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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_447/2022  
 
 
Urteil vom 23. August 2022  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin, 
Bundesrichterin Hänni, 
Bundesrichterin Ryter, 
Gerichtsschreiber Hugi Yar. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Eugen Koller, 
 
gegen  
 
Migrationsamt des Kantons Zürich, 
Berninastrasse 45, 8090 Zürich, 
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich, Neumühlequai 10, 8090 Zürich. 
 
Gegenstand 
Widerruf der Niederlassungsbewilligung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 4. Abteilung, vom 13. April 2022 (VB.2021.00789). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. A.________ (geb. 1988) stammt aus der Dominikanischen Republik. Er kam 1995 im Familiennachzug in die Schweiz und verfügt hier über eine Niederlassungsbewilligung. Aus der Beziehung mit seiner Schweizer Lebenspartnerin ging im Februar 2012 die Tochter B.________ hervor, welche ebenfalls Schweizer Bürgerin ist. Die Familie lebt heute zusammen; zum Familienverband gehört zudem eine Stieftochter.  
 
1.2.  
 
1.2.1. A.________ ist in der Schweiz wiederholt straffällig geworden. Unter anderem verurteilte das Kantonsgericht St. Gallen ihn am 10. September 2018 als Zusatzstrafe zu einem früheren Urteil zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 22 Monaten (11 Monate bedingt vollziehbar) wegen mehrfacher einfacher Körperverletzung (mit Gift, Waffe oder gefährlichem Gegenstand), Sachbeschädigung, mehrfacher Nötigung, mehrfacher Freiheitsberaubung und Entführung, Hausfriedensbruchs, Amtsanmassung, mehrfacher Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz, Übertretung des Fernmeldegesetzes sowie Vergehens gegen das Waffengesetz.  
 
1.2.2. Gestützt hierauf widerrief das Migrationsamt des Kantons Zürich die Niederlassungsbewilligung von A.________ am 16. Dezember 2019 ein erstes Mal. Nach einem Rückweisungsentscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich (Urteil vom 1. September 2020) und weiteren Abklärungen erneuerte es den Widerruf am 26. Juli 2021 und wies A.________ wiederum weg. Die hiergegen gerichteten kantonalen Rechtsmittel blieben ohne Erfolg (Rekursentscheid der Sicherheitsdirektion vom 25. August 2021 und Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 13. April 2022).  
 
1.3. A.________ beantragt vor Bundesgericht, den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 13. April 2022 aufzuheben und festzustellen, dass seine Niederlassungsbewilligung weiterbestehe. Eventuell sei die Sache zu neuem Entscheid an die Vorinstanz oder das Migrationsamt zurückzuweisen. Die Sicherheitsdirektion und das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich haben darauf verzichtet, sich vernehmen zu lassen. Vom Staatssekretariat für Migration (SEM) ist keine Vernehmlassung eingegangen.  
 
2.  
 
2.1. Gegen den Widerruf der Niederlassungsbewilligung kann mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht gelangt werden, da grundsätzlich ein Anspruch auf deren Fortdauern besteht (vgl. Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG; BGE 135 II 1 E. 1.2.1). Der Beschwerdeführer beruft sich zudem in vertretbarer Weise auf den Schutz seines Familien- und Privatlebens gemäss Art. 8 EMRK bzw. Art. 13 Abs. 1 BV, nachdem seine Angehörigen über ein gefestigtes Anwesenheitsrecht im Land verfügen (Schweizer Staatsbürgerschaft). Ob die Bewilligung zu Recht widerrufen wurde, ist eine Frage der materiellen Beurteilung und keine solche des Eintretens (vgl. BGE 139 I 330 E. 1.1). Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen gegeben sind (Art. 42, Art. 82 lit. a i.V.m. Art. 86 Abs. 1 lit. d, Art. 89 Abs. 1, Art. 90 und Art. 100 Abs. 1 BGG), ist die Beschwerde an die Hand zu nehmen.  
 
2.2.  
 
