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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
5A_58/2019  
 
 
Urteil vom 25. September 2019  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter von Werdt, Bovey, 
Gerichtsschreiber Levante. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ AG, 
vertreten durch Rechtsanwalt Matthias Gmünder, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
B.________ S.P.R.L., 
vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Patrick Rohn und Roger Steiner, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Definitive Rechtsöffnung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, Einzelrichter für Beschwerden SchKG, vom 4. Januar 2019 (BES.2018.76-EZS1). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Am 25. Juni 2018 stellte die B.________ S.P.R.L., mit Sitz in U.________/Belgien, in der gegen die A.________ AG laufenden Betreibung Nr. aaa des Betreibungsamtes V.________ das Gesuch um definitive Rechtsöffnung für Fr. 61'388.52 zuzüglich Zins zu 5 % seit dem 1. Januar 2012 sowie für Fr. 16'500.--. Als Rechtsöffnungstitel legte die Gläubigerin einen Entscheid des Handelsgerichts des Kantons St. Gallen vom 9. Februar 2018 vor, welcher die A.________ AG zur Zahlung von Euro 53'321.05 zuzüglich Zins zu 5% seit dem 12. Januar 2012 sowie zum Ersatz der Gerichtskosten von Fr. 6'500.-- und zur Leistung einer Parteientschädigung von Fr. 10'000.- verurteilt hatte.  
 
A.b. Mit Entscheid vom 20. September 2018 erteilte der Einzelrichter des Kreisgerichts Toggenburg der B.________ S.P.R.L. die definitive Rechtsöffnung im beantragten Umfang.  
 
B.   
Die A.________ AG reichte beim Kantonsgericht St. Gallen Beschwerde ein und verlangte die Aufhebung des definitiven Rechtsöffnungsentscheides. Am 4. Januar 2019 wies das Kantonsgericht (Einzelrichter für Beschwerden SchKG) die Beschwerde ab. 
 
C.   
Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 18. Januar 2019 ist die A.________ AG an das Bundesgericht gelangt. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung des kantonsgerichtlichen Entscheides und die Abweisung des Rechtsöffnungsgesuchs. Eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
Mit Verfügung vom 8. Februar 2018 ist der Beschwerde antragsgemäss die aufschiebende Wirkung erteilt worden. 
 
Es sind die kantonalen Akten, indes keine Vernehmlassungen in der Sache eingeholt worden. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde richtet sich gegen den Endentscheid einer letzten kantonalen Instanz, die als oberes Gericht über die Rechtsöffnung, mithin eine Schuldbetreibungs- und Konkurssache entschieden hat (Art. 72 Abs. 2 lit. a, Art. 75 Abs. 1, Art. 90 BGG). Die gesetzliche Streitwertgrenze wird erreicht (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG). Die Beschwerde in Zivilsachen ist daher gegeben. Die Beschwerdeführerin ist als Schuldnerin zur Beschwerde berechtigt (Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG). Insoweit kann auf die Beschwerde eingetreten werden.  
 
1.2. Mit der vorliegenden Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht (Art. 95 lit. a BGG) und von ausländischem Recht im Rahmen von Art. 96 BGG gerügt werden. Die Anwendung von ausländischem Recht kann vorliegend nur unter dem Blickwinkel der Willkür (Art. 9 BV) überprüft werden (Art. 96 lit. b BGG e contrario; BGE 133 III 446 E. 3.1).  
 
1.3. In der Beschwerde ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 143 I 377 E. 1.2). Die Verletzung verfassungsmässiger Rechte ist ebenfalls zu begründen, wobei hier das Rügeprinzip gilt (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 142 III 364 E. 2.4).  
 
1.4. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel sind nur zulässig, soweit der vorinstanzliche Entscheid dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG).  
 
2.   
Das Kantonsgericht hat die Auffassung des Rechtsöffnungsrichters bestätigt und im Wesentlichen festgehalten, dass die Beschwerdegegnerin (Gläubigerin) entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin (Schuldnerin) nach wie vor existiere. Es hat hierzu auf die eingereichten Unterlagen und insbesondere den Handelsregisterauszug vom 23. August 2018 verwiesen, woraus hervorgehe, dass die B.________ S.P.R.L. unter der Nr. bbb mit Sitz in U.________ und dem Status "Active" registriert sei. Daher verwarf es den Einwand der Schuldnerin und schützte den Rechtsöffnungsentscheid. 
 
3.   
Anlass zur Beschwerde gibt ein Rechtsöffnungsverfahren, in welchem die Schuldnerin vorbringt, die betreibende Gläubigerin, welche eine juristische Person mit Sitz in Belgien ist, existiere inzwischen gar nicht mehr. Die Beschwerdeführerin wirft der Vorinstanz im Wesentlichen eine Verletzung der Regeln über die aktive Betreibungsfähigkeit vor. 
 
