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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
4A_636/2018  
 
 
Urteil vom 24. September 2019  
 
I. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Kiss, Präsidentin, 
Bundesrichterinnen Klett, Niquille, 
Gerichtsschreiber Curchod. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1. A.________ Joint Venture, 
2. B.________ A.S., 
3. C.________ A.S., 
alle drei vertreten durch Daniel Hochstrasser und Julia Jung, Rechtsanwälte, 
Beschwerdeführerinnen, 
 
gegen  
 
1. D.________, 
vertreten durch Lawyer Mark Roe, Pinsent Masons LLP, 
Grossbritannien, 
2. State of Libya, 
vertreten durch Philippe Bärtsch, Sebastiano Nessi, Anne-Carole Cremades und Elena Trabaldo-de Mestral, Rechtsanwälte, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Internationale Schiedsgerichtsbarkeit, 
 
Beschwerde gegen den Schiedsentscheid 
(Partial Award) des Schiedsgerichts mit Sitz in Genf 
vom 22. Oktober 2018 (21137/MCP/DDA). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. A.________ Joint Venture (Klägerin 1, Beschwerdeführerin 1) ist ein Joint Venture nach türkischem Recht zwischen den beiden nach dem Recht der Türkei inkorporierten B.________ A.S. (Klägerin 2, Beschwerdeführerin 2), die zu 67 % beteiligt ist, und C.________ A.S. (Klägerin 3, Beschwerdeführerin 3), die 33 % an A.________ Joint Venture hält.  
Die D.________ (Beklagte 1) ist eine selbständige Organisation libyschen Rechts, die durch das Gesetz Nr. 11 von 1983 betreffend die Errichtung einer ausführenden und verwaltenden Organisation (Behörde) für den grossen künstlichen Fluss ("on the Establishment of an Executive and Administrative Organisation (Authority) for the Great Man-Made River") gegründet wurde. Sie wurde errichtet, um ein gigantisches Infrastukturprojekt ("Man-Made River") zu verwirklichen, mit dem Süsswasser aus dem Süden des Landes in die dichter besiedelten Gebiete des Nordens entlang des Mittelmeers transportiert wird. Der libysche Staat ist Beklagter 2 und Beschwerdegegner im vorliegenden Verfahren. 
 
A.b. Die Klägerinnen gewannen im April 2005 eine Ausschreibung im Rahmen der Phase III des Infrastrukturprojekts. Sie schlossen am 6. Juni 2006 mit der D.________ einen Vertrag, in dem sie sich im Wesentlichen verpflichteten, eine 383-km lange Wasserleitung zu erstellen, d.h. das Trassee 7 Meter tief und 6,5 Meter breit auszuheben und mit mehr als 50'000 vorfabrizierten Leitungsstücken aus Beton auszurüsten, die sie abholen und zum Verlegungsort transportieren würden.  
Der Vertrag vom 6. Juni 2006 enthält in Art. 8.3 eine Schiedsklausel, wonach drei Schiedsrichter nach den ICC-Regeln einen Streit aus diesem Vertrag entscheiden sollen; als Verfahrenssprache ist Englisch bestimmt und als Sitz des Schiedsgerichts Genf. 
 
A.c. Nachdem im Februar 2011 ein Aufstand in Benghazi begann und sich über das ganze Land ausdehnte, stellte die A.________ Joint Venture ihre Arbeiten ein. Zu diesem Zeitpunkt waren etwa 70 % des Projekts erstellt. Seither diskutieren D.________ und A.________ Joint Venture über eine Wiederaufnahme der Arbeiten, bisher erfolglos.  
 
B.  
 
B.a. Die Klägerinnen erhoben am 16. Juni 2015 Schiedsklage. Die Beklagten antworteten am 19. November 2015 und erhoben Widerklage. Der Beklagte 2 bestritt die Zuständigkeit des Schiedsgerichts in Bezug auf allfällige Forderungen ihm gegenüber. Ein paralleles Schiedsverfahren aus Investitionsschutz ist hängig.  
 
