241 E. 2.3.1). Willkür liegt vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist oder mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht. Dass eine andere Lösung oder Würdigung ebenfalls vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt für die Annahme von Willkür nicht (BGE 141 IV 305 E. 1.2). Dem Grundsatz  in dubio pro reo kommt in seiner Funktion als Beweiswürdigungsregel im Verfahren vor dem Bundesgericht keine über das Willkürverbot von Art. 9 BV hinausgehende Bedeutung zu (BGE 145 IV 154 E. 1.1). Eine entsprechende Rüge muss explizit vorgebracht und substanziiert begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG). Auf eine rein appellatorische Kritik am angefochtenen Urteil tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 142 III 364 E. 2.4).  
 
2.  
 
2.1. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Anklagegrundsatzes. In der Anklageschrift werde ihm vorgeworfen, er sei am Morgen des 28. August 2016 alkoholisiert in die damalige eheliche Wohnung zurückgekehrt und habe sich ins Bett gelegt. Danach habe sich seine Tochter zu ihm ins Bett gelegt. Zirka um 9.35 Uhr soll er angefangen haben, zu onanieren. Ausserdem soll er den Kopf seiner damals zweijährigen Tochter zu seinem Penis geführt und sie aufgefordert haben, diesen zu lecken. Zu diesem Zeitpunkt sei die Ehefrau ins Schlafzimmer getreten, weshalb es nicht zu dem von ihm Gewünschten gekommen sei. Die Anklageschrift suggeriere damit, dass sich seine Tochter bereits seit geraumer Zeit mit ihm im Bett befunden habe, bevor er angefangen haben soll, sich selbst zu befriedigen. Die Vorinstanz stelle hingegen fest, dass seine Ehefrau gegen 9.20 Uhr das Zimmer betreten und bemerkt habe, dass er am Onanieren gewesen sei. Nach der Vorinstanz sei es damit naheliegend, dass er zum Tatzeitpunkt rund 10 Minuten später bereits bzw. weiterhin am Onanieren gewesen sei, als seine Tochter das Zimmer betreten habe. Die Vorinstanz gehe damit von einem anderen Sachverhalt aus als in der Anklageschrift umschrieben. Es sei äusserst unwahrscheinlich und damit nicht anzunehmen, dass sich C.A.________ innerhalb von drei bis vier Sekunden zu ihm ins Bett gelegt haben soll und er erst dann angefangen haben soll, sich zu befriedigen und dazu noch den Kopf seiner Tochter an seinen Penis geführt haben soll.  
 
2.2. Nach dem Anklagegrundsatz (Art. 9 StPO) bestimmt die Anklageschrift den Gegenstand des Gerichtsverfahrens (Umgrenzungsfunktion). Das Gericht ist an den in der Anklage wiedergegebenen Sachverhalt gebunden (Immutabilitätsprinzip), nicht aber an dessen rechtliche Würdigung durch die Anklagebehörde (vgl. Art. 350 StPO). Die Anklage hat die der beschuldigten Person zur Last gelegten Delikte in ihrem Sachverhalt so präzise zu umschreiben, dass die Vorwürfe im objektiven und subjektiven Bereich genügend konkretisiert sind. Das Anklageprinzip bezweckt zugleich den Schutz der Verteidigungsrechte der beschuldigten Person und dient dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Informationsfunktion). Der Beschuldigte muss aus der Anklage ersehen können, wessen er angeklagt ist. Das bedingt eine zureichende Umschreibung der Tat. Entscheidend ist, dass der Betroffene genau weiss, welcher konkreter Handlungen er beschuldigt und wie sein Verhalten rechtlich qualifiziert wird, damit er sich in seiner Verteidigung richtig vorbereiten kann. Er darf nicht Gefahr laufen, erst an der Gerichtsverhandlung mit neuen Anschuldigungen konfrontiert zu werden (BGE 143 IV 63 E. 2.2 mit Hinweisen).  
Der vorinstanzliche Schuldspruch beruht auf der Tatsache, dass der Beschwerdeführer sich in unmittelbarer Nähe seiner Tochter selbst befriedigte und diese aufforderte, seinen Penis zu "schlecken" (Urteil, S. 21 f.). Dieser Sachverhalt ist in der Anklageschrift hinreichend umschrieben. Wann die Tochter das Zimmer betrat ist unter dem Blickwinkel der Tatbestandsverwirklichung belanglos. Eine Verletzung des Anklagegrundsatzes liegt damit nicht vor. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, es sei unwahrscheinlich, dass er die inkriminierten Handlungen in einem Zeitraum von drei bis vier Sekunden vorgenommen habe, erschöpfen sich seine Vorbringen in appellatorischer Kritik an der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellung, worauf nicht einzutreten ist. 
 
