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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_178/2021  
 
 
Urteil vom 26. August 2021  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Seiler, Präsident, 
Bundesrichter Donzallaz, 
Bundesrichterin Hänni, 
Gerichtsschreiber Hugi Yar. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1. A.________, 
2. B.________, 
Beschwerdeführerinnen, 
beide vertreten durch Advokat Dr. Nicolas Roulet, 
 
gegen  
 
Migrationsamt des Kantons Basel-Stadt, Spiegelgasse 12, 4051 Basel, 
Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Basel-Stadt, Spiegelgasse 6, 4001 Basel. 
 
Gegenstand 
Widerruf der Niederlassungsbewilligung und Wegweisung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht, Dreiergericht, vom 8. Januar 2021 (VD.2020.95). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________ (geb. 1984) ist serbische Staatsangehörige. Sie heiratete am 29. Juli 2002 den Schweizer Bürger C.________, worauf ihr im Familiennachzug eine Aufenthaltsbewilligung zum Verbleib bei diesem erteilt wurde. Am 25. Februar 2006 kam die Tochter B.________ zur Welt, welche über das Schweizer Bürgerrecht verfügte. Sie verlor dieses, nachdem das Zivilgericht Basel-Stadt am 20. Juni 2016 festgestellt hatte, dass nicht C.________ ihr leiblicher Vater ist, sondern - gemäss Angaben von A.________ - deren Landsmann D.________. A.________ erhielt am 13. August 2007 die Niederlassungsbewilligung. 
 
B.  
Das Migrationsamt Basel-Stadt widerrief diese am 7. April 2017; gleichzeitig hielt es A.________ und ihre Tochter an, das Land zu verlassen. Das Amt ging davon aus, dass A.________ bei der Erteilung der Niederlassungsbewilligung falsche Angaben gemacht habe, sie in erheblichem Masse auf Sozialhilfeleistungen angewiesen (gewesen) sei und sie sich zudem mutwillig verschuldet habe. Ihre Wegweisung und jene ihrer Tochter B.________ seien verhältnismässig. Das Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Basel-Stadt wies den hiergegen gerichteten Rekurs am 27. April 2020 ab. Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt hiess die Beschwerde gegen diesen Entscheid am 8. Januar 2021 insofern gut, als das Justiz- und Sicherheitsdepartement A.________ für sein Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung verweigert hatte; im Übrigen wies es die Beschwerde ab. 
 
C.  
A.________ und B.________ beantragen vor Bundesgericht, das Urteil des Appellationsgerichts teilweise aufzuheben und ihnen den Aufenthalt im Kanton Basel-Stadt weiterhin zu bewilligen. Eventuell sei die Sache zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen. Für den Fall des Unterliegens ersuchen sie um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. A.________ und B.________ machen geltend, dass keine Widerrufsgründe bestünden, die Beweiswürdigung willkürlich vorgenommen worden sei und die Aufenthaltsbeendigung sich mit Blick auf ihre Anwesenheitsdauer (14 Jahre und 10 Monate bei Bewilligungswiderruf) und das Alter von B.________ als unverhältnismässig erweise. 
Das Justiz- und Polizeidepartement und das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt beantragen, die Beschwerde abzuweisen. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) hat sich nicht vernehmen lassen. 
Der Abteilungspräsident legte der Beschwerde am 23. Februar 2021 antragsgemäss aufschiebende Wirkung bei. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Gegen den angefochtenen kantonal letztinstanzlichen Endentscheid über den Widerruf der Niederlassungsbewilligung ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig (vgl. BGE 135 II 1 E. 1.2.1; Urteil 2C_185/2021 vom 29. Juni 2021 E. 1). Es ist mit folgender Präzisierung auf diese einzutreten: In Bezug auf die Verletzung von Grundrechten gilt im bundesgerichtlichen Verfahren eine qualifizierte Rüge- und Begründungspflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 139 I 229 E. 2.2 S. 232). Die Sachverhaltsfeststellung bzw. Beweiswürdigung erweist sich als willkürlich (Art. 9 BV), wenn sie offensichtlich unhaltbar oder aktenwidrig ist, die Vorinstanz Sinn und Tragweite eines Beweismittels offensichtlich verkannt, sie ohne sachlichen Grund ein wichtiges und entscheidwesentliches Beweismittel unberücksichtigt gelassen oder auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen unhaltbare Schlussfolgerungen gezogen hat (BGE 140 III 264 E. 2.3 S. 266). Dabei genügt nicht, die Beweiswürdigung einfach als willkürlich zu bezeichnen; es ist vielmehr darzulegen, inwiefern diese offensichtlich unhaltbar sein soll. Auf die rein appellatorisch gehaltenen Ausführungen der Beschwerdeführerinnen wird deshalb im Folgenden nicht weiter eingegangen (vgl. BGE 140 III 264 E. 2.3 S. 266; 139 II 404 E. 10.1 S. 444 f.).  
 
