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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
1B_239/2019  
 
 
Urteil vom 26. September 2019  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Chaix, Präsident, 
Bundesrichter Merkli, Muschietti, 
Gerichtsschreiber Forster. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau, 
Frey-Herosé-Strasse 20, Wielandhaus, 5001 Aarau, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Zwangsmassnahmengericht des Kantons Aargau, Mellingerstrasse 2a, 5400 Baden. 
 
Gegenstand 
Ueberwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs, 
 
Beschwerde gegen die Verfügung des Zwangsmassnahmengerichts des Kantons Aargau, Einzelrichter, vom 10. Mai 2019 (ZM.2019.94). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die Staatsanwaltschaft Baden führt eine Strafuntersuchung gegen noch unbekannte Täterschaft wegen vorsätzlicher Tötung von A.________, begangen am 5. Mai 2019. Am 8. Mai 2019 verfügte die Staatsanwaltschaft je Randdatenerhebungen (Art. 273 StPO) auf den Mobiltelefonanschlüssen von drei (im gemeinsamen Haushalt lebenden) Familienangehörigen des Opfers, je rückwirkend auf sechs Monate (8. November 2018 bis 8. Mai 2019). Mit Verfügung vom 10. Mai 2019 verweigerte das Zwangsmassnahmengericht des Kantons Aargau, Einzelrichter (ZMG), die rückwirkenden Randdatenerhebungen. 
 
B.   
Gegen die Verfügung des ZMG vom 10. Mai 2019 gelangte die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau mit Beschwerde vom 16. Mai 2019 an das Bundesgericht. Sie beantragt die Aufhebung der angefochtenen Verfügung und die Bewilligung der rückwirkenden Randdatenerhebungen (Teilnehmeridentifikationen) auf den betroffenen Mobiltelefonanschlüssen. Das ZMG verzichtete am 27. Mai 2019 auf eine Stellungnahme. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Oberstaatsanwaltschaft ist zur Beschwerdeführung legitimiert (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 BGG i.V.m. Art. 381 Abs. 1-2 StPO); auch die Sachurteilsvoraussetzungen des drohenden nicht wieder gutzumachenden Rechtsnachteils (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) und der kantonalen Letztinstanzlichkeit des Nichtbewilligungsentscheides (Art. 80 Abs. 2 BGG i.V.m. Art. 274 und Art. 279 Abs. 3 StPO) sind erfüllt (BGE 142 IV 196 E. 1.5.2 S. 200; 137 IV 340 E. 2.2.2 S. 343, E. 2.3 S. 344-346). Die Oberstaatsanwaltschaft macht geltend, dass die streitige Nichtgenehmigung der Überwachungen die Untersuchung eines Kapitalverbrechens beeinträchtigen und zu einem empfindlichen Beweisverlust bei der Ermittlung der Täterschaft führen könnte. Die übrigen Eintretensvoraussetzungen von Art. 78 ff. BGG sind ebenfalls erfüllt und geben zu keinen weiteren Bemerkungen Anlass. 
 
2.   
Die Vorinstanz begründet ihren Nichtbewilligungsentscheid damit, dass die gesetzlichen Voraussetzungen einer rückwirkenden Randdatenerhebung auf den fraglichen Mobiltelefonanschlüssen nicht erfüllt seien. 
Die Oberstaatsanwaltschaft rügt, der angefochtene Entscheid verletze Art. 273 i.V.m. Art. 270 lit. b StPO. Es bestünden ausreichend konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Täterschaft sich (zwischen dem 8. November 2018 und dem 8. Mai 2019) bei den betroffenen drei Familienangehörigen des Opfers telefonisch gemeldet und diese unter Druck gesetzt oder Informationen von ihnen verlangt haben könnte. Aus den bisherigen Untersuchungsergebnissen hätten sich Indizien ergeben, wonach die drei (im gemeinsamen Haushalt lebenden) Familienmitglieder die Identität der Täterschaft kennen und den Strafbehörden verheimlichen könnten. Auch die übrigen gesetzlichen Überwachungsvoraussetzungen seien erfüllt. 
 
3.  
 