B.b. Mit Teilschiedsspruch vom 22. Oktober 2018 hiess das CCJ-Schiedsgericht die Klage gegen die Beklagte 1 (D.________) teilweise gut und sprach den Klägerinnen nach Verrechnung einer Gegenforderung von USD 364'520 einen sofort bezahlbaren Betrag von USD 40'134'129 zu. Auf die Klage der Klägerinnen gegen den Beklagten 2 trat das Schiedsgericht mangels Zuständigkeit nicht ein (Dispositiv-Ziffer 12.2). Diesen Nichteintretensentscheid fällte das Schiedsgericht mit einer Mehrheitsentscheidung. Der unterlegene Schiedsrichter vertrat eine abweichende Meinung ("Dissenting Opinion").  
 
C.  
Mit Beschwerde in Zivilsachen stellen die Klägerinnen den Antrag, es sei Dispositivziffer 12.2 des Teil-Schiedsentscheids vom 22. Oktober 2018 aufzuheben und es sei festzustellen, dass das Schiedsgericht zur Beurteilung der gegenüber dem Beschwerdegegner 2 erhobenen Forderungen zuständig ist und die Angelegenheit sei zur Beurteilung dieser Forderung an das Schiedsgericht zurückzuweisen. 
Der Beschwerdegegner 2 beantragt in der Antwort die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten ist. Das Schiedsgericht hat die Akten in elektronischer Form eingereicht, ohne eine Vernehmlassung einzureichen. 
Die Parteien haben unaufgefordert repliziert und dupliziert. Die Beschwerdeführerin stellt in der Replik klar, dass sich die Beschwerde nicht gegen die Beklagte 1 richtet. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Nach Art. 54 Abs. 1 BGG wird das Verfahren in einer Amtssprache geführt, in der Regel in der Sprache des angefochtenen Entscheids. Verwenden die Parteien eine andere Amtssprache, so kann das Verfahren in dieser Sprache geführt werden. Der angefochtene Entscheid ist in englischer Sprache verfasst. Da es sich nicht um eine Amtssprache handelt, ergeht der Entscheid des Bundesgerichts praxisgemäss in der Sprache der Beschwerde (BGE 142 III 521 E.1). Die Beschwerde ist vorliegend in Deutsch abgefasst. 
 
2.  
 
2.1. Im Bereich der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit ist die Beschwerde in Zivilsachen unter den Voraussetzungen der Art. 190-192 IPRG (SR 291) zulässig (Art. 77 Abs. 1 lit. a BGG). Der Sitz des Schiedsgerichts befindet sich vorliegend in Genf. Die Parteien sind und waren im relevanten Zeitpunkt ausserhalb der Schweiz domiziliert. Da die Parteien die Bestimmungen des 12. Kapitels des IPRG nicht schriftlich ausgeschlossen haben, gelangen diese zur Anwendung (Art. 176 Abs. 1 und 2 IPRG).  
 
2.2. Die Beschwerde gemäss Art. 77 Abs. 1 lit. a BGG in Verbindung mit Art. 190 bis 192 IPRG ist zulässig gegen Endentscheide und Teilentscheide im Sinne von Art. 90 f. BGG (BGE 144 III 462 E. 2.1 mit Verweisen). Sie richtet sich hier gegen den Teilentscheid (Art. 91 lit. b BGG), mit dem das Schiedsgericht auf die Klage gegen den Beklagten 2 nicht eingetreten ist.  
 
2.3. Die Beschwerde im Sinne von Art. 77 Abs. 1 BGG ist grundsätzlich rein kassatorischer Natur, d.h. sie kann nur zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids führen (vgl. Art. 77 Abs. 2 BGG, der die Anwendbarkeit von Art. 107 Abs. 2 BGG ausschliesst, soweit dieser dem Bundesgericht erlaubt, in der Sache selbst zu entscheiden). Soweit der Streit die Zuständigkeit des Schiedsgerichts oder dessen Zusammensetzung betrifft, gilt davon eine dahingehende Ausnahme, dass das Bundesgericht selber die Zuständigkeit oder die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts feststellen bzw. über die Ablehnung des betreffenden Schiedsrichters befinden kann (BGE 136 III 605 E. 3.3.4 S. 616 mit Hinweisen). Der Antrag der Beschwerdeführerinnen ist zulässig.  
 
2.4. Die Eintretensvoraussetzungen geben zu keinen weiteren Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist - vorbehältlich einer hinreichenden Begründung (Art. 77 Abs. 3 BGG) - einzutreten.  
 