2.  
 
2.1. Die Niederlassungsbewilligung kann widerrufen werden, wenn die Ausländerin oder der Ausländer im Bewilligungsverfahren falsche Angaben gemacht oder wesentliche Elemente verschwiegen hat (Art. 63 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 62 Abs. 1 lit. a AuG; vgl. BGE 142 II 265 E. 3.2; Urteil 2C_606/2020 vom 5. März 2021 E. 3.1); er oder sie in schwerwiegender Weise gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung verstossen hat (Art. 63 Abs. 1 lit. b AuG [Schuldenwirtschaft]; Urteil 2C_354/2020 vom 30. Oktober 2020 E. 2 mit Hinweisen) oder er oder sie bzw. eine Person, für die er oder sie zu sorgen hat, dauerhaft und in erheblichem Mass auf Sozialhilfe angewiesen ist (Art. 63 Abs. 1 lit. c AuG [Sozialhilfeabhängigkeit]; Urteil 2C_709/2019 vom 17. Januar 2020 E. 3.2 u. 4, mit Hinweisen). Die Vorinstanz gibt die bundesgerichtliche Praxis zu diesen Widerrufsgründen zutreffend wieder; es kann insofern auf ihre Ausführungen verwiesen werden (vgl. E. 2.1.2 - 2.1.4, E. 3.2 sowie E. 4.2 des angefochtenen Entscheids).  
 
2.2.  
 
2.2.1. Die Beschwerdeführerin 1 verschwieg bei der Erteilung der Niederlassungsbewilligung, dass sie während der Ehe mit einem Landsmann in der Heimat ein Kind gezeugt hat. Nachdem ihre Stiefmutter das Migrationsamt im Oktober 2006 darüber informiert hatte, dass sich die Beschwerdeführerin 1 nicht bei ihrem Ehemann, sondern überwiegend in Serbien aufhalte, und die Eheleute im Jahr 2006 teilweise an unterschiedlichen Wohnsitzen gelebt hätten, ist es nicht offensichtlich unhaltbar, wenn die Vorinstanz im Rahmen ihrer Beweiswürdigung zum Schluss gekommen ist, dass die Beschwerdeführerin 1 im Verfahren zur Erteilung der Niederlassungsbewilligung das wahre Vater-Kind-Verhältnis und die entsprechende aussereheliche Beziehung bewusst verschwiegen hat, zumal sie sich vor den Migrationsbehörden noch geweigert hatte, einen DNA-Test durchführen zu lassen.  
 
