Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_214/2022  
 
 
Urteil vom 25. August 2022  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin, 
Bundesrichter Hartmann, 
Bundesrichterin Ryter, 
Gerichtsschreiber Businger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Fürsprecher Ismet Bardakci, 
 
gegen  
 
Departement des Innern des Kantons Solothurn, Migrationsamt, Ambassadorenhof, 4509 Solothurn. 
 
Gegenstand 
Widerruf der Niederlassungsbewilligung / Wegweisung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom 1. Februar 2022 (VWBES.2021.215). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. A.________, geb. 1973, ist türkischer Staatsangehöriger. Er reiste am 10. April 1986 in die Schweiz ein und erhielt später die Niederlassungsbewilligung. Am 25. Juli 1994 heiratete er eine Landsfrau; die Ehe wurde am 7. Mai 2009 geschieden. Aus der Ehe entstammen zwei Kinder (geb. 1996 und 1998).  
 
A.b. Während seines Aufenthalts erwirkte A.________ zahlreiche strafrechtliche Verurteilungen:  
Nach einer Verurteilung am 22. März 2000 zu einer Freiheitsstrafe von sechs Wochen und einer Busse von Fr. 100.-- wegen einfacher Körperverletzung, mehrfachen Raufhandels etc. wurde er am 24. Mai 2000 ausländerrechtlich ermahnt. 
Zwischen August 2001 und April 2008 wurde er erneut sechs Mal verurteilt - u.a. am 5. April 2006 zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten und einer Landesverweisung von drei Jahren wegen mehrfacher Nötigung, mehrfacher einfacher Körperverletzung, Angriffs etc., aufgeschoben zugunsten einer ambulanten Massnahme. 
Am 24. November 2008 wurde er ein weiteres Mal ausländerrechtlich ermahnt. Zudem wurde im Jahr 2011 die ambulante Massnahme wegen Aussichtslosigkeit aufgehoben. Für die Reststrafe von 12 Monaten und vier Wochen wurde ihm der bedingte Vollzug gewährt. 
Nachdem er am 5. Juni 2013 zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je Fr. 30.-- wegen Hinderung einer Amtshandlung verurteilt worden war, erfolgte am 29. November 2013 abermals einer ausländerrechtliche Ermahnung - auch wegen seiner massiven Überschuldung. 
Im Oktober/November 2014 wurde er erneut drei Mal verurteilt. In der Folge wurde der bedingte Vollzug der Freiheitsstrafe von 12 Monaten und vier Wochen am 21. Januar 2015 widerrufen. A.________ wurde am 2. September 2015 aus dem Strafvollzug entlassen. 
Schliesslich erwirkte A.________ zwischen Februar 2015 und März 2021 weitere sieben Verurteilungen - u.a. am 2. Mai 2017 zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je Fr. 80.-- und einer Busse von Fr. 400.-- (u.a. mehrfaches Überlassen eines Motorfahrzeugs an einen Führer ohne Fahrberechtigung) und am 23. August 2017 zu einer Geldstrafe von 35 Tagessätzen zu je Fr. 30.-- und einer Busse von Fr. 250.-- (Tätlichkeiten und versuchte Drohung). 
 
A.c. Weiter wies A.________ per 4. März 2021 135 Verlustscheine im Umfang von Fr. 210'963.40 auf. Er bezog von 2001 bis 2020 eine volle Invalidenrente und wird seit Aufhebung der Rente von der Sozialhilfe unterstützt.  
 
