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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
5A_433/2019  
 
 
Urteil vom 26. September 2019  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Schöbi, Bovey, 
Gerichtsschreiber Buss. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Fürsprecher Bruno C. Lenz, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Regionalgericht Bern-Mittelland, Zivilabteilung. 
 
Gegenstand 
Insolvenzerklärung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern, 2. Zivilkammer, vom 9. April 2019 (ZK 19 81, ZK 19 82). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________ stellte beim Regionalgericht Bern-Mittelland mit Eingabe vom 6. Dezember 2018 das Gesuch um Konkurseröffnung gemäss Art. 191 SchKG. Am 13. Dezember 2018 forderte das Regionalgericht A.________ auf, einen Vorschuss in der Höhe von Fr. 5'000.-- zu leisten. Dieser Vorschuss wurde bezahlt. Mit Entscheid vom 28. Januar 2019 wies das Regionalgericht den Antrag um Konkurseröffnung ab, auferlegte A.________ die Gerichtskosten von Fr. 500.-- und erstattete ihr Fr. 4'500.-- aus der Gerichtskasse zurück. 
 
B.   
Gegen diesen Entscheid erhob A.________ am 11. Februar 2019 beim Obergericht des Kantons Bern Beschwerde und beantragte die Aufhebung des erstinstanzlichen Entscheids sowie die Konkurseröffnung. Weiter ersuchte sie um unentgeltliche Rechtspflege. Mit Entscheid vom 9. April 2019 wies das Obergericht die Beschwerde und das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das Beschwerdeverfahren ab. Ausserdem auferlegte es A.________ die Gerichtskosten von Fr. 500.--. 
 
C.   
A.________ ist mit Beschwerde in Zivilsachen vom 27. Mai 2019 (Postaufgabe) an das Bundesgericht gelangt. Die Beschwerdeführerin beantragt, der obergerichtliche Entscheid sei aufzuheben und über sie der Konkurs zu eröffnen; eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Ausserdem stellt sie für das bundesgerichtliche Verfahren ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege. 
Das Bundesgericht hat die kantonalen Akten beigezogen, hingegen keine Vernehmlassungen eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Gegen Entscheide des Konkursrichters ist die Beschwerde in Zivilsachen unabhängig eines Streitwertes gegeben (Art. 72 Abs. 2 lit. a, Art. 74 Abs. 2 lit. d BGG). Der Schuldner, dessen Gesuch um Eröffnung des Konkurses von der Vorinstanz abgewiesen worden ist, hat ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung und Änderung des angefochtenen Entscheides. Er ist daher zur Beschwerde berechtigt (Art. 76 Abs. 1 BGG).  
 
1.2. Die Abweisung des Konkursbegehrens stellt einen Endentscheid dar (Art. 90 BGG) und fällt nicht unter Art. 98 BGG (BGE 133 III 687 E. 1.2). Daraus ergibt sich, dass der Beschwerdeführer sämtliche Beschwerdegründe vorbringen kann und das Bundesgericht nicht auf die Prüfung verfassungsmässiger Rechte beschränkt ist (Art. 95 ff. BGG).  
 
2.   
Die Vorinstanz hat namentlich erwogen, die Beschwerdeführerin verfüge über kein Vermögen. Zwar habe sie einen Kostenvorschuss von Fr. 5'000.-- geleistet. Dieser Kostenvorschuss diene jedoch der Deckung der Kosten des gesamten summarischen Konkursverfahrens in einfacheren Fällen, weshalb nicht von Kosten des Verfahrens übersteigenden Aktiven ausgegangen werden könne. Das Gesuch der Beschwerdeführerin sei aus diesem Grund in Übereinstimmung mit der ständigen Praxis des Bundesgerichts als rechtsmissbräuchlich zu betrachten. 
 