3.  
 
3.1. Das Bundesgericht kann die Sachverhaltsfeststellung des Schiedsgerichts weder berichtigen noch ergänzen, selbst wenn diese offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (vgl. Art. 77 Abs. 2 BGG, der die Anwendbarkeit von Art. 97 BGG sowie Art. 105 Abs. 2 BGG ausschliesst). Es überprüft die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Schiedsentscheids auch im Rahmen der Zuständigkeitsrüge nur, wenn gegenüber diesen Sachverhaltsfeststellungen zulässige Rügen im Sinne von Art. 190 Abs. 2 IPRG vorgebracht oder ausnahmsweise Noven (Art. 99 BGG) berücksichtigt werden (BGE 142 III 220 E. 3.1, 239 E. 3.1; 140 III 477 E. 3.1 S. 477; 138 III 29 E. 2.2.1; je mit Hinweisen). Wer sich auf eine Ausnahme von der Bindung des Bundesgerichts an die tatsächlichen Feststellungen des Schiedsgerichts beruft und den Sachverhalt gestützt darauf berichtigt oder ergänzt wissen will, hat mit präzisen Aktenhinweisen darzulegen, dass entsprechende Sachbehauptungen bereits im schiedsgerichtlichen Verfahren prozesskonform aufgestellt worden sind (vgl. BGE 115 II 484 E. 2a S. 486; 111 II 471 E. 1c S. 473; je mit Hinweisen; vgl. auch BGE 140 III 86 E. 2 S. 90).  
Die Beschwerdeführerinnen erheben keine zulässigen Rügen gegen die Sachverhaltsfeststellungen des Schiedsgerichts. Sie sind nicht zu hören, soweit sie ihre Rügen auf einen von den Feststellungen des Schiedsgerichts abweichenden Sachverhalt stützen. 
 
3.2. Zulässig sind allein die Rügen, die in Art. 190 Abs. 2 IPRG abschliessend aufgezählt sind (BGE 128 III 50 E. 1a S. 53; 127 III 279 E. 1a S. 282). Nach Art. 77 Abs. 3 BGG prüft das Bundesgericht nur die Rügen, die in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden sind; dies entspricht der in Art. 106 Abs. 2 BGG für die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht vorgesehenen Rügepflicht (vgl. dazu BGE 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254). Dabei gelten nach wie vor die strengen Begründungsanforderungen, die das Bundesgericht unter der Herrschaft von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG stellte (vgl. BGE 128 III 50 E. 1c S. 53), da das BGG insofern keine Änderungen vornehmen wollte (BGE 134 III 186 E. 5 S. 187). Es ist somit in der Beschwerde nicht nur darzulegen, welche Rechtsgrundsätze verletzt sein sollen, sondern auch  inwiefern dies der Fall ist. Soweit die Begründung der Beschwerde diesen Anforderungen nicht genügt, ist darauf nicht einzutreten. Im Übrigen dient die Replik nicht dazu, weitere oder verbesserte Rügen ausserhalb der Rechtsmittelfrist vorzubringen (BGE 135 I 19 E. 2.2, 132 I 42 E. 3.3.4). Die Beschwerdeführerinnen sind nicht zu hören, soweit sie die Begründung ihrer Beschwerde in der Replik zu ändern oder zu verbessern versuchen.  
 
4.  
Die Beschwerdeführerinnen rügen als Verletzung von Art. 190 Abs. 2 lit. b IPRG, dass sich das Schiedsgericht zur Beurteilung ihrer Klage gegen den Staat Libyen als unzuständig erklärt hat. 
 