2.2.1. In Bezug auf die Verletzung von Grundrechten gilt jedoch eine qualifizierte Rüge- und Substanziierungspflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 139 I 229 E. 2.2; 136 II 304 E. 2.5) - ebenso für die Rüge, der rechtserhebliche Sachverhalt sei offensichtlich falsch, unzutreffend oder in Verletzung von Art. 95 BGG festgestellt worden (vgl. Art. 105 BGG; BGE 144 V 50 E. 4.2). Soweit der Beschwerdeführer der Begründung des angefochtenen Urteils lediglich seine Sicht der Dinge gegenüberstellt, ohne darzulegen, inwiefern die Vorinstanz die Beweise in Verletzung von Art. 9 BV (Willkür) gewürdigt oder den Sachverhalt offensichtlich unzutreffend festgestellt haben soll, ist seine Eingabe unzureichend substanziiert. Es genügt vor Bundesgericht nicht, bloss die eigene, bereits in den kantonalen Verfahren vertretene Auffassung ohne Auseinandersetzung mit der Begründung im angefochtenen Entscheid zu wiederholen und lediglich ein willkürliches Handeln der Vorinstanz zu behaupten (vgl. BGE 143 II 283 E. 1.2.2; 137 II 353 E. 5.1; 133 II 249 E. 1.4.3).  
 
2.2.2. In diesem Sinn ungenügend begründet ist die formelle Rüge des Beschwerdeführers, dass nicht klar sei, weshalb lediglich die Tochter B.________ und nicht auch deren Halbschwester und seine Lebenspartnerin angehört worden seien; dass die Vorinstanz "lediglich auf die Aussage der 10-jährigen Tochter" abstelle und weder die Lebenspartnerin noch die Stieftochter befragt habe, gehe nicht an; damit habe sie gegen das "Willkürverbot i.S.v. Art. 9 BV" verstossen. Der Beschwerdeführer legt diesbezüglich nicht dar, weshalb und inwiefern dies der Fall sein soll. In der Sache wäre die Rüge zum Vornherein unbegründet, berücksichtigte die Vorinstanz bei ihrem Entscheid doch nicht nur die Erklärung der Tochter anlässlich ihrer Anhörung, sondern auch die gesamten Akten, welche hinreichend aussagekräftig waren (vgl. zur antizipierten Beweiswürdigung; BGE 144 II 427 E. 3.1.3; 141 I 60 E. 3.3). Der Beschwerdeführer hatte Gelegenheit, sich zur Einvernahme seiner Tochter zu äussern und allenfalls Ergänzungsanträge zu stellen, was er nicht getan hat. Auch sein Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) wäre deshalb - läge eine entsprechende Rüge vor - nicht verletzt.  
 
3.  
 
3.1. Es ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer durch die Verurteilung vom 10. September 2018 zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 22 Monaten (11 Monate bedingt vollziehbar) unter anderem wegen mehrfacher einfacher Körperverletzung (mit Gift, Waffe oder gefährlichem Gegenstand), mehrfacher Freiheitsberaubung und Entführung, Amtsanmassung sowie mehrfacher Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz den Widerrufsgrund von Art. 63 Abs. 1 lit. a (i.V.m. Art. 62 Abs. 1 lit. b AIG) erfüllt (vgl. zum Erfordernis der "längerfristigen Freiheitsstrafe": BGE 139 I 16 E. 2.1; 135 II 377 E. 4.2). Umstritten ist die Verhältnismässigkeit des Widerrufs bzw. die Abwägung der öffentlichen und der privaten Interessen (vgl. BGE 142 II 35 E. 6.1; 139 I 330 E. 2.2; 135 I 143 E. 2.1; vgl. zu den im Rahmen von Art. 96 AIG bzw. 8 Ziff. 2 EMRK zu berücksichtigenden Elementen das Urteil 2C_367/2021 vom 30. September 2021 E. 3.2 mit Hinweisen).  
 
3.2.  
 