B.  
Mit Verfügung vom 10. Juni 2021 widerrief das Migrationsamt des Kantons Solothurn die Niederlassungsbewilligung von A.________ und wies ihn aus der Schweiz weg. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn am 1. Februar 2022 ab, unter Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 7. März 2022 beantragt A.________ dem Bundesgericht, die Sache sei zum Neuentscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen, eventualiter sei vom Widerruf der Niederlassungsbewilligung abzusehen und er sei ein letztes Mal zu verwarnen, subeventualiter sei die Niederlassungsbewilligung durch eine Aufenthaltsbewilligung zu ersetzen. In prozessualer Hinsicht sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und ihm die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu gewähren. 
Das Verwaltungsgericht und das Migrationsamt des Kantons Solothurn schliessen auf Abweisung der Beschwerde. 
Mit Verfügung der Abteilungspräsidentin vom 10. März 2022 wurde der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt. Weiter wurde A.________ mit Verfügung vom 10. März 2022 aufgefordert, Beweismittel für die Einhaltung der Beschwerdefrist einzureichen. Der Rechtsvertreter kam dieser Aufforderung mit Eingabe vom 12. März 2022 nach. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die gegen den Widerruf der Niederlassungsbewilligung gerichtete Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist zulässig (Art. 82 lit. a, Art. 83 lit. c Ziff. 2 e contrario, Art. 86 Abs. 1 lit. d, Art. 89 Abs. 1 und Art. 90 BGG; BGE 135 II 1 E. 1.2.1) und wurde formgerecht eingereicht (Art. 42 BGG).  
 
1.2. Die Beschwerde gegen einen Entscheid ist innert 30 Tagen nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung beim Bundesgericht einzureichen (Art. 100 Abs. 1 BGG). Das angefochtene Urteil ist dem Beschwerdeführer am 3. Februar 2022 eröffnet worden. Die Beschwerdefrist hat demnach am 4. Februar 2022 zu laufen begonnen und endete am 7. März 2022. Gemäss Sendungsverfolgung wurde die Beschwerde erst am 8. März 2022 von der Post erfasst. Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers hat allerdings mit Eingabe vom 12. März 2022 hinreichend nachgewiesen, dass er die Beschwerde am 7. März 2022 und damit rechtzeitig der Post übergeben hat. Damit ist auf die Beschwerde einzutreten.  
 
2.  
 
2.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten können Rechtsverletzungen nach Art. 95 und Art. 96 BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Vorbringen, sofern allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6). Die Verletzung von Grundrechten sowie von kantonalem und interkantonalem Recht untersucht es in jedem Fall nur insoweit, als eine solche Rüge in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 147 I 73 E. 2.1; 139 I 229 E. 2.2).  
 
2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG; BGE 147 V 35 E. 4.2). Die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen können von Amtes wegen oder auf Rüge hin berichtigt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 105 Abs. 2 und Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 147 V 16 E. 4.1.1). "Offensichtlich unrichtig" ist mit "willkürlich" gleichzusetzen (vgl. zum Ganzen: BGE 146 IV 88 E. 1.3.1). Die Anfechtung der vorinstanzlichen Feststellungen unterliegt der qualifizierten Rüge- und Begründungsobliegenheit (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 147 IV 73 E. 4.1.2).  
 
3.  
 
3.1. Formelle Rügen können ungeachtet der materiellen Begründetheit des Rechtsmittels zur Gutheissung der Beschwerde und zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids führen, weshalb sie vorab zu behandeln sind (Urteile 2C_101/2021 vom 17. Februar 2022 E. 4; 2C_196/2017 vom 21. Februar 2019 E. 3, nicht publ. in BGE 145 II 49). Deshalb ist zuerst auf die gerügte Gehörsverletzung einzugehen.  
 
3.2. Der Anspruch der Parteien auf rechtliches Gehör ergibt sich aus Art. 29 Abs. 2 BV. Daraus fliesst als Teilgehalt die Pflicht der Behörde, die Vorbringen der Beteiligten tatsächlich zu hören, zu prüfen und bei der Entscheidfindung zu berücksichtigen. Ausserdem hat die Behörde ihren Entscheid zu begründen, wobei sie wenigstens kurz die wesentlichen Überlegungen nennen muss, von denen sie sich hat leiten lassen (BGE 142 I 135 E. 2.1; 138 I 232 E. 5.1).  
 