2.2.2. Die Annahme der kantonalen Instanzen, dass "die aussereheliche Zeugung der Tochter kein einmaliger Ausrutscher" gewesen sei, sondern zwischen ihr und dem leiblichen Vater der Tochter "bereits bei der Kindszeugung eine Beziehung" bestanden habe und noch immer bestehe, ist nicht willkürlich: Der Kindsvater (ein Cousin der Beschwerdeführerin 1) wurde sowohl am 7. März 2012 als auch am 20. August 2013 in ihrer Wohnung angetroffen; sie hat diesen auch illegal beherbergt. Vor dem Zivilgericht hat die Beschwerdeführerin 1 am 20. Juni 2016 erklärt, dass sie dem Kläger schon lange mitgeteilt habe, dass er nicht der Vater ihrer Tochter sei. Sie lebten seit 2010 getrennt; zum Zeitpunkt der Geburt der Tochter seien sie "auch nicht zusammen gewesen". Im Moment der Schwangerschaft hätten sie keine Kontakte mehr gehabt; ihr Gatte könne deshalb nicht der Vater sein. Nachdem sich dieses Protokoll bei den Akten des Migrationsamts befindet und die Beschwerdeführerinnen sich dazu hätten äussern können, hat die Vorinstanz ihren Anspruch auf rechtliches Gehör durch dessen Verwendung im ausländerrechtlichen Verfahren nicht verletzt. Es ist nicht ersichtlich und die Beschwerdeführerinnen tun nicht dar, inwiefern das Protokoll fehlerhaft wäre, auch wenn es nicht unterschrieben wurde.  
 
 
2.3. Die Beschwerdeführerin 1 und ihre Tochter sind dauerhaft und erheblich von der Sozialhilfe abhängig (gewesen) : Sie mussten ab dem 1. Februar 2010 mit Unterbrüchen von der Sozialhilfe unterstützt werden. Zum Zeitpunkt der Widerrufsverfügung am 7. April 2017 sind Leistungen in der Höhe von Fr. 127'044.85 ausgewiesen; am 3. März 2020 betrugen diese gesamthaft Fr. 207'570.03. Die Annahme der Vorinstanz, es wäre der Beschwerdeführerin 1 zumutbar gewesen, sich ab dem 3. bzw. 4. Altersjahr der Tochter zumindest um eine Teilerwerbstätigkeit zu bemühen (vgl. die Urteil 2C_709/2019 vom 17. Januar 2020 E. 6.1.2 und 2C_870/2018 vom 13. Mai 2019 E. 5.3.3, je mit weiteren Hinweisen), und im Hinblick auf die Lohnsituation im Gastrobereich nicht damit gerechnet werden könne, dass sie sich nachhaltig von der Sozialhilfe würde loslösen können, ist nicht offensichtlich unhaltbar, selbst wenn die Beschwerdeführerinnen im Hinblick auf das ausländerrechtliche Verfahren zurzeit keine Sozialhilfeleistungen mehr beziehen sollten bzw. die Beschwerdeführerin 1 allenfalls erwerbstätig ist.  
 
2.4. Auch die auf die Akten gestützte Beweiswürdigung der Vorinstanz, dass die Beschwerdeführerin 1 öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Verpflichtungen mutwillig nicht erfüllt habe ("Schuldenwirtschaft"), ist vertretbar: Die Schulden der Beschwerdeführerin sind seit dem Jahr 2011 angestiegen und dies, obwohl sie Sozialhilfeleistungen bezog. Sie betrugen am 3. August 2015 Fr. 169'610.60, weshalb die Beschwerdeführerin 1 "dringend" aufgefordert wurde, neue Schulden zu verhindern, sich bei einer Schuldenberatungsstelle zu melden, sich im Übrigen klaglos zu verhalten und für den Lebensunterhalt künftig selbständig aufzukommen. Sollte sich ihre Situation nicht bessern, werde ein Bewilligungsentzug zu prüfen sein. Auch wenn die Beschwerdeführerin 1 damit nicht formell verwarnt wurde, ergab sich aus dem entsprechenden Schreiben doch hinreichend klar, was von ihr erwartet wurde. Am 7. April 2017 verzeichnete die Beschwerdeführerin sechs offene Betreibungen über Fr. 7'371.05 sowie 86 Verlustscheine über Fr. 192'124.10; im April 2020 bestanden vier Betreibungen über Fr. 2'411.15 und 109 Verlustscheine in der Höhe von Fr. 156'021.09, wobei die summenmässige Reduktion im Wesentlichen darauf zurückzuführen war, dass ein Gläubiger auf einen Grossteil seiner Forderung verzichtet hatte. Die Beschwerdeführerin behauptet zwar, ihre Schulden abzubauen, sie unterlässt es indessen - wie bereits vor der Vorinstanz - dies zu belegen. Es sind keine klar erkennbaren Bestrebungen ersichtlich, dass sie ihre finanzielle Situation seit dem Schreiben vom 3. August 2015 nachhaltig stabilisiert hätte (vgl. das Urteil 2C_354/2020 vom 30. Oktober 2020 E. 3).  
 