3.1. Beruht die Forderung auf einem vollstreckbaren gerichtlichen Entscheid, so wird die definitive Rechtsöffnung erteilt, wenn nicht der Betriebene durch Urkunden beweist, dass die Schuld seit Erlass des Entscheides getilgt oder gestundet worden ist, oder die Verjährung anruft (Art. 81 Abs. 1 SchKG). Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass das Urteil des Handelsgerichts vom 9. Februar 2018 einen definitiven Rechtsöffnungstitel darstellt (Art. 80 Abs. 1 SchKG).  
 
3.2. Im Zwangsvollstreckungsrecht gelten die allgemeinen Grundsätze, wonach die Einleitung eines Verfahrens die Partei- und die Prozessfähigkeit der beteiligten Parteien voraussetzt (STOFFEL/CHABLOZ, Voies d'exécution, 3. Aufl. 2016, § 3 Rz. 4). Vom Erfordernis der Parteifähigkeit sind Personengemeinschaften oder verselbständigte Vermögensmassen ausgenommen, die nicht rechtsfähig im Sinne des Zivilrechts sind (Art. 11 und Art. 53 ZGB), denen diese Eigenschaft aber kraft gesetzlicher Sonderregelung zukommt. Dazu gehören etwa die Kollektivgesellschaft (Art. 562 OR), die Kommanditgesellschaft (Art. 602 OR) und die Gemeinschaft der Stockwerkeigentümer (Art. 712l Abs. 2 ZGB), die Konkursmasse (Art. 240 SchKG) sowie Liquidationsmasse beim Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung (Art. 319 Abs. 2 SchKG). Die Prozessfähigkeit als rechtliche Befugnis, in eigenem Namen wirksam zu handeln, kommt jedermann zu, der handlungsfähig ist (Art. 12 und Art. 54 ZGB; Art. 67 ZPO; vgl. STAEHELIN/STAEHELIN/GROLIMUND, Zivilprozessrecht, 3. Aufl. 2019, § 13 Rz. 7). Im Zwangsvollstreckungsrecht spricht man gemeinhin von aktiver und passiver Betreibungsfähigkeit. Als Verfahrensvoraussetzung ist sie von Amtes wegen zu prüfen; das gilt im Rechtsöffnungsverfahren (STAEHELIN, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Aufl. 2010, N. 31 zu Art. 84) und allgemein in der Vollstreckung (BGE 105 III 107 E. 2; AMONN/WALTHER, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 9. Aufl. 2013, § 6 Rz. 8).  
 
3.2.1. Bei der Beschwerdegegnerin (Gläubigerin) handelt es sich um eine im belgischen Handelsregister (Zentrales Unternehmesregister bzw. Banque-Carrefour des Entreprises) erfassten Gesellschaft mit Sitz in U.________/Belgien (Société Privée à Responsabilité Limitée, S.P.R.L.). Das Gesellschaftsstatut legt das anwendbare Recht, insbesondere die Gründung, die Rechts- und Handlungsfähigkeit, die interne Organisation und den Untergang der Gesellschaft fest. Diese Vorgänge sind im vorliegenden Betreibungsverfahren Fall nach den belgischem Recht zu beurteilen (Art. 154 Abs. 1 i.V.m. Art. 155 lit. b, c IPRG; STAEHELIN, Das internationale Betreibungsrecht, BlSchK 2015 S. 138; vgl. BGE 117 II 494 E. 4; Urteil 4A_454/2018 vom 5. Juni 2019 E. 2.4.3; STAEHELIN/STAEHELIN/GROLIMUND, a.a.O., § 13 Rz. 13).  
 
3.2.2. Die Beschwerdeführerin stellt die Anwendbarkeit des belgischen Rechts auf die (aktive) Betreibungsfähigkeit nicht grundsätzlich in Frage. Sie räumt auch ein, dass die Beschwerdegegnerin als juristische Person belgischen Rechts parteifähig sei. Indes bringt sie vor, dass es der Beschwerdegegnerin infolge massiver Überschuldung mittlererweile an der Handlungsfähigkeit fehle. Nach schweizerischem Recht hätte die Gläubigerin - so die Beschwerdeführerin - in einer solchen Situation (mit Hinweis auf Art. 725 f. bzw. Art. 820 OR) die Bilanz beim Richter deponieren müssen. Es widerspreche dem Ordre public unseres Landes, wenn überschuldete Gesellschaften Prozesse führen und Betreibungen einleiten dürften. Die Beschwerdeführerin wirft der Vorinstanz in diesem Zusammenhang eine willkürliche Rechtsanwendung vor, die auf groben Fehlern in der Sachverhaltsermittlung beruhe. Die aktive Betreibungsfähigkeit der Beschwerdegegnerin sei von der Vorinstanz nicht korrekt abgeklärt worden.  
 