3.   
Die Beschwerdeführerin wendet im Wesentlichen ein, die Begründung der Vorinstanz sei in der Lehre umstritten und abzulehnen. Es sei falsch, ihr Konkursbegehren als rechtsmissbräuchlich zu betrachten, bloss weil sie über kein verwertbares Vermögen verfüge. Durch ein Pfändungsverfahren kämen die Aktiven eines Schuldners zur Verwertung, weshalb dieser im Zeitpunkt eines Insolvenzbegehrens regelmässig über keine verwertbaren Aktiven mehr verfüge. Das Erfordernis des Vorliegens von Aktiven würde die Konkurseröffnung auf Antrag des Schuldners weitgehend obsolet werden lassen. Das Konkursverfahren werde gemäss Art. 230 Abs. 1 SchKG auf Antrag des Konkursamtes eingestellt, sofern die Konkursmasse voraussichtlich nicht ausreicht, um die Kosten des summarischen Verfahrens zu decken (Art. 230 Abs. 1 SchKG). Im Umkehrschluss bedeute dies, dass das Konkursverfahren durchzuführen sei, wenn die Aktiven zur Finanzierung des summarischen Konkursverfahrens bereits im Kostenvorschuss enthalten seien. Ausserdem gehe es bei Art. 191 SchKG darum, dass sich der Schuldner wirtschaftlich erholen können soll. 
 
4.   
Gemäss Art. 191 SchKG kann der Schuldner die Konkurseröffnung selber beantragen, indem er sich beim Gericht für zahlungsunfähig erklärt. Der Richter eröffnet den Konkurs, wenn keine Aussicht auf eine Schuldenbereinigung nach den Art. 333 ff. SchKG besteht (einvernehmliche private Schuldenbereinigung). Nachdem die Vorinstanz diese Voraussetzung als gegeben erachtet hat, ist im vorliegenden Fall einzig strittig, ob die Vorinstanz das Gesuch der Beschwerdeführerin zu Recht als offensichtlich rechtsmissbräuchlich erachtet hat. 
 
4.1. Art. 191 SchKG begründet ein Insolvenzverfahren mit dem primären Ziel, den Erlös aus den schuldnerischen Vermögenswerten in gerechter Weise auf alle Gläubiger aufzuteilen. Wer freiwillig seinen eigenen Konkurs begehrt, muss demnach über ein gewisses Vermögen verfügen, dessen Erlös seinen Gläubigern übertragen werden kann. Der Schuldner erfährt dann insofern einen gewissen Schutz, als er für die bisherigen Schulden erst wieder belangt werden kann, wenn er über neues Vermögen verfügt (Art. 265 Abs. 2 und Art. 265a SchKG). Der Gesetzgeber hat aber durch Art. 191 SchKG keine private Schuldensanierung eingeführt oder einführen wollen, um das Problem der Überschuldung derjenigen zu lösen, welche über keine Aktiven verfügen (BGE 133 III 614 E. 6.1.2 S. 617 f.).  
Der Privatkonkurs wird nur eröffnet, wenn der Antrag dazu nicht einen offensichtlichen Rechtsmissbrauch darstellt (BGE 145 III 26 E. 2.1 S. 28). Da die Insolvenzerklärung ein Konkursgrund ist und ein Konkursverfahren, wie erwähnt, in erster Linie auf Verteilung von Geld an Konkursgläubiger ausgerichtet ist (vgl. Art. 197 Abs. 1 SchKG; NICOLAS JEANDIN, Assainissement des particuliers, in: La défaillance de paiement, retard et défaut de paiement, Freiburg 2002, S. 231; PIERRE-ROBERT GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, Bd. I, 1999, N. 72 f. zu den Vorbemerkungen zu Art. 38-45 SchKG; ISABELLE CHABLOZ, L'ouverture de la faillite: situation actuelle et mise en perspective, in: SZW 2016 S. 361), ist eine Insolvenzerklärung nach ständiger Rechtsprechung namentlich dann rechtsmissbräuchlich, wenn ein Schuldner seinen eigenen Konkurs im Wissen darum anstrebt, dass die Konkursmasse keine Aktiven aufweisen würde (Urteile 5A_78/2016 vom 14. März 2016 E. 3.1; 5A_915/2014 vom 14. Januar 2015 E. 5.1, in: SJ 2015 I S. 181; 5A_676/2008 vom 15. Januar 2009 E. 2.1; vgl. auch BGE 123 III 402 E. 3a/aa S. 304). Das Bundesgericht hat weiter festgehalten, dass daraus eine Ungleichbehandlung zwischen Schuldnern mit gewissem Vermögen und solchen ohne Vermögen resultiert, das SchKG jedoch kein Institut kennt, welches jedem Schuldner ermöglicht, ein Schutzverfahren einzuleiten (BGE 133 III 614 E. 6.1.2 S. 619; Urteil 5A_819/2018 vom 4. März 2019 E. 2.4.1). 
Von dieser ständigen Praxis abzuweichen besteht kein Anlass (zu den Voraussetzungen einer Praxisänderung vgl. BGE 140 V 538 E. 4.5 S. 541). Die Beschwerdeführerin führt keine Gegengründe an, die vom Bundesgericht in den zitierten Urteilen nicht bereits erwogen worden wären. Es liegt zwar auf der Hand, dass der Schuldner mit einer Insolvenzerklärung für gewöhnlich aucheigennützige Ziele verfolgt (Ausstellung von Konkursverlustscheinen, die ihm die Einrede mangelnden neuen Vermögens ermöglichen) und darin selbstredend kein Rechtsmissbrauch liegen kann. Mit Blick auf das dargelegte Wesen des Konkurses darf die Herbeiführung der dem Schuldner günstigen Rechtsfolgen jedoch nicht sein ausschliessliches Ziel sein. 
 