3.2.1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts sind umso strengere Anforderungen an eine ausländerrechtliche Massnahme zu stellen, je länger eine ausländische Person in der Schweiz anwesend war. Die Niederlassungsbewilligung eines Ausländers, der sich schon seit langer Zeit hier aufhält, soll nur mit besonderer Zurückhaltung widerrufen werden; allerdings ist dies bei wiederholter bzw. schwerer Straffälligkeit selbst dann nicht ausgeschlossen, wenn er hier geboren ist und sein ganzes bisheriges Leben im Land verbracht hat (vgl. BGE 139 I 31 E. 2.3.1; Urteil 2C_740/2013 vom 10. Januar 2014 E. 3.2). Je schwerer eine vernünftigerweise absehbare weitere Rechtsgutsverletzung wiegt, umso weniger ist ausländerrechtlich die Möglichkeit eines Rückfalls in Kauf zu nehmen (vgl. BGE 139 II 121 E. 5.3 [zum FZA]; 136 II 5 E. 4.2 [zum FZA]). Selbst eine einmalige Straftat kann eine aufenthaltsbeendende Massnahme rechtfertigen, wenn die Rechtsgutsverletzung ins Gewicht fällt (vgl. die Urteile 2C_656/2018 vom 13. Dezember 2018 E. 2.3 und 2C_290/2017 vom 28. Februar 2018 E. 4.1). Dies ist nach der Rechtsprechung bei einer Beeinträchtigung der körperlichen Integrität und bei Gewaltdelikten regelmässig der Fall (vgl. die Urteile 2C_348/2020 vom 7. Oktober 2020 E. 5.4 und 2C_1067/2019 vom 18. Februar 2020 E. 2.3).  
 
3.2.2. Der Beschwerdeführer lebt zwar inzwischen seit etwas mehr als 27 Jahren in der Schweiz, doch ist er hier wiederholt straffällig geworden (vgl. etwa die Verurteilungen durch das Bezirksgericht Zürich vom 12. Januar 2016 zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 14 Monaten wegen Verbrechens gegen das Betäubungsmittelgesetz [Gefährdung der Gesundheit vieler Menschen] und durch das Bezirksgericht Dielsdorf vom 8. Oktober 2019 wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln). Sein ausländerrechtliches Verschulden bei der Tat, die dem Strafurteil vom 10. September 2018 zugrunde liegt, wiegt schwer: Er überfiel in den frühen Morgenstunden des 16. Februar 2015 zusammen mit fünf Mittätern eine Hanf-Indooranlage. Der Überfall war kommandomässig geplant. Der Beschwerdeführer und seine Mittäter setzten Handystörer, Westen und Armbinden mit der Aufschrift "Polizei", mehrere Fahrzeuge, Kabelbinder, eine batteriebetriebene Heckenschere, Plastiksäcke, Sturmhauben, Skibrillen und Handschuhe sowie eine "Pumpgun" ein. Bei der Straftat wurden von einem Mittäter zwei Personen durch mehrere Schüsse erheblich verletzt; eine davon schwebte während Wochen in akuter Lebensgefahr und überlebte nur knapp. Der Überfall zeugt von einer erheblichen kriminellen Energie und das Vorgehen war - so das Strafurteil - teilweise "brutal".  
 
3.2.3. Hinzu kommt bezüglich des öffentlichen Interesses, dass der Beschwerdeführer während des Strafvollzugs in Halbgefangenschaft polizeilich kontrolliert und am 10. September 2020 erneut vorläufig festgenommen wurde, nachdem in seinem Fahrzeug ein "Klumpen" Kokain und ein Bargeld-Betrag von Fr. 2'961.25 sichergestellt werden konnten. Das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Massnahme wird zusätzlich dadurch erhöht, dass gegen ihn Verlustscheine im Umfang von über Fr. 160'000.-- vorliegen und seine Verschuldung in den letzten zwei Jahren stark zugenommen hat. Insgesamt kann der Beschwerdeführer deshalb (auch) beruflich und wirtschaftlich hier nur als beschränkt integriert gelten. Weder die verschiedenen Strafverfahren noch zwei ausländerrechtliche Verwarnungen (jene vom 18. Mai 2016 "im Sinne einer letzten Chance") oder die Beziehungen zu seiner Partnerin, dem gemeinsamen Kind und der Stieftochter vermochten ihn von weiteren Straftaten abzuhalten.  
 