4.1. Das Bundesgericht prüft die Zuständigkeitsrüge nach Art. 190 Abs. 2 lit. b IPRG in rechtlicher Hinsicht frei, einschliesslich materieller Vorfragen, von deren Beantwortung die Zuständigkeit abhängt (BGE 144 III 559 E. 4.1; 142 III 239 E. 3.1; 140 III 520 E. 3.1; 134 III 565 E. 3.1; 133 III 139 E. 5 S. 141). Auch die Anwendung ausländischen Rechts überprüft das Bundesgericht im Rahmen der Zuständigkeitsbeschwerde frei und mit voller Kognition, wobei es der in der anwendbaren ausländischen Rechtsordnung klar herrschenden Auffassung und bei Kontroversen zwischen Rechtsprechung und Lehre der höchstrichterlichen Judikatur folgt (BGE 138 III 714 E. 3.2 mit Verweisen). Die Gültigkeit in inhaltlicher Hinsicht wie auch die objektive Tragweite einer Schiedsvereinbarung beurteilt sich gemäss Art. 178 Abs. 2 IPRG nach dem von den Parteien gewählten, dem auf die Streitsache, insbesondere dem auf den Hauptvertrag anwendbaren oder dem schweizerischen Recht (BGE 140 III 134 E. 3.1; 138 III 29 E. 2.2.2). Ebenfalls gemäss Art. 178 Abs. 2 IPRG beurteilt sich die subjektive Tragweite einer Schiedsklausel (BGE 129 III 727 E. 5.3.1 S. 736; 128 III 50 E. 3a S. 62; 117 II 94 E. 5b S. 98, vgl. auch Urteil 4A_450/2013 vom 7. April 2014 E. 3.2). Grundsätzlich kann auch eine Drittperson aus der Schiedsklausel verpflichtet sein, welche diese nicht unterzeichnet hat (BGE 134 III 565 E. 3.2 S. 567; 129 III 727 E. 5.3 S. 734 je mit Verweisen).  
 
4.2. Das Schiedsgericht hat (mit Mehrheitsentscheid) die Bindung des Beschwerdegegners durch die Schiedsklausel abgelehnt. Es hat festgestellt, dass die Beklagte 1 eine selbständige juristische Person libyschen Rechts ist und es hat gemäss Art. 178 Abs. 2 IPRG sowohl nach libyschem wie nach schweizerischem Recht den Standpunkt der Klägerinnen mit eingehender Begründung verworfen, wonach die Beklagte 1 ein Staatsorgan oder ein Hilfsmittel des Staats und deshalb mit dem Staat identisch sei oder dass der Staat in die Vertragsverhandlungen oder in die Vertragsabwicklung in solcher Weise eingegriffen hatte, dass die Klägerinnen ihn nach Treu und Glauben als Vertragspartei und durch die Schiedsklausel gebunden erachten durften.  
Die Beschwerdeführerinnen rügen eine fehlerhafte Anwendung schweizerischen Rechts betreffend die Frage der Ausdehnung einer Schiedsklausel auf einen Staat. Sie behaupten, das Urteil "Westland" (Urteil P 1675/1987 vom 19. Juli 1988), in dem die Ausdehnung der Schiedsklausel von einer durch Staaten gegründeten juristischen Person auf die Gründungsstaaten verneint wurde, sei überholt, was das Schiedsgericht verkannt habe. Sie halten dafür, als "mögliche Grundlagen für die Ausdehnung von Schiedsvereinbarungen auf einen Staat" kämen verschiedene Zurechnungsgründe in Betracht, die in Weiterentwicklung der schweizerischen Praxis hier die Grundlage für die Bindung des Beschwerdegegners abgeben könnten. Zudem rügen sie, das Schiedsgericht habe zu Unrecht verneint, dass sie den Staat nach Treu und Glauben als Vertragspartner betrachten durften. Unter dem Titel einer fehlerhaften Anwendung des libyschen Rechts halten sie daran fest, es ergebe sich aus den von ihnen angeführten Entscheiden, dass der Staat für vertragsverletzende Handlungen öffentlich-rechtlicher Organisationen hafte, die ihm einzig und allein gestützt auf seine Überwachungsfunktion zugerechnet würden. 
 
4.3. Das Schiedsgericht hat seinen rechtlichen Erwägungen sowohl in Bezug auf die von den Beschwerdeführerinnen geltend gemachte Identität der D.________ mit dem Beschwerdegegner wie in Bezug auf die angebliche Einmischung des Beschwerdegegners in den Vertrag Klarstellungen in tatsächlicher Hinsicht beigefügt.  
 