3.  
 
3.1. Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz gehe in Verletzung des Grundsatzes  in dubio pro reo von einer Blutalkoholkonzentration zum Tatzeitpunkt von 1.98 o/oo statt von einer von 2.18 o/oo aus (Beschwerde, S. 10 f.). Darüber hinaus habe die Vorinstanz seinen Antrag, den Gutachter mit Ergänzungsfragen zu konfrontieren, zu Unrecht abgelehnt. Ohne eine gutachterliche Beantwortung dieser Fragen könne die Vorinstanz nicht wissen, ob eine erhöhte Blutalkoholkonzentration oder eine mögliche Sexsomnie nicht zu einer anderen Einschätzung der Schuldfähigkeit führen würde (Beschwerde, S. 5 ff.).  
 
3.2. Die Vorinstanz stellt unter anderem fest, dass der Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt eine maximale Blutalkoholkonzentration von 1.98 o/oo aufwies. Bei diesem Wert würden grundsätzlich weder ein allgemeiner Persönlichkeitsabbau noch eine Bewusstseinseinengung auftreten. Schwere Störungen der Orientierung zu Person, Zeit und Ort seien in aller Regel ab 3 o/oo zu erwarten. Die Behauptung des Beschwerdeführers, er habe unbewusst im Alkoholrausch gehandelt, widerspreche damit nicht nur den allgemeinen medizinischen Erfahrungswerten, sondern insbesondere auch den gutachterlichen Feststellungen, wonach er vor der Tat noch in der Lage war, ein Auto zu führen. Diese Ausführungen würden auch gelten, wenn man - wie vom Beschwerdeführer geltend gemacht - von einer Blutalkoholkonzentration von 2.18 o/oo ausgehen würde. Die Vorinstanz erwägt ebenfalls, dass für die vom Beschwerdeführer vorgetragene Sexsomnie keine konkreten Hinweise bestehen würden. Der Beschwerdeführer habe selber ausdrücklich erklärt, dass er nicht glaube, im Schlaf onaniert zu haben und dass ihm in der Vergangenheit auch noch nie eine Partnerin gesagt habe, dass er dies tue (Urteil, S. 18 f.). Zu den Beweisanträgen erwägt die Vorinstanz, dass die Beweiswürdigung Sache des Gerichts sei. In deren Rahmen seien bereits sämtliche Sachverhaltsvarianten, welche den Beweisanträgen zugrunde liegen, verworfen worden. So habe weder eine höhere Blutalkoholkonzentration noch eine Sexsomnie festgestellt werden können. Mit Blick auf die gutachterliche Feststellung, wonach der Beschwerdeführer vor der Tat noch in der Lage gewesen sei, ein Auto zu führen, würde sich selbst bei einer höheren Blutalkoholkonzentration an der Beurteilung der Steuerungs- bzw. Schuldfähigkeit nichts ändern (Urteil, S. 22 f.). Im Ergebnis geht die Vorinstanz von einer alkoholbedingten mittelgradigen Minderung der Steuerungsfähigkeit bei erhaltener Einsichtsfähigkeit und damit von einer mittelgradig verminderten Schuldfähigkeit aus (Urteil, S. 25).  
Die Vorinstanz schliesst eine mehr als nur mittelgradig verminderte Steuerungs- und Schuldfähigkeit aufgrund des Umstandes aus, dass der Beschwerdeführer vor der Tat noch in der Lage war, ein Fahrzeug zu führen. Mit diesem Argument setzt sich der Beschwerdeführer nicht auseinander. Mangels hinreichender Begründung ist in diesem Punkt auf die Beschwerde nicht einzutreten. Damit erübrigt es sich, auf die Fragen einzugehen, ob die Blutalkoholkonzentration zum Tatzeitpunkt 1.98 o/oo oder 2.18 o/oo betrug und ob die Vorinstanz die damit verbundenen Beweisergänzungsanträge abweisen durfte. Dasselbe gilt auch hinsichtlich der Folgen einer allfälligen Sexsomnie. Der Beschwerdeführer setzt sich mit der Erwägung der Vorinstanz nicht auseinander, wonach er selber erklärt habe, dass er nicht glaube, im Schlaf onaniert zu haben und auch keine Partnerin ihm gesagt habe, dass er dies tue. 
 