3.2.4. Eine Rückkehr in seine Heimat ist dem Beschwerdeführer zumutbar, obwohl er bereits im Alter von 6 Jahren in die Schweiz gekommen ist und in der Heimat über keine Angehörigen mehr verfügen soll: Nach eigenen Angaben hat er sich im Jahr 2016/2017 einen Monat lang in der Dominikanischen Republik aufgehalten. Seither reise er meist einmal jährlich für zwei, drei Wochen in die Heimat. Er ist erst 34 Jahre alt, gesund und mit den sprachlichen, sozialen und beruflichen Verhältnissen in der Dominikanischen Republik vertraut. Die hier gemachten sprachlichen und beruflichen Erfahrungen können ihm die Wiedereingliederung in der Heimat erleichtern. Im Übrigen ergibt sich aus der Anhörung der Tochter, dass der Beschwerdeführer in der Heimat (noch) über gewisse Kontakte verfügen muss, will sie doch bei einem Besuch dort "mit der Tochter eines Kollegen" des Beschwerdeführers gespielt haben.  
 
3.2.5. Die Beziehungen zwischen seiner Partnerin und den beiden Kindern, sollten diese nicht mit ihm ausreisen, können über die Grenzen hinweg besuchsweise bzw. über die heutigen Medien (praktisch täglich) gepflegt werden. Die Partnerin des Beschwerdeführers musste gestützt auf dessen strafbares Verhalten davon ausgehen, dass sie die Beziehung mit ihm allenfalls nicht hier würde leben können. Die familiären Kontakte waren bereits während des Strafvollzugs eingeschränkt und die Tochter hat sich - so ihre Erklärung anlässlich der Anhörung - "daran gewöhnt". Der Beschwerdeführer kann - sollte ein Rechtsanspruch auf Aufenthalt fortbestehen - bei einer Bewährung im Ausland während mehr als 5 Jahren gegebenenfalls erneut um die Erteilung einer Bewilligung ersuchen, was die Schwere des Eingriffs in sein Privat- und Familienleben relativiert (vgl. das Urteil 2C_1038/2021 vom 18. März 2022 E. 4.3.5 mit Hinweis).  
 
3.3. Das Bundesgericht teilt - trotz der grundlegenden Bedeutung des Kindsinteresses, möglichst gemeinsam mit beiden Elternteilen aufwachsen zu können - die Ansicht der Vorinstanz, dass das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Massnahme das private Interesse des Beschwerdeführers und seiner Angehörigen an seinem Verbleib im Land überwiegt. Die Vorinstanz hat die verschiedenen Interessen im Sinne der Rechtsprechung des EGMR hinreichend detailliert und nachvollziehbar gegeneinander abgewogen (vgl. hierzu das Urteil I.M. gegen die Schweiz vom 9. April 2019 [Nr. 23887/16] §§ 72 f.). Der angefochtene Entscheid verletzt weder Art. 8 EMRK noch Art. 13 Abs. 1 BV; er ist auch nicht willkürlich. Für eine Rückweisung der Sache an die Vorinstanz besteht keine Veranlassung: Im Hinblick auf das Verhalten des Beschwerdeführers, der sich um die hiesige Rechtsordnung wiederholt nicht gekümmert und sein Verhalten trotz der Strafverfahren, der ausländerrechtlichen Verwarnungen und der ihm gebotenen Chancen nicht angepasst hat, verletzt es kein Bundesrecht, wenn er vor dem Widerruf seiner Niederlassungsbewilligung nicht zuerst noch (ein weiteres Mal) verwarnt wurde.  
 
4.  
 
4.1. Die Beschwerde erweist sich als offensichtlich unbegründet und kann im Verfahren nach Art. 109 BGG erledigt werden. Es wird ergänzend auf die Ausführungen im angefochtenen Entscheid verwiesen (Art. 109 Abs. 3 BGG).  
 
4.2. Der unterliegende Beschwerdeführer hat die Kosten für das bundesgerichtliche Verfahren zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es sind keine Parteientschädigungen geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).  
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 4. Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 23. August 2022 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin 
 
Der Gerichtsschreiber: Hugi Yar