3.3. Der Beschwerdeführer rügt, das Verwaltungsgericht habe die Voraussetzungen für eine Rückstufung nicht geprüft. Dies trifft nicht zu. Die Vorinstanz erwog, beim Beschwerdeführer könne nicht mit einer Besserung gerechnet werden, weshalb kein Raum für eine Rückstufung oder eine weitere Verwarnung bestehe (vgl. E. 5.4 des angefochtenen Urteils). Sie hat folglich dargelegt, weshalb eine Rückstufung ihrer Meinung nach nicht infrage komme, und war nicht gehalten, weitere abstrakte Ausführungen zu den allgemeinen Voraussetzungen einer Rückstufung zu machen. Eine Gehörsverletzung liegt nicht vor.  
 
4.  
In materieller Hinsicht ist vorab auf die Rüge einzugehen, die Vorinstanz habe das falsche Recht angewendet. 
 
4.1. Gemäss Art. 126 Abs. 1 AIG (SR 142.20) bleibt das bisherige Recht auf Gesuche anwendbar, die vor dem Inkrafttreten des Ausländer- und Integrationsgesetzes eingereicht worden sind. In Anwendung dieser übergangsrechtlichen Regelung ist für die Bestimmung des anwendbaren Rechts der Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens massgebend (vgl. Urteile 2C_125/2021 vom 17. August 2021 E. 3; 2C_1072/2019 vom 25. März 2020 E. 7.1).  
 
 
4.2. Der Beschwerdeführer stellt für die Einleitung des Verfahrens darauf ab, dass er im Oktober 2018 ein Verfahren zur Verlängerung der Kontrollfrist seiner Niederlassungsbewilligung anhängig gemacht habe. Dieses Verfahren ist indessen nicht gleichzusetzen mit dem Widerrufsverfahren; Letzteres wird praxisgemäss eingeleitet, wenn die Migrationsbehörden das rechtliche Gehör zur aufenthaltsbeendenden Massnahme gewähren (Urteil 2C_125/2021 vom 17. August 2021 E. 3), was im vorliegenden Fall am 6. April 2021 geschehen ist. Die Vorinstanz hat daher zu Recht das neue Recht angewendet. Im Übrigen spielt das anwendbare Recht für die materielle Beurteilung insoweit keine Rolle, als dass der von der Vorinstanz vorrangig herangezogene Widerrufsgrund von Art. 63 Abs. 1 lit. b AIG auch unter altem Recht trotz rechtmässigem Aufenthalt von über 15 Jahren zum Bewilligungswiderruf führen konnte (Art. 63 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 AuG in der bis Ende 2018 gültigen Fassung; vgl. BGE 139 I 16 E. 2.1).  
 
5.  
Weiter ist streitig, ob der Widerrufsgrund nach Art. 63 Abs. 1 lit. b AIG erfüllt ist. 
 
5.1. Die Niederlassungsbewilligung kann nach Art. 63 Abs. 1 lit. b AIG widerrufen werden, wenn die Ausländerin oder der Ausländer in schwerwiegender Weise gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Schweiz oder im Ausland verstossen hat oder diese gefährdet oder die innere oder die äussere Sicherheit gefährdet. Nach Art. 77a Abs. 1 der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE; SR 142.201) liegt eine Nichtbeachtung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung insbesondere vor, wenn die betroffene Person gesetzliche Vorschriften und behördliche Verfügungen missachtet (lit. a) oder öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Verpflichtungen mutwillig nicht erfüllt (lit. b).  
 
