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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_582/2021  
 
 
Urteil vom 27. Juni 2022  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Parrino, Präsident, 
Bundesrichter Stadelmann, 
Bundesrichterin Moser-Szeless, 
Gerichtsschreiber Grünenfelder. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Nest Sammelstiftung, Molkenstrasse 21, 8004 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Berufliche Vorsorge, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 30. September 2021 (BV.2019.00085). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Der am 4. Oktober 1953 geborene A.________ war über die Asyl-Organisation für den Kanton Zürich bei der Nest Sammelstiftung berufsvorsorgeversichert. Ab 1. Januar 2002 richtete ihm die Invalidenversicherung Rentenleistungen aus. In der Folge erhielt A.________ eine BVG-Invalidenrente von zuletzt Fr. 48'782.40 im Jahr. Mit Schreiben vom 25. September 2018 teilte ihm die Nest Sammelstiftung mit, per 1. November 2018 finde aufgrund des eingetretenen Rücktrittsalters eine den reglementarischen Bestimmungen entsprechende Umwandlung der Invaliden- in eine BVG-Altersrente statt. Das budgetierte Altersguthaben betrage Fr. 631'799.85. Daraus resultiere eine jährliche Altersrente von Fr. 40'435.20 (Fr. 3369.60 pro Monat), welche nun ausgerichtet werde. 
 
B.  
Am 14. Oktober 2019 erhob A.________ Klage gegen die Nest Sammelstiftung mit den Rechtsbegehren, diese habe ihren Entscheid vom 25. September 2018 zu begründen. Die unter Art. 86 Abs. 1 BVG (recte: Art. 86b BVG) fallenden Informationen seien vollumfänglich zu erteilen, die vorenthaltenen Unterlagen auszustellen und der Dialog mit einer Vertrauensperson des Stiftungsrats zuzulassen. Sodann seien die rechtlichen Eigenschaften der Invalidenrente bei Erreichen des ordentlichen Rentenalters zu erhalten. Schliesslich sei Einblick in die spezifischen Verträge zwischen der Asyl-Organisation für den Kanton Zürich und der Nest Sammelstiftung zu gewähren. Mit Urteil vom 30. September 2021 wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich die Klage ab, soweit es darauf eintrat. 
 
C.  
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und sinngemäss beantragen, in Aufhebung des angefochtenen Urteils sei die Nest Sammelstiftung zu verpflichten, die BVG-Altersrente auf der Grundlage der Art. 19 und 23 des Reglements vom 2. Juli 1996 (nachfolgend: Reglement 1996) rückwirkend per 4. Oktober 2018 (Datum der Pensionierung) in Höhe der bisherigen Invalidenrente auszurichten. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.  
Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht einen Anspruch auf Weiterausrichtung der bisherigen BVG-Invalidenrente nach Erreichen des Pensionsalters zu Recht verneint hat. 
 
2.1. Für den obligatorischen Bereich der beruflichen Vorsorge legt Art. 26 Abs. 3 Satz 1 BVG fest, dass der Anspruch auf Invalidenleistungen mit dem Tode des Anspruchsberechtigten oder, unter Vorbehalt von Art. 26a, mit dem Wegfall der Invalidität erlischt. Im Unterschied zur Rente der Invalidenversicherung ist demnach die BVG-Invalidenrente eine Leistung auf Lebenszeit; sie wird nicht durch die BVG-Altersrente abgelöst, wenn der Bezüger das gesetzliche Rücktrittsalter (Art. 13 Abs. 1 BVG) erreicht (BGE 141 V 355 E. 3.4.1 mit Hinweisen).  
 
2.2. Den Grundsatz, dass die Invalidenrente lebenslänglich ausgerichtet wird bzw. die Altersrente mindestens gleich hoch wie die bis zur Pensionierung gewährte Invalidenrente sein muss (so: Urteil B 2/00 vom 23. März 2001 E. 2b), hat das Bundesgericht zwar mit BGE 127 V 259 auf den weitergehenden Bereich der beruflichen Vorsorge ausgedehnt. Nach einer eingehenden Auseinandersetzung mit der im Schrifttum geäusserten Kritik hat es in BGE 130 V 369 jedoch eine Praxisänderung vorgenommen. Danach gilt, dass die Vorsorgeeinrichtungen im weitergehenden Bereich der beruflichen Vorsorge bestimmen können, dass der Anspruch auf eine Invalidenrente nur bis zum Erreichen des Rentenalters besteht respektive Altersleistungen erbringen können, die geringer sind als die vor Erreichen des Pensionsalters ausgerichtete Invalidenrente (vgl. Art. 49 Abs. 1 Satz 2 BVG).  
 