3.1. Besteht der dringende Verdacht, ein Verbrechen oder ein Vergehen (oder eine Übertretung nach Artikel 179septies StGB) sei begangen worden, und sind die Voraussetzungen nach Artikel 269 Absatz 1 lit. b und lit. c StPO erfüllt, so kann die Staatsanwaltschaft die Randdaten des Fernmeldeverkehrs der überwachten Person gemäss Artikel 8 lit. b des Bundesgesetzes vom 18. März 2016 betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF) verlangen (Art. 273 Abs. 1 StPO, in der seit dem 1. März 2018 in Kraft gesetzten Fassung). Zu den (rückwirkend oder aktiv erhebbaren) Randdaten des Fernmeldeverkehrs gehören die Daten, aus denen hervorgeht, mit wem, wann, wie lange und von wo aus die überwachte Person Verbindung hat oder gehabt hat, sowie die technischen Merkmale der entsprechenden Verbindung (Art. 8 lit. b BÜPF). Schon nach bisherigem Recht fiel insbesondere die rückwirkende Teilnehmeridentifikation unter die Randdatenerhebung nach Artikel 273 StPO (vgl. BGE 139 IV 98 E. 4.2 S. 99; 137 IV 340 E. 5.2 S. 347).  
 
3.2. Überwachungsmassnahmen nach Artikel 273 StPO setzen grundsätzlich voraus, dass die Schwere der untersuchten Straftat die Überwachung rechtfertigt (Art. 269 Abs. 1 lit. b StPO) und die bisherigen Untersuchungshandlungen erfolglos geblieben sind oder die Ermittlungen sonst aussichtslos wären oder unverhältnismässig erschwert würden (Art. 269 Abs. 1 lit. c StPO). Auch die Randdatenerhebung bedarf (wie die inhaltliche Überwachung, Art. 272 Abs. 1 StPO) der Genehmigung durch das ZMG (Art. 273 Abs. 2 StPO). Sie kann (unabhängig von der Dauer der Überwachung) bis zu 6 Monate rückwirkend (seit der Überwachungsanordnung) verlangt werden (Art. 273 Abs. 3 StPO; vgl. BGE 142 IV 34 E. 4.1 S. 36).  
 
3.3. Artikel 270 lit. b StPO regelt die Überwachung der Fernmeldeanschlüsse von (nicht beschuldigten)  Drittpersonen. Nach der Praxis des Bundesgerichtes können grundsätzlich auch Randdatenerhebungen bei Dritten, etwa geschädigten Personen, erfolgen (Art. 273 i.V.m. Art. 270 lit. b StPO). Die Wortlaute von Artikel 270 lit. b Ziff. 1 und Ziff. 2 StPO sind allerdings auf die aktive (während des Kommunikationsvorganges) und inhaltliche (Kommunikationsinhalte) geheime Überwachung von Fernmeldeanschlüssen (Art. 269-272 StPO) zugeschnitten (vgl. BGE 142 IV 34 E. 4.2.2 S. 37 mit Hinweisen).  
Auch rückwirkende Randdatenerhebungen nach Artikel 273 StPO können zu einem Eingriff in die Privatsphäre der Betroffenen führen (Art. 13 BV). Zwar werden hier keine Kommunikationsinhalte behördlich überwacht und erfolgt (im Gegensatz zur inhaltlichen Gesprächsüberwachung oder zur aktiven Randdatenerhebung in Echtzeit) in der Regel keine geheime Untersuchungsmassnahme. Deswegen gilt der Eingriff nach der Praxis des Bundesgerichtes grundsätzlich als deutlich weniger einschneidend. Auch hier ist jedoch den oben genannten gesetzlichen Schranken und Eingriffsvoraussetzungen ausreichend Rechnung zu tragen (BGE 142 IV 34 E. 4.3.2 S. 38 f. mit Hinweisen). 
 