5.2. Der Widerrufsgrund ist entgegen den Ausführungen in der Beschwerde nicht nur erfüllt, wenn besonders hochwertige Rechtsgüter verletzt oder gefährdet werden; auch vergleichsweise weniger gravierende Pflichtverletzungen können als "schwerwiegend" i.S.v Art. 63 Abs. 1 lit. b AIG bezeichnet werden, wenn sich die ausländische Person von strafrechtlichen Massnahmen nicht beeindrucken lässt und damit zeigt, dass sie auch zukünftig weder gewillt noch fähig ist, sich an die Rechtsordnung zu halten. Dies kann nur anhand einer Gesamtbetrachtung ihres Verhaltens beurteilt werden. Auch eine Summierung von Verstössen, die für sich genommen für einen Widerruf nicht ausreichen würden, kann einen Bewilligungsentzug rechtfertigen. Dies gilt auch für das Bestehen von privatrechtlichen Schulden, wenn die Verschuldung mutwillig erfolgt ist (BGE 137 II 297 E. 3.3; Urteil 2C_628/2021 vom 21. Oktober 2021 E. 3.1 f.).  
 
5.3. Der Beschwerdeführer ist zwischen 2000 bis 2021 achtzehn Mal strafrechtlich verurteilt worden Zwar stammt die schwerste Verurteilung aus dem Jahr 2006 mit einem Strafmass von 12 Monaten Freiheitsstrafe, doch ist der Beschwerdeführer in der Folge nicht nur zu Übertretungsbussen, sondern etwa 2017 noch zu zwei Geldstrafen von 150 bzw. 35 Tagessätzen verurteilt worden. Vor diesem Hintergrund hält der Vergleich mit dem Urteil 2C_625/2017 vom 13. Dezember 2017 nicht Stand. Der dort Betroffene wurde insgesamt mit etwas mehr Tagessätzen bestraft als der Beschwerdeführer alleine im Jahr 2017 und ist zudem deutlich weniger oft straffällig geworden. Das Verhalten des Beschwerdeführers lässt ohne weiteres erkennen, dass er sich von strafrechtlichen Massnahmen nicht beeindrucken lässt und nicht gewillt ist, sich an die Rechtsordnung zu halten. Daran ändert auch der pauschale Verweis auf die schizophrene Erkrankung nichts. Die Vorinstanz hat sich eingehend mit dem Gesundheitszustand des Beschwerdeführers befasst und erwogen, dass sich die Straffälligkeit durch die Erkrankung nicht entschuldigen lasse und er trotz erheblich verbesserter Gesundheit ab 2015 gleichwohl wiederholt straffällig geworden sei (vgl. E. 5.2 des angefochtenen Urteils). Damit setzt sich die Beschwerde nicht auseinander.  
 
5.4. Es kommt hinzu, dass der Beschwerdeführer massiv verschuldet ist und per März 2021 Schulden im Umfang von Fr. 210'963.40 (135 Verlustscheine) angehäuft hat. Soweit er ausführt, er habe sich ab 2007 "allmählich" um seine Schulden gekümmert und Abzahlungen an das Betreibungsamt geleistet, ist darauf hinzuweisen, dass sich seine Schulden trotz entsprechender Ermahnung zwischen 2013 und 2021 mehr als verdoppelt haben, wobei eine allfällige Rückzahlung von zu Unrecht bezogenen Rentenleistungen noch nicht berücksichtigt ist (vgl. E. 4.1 des angefochtenen Urteils). Von ernsthaften Bemühungen, die Schulden zu tilgen oder auch nur keine Schulden mehr anzuhäufen, kann daher keine Rede sein. Daran ändert auch die Aufhebung der IV-Rente nichts, wurde diese doch gemäss den vorinstanzlichen Feststellungen erst im März 2020 eingestellt. Die Vorinstanz ist deshalb zu Recht von einer mutwilligen Verschuldung ausgegangen. Zusammen mit der fortgesetzten Straffälligkeit liegt der Widerrufsgrund von Art. 63 Abs. 1 lit. b AIG offensichtlich vor. Bei dieser Sachlage erübrigen sich Ausführungen dazu, ob der Beschwerdeführer wegen seines Sozialhilfebezugs auch den Widerrufsgrund nach Art. 63 Abs. 1 lit. c AIG erfüllt.  
 