3.2.3. Die Ausführungen der Beschwerdeführerin zum Sachverhalt finden indes im angefochtenen Entscheid keine Stütze. Inwiefern rechtserhebliche Tatsachenfeststellungen unrichtig gemäss Art. 97 Abs. 1 BGG wären, wird nicht dargestellt. Insbesondere die Schilderungen zur finanziellen Lage der Beschwerdegegnerin und daraus folgend die Behauptung, diese sei bereits seit drei Jahren massiv überschuldet und damit nicht mehr handlungsfähig, sind neu und damit unzulässig. Inwiefern erst der angefochtene Entscheid diese Vorbringen veranlasse, wird von der Beschwerdeführerin nicht dargelegt (E. 1.4). Damit kann offenbleiben, welche gesellschaftsrechtlichen Folgen eine allfällige Überschuldung der Beschwerdegegnerin nach dem hierfür anwendbaren belgischen Recht nach sich ziehen und was dies für die aktive Betreibungsfähigkeit in der Schweiz bedeuten würde. Ebenso wenig ist zu beurteilen, ob die vom belgischen Recht in einem solchen Fall vorgesehene Regelung mit dem schweizerischen Ordre public vereinbar wäre.  
 
3.2.4. Im kantonalen Verfahren warf die Beschwerdeführerin zur Hauptsache die Frage auf, ob der Beschwerdegegnerin noch eine Rechtspersönlichkeit mit eigenem Kapital zukomme und diese noch einen Gesellschaftszweck verfolge. Die Vorinstanz hat - entgegen der Kritik der Beschwerdeführerin - sehr wohl abgeklärt, ob der Beschwerdegegnerin noch eine aktive Betreibungsfähigkeit zukommt. Sie hat dies anhand eines Handelsregisterauszugs vom 23. August 2018 und der Konsultation des Unternehmensregisters im Internet (https://kbopub.economie.fgov.be) getan. Zudem hat die Vorinstanz festgestellt, dass die Beschwerdegegnerin seit dem Jahre 2008 jeweils ihren Jahresabschluss bei der Nationalbank von Belgien eingereicht habe, letztmals am 24. Juli 2018. Damit erübrigten sich nach Ansicht der Vorinstanz die von der Beschwerdeführerin verlangten weiteren Abklärungen betreffend die massgeblichen EU-Richtlinien für die in Belgien ansässigen Unternehmungen. Die von der Beschwerdeführerin nunmehr kritisierte mangelhafte Abklärung des Sachverhaltes entbehrt somit jeder Grundlage. Es ist zudem nicht nachvollziehbar, welche neuen Erkenntnisse aus dem geforderten aktuellen und beglaubigten Handelregisterauszug gewonnen werden könnten, nachdem der Vorinstanz ein Internet-Handelsregisterauszug vom 23. August 2018 vorlag, den sie anhand des Internets auf seine Aktualität überprüfen konnte. Dass es sich bei dieser Internetseite um eine Publikation des belgischen Wirtschaftsministeriums handelt, wie die Beschwerdeführern vorbringt, spielt für den Beweiswert dieses Dokumentes keine Rolle. Ebenso wenig wird erkennbar, welcher Nutzen der Beizug der bei der Nationalbank von Belgien eingereichten Jahresabschlüsse der Beschwerdegegnerin im vorliegenden Verfahren hätte bringen können, zumal die im belgischen Unternehmensregister veröffentlichten Angaben mit den Veröffentlichungen im Belgischen Staatsblatt und der Bilanzzentrale der Belgischen Nationalbank verbunden sind (https://e-justice.europa.eu; unter Register, Belgien). Soweit die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang von einer verweigerten Beweisabnahme spricht, ist ihr Vorwurf nicht nachvollziehbar. Hinzu kommt, dass dieser sich im Wesentlichen auf die (neue und damit unzulässige) Behauptung bezieht, die Beschwerdegegnerin sei seit drei Jahren massiv überschuldet, worauf - wie bereits erwähnt - nicht einzutreten ist.  
 
3.3. Der Vorinstanz kann nach dem Gesagten keine Rechtsverletzung vorgeworfen werden, weil sie die aktive Betreibungsfähigkeit der Beschwerdegegnerin bejaht hat.  
 
4.   
Aus den dargelegten Gründen ist die Beschwerde daher abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdegegnerin ist kein entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden, zumal sie lediglich zum prozessualen Antrag um aufschiebende Wirkung zur Stellungnahme eingeladen worden und diesbezüglich mit ihrem Begehren unterlegen ist (Art. 68 Abs. 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen, Einzelrichter für Beschwerden SchKG, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 25. September 2019 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Escher 
 
Der Gerichtsschreiber: Levante