4.2. Vorliegend hat die Vorinstanz festgestellt, dass die Beschwerdeführerin über den vom Bezirksgericht verlangten Vorschuss (s. Sachverhalt Bst. A) hinaus über kein Vermögen verfügt. Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass die Gläubiger im Falle einer Konkurseröffnung wohl keine Dividende erhalten würden. Damit erweist sich die Verweigerung des Privatkonkurses nach der vorstehend wiedergegebenen bundesgerichtlichen Rechtsprechung und einem Grossteil der Lehre (vgl. DANIEL WUFFLI, Aktuelles zur Insolvenzerklärung nach Art. 191 SchKG, in: AJP 2016 S. 1536 f.; MEIER/HAMBURGER, Die Entschuldung von Privathaushalten im schweizerischen Recht, in: SJZ 110/2014 S. 97; AMONN/WALTHER, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 9. Aufl. 2013, § 38 Rz. 25; LOUIS DALLÈVES, Règlement amiable ou judicaire des dettes selon la LP révisée, in: AJP 1995 S. 1564 ff.; FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs [...], Bd. II, 1993, § 38 Rz. 14a; BRUNNER/BOLLER, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Aufl. 2010, N. 16 zu Art. 191 SchKG; demgegenüber kritisch DANIEL STAEHELIN, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Ergänzungband [...], 2017, ad. N. 16c zu Art. 191 SchKG) als rechtskonform. In welchem Umfang ein Mindestmass an verwertbarem Vermögen zu einem minimalen Erlös für die Gläubiger vorliegen muss, damit die Insolvenzerklärung nicht als rechtsmissbräuchlich erscheint, konnte das Bundesgericht bislang offenlassen (zuletzt im Urteil 5A_819/2018 vom 4. März 2019 E. 2.4.2) und ist auch vorliegend nicht zu entscheiden.  
 
5.   
Aus den dargelegten Gründen ist der Beschwerde kein Erfolg beschieden. Die Beschwerdeführerin hat für die Gerichtskosten aufzukommen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Mit Blick auf die konstante bundesgerichtliche Rechtsprechung muss die Beschwerde als von Anfang an aussichtslos betrachtet werden. Damit mangelt es an einer materiellen Voraussetzung für die unentgeltliche Rechtspflege (Art. 64 Abs. 1 BGG). Das entsprechende Gesuch ist abzuweisen. 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
4.   
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Regionalgericht Bern-Mittelland, Zivilabteilung, und dem Obergericht des Kantons Bern, 2. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 26. September 2019 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Escher 
 
Der Gerichtsschreiber: Buss