2.3. Nach Art. 11 Abs. 2 des Reglements vom 6. März 2007 (Fassung November 2017; nachfolgend: Reglement 2007) entspricht das Rücktrittsalter dem ordentlichen AHV-Pensionsalter (vgl. Art. 21 Abs. 1 lit. a AHVG). Bei Erreichen des ordentlichen Rücktrittsalters hat die versicherte Person Anspruch auf eine lebenslängliche Altersrente. Der Anspruch auf die Altersleistungen entsteht am ersten Tag des Monats, der dem Altersrücktritt folgt (Art. 19 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4).  
Der Anspruch auf eine Invalidenrente beginnt gemäss Art. 35 Abs. 3 Satz 1 mit dem Anspruch auf eine Rente der IV (Wartefrist: 720 Tage). 
 
2.4. Art. 35 Abs. 5 bestimmt betreffend die Umwandlung einer laufenden Invalidenrente in eine Altersrente was folgt:  
 
"[...] Bei Erreichen des ordentlichen Rücktrittsalters wird die Invalidenrente durch die Altersrente abgelöst. Die rechtlichen Eigenschaften der Invalidenrente bleiben insbesondere bezüglich Koordination mit anderen Sozialversicherungen im Sinne von Art. 40 dieses Reglements erhalten. Ist die Mindestrente gemäss BVG einschliesslich der obligatorischen Teuerungsanpassungen im Zeitpunkt des ordentlichen Rücktrittsalters höher, so tritt diese an die Stelle der Altersrente." 
 
3.  
 
3.1. Die Vorinstanz hat die Ablösung der seit dem Jahr 2002 ununterbrochen bezogenen BVG-Invalidenrente durch eine tiefere Altersrente auf den der Vollendung des 65. Altersjahres (4. Oktober 2018) folgenden Monatsbeginn hin in Anwendung von Reglement und Rechtsprechung (BGE 130 V 369) als zulässig erachtet. Sie hat erwogen, der Leistungsanspruch für den Versicherungsfall "Alter", welcher einen neuen Versicherungsfall darstelle und sich per 1. November 2018 verwirklicht habe, sei nach dem Reglement 2007 abzuwickeln. Darin sei vorgesehen, dass die BVG-Mindestrente an die Stelle der Altersrente trete, wenn sie einschliesslich obligatorischer Teuerungsanpassungen im Zeitpunkt des ordentlichen Rücktrittsalters höher sei. Vorliegend betrage die minimale teuerungsangepasste Invalidenrente im BVG-Obligatorium Fr. 17'099.30 pro Jahr. Die reglementarische Altersrente von Fr. 40'435.20 übersteige diesen Betrag, weshalb Letztere zur Auszahlung komme.  
 
3.2. Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen geltend, es dürfe nicht angenommen werden, dass der Leistungsanspruch für den Vorsorgefall "Alter" in Anwendung des Reglements 2007 zu behandeln sei. In Anlehnung an das Reglement 1996 (in Kraft ab 1. Januar 1997) bestehe Anspruch auf eine Leistung, die von Anfang an und ausschliesslich den Vorsorgefall "Alter" zum Regelungsziel gehabt habe. Somit werde im Invaliditätsfall ein Übertritt zur Altersrente unter Einhaltung der rechtlichen Eigenschaften der Invalidenrente garantiert. Es verstosse gegen den Grundsatz von Treu und Glauben und die Vertragstreue, wenn eine Leistung nicht in der Form erbracht werde, wie sie bei Vertragsschluss im Hinblick auf den Eintritt gewisser Umstände vereinbart worden sei. Zudem stehe Art. 49 BVG erst seit April 2004 in Kraft, das heisst rund zwei Jahre nach Anerkennung des Leistungsfalles "Invalidität" am 1. Januar 2002. Die somit rückwirkende Anwendung dieser Bestimmung sei mit Blick auf den Vertrauensschutz unzulässig.  
 
4.  
 
