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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
1B_99/2019  
 
 
Urteil vom 25. September 2019  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Chaix, Präsident, 
Bundesrichter Haag, Muschietti, 
Gerichtsschreiber Forster. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Stefan Pfister, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft Zofingen-Kulm. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Auftrag zur psychiatrischen Begutachtung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 17. Januar 2019 (SBK.2018.294). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die Staatsanwaltschaft Zofingen-Kulm führt eine Strafuntersuchung gegen A.________ wegen des Verdachts, sie habe am 12. Oktober 2016 ihre Mutter zu töten (nämlich mit einem Ast zu erschlagen) versucht. Am 15. Oktober 2018 erteilte die Staatsanwaltschaft den Auftrag zur psychiatrischen Begutachtung der Beschuldigten. Eine von der Beschuldigten am 23. Oktober 2018 dagegen erhobene Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, mit Entscheid vom 17. Januar 2019 ab. 
 
B.   
Gegen den Entscheid des Obergerichtes vom 17. Januar 2019 gelangte die Beschuldigte mit Beschwerde vom 27. Februar 2019 an das Bundesgericht. Sie beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheides. 
Die Staatsanwaltschaft und das Obergericht haben auf inhaltliche Vernehmlassungen je ausdrücklich verzichtet. Mit Verfügung vom 15. März 2019 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Die Beschwerdeführerin reichte am 29. März 2019 eine weitere Stellungnahme ein. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Beim streitigen Gutachtensauftrag handelt es sich um einen strafprozessualen Zwischenentscheid. Bei psychiatrischen Begutachtungen mit medizinischer Exploration der betroffenen Person handelt es sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes um eine Zwangsmassnahme (Art. 196 StPO), welche für den Exploranden grundsätzlich mit einem drohenden nicht wieder gutzumachenden Rechtsnachteil verbunden ist (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; vgl. BGE 144 I 253, nicht amtlich publizierte E. 1). Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen von Art. 78 ff. BGG geben zu keinen weiteren Vorbemerkungen Anlass. 
 
2.   
Die Beschwerdeführerin macht (im Wesentlichen zusammengefasst) Folgendes geltend: Sie bestreite den Vorwurf, sie habe versucht, ihre Mutter zu erschlagen. Sie habe lediglich einen Messerangriff der Geschädigten abgewehrt. Das Obergericht habe Bundesrecht verletzt, indem es die Notwendigkeit einer psychiatrischen Begutachtung mit Zweifeln an ihrer Schuldfähigkeit und mit einer "hypothetischen Massnahmenbedürftigkeit" begründet habe. Der Fragenkatalog an den Gutachter enthalte weder Abklärungen zu ihrer Glaubwürdigkeit, noch andere Fragen, welche der Klärung des Sachverhaltes dienen könnten. Stattdessen habe die Staatsanwaltschaft den "typischen" und standardisierten Fragenkatalog der aargauischen Staatsanwaltschaften, der zur Abklärung von möglichen psychischen Störungen und einer allfälligen Massnahmenbedürftigkeit regelmässig zur Anwendung gelange, "ungeprüft übernommen". Ihre Begutachtung sei sachlich nicht geboten und liege nicht im öffentlichen Interesse. Unverständlich erscheine ihr auch, dass nur sie, nicht aber die Geschädigte, begutachtet werden solle. Der angefochtene Entscheid verletze daher Art. 182 StPO, den Grundsatz der Verhältnismässigkeit und die strafprozessuale Untersuchungsmaxime (Art. 6 Abs. 2 StPO). 
Zudem habe die Vorinstanz offensichtlich unrichtige bzw. ungeprüfte tatsächliche Annahmen getroffen. Der massgebliche Sachverhalt sei vom Bundesgericht entsprechend zu "ergänzen". 
 