2.5. Auch die Interessenabwägung bzw. die Prüfung der Verhältnismässigkeit der aufenthaltsbeendenden Massnahme ist schliesslich nicht zu beanstanden: Die Rückkehr der Beschwerdeführerinnen in ihre Heimat dürfte ihnen allenfalls nicht leicht fallen, doch ist sie ihnen dennoch zumutbar. Die Beschwerdeführerin 1 ist in der Heimat sozialisiert worden; ihr Kind ist dort zur Welt gekommen; sie hat sich wiederholt längere Zeit in Serbien aufgehalten und ein Grossteil ihrer Familie lebt noch dort. Der Aufenthalt der Beschwerdeführerin 1 beruht auf unvollständigen Angaben über die familiären Verhältnisse und die eheliche Situation, womit sie mit einer aufenthaltsbeendenden Massnahme rechnen musste; hinzu kommt ihre Sozialhilfeabhängigkeit und die Schuldenwirtschaft. Die Tochter war zwar ursprünglich Schweizer Bürgerin, sie kennt jedoch Serbien und die dortigen Gebräuche über ihre Mutter sowie über längere Aufenthalte in deren Familie (vgl. das Urteil 2C_709/2019 vom 17. Januar 2020 E. 6.2). Sie macht nicht geltend, des Serbischen nicht mächtig zu sein. Die Annahme der Vorinstanz, dass es ihr möglich sein wird, die kyrillische Schrift zu erlernen, ist vertretbar. Nachdem der Kindsvater ebenfalls nach Serbien zurückkehren musste, wird es den Beschwerdeführerinnen möglich sein, die Familiengemeinschaft mit ihm dort wieder herzustellen. Die Erteilung einer nachehelichen Härtefallbewilligung (Art. 50 AIG) kommt zum Vornherein nicht infrage (Art. 51 Abs. 2 lit. b AIG) - ebensowenig ein umgekehrter Familiennachzug.  
 
3.  
 
3.1. Die Beschwerde erweist sich als offensichtlich unbegründet und kann im Verfahren nach Art. 109 BGG erledigt werden. Zur ergänzenden Begründung wird auf die Ausführungen im angefochtenen Entscheid verwiesen.  
 
3.2. Da die Beschwerde gestützt auf den angefochtenen Entscheid als zum Vorneherein aussichtslos zu gelten hatte, ist das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung abzuweisen (Art. 64 BGG). Die unterliegenden Beschwerdeführerinnen haben die bundesgerichtlichen Kosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Bei der Festsetzung der Gerichtsgebühr wird dem Umstand Rechnung getragen, dass das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung nicht vorab beurteilt wurde, was es ihnen erlaubt hätte, ihre Eingabe noch zurückzuziehen. Es sind keine Parteientschädigungen geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).  
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
 
2.1. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.  
 
2.2. Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden den Beschwerdeführerinnen auferlegt.  
 
3.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht, Dreiergericht, und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 26. August 2021 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Seiler 
 
Der Gerichtsschreiber: Hugi Yar