4.3.1. Zur angeblichen Identität der Beklagten 1 mit dem Beschwerdegegner hält das Schiedsgericht fest, dass die Beklagte 1 nicht ausschliesslich vom Staat finanziert wurde, sondern insbesondere auch aus Wasserverkäufen Geld einnahm; zudem mischte sich das "General People's Committee" entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerinnen nicht in die Organisation von Ausschreibungen und den Abschluss von Verträgen ein, sondern überliess dies dem für die Beklagte 1 zuständigen "People's Committee", dessen Beschlüsse es einfach übernahm ("rubber-stamped"). Nach den Feststellungen des Schiedsgerichts übertrieben die Beschwerdeführerinnen ausserdem in Bezug auf die hoheitliche Gewalt, welche der Beklagten 1 angeblich übertragen worden sei. Es waren nach den Feststellungen des Schiedsgerichts Anordnungen des "General People's Committee", nicht der Beklagten 1, welche sich an Gemeinden und Regierungsvertreter richteten und Truppen aufbieten konnten etc., so dass nicht ersichtlich sei, inwiefern die Beklagte 1 hoheitliche Gewalt hätte ausüben können. Der Einbezug des Ministers für Wasser in Vergleichsgespräche war zudem erforderlich, weil vorgesehen war, dass der Staat den Verlust der in der Revolution zerstörten Maschinen und Einrichtungen entschädigen sollte. Schliesslich besagt die Vollmacht an den Staatsanwalt im parallelen Investitionsschutzverfahren nichts, weil die Beklagte 1 in diesem Verfahren nicht Partei ist.  
 
4.3.2. Zur angeblichen Einmischung des Staates stellt das Schiedsgericht im angefochtenen Entscheid fest, dass der Staat entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerinnen die Vertragsbedingungen keineswegs weitgehend durch die administrativen Vertrags-Richtlinien ("Administrative Contracts Regulations", ACR) vorweg bestimmte, weil die ACR auf den strittigen Vertrag gar nicht anwendbar sind. Weil die Beklagte 1 eine öffentlich-rechtliche Körperschaft ist und öffentliche Mittel erhält, hatte die staatliche Finanzaufsicht ("Audit Bureau") den Vertrag während der Phase der Ausschreibung zu überprüfen, aber es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Behörde darüber hinaus irgendwie in die Vertragsverhandlungen eingegriffen hätte. Die Überprüfung diente im Wesentlichen der Verhinderung von Korruption, während keine Anhaltspunkte für inhaltliche Änderungen bestehen und die Beklagte 1 nach der Prüfung einverständliche Vertragsänderungen mit den Klägerinnen vereinbaren konnte. Das Schiedsgericht verwarf sodann die Behauptung der Beschwerdeführerinnen, wonach der Vertrag vom "General People's Committee" und vom Premierminister geprüft und genehmigt worden sei. In Bezug auf den Vollzug des Vertrags organisierte die Zentralbank zwar Kreditbriefe in EUR und USD für Zahlungen an die Klägerin 1, was damals für Zahlungen in Devisen typisch war; es bestehen keine Anhaltspunkte für eine weitergehende Rolle; diese entsprach eher derjenigen einer Geschäftsbank. Auch war die Prüfung durch die Finanzkontrolle formeller Natur. Der Vertrag hätte die Beklagte 1 zwar zur Verrechnung mit staatlichen Forderungen und zur Beendigung des Vertrags aus Gründen des öffentlichen Wohls ermächtigt, wovon sie jedoch nicht Gebrauch machte. Schliesslich waren auch die übrigen von den Beschwerdeführerinnen angeführten Indizien nicht hinreichend zum Beweis, dass der Staat in die Vertragsabwicklung so eingegriffen hätte, dass die Beschwerdeführerinnen daraus eine Beteiligung hätten ableiten können. An diese tatsächlichen Feststellungen ist das Bundesgericht gebunden.  
 
4.4. Die Beschwerdeführerinnen rügen, das Schiedsgericht habe seine Zuständigkeit zur Beurteilung ihrer Forderung gegen den Staat, gestützt auf die libysche Rechtsordnung, zu Unrecht verneint.  
 