3.   
Die Strafbehörden setzen zur Wahrheitsfindung alle nach dem Stand von Wissenschaft und Erfahrung geeigneten Beweismittel ein, die rechtlich zulässig sind (Art. 139 Abs. 1 StPO). Die Staatsanwaltschaft zieht eine oder mehrere sachverständige Personen bei, wenn sie nicht über die besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, die zur Feststellung oder Beurteilung eines Sachverhalts erforderlich sind (Art. 182 StPO). Als Sachverständige können natürliche Personen ernannt werden, die auf dem betreffenden Fachgebiet die erforderlichen besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten besitzen (Art. 183 Abs. 1 StPO). Für Sachverständige gelten die Ausstandsgründe nach Art. 56 StPO (Art. 183 Abs. 3 StPO). Die Staatsanwaltschaft ernennt (im Vorverfahren) die sachverständige Person (Art. 184 Abs. 1 StPO) und erteilt ihr einen schriftlichen Auftrag (Art. 184 Abs. 2 StPO). Sie gibt den Parteien vorgängig Gelegenheit, sich zur sachverständigen Person (und den ihr vorzulegenden Fragen) zu äussern und dazu eigene Anträge zu stellen (Art. 184 Abs. 3 Satz 1 StPO). Die Staatsanwaltschaft übergibt der sachverständigen Person zusammen mit dem Auftrag die zur Erstellung des Gutachtens notwendigen Akten und Gegenstände (Art. 184 Abs. 4 StPO). 
Zwangsmassnahmen sind Verfahrenshandlungen der Strafbehörden, die in Grundrechte der Betroffenen eingreifen und (namentlich) dazu dienen, Beweise zu sichern (Art. 196 lit. a StPO). Jede Person hat Anspruch auf Achtung ihres Privatlebens (vgl. Art. 13 Abs. 1 BV). Art. 98 BGG gelangt bei strafprozessualen Zwangsmassnahmen nicht zur Anwendung (BGE 143 IV 316 E. 3.3 S. 319; 330 E. 2.1 S. 334; je mit Hinweisen). Soweit jedoch reine Sachverhaltsfragen und damit Fragen der Beweiswürdigung zu beurteilen sind, greift das Bundesgericht nur ein, wenn die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen (Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 105 Abs. 2 BGG; BGE 143 IV 316 E. 3.3 S. 319; 330 E. 2.1 S. 334; je mit Hinweis). 
 
4.  
 
4.1. Die Beschwerdeführerin stellt sich auf den Standpunkt, die gesetzlichen Voraussetzungen einer Begutachtung seien nicht erfüllt.  
Besteht ernsthafter Anlass, an der Schuldfähigkeit des Täters oder der Täterin zu zweifeln, so ordnet die Untersuchungsbehörde oder das Gericht die Begutachtung durch eine sachverständige Person an (Art. 20 StGB). Die Staatsanwaltschaft zieht eine medizinisch-psychiatrische Expertin oder einen Experten bei, wenn sie selber nicht über die besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, die zur Feststellung oder Beurteilung des betreffenden Sachverhalts erforderlich sind (vgl. Art. 182 StPO; s.a. Art. 56 Abs. 3 StGB). 
Die Vorinstanz erwägt, die Anordnung eines psychiatrischen Gutachtens dränge sich im vorliegenden Fall nachgerade auf. Zweifel an der vollen Schuldfähigkeit der Beschwerdeführerin bestünden insbesondere aufgrund des ihr von der Staatsanwaltschaft zur Last gelegten ("merkwürdigen") Tatvorgehens gegen ihre eigene Mutter sowie angesichts ihrer (vom Ex-Ehemann beschriebenen) gesundheitlichen Belastungen (langjährige psychische Probleme und Behandlungen bei verschiedenen Psychiatern). Hinzu kämen, gestützt auf die eigenen Aussagen der Beschuldigten, Anhaltspunkte für eine Suchtproblematik (Cannabis und Alkohol). Neben der Schuldfähigkeit seien auch Fragen nach einer allfälligen Massnahmenbedürftigkeit gutachterlich zu klären. 
Die Ansicht der Vorinstanz, die gesetzlichen Voraussetzungen zur Anordnung eines psychiatrischen Gutachtens seien erfüllt, erweist sich als bundesrechtskonform. Daran vermögen die Einwände der Beschwerdeführerin nichts zu ändern, die Mehrzahl aller (gemeinhin verübten) Straftaten erscheine "irgendwie merkwürdig", psychische Erkrankungen seien allgemein häufig, und "während des Tatablaufes" habe sie weder Cannabis noch Alkohol konsumiert. 
 
4.2. Die Vorinstanz stellt sodann fest, dass die vollständigen Untersuchungsakten dem Gutachter vorgelegt wurden, darunter insbesondere sämtliche Einvernahmeprotokolle der Befragten. Der Sachverständige könne den detaillierten und klaren Tatvorwurf der Staatsanwaltschaft den Untersuchungsakten entnehmen. Aus diesen sei auch ersichtlich, dass der Vorwurf der versuchten Tötung von der Beschwerdeführerin bestritten werde und die abschliessende Beweiswürdigung (inklusive Prüfung einer angeblichen Notwehrhandlung) durch den erkennenden Sachrichter vorzunehmen sein werde.  
Auch diese Erwägungen des angefochtenen Entscheides halten vor dem Bundesrecht stand. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin setzt eine psychiatrische Begutachtung der beschuldigten Person nicht voraus, dass der inkriminierte Sachverhalt (gemäss den vorläufigen Untersuchungsergebnissen) "unbestritten" oder bereits liquide belegt wäre (vgl. dazu Urteil des Bundesgerichtes 1B_409/2018 vom 18. Februar 2019 E. 5.2-5.5). Weder sind hier (im Lichte von Art. 184 Abs. 4 StPO) sachwidrige Tatsachenfeststellungen ersichtlich, welche die Staatsanwaltschaft dem Gutachter unterbreitet hätte, noch Anhaltspunkte, wonach diesem die für die Erstellung der Expertise notwendigen Untersuchungsakten vorenthalten worden wären. 
 