3.4. Der Wortlaut von Artikel 273 Abs. 1 StPO und Artikel 8 lit. b BÜPF erlaubt nur Erhebungen darüber, wann und mit welchen Personen oder Anschlüssen die überwachte Person über den Fernmeldeverkehr Verbindung gehabt hat (oder - im hier nicht gegebenen Fall der aktiven Randdatenerhebung - noch Verbindung hat). Die Randdatenerhebung bei Dritten (nach Art. 273 i.V.m. Art. 270 lit. b StPO) setzt somit eine  untersuchungsrelevante  Kommunikationsverbindung der überwachten Drittperson zu anderen Personen oder Fernmeldeanschlüssen voraus. Nach der einschlägigen Praxis des Bundesgerichtes verlangt eine rückwirkende Randdatenerhebung (wie jede Überwachungsmassnahme) ausserdem einen direkten Sachzusammenhang zwischen der Überwachungsmassnahme und dem untersuchten Delikt (BGE 142 IV 34 E. 4.3.3 S. 39 mit Hinweisen; Urteil 1B_241/2018 vom 8. Oktober 2018 E. 3.5 und 4.6; vgl. zu dieser Praxis Marc Forster, Antennensuchlauf und rückwirkende Randdatenerhebung bei Dritten, in: Jositsch/Schwarzenegger/Wohlers [Hrsg.], Festschrift für Andreas Donatsch zum 65. Geburtstag, Zürich 2017, S. 357 ff., 363-367; Thomas Hansjakob, Überwachungsrecht der Schweiz, Kommentar zu Art. 269 ff. StPO und zum BÜPF, Zürich 2018, Rz. 880; Moor/Studer, Randdatenerhebung bei Vorliegen der Einwilligung sowie bei Dritten, Jusletter 20.5.2016, Rz. 1 ff.).  
 
4.   
Die von der hier streitigen Überwachung (nach Art. 273 i.V.m. Art. 270 lit. b StPO) betroffenen drei Familienangehörigen lebten bzw. leben im gleichen Haushalt mit dem Opfer. Der Messerangriff fand nach den bisherigen Untersuchungsergebnissen unmittelbar vor dem Wohnort des Opfers statt, und die alarmierte Ehefrau des Schwerverletzten konnte vor seinem Transport ins Spital noch kurz mit ihm reden. In einem separaten Teil-Bewilligungsentscheid hat das ZMG die rückwirkende Randdatenerhebung auf dem (auf das Opfer lautenden) Festnetzanschluss am gemeinsamen Wohnort des Opfers und der hier betroffenen drei Familienangehörigen bereits rechtskräftig bewilligt. Gemäss den Darlegungen der Staatsanwaltschaft bestehen (nach dem derzeitigen Untersuchungsstand) ausserdem gewisse Indizien, wonach die von der Überwachung betroffenen drei Familienangehörigen die Namen der Täterschaft kennen (und vor den Strafbehörden verheimlichen) könnten. 
Bei gesamthafter Würdigung der bisherigen Untersuchungsergebnisse erscheint es ausreichend dargetan, dass über die betroffenen Mobiltelefonanschlüsse (zwischen dem 8. November 2018 und dem 8. Mai 2019) untersuchungsrelevante Kommunikationsverbindungen zu anderen Personen oder Fernmeldeanschlüssen (im Sinne der dargelegten Praxis zu Art. 273 Abs. 1 i.V.m. Art. 270 lit. b StPO) aufgenommen worden sein könnten. Auch die übrigen gesetzlichen Voraussetzungen einer rückwirkenden Randdatenerhebung auf den betroffenen Mobiltelefonanschlüssen sind erfüllt. Die Schwere des untersuchten Kapitalverbrechens rechtfertigt die Überwachungsmassnahme, nachdem die bisherigen Untersuchungshandlungen erfolglos geblieben sind (vgl. Art. 269 Abs. 1 lit. b und lit. c i.V.m. Art. 273 Abs. 1 StPO). Die Nichtbewilligung durch die Vorinstanz hält daher vor dem Bundesrecht nicht stand. 
 
5.   
Die Beschwerde ist gutzuheissen, und die hier streitigen Randdatenerhebungen (auf drei Mobiltelefonanschlüssen) sind zu bewilligen (Art. 273 und Art. 270 lit. b i.V.m. Art. 107 Abs. 2 BGG). Gerichtskosten sind nicht zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). 
Ein Aufschalten des vorliegenden Entscheides in anonymisierter Form im Internet oder eine Abgabe an die Medien erfolgt erst nach vorheriger Rücksprache mit der untersuchungsleitenden Staatsanwaltschaft Baden. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen, und die von der Staatsanwaltschaft am 8. Mai 2019 verfügten rückwirkenden Randdatenerhebungen auf drei Mobiltelefonanschlüssen werden bewilligt. 
 
2.   
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.   
Dieses Urteil wird der Staatsanwaltschaft Baden sowie der Oberstaatsanwaltschaft und dem Zwangsmassnahmengericht des Kantons Aargau schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 26. September 2019 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Chaix 
 
Der Gerichtsschreiber: Forster