6.  
Damit bleibt zu prüfen, ob der Widerruf verhältnismässig ist. 
 
6.1. Der Widerruf der Niederlassungsbewilligung muss verhältnismässig sein (Art. 5 Abs. 2 BV; Art. 96 Abs. 1 AIG). Massgebliche Kriterien der Verhältnismässigkeitsprüfung sind unter anderem die Schwere des Delikts, das Verschulden, die Dauer der Anwesenheit und der Grad der Integration, die familiären Verhältnisse sowie die Wiedereingliederungschancen im Herkunftsstaat (BGE 139 I 16 E. 2.2; 139 I 31 E. 2.3). Die Niederlassungsbewilligung eines Ausländers, der sich seit langer Zeit in der Schweiz aufhält, soll nur mit besonderer Zurückhaltung widerrufen werden. Der Widerruf ist indessen bei wiederholter bzw. schwerer Straffälligkeit selbst dann nicht ausgeschlossen, wenn der Betroffene in der Schweiz geboren ist und sein ganzes Leben hier verbracht hat (BGE 144 IV 332 E. 3.3.3; 139 I 16 E. 2.2.1).  
 
6.2. Der Beschwerdeführer ist im Alter von 12 Jahren in die Schweiz gekommen und hält sich seit über 36 Jahren hier auf. Beruflich ist er nicht integriert - er bezog ab 2001 eine volle IV-Rente wegen massiven psychischen Störungen und bezieht seit der Aufhebung der Rente im Jahr 2020 Sozialhilfe. Entgegen der pauschalen Behauptung in der Beschwerde ist nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in absehbarer Zeit eine Anstellung finden und für seinen Lebensunterhalt selber aufkommen wird, nachdem er über 20 Jahre lang nicht erwerbstätig gewesen ist. In sozialer Hinsicht wird in der Beschwerde pauschal auf einen Freundeskreis verwiesen, der nicht näher substanziiert wird. Zudem leben seine beiden erwachsenen Kinder hier. Dies genügt nicht für eine tiefgreifende Verwurzelung in die hiesigen Verhältnisse. Unter Berücksichtigung der jahrelangen Straffälligkeit ist zusammen mit der Vorinstanz von einer mangelhaften Integration auszugehen.  
 
6.3. Was schliesslich die Zumutbarkeit der Rückkehr in die Türkei betrifft, bringt der Beschwerdeführer pauschal vor, seine dort lebenden Eltern bzw. sein Bruder könnten ihn bei der Reintegration wegen ihres Alters bzw. sozialen Status nicht unterstützen. Damit werden die vorinstanzlichen Ausführungen zur Wiedereingliederung nicht infrage gestellt; namentlich bestreitet der Beschwerdeführer nicht, dass er den Kontakt zum Herkunftsstaat aufrecht erhalten hat und etwa im April 2021 für mehrere Wochen in die Türkei gereist ist, um seine Eltern und seinen Bruder zu besuchen (vgl. E. 5.3 des angefochtenen Urteils). Folglich sollte zumindest seine soziale Wiedereingliederung möglich sein. Der Möglichkeit einer beruflichen Wiedereingliederung kommt angesichts des Umstands, dass sich der Beschwerdeführer in der Schweiz nicht beruflich zu integrieren vermochte, keine entscheidende Bedeutung zu.  
 