4.3. In diesem Zusammenhang sind auch keine offensichtlich unrichtigen Sachverhaltsfeststellungen des Obergerichtes dargetan:  
Die Beschwerdeführerin stellt sich auf den Standpunkt, die Staatsanwaltschaft habe im Rahmen des Gutachtensauftrages keine Angaben zum Sachverhalt gemacht bzw. "pauschal auf die Akten verwiesen". Zwar habe das Obergericht festgestellt, "dass sämtliche Akten dem Gutachter zugestellt worden" seien. Diese Annahme habe die Vorinstanz jedoch nicht "geprüft", weshalb es (nach Ansicht der Beschwerdeführerin) die Aufgabe des Bundesgerichtes sei, "zu prüfen", ob dem Gutachter "alle Akten zur Verfügung gestanden" hätten. 
Dieser Argumentation ist nicht zu folgen. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ist es nicht Aufgabe des Bundesgerichtes, die vorinstanzlichen Tatsachenfeststellungen von Amtes wegen zu überprüfen (Art. 105 Abs. 1 BGG). Nach den massgeblichen verfahrensrechtlichen Vorschriften wäre es vielmehr Sache der Beschwerdeführerin gewesen, substanziiert darzulegen, inwiefern die Erwägung der Vorinstanz, die vollständigen Untersuchungsakten seien dem Gutachter vorgelegt wurden, darunter insbesondere sämtliche Einvernahmeprotokolle der Befragten, geradezu unhaltbar wäre (vgl. Art. 42 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG). Die blosse pauschale Behauptung, die Vorinstanz habe "ungeprüfte" tatsächliche Annahmen getroffen, genügt den gesetzlichen Substanziierungsanforderungen nicht. 
Analoges gilt für weitere appellatorische Vorbringen der Beschwerdeführerin, mit denen sie den "Sachverhalt ergänzen" möchte. Darauf ist nicht einzutreten. 
 
4.4. Als unbegründet erweist sich sodann die Rüge der Verletzung des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes. Wie bereits dargelegt, erscheint die psychiatrische Begutachtung der Beschwerdeführerin (im Lichte von Art. 182 StPO i.V.m. Art. 20 und Art. 56 Abs. 3 StGB) als sachlich geboten (vgl. Art. 197 Abs. 1 lit. c StPO). Auch die Bedeutung der untersuchten Straftat rechtfertigt die Zwangsmassnahme (vgl. Art. 197 Abs. 1 lit. d StPO); es besteht ein hohes öffentliches Interesse an der Aufklärung des mutmasslichen Verbrechens. Die streitige Zwangsmassnahme richtet sich im Übrigen gegen die beschuldigte Person selber (vgl. Art. 197 Abs. 2 StPO).  
Auf die in der Beschwerdeschrift beiläufig erörterten Fragen der Durchführung eines allfälligen gerichtlichen Hauptverfahrens (Art. 342 StPO) ist nicht einzutreten. Diese bilden nicht Gegenstand des angefochtenen Entscheides. Der Streitgegenstand beschränkt sich auf den Gutachtensauftrag vom 15. Oktober 2018. 
 
4.5. Die Beschwerdeführerin stört sich schliesslich noch daran, dass nur sie psychiatrisch begutachtet werden solle, die Geschädigte hingegen nicht. Sie sieht darin einen Verstoss gegen Art. 6 Abs. 2 StPO. Auch auf diese Vorbringen ist nicht einzutreten. Die Frage, ob neben der streitigen psychiatrischen Begutachtung der Beschuldigten allenfalls noch weitere Untersuchungsmassnahmen zu ergreifen sein werden, bildet (ebenfalls) nicht Gegenstand des angefochtenen Entscheides.  
 
5.   
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. 
Die Beschwerdeführerin stellt ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege. Da die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind (und insbesondere die finanzielle Bedürftigkeit der Gesuchstellerin ausreichend dargelegt wird), ist das Gesuch zu bewilligen (Art. 64 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist. 
 
2.   
Der Beschwerdeführerin wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt: 
 
2.1. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.  
 
2.2. Rechtsanwalt Stefan Pfister wird als unentgeltlicher Rechtsvertreter ernannt und für das bundesgerichtliche Verfahren aus der Bundesgerichtskasse mit einem Honorar von Fr. 1'500.-- (pauschal, inkl. MWST) entschädigt.  
 
3.   
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Obergericht des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 25. September 2019 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Chaix 
 
Der Gerichtsschreiber: Forster