4.  
 
4.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, B.A.________ habe der Polizei gesagt, sie sei sicher, dass der zur Diskussion stehende Vorfall der erste und bestimmt auch der letzte gewesen sei. Die sofortige Entlastung des Beschwerdeführers durch B.A.________, dass sie sicher sei, dass er solches weder in der Vergangenheit getan habe noch in Zukunft tun werde, könne nur dadurch erklärt werden, dass B.A.________ eben gerade wusste, dass in Bezug auf ihre Tochter nichts vorgefallen sei. Im angefochtenen Urteil sei bloss von einer entsprechenden Hoffnung die Rede. Die Vorinstanz gehe damit auf das Argument der Verteidigung nicht ein und zitiere die Aussage von B.A.________ dazu noch falsch. Dies stelle eine willkürliche Beweiswürdigung und eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör dar (Beschwerde, S. 9).  
 
4.2. Die Vorinstanz erwägt, der Beschwerdeführer habe unter anderem vorgebracht, dass die Aussage in der polizeilichen Einvernahme erstaune, wonach B.A.________ sich sicher sei, dass ein solcher Vorfall zum ersten und letzten Mal passiert sei. Es stelle sich - nach der Ansicht des Beschwerdeführers - die Frage, wie B.A.________ das wissen könne. Nachvollziehbar wäre gewesen, wenn sie als Mutter Bedenken geäussert hätte. Die Vorinstanz erachtet diesen Einwand als nicht überzeugend. B.A.________ habe davon abgesehen, den Beschwerdeführer übermässig zu belasten oder in ein schlechtes Licht zu rücken. Hätte sie dies gewollt, wäre eben genau ein solcher Anlass die Möglichkeit gewesen. Stattdessen habe sie die Hoffnung geäussert, dass so etwas nie passiert sei und wohl auch nie mehr passieren werde. Es wäre ihr tatsächlich ein Leichtes gewesen, den Beschwerdeführer übermässig zu belasten, was sie allerdings nicht getan habe. Mit dieser Argumentation setzt sich die Vorinstanz mit dem Einwand des Beschwerdeführers hinreichend auseinander. Dass sie dabei die Äusserung von B.A.________ als "Hoffnung" bezeichnet, ändert daran nichts. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, die Wortwahl von B.A.________ sei entlarvend für eine Falschaussage, erschöpfen sich seine Vorbringen in unzulässiger, appellatorischer Kritik.  
 
5.  
 
5.1. Der Beschwerdeführer rügt, er habe eine Stellungnahme seines behandelnden Psychiaters eingereicht, um sein widersprüchlich erscheinendes Aussageverhalten zu erklären. Die Vorinstanz gehe weder auf diese Stellungnahme noch auf die diesbezüglichen Erklärungen der Verteidigung ein. Damit verletze sie seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (Beschwerde, S. 9 f.).  
 
5.2. Die Vorinstanz stützt den Schuldspruch auf die Aussagen der Ehefrau und der Schwiegermutter des Beschwerdeführers. Sie hält fest, dass die zweifelhaften Aussagen des Beschwerdeführers deren Glaubhaftigkeit nicht in Frage stellen würde (Urteil, S. 16). Der Beschwerdeführer erklärt nicht, inwiefern eine andere Würdigung seiner eigenen Aussagen konkret etwas an der Glaubhaftigkeit der Erklärungen von B.A.________ und D.________ ändern würde. Mangels hinreichender Begründung ist auf die Rüge nicht einzutreten.  
 
6.  
Der Beschwerdeführer beantragt, die Zivilklage sei infolge Freispruchs abzuweisen, eventualiter auf den Zivilweg zu verweisen. Da der Schuldspruch zu bestätigen ist, erübrigt es sich, darauf einzugehen. 
 
7.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Verfahrens (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist abzuweisen, zumal die Beschwerde von vornherein aussichtslos war. Der finanziellen Lage des Beschwerdeführers ist bei der Festsetzung der Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen. 
 
3.  
Dem Beschwerdeführer werden Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 23. Januar 2020 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Der Gerichtsschreiber: Moses