6.4. Zusammenfassend spricht lediglich die lange Anwesenheit in der Schweiz und die Beziehung zu seinen erwachsenen Kindern für den Beschwerdeführer, während angesichts der jahrelangen Straffälligkeit und der massiven Verschuldung trotz mehrfacher Ermahnung sowie des aktuellen Sozialhilfebezugs ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Entfernung des Beschwerdeführers vom Schweizer Staatsgebiet besteht. Nicht entscheidend ist dabei, dass sich in den Akten eine Vielzahl von weiteren Strafanzeigen finden; das öffentliche Interesse überwiegt unabhängig davon. Damit kann offengelassen werden, ob die Vorinstanz die Unschuldsvermutung verletzt hat, indem sie auf noch hängige oder eingestellte Strafverfahren verwiesen hat. Der Widerruf der Niederlassungsbewilligung und die Wegweisung erweisen sich als verhältnismässig.  
 
7.  
Soweit sich der Beschwerdeführer auf Art. 8 EMRK beruft, ist unklar, was er aus dem zitierten BGE 144 II 1 E. 6.1 zu seinen Gunsten ableiten kann. Das Bundesgericht führte dort aus, dass die Beziehung zu erwachsenen Kindern nicht in den Schutzbereich des Anspruchs auf Achtung des Familienlebens falle und dass für den Anspruch auf Achtung des Privatlebens besonders intensive private Beziehungen beruflicher oder gesellschaftlicher Natur verlangt werden. Solche vermag der Beschwerdeführer nicht vorzuweisen. Damit kann sich der Beschwerdeführer trotz seines langen Aufenthalts nicht auf den Anspruch auf Achtung des Privat- oder Familienlebens berufen, unabhängig davon, dass die Einschränkung dieses Anspruchs aus überwiegenden öffentlichen Interessen zulässig wäre, wie die vorstehende Interessenabwägung gezeigt hat (Art. 36 Abs. 3 BV und Art. 8 Ziff. 2 EMRK). 
 
8.  
 
8.1. Erweisen sich der Widerruf der Niederlassungsbewilligung und die Wegweisung des Beschwerdeführers als zulässig, besteht kein Anlass, ihn als mildere Massnahme zu verwarnen. Der Beschwerdeführer ist mehrere Male erfolglos ausländerrechtlich ermahnt worden und hat sich auch von den strafrechtlichen Verurteilungen nicht beeindrucken lassen. Soweit er in der Beschwerde ausführt, dass er sich wegen seiner Krankheit nicht an die Ermahnungen habe halten können, ist darauf hinzuweisen, dass ihn sein verbesserter Gesundheitszustand ab 2015 nicht daran gehindert hat, weiter straffällig zu werden (vgl. vorne E. 5.3). Die Sachlage liegt damit deutlich anders als im Urteil 2C_126/2017 vom 7. September 2017, das in der Beschwerde angeführt wird. Dort erwog das Bundesgericht, angesichts der engen beruflichen und sozialen Integration des Betroffenen und namentlich wegen der familiären Verhältnisse (Heirat und Geburt einer Tochter) sei der Bewilligungswiderruf unverhältnismässig.  
 
8.2. Weiter kommt auch die Rückstufung auf eine Aufenthaltsbewilligung als mildere Massnahme nicht infrage, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Voraussetzungen für den Widerruf der Niederlassungsbewilligung und die Wegweisung erfüllt sind (BGE 148 II 1 E. 2.5). Zudem kommt die Rückstufung ausschliesslich bei Integrationsdefiziten und nicht beim Widerruf wegen eines schwerwiegenden Verstosses gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung infrage (Art. 63 Abs. 2 AIG; Urteile 2C_133/2022 vom 24. Juni 2022 E. 8.2; 2C_782/2019 vom 10. Februar 2020 E. 3.3.4).  
Die Beschwerde ist damit vollumfänglich abzuweisen. 
 
9.  
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen sind nicht auszurichten (Art. 68 Abs. 1-3 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist wegen Aussichtslosigkeit abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG e contrario). Angesichts des ausführlich begründeten vorinstanzlichen Urteils und der erhobenen Rügen besass die Beschwerde keine reellen Chancen. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn und dem Staatssekretariat für Migration mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 25. August 2022 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin 
 
Der Gerichtsschreiber: M. Businger