4.4.1. Das Schiedsgericht hat den Standpunkt verworfen, dass die Beklagte 1 Teil der libyschen Staatsorganisation bzw. mit dem Staat Libyen identisch sei. Es hat die rechtlichen Grundlagen nicht in dem Sinne interpretiert, dass allgemein öffentlich-rechtliche juristische Personen trotz ihrer rechtlichen Eigenständigkeit Teil des Staates bildeten oder die Beklagte 1 in dem Sinne rechtlich verfasst sei, dass sie eine blosse Verwaltungeinheit bilde; es hat namentlich auch die vier von den Beschwerdeführerinnen angeführten Urteile des obersten Gerichts von Libyen aus den Jahren 1978, 2000, 2003 und 2012 als nicht einschlägig verworfen.  
Die Beschwerdeführerinnen erheben keine Rügen gegen die Auslegung der Gesetzesnormen durch das Schiedsgericht. Sie halten dagegen daran fest, dass gemäss den drei Urteilen des obersten Gerichts von Libyen aus den Jahren 2000, 2003 und 2012 die rechtliche Verpflichtung des Beschwerdegegners aus dem Vertrag und namentlich dessen Bindung an die Schiedsklausel zu bejahen sei. 
 
4.4.2. Die Beschwerdeführerinnen stellen nicht in Abrede, dass das oberste Gericht von Libyen nie entschieden hat, dass der Staat Libyen an eine Schiedsklausel gebunden sei, die er zwar durch seine Organe nicht gültig unterzeichnet hat, die aber in einem Vertrag einer von ihm beherrschten öffentlich-rechtlichen juristischen Person enthalten ist. Sie leiten vielmehr aus den von ihnen zitierten Urteilen einen allgemeinen Grundsatz ab, wonach "die Überwachung ("supervision") durch den Staat... die einzige Voraussetzung für die Zurechenbarkeit vertraglichen Verhaltens der Public Entity auf den Staat ist". Ob ein allgemeiner Grundsatz im Sinne der Beschwerdeführerinnen aus den wenigen Fällen abgeleitet werden kann, erscheint fraglich, zumal sie sich mit den konkreten Umständen der drei Fälle nicht befassen. Jedenfalls hat das Schiedsgericht für die von den Beschwerdeführerinnen angestrebte Ausdehnung der Schiedsklausel auf den Beschwerdegegner die Einschlägigkeit dieser Präjudizien zu Recht verworfen. Es hat zutreffend dargelegt, dass es in keinem der zitierten Urteile um die Ausdehnung einer Schiedsklausel auf den Staat geht und die ersten beiden Urteile schon deshalb nicht einschlägig sind, weil sie keine vertraglichen Verpflichtungen betreffen. Dass es Fälle gibt, in denen der Staat bzw. eine staatliche Verwaltungseinheit aufgrund der übertragenen Aufsicht für fehlerhaftes oder vertragswidriges Verhalten der Beaufsichtigten schadenersatzpflichtig wird bzw. mithaftet, bedeutet nicht, dass sich der Staat auch einer schiedsgerichtlichen Streitregelung unterwirft, wenn er durch seine Organe eine öffentlich-rechtliche Körperschaft beaufsichtigt, die ihrerseits mit ihren Vertragspartnern eine vertragliche Schiedsklausel für Streitigkeiten aus dem Vertrag abschliesst. Das Schiedsgericht legt zutreffend dar, dass aus einem materiellrechtlichen Grundsatz zur Ausdehnung der Haftung nichts zur gerichtlichen Zuständigkeit und namentlich zur Derogation der staatlichen Gerichtszuständigkeit abgeleitet werden kann.  
 
4.5. Die Beschwerdeführerinnen halten daran fest, dass der Staat Libyen nach schweizerischem Recht an die von der juristischen Person D.________ abgeschlossene Schiedsklausel gebunden sei.  
 
4.5.1. Die Beklagte 1 ist eine eigenständige juristische Person, welche allein die Schiedsklausel unterzeichnet hat. Das Schiedsgericht schliesst zutreffend aus dem Urteil "Westland" (Urteil P 1675/1987 vom 19. Juli 1988), dass die juristische Selbständigkeit auch von öffentlich-rechtlich verfassten und staatlich gegründeten juristischen Personen nach schweizerischem Recht anerkannt wird und dass von solchen juristischen Personen abgeschlossene Schiedsvereinbarungen nicht den sie beherrschenden Staaten zugerechnet werden. Wenn die Beschwerdeführerinnen den Standpunkt vertreten, es habe sich daran in der späteren Praxis etwas geändert, kann ihnen nicht gefolgt werden. Dass zuständige Organe des Beschwerdegegners die Schiedsklausel unterzeichnet haben könnten, ist den Feststellungen des Schiedsgerichts nicht zu entnehmen und vermögen auch die Beschwerdeführerinnen nicht in Frage zu stellen. Der Beschwerdegegner hat die Schiedsvereinbarung nicht selbst abgeschlossen und kann nicht allein deshalb daran gebunden sein, weil er die juristisch selbständige D.________ gegründet hat und beherrscht. Dies verkennen die Beschwerdeführerinnen, wenn sie "mögliche Ausdehnungsgrundlagen" aufzeigen wollen, wonach sich der Staat aktiv der im entsprechenden Vertrag enthaltenen Schiedsvereinbarung unterstellen wollte. Dafür besteht keine Grundlage im privatrechtlichen Schiedsvertragsrecht.  
 
4.5.2. Nach dem Grundsatz der Relativität vertraglicher Verpflichtungen bindet die in einem Vertrag enthaltene Schiedsklausel nur die Vertragsparteien. Das Bundesgericht hat allerdings seit jeher in gewissen Konstellationen anerkannt, dass die Schiedsklausel auch für Personen verbindlich sein kann, die diese nicht unterzeichnet haben. Dies gilt insbesondere bei einer Forderungsabtretung, bei der kumulativen oder privativen Schuldübernahme oder der Übertragung des Vertrages, wo die Schiedsklausel als akzessorisch erscheint (BGE 134 III 565 E. 3.2 S. 567). Die Beschwerdeführerinnen machen nicht geltend, dass eine dieser Konstellationen hier vorliege. Dagegen halten sie daran fest, sie hätten aufgrund der Einmischung des Beschwerdegegners 2 in den Vertrag nach Treu und Glauben auf dessen Bindung an die Schiedsklausel schliessen dürfen.  
 
4.5.3. Der Dritte, der sich in ständiger und wiederholter Weise in die Abwicklung des Vertrages mit Schiedsklausel einmischt, wird so behandelt, als wäre er dem Vertrag beigetreten und habe sich der Schiedsklausel unterworfen, wenn er damit den Willen erkennen lässt, selber Partei der Schiedsvereinbarung zu sein (BGE 134 III 565 E. 3.2 S. 568; 129 III 727 E. 5.3.2 S. 737; Urteil 4A_473/2018 vom 5. Juni 2019 E. 5.1.2). Die Beschwerdeführerinnen vermögen keine Umstände zu benennen, aus denen sie nach Treu und Glauben hätten schliessen dürfen, der Beschwerdegegner sei dem Vertrag beigetreten. Das Schiedsgericht hat ihre tatsächliche Sachdarstellung ausdrücklich verworfen und aus den vom Schiedsgericht verbindlich festgestellten Umständen ergibt sich keine Einmischung des Beschwerdegegners in den Vertrag, aus dem die Beschwerdeführerinnen in guten Treuen dessen Beitritt zur darin enthaltenen Schiedsklausel hätten ableiten dürfen. Dass der Beschwerdegegner im Zeitpunkt des Vertragsschlusses autoritär regiert war und der damaligen Regierung das Infrastrukturprojekt besonders wichtig war (worauf sich die Beschwerdeführerinnen als notorisch berufen), vermag im Übrigen kein schutzwürdiges Vertrauen darin zu begründen, dass der Staat bestimmte vertragliche Verpflichtungen eingehen wolle.  
 
5.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Die Gerichtskosten sind den Beschwerdeführerinnen (solidarisch, intern mangels gegenteiliger Vereinbarung zu je 1/3) zu auferlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sie haben den anwaltlich vertretenen Beschwerdegegner 2 (solidarisch, intern mangels anderer Vereinbarung zu je 1/3) für das Verfahren vor Bundesgericht zu entschädigen (Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 200'000.-- werden den Beschwerdeführerinnen (solidarisch, intern unter Vorbehalt anderer Vereinbarung zu je 1/3) auferlegt. 
 
3.  
Die Beschwerdeführerinnen (solidarisch, intern unter Vorbehalt anderer Vereinbarung zu je 1/3) haben den Beschwerdegegner 2 für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 220'000.-- zu entschädigen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Schiedsgericht mit Sitz in Genf schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 24. September 2019 
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Kiss 
 
Der Gerichtsschreiber: Curchod