4.1. Will der Beschwerdeführer vorab erneut das Reglement 1996 heranziehen, so kann ohne Weiteres auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil verwiesen werden. Richtig ist insbesondere, dass der Eintritt des Vorsorgefalles "Alter" bezogen auf den überobligatorischen Bereich einen neuen Versicherungsfall darstellt, womit die in diesem Zeitpunkt geltenden Reglementsbestimmungen einschlägig sind (vgl. statt vieler: SVR 2015 BVG Nr. 25 S. 105, 9C_615/2014 E. 5.2 mit Hinweisen). Beizupflichten ist dem kantonalen Gericht ferner dahingehend, als das demzufolge anwendbare Reglement 2007 nach dessen Übergangsbestimmungen dasjenige vom 2. Juli 1996 und die bisherigen Änderungen ersetzte (Art. 64 Abs. 1 Reglement 2007). Davon abgesehen enthält das Reglement 1996 in Art. 19 Ziff. 2 eine verglichen mit Art. 35 Abs. 5 (vgl. E. 2.4 hievor) praktisch gleichlautende Bestimmung, welche die Ablösung der Invalidenrente infolge Erreichens des Rücktrittsalters durch eine Altersrente vorsieht, sofern das der Teuerung angepasste Minimum der obligatorischen Invalidenrente nicht unterschritten wird. Folglich zielt der betreffende Einwand so oder anders ins Leere. Alsdann ist - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - kein Widerspruch nachvollziehbar zwischen der Umwandlung der Invalidenrente in eine BVG-Altersrente und dem in beiden Reglementen enthaltenen Passus "die rechtlichen Eigenschaften der Invalidenrente bleiben [...] erhalten" (vgl. E. 2.4 hievor; ebenso: Art. 19 Ziff. 2 Abs. 2 Reglement 1996). Letzterer bezieht sich vielmehr auf die Koordination der Invalidenrente mit Leistungen anderer Sozialversicherungsträger im Falle einer Überentschädigung (vgl. Art. 40 Reglement 2007). Nachdem der Beschwerdeführer aber, wie das kantonale Gericht willkürfrei (E. 1 hievor) festgestellt hat, eine ungekürzte BVG-Invaliden- und Altersrente erhielt bzw. erhält, lässt sich daraus nichts zu seinen Gunsten ableiten. Auch anderweitig ist eine Reglementsverletzung weder zu ersehen noch (substanziiert) dargetan.  
 
4.2. Wenn der Beschwerdeführer weiter rügt, Art. 49 Abs. 1 Satz 2 BVG sei nicht anwendbar, weil sein Anspruch auf eine (altrechtliche) Invalidenrente bereits vor der 1. BVG-Revision entstanden sei, verfängt dies ebenfalls nicht. Wohl wurde der zweite Satz des Art. 49 Abs. 1 BVG, wonach sie (die Vorsorgeeinrichtungen) im Reglement vorsehen können, dass Leistungen, die über die gesetzlichen Mindestbestimmungen hinausgehen, nur bis zum Erreichen des Rentenalters ausgerichtet werden, erst mit der 1. BVG-Revision vom 3. Oktober 2003 eingefügt (in Kraft ab 1. Januar 2005, AS 2004 1677). Der Beschwerdeführer übersieht jedoch, dass die Ablösung einer laufenden Invalidenrente durch eine tiefere Altersrente, soweit das gesetzliche Minimum beachtend, schon unter altem Recht zulässig war. Im überobligatorischen Bereich, worum es in concreto geht, war ein entsprechendes Vorgehen einzig in der Zeit zwischen Juli 2001 (BGE 127 V 259) und Juni 2004 (BGE 130 V 369) nicht gestattet (vgl. E. 2.2 hievor; so auch: SVR 2021 BVG Nr. 3 S. 7 ff., 9C_555/2019 E. 4.2). Der hier zu beurteilende (neue) Versicherungsfall (vgl. E. 4.2 hievor) liegt indes ausserhalb dieser Zeitspanne, erreichte der Beschwerdeführer das Rücktrittsalter doch unbestrittenermassen erst am 4. Oktober 2018. Demnach besteht - anders als in der Beschwerde verlangt - kein Anspruch auf Besitzstand im Leistungsprimat in dem Sinne, dass die bestehende Lebensweise im Falle des Erreichens des ordentlichen Pensionsalters durch Beibehalten einer (betraglich unveränderten) Invalidenrente weitergeführt werden könnte (so auch: THOMAS GÄCHTER/KASPAR SANER, Kommentar zum Schweizerischen Sozialversicherungsrecht, BVG und FZG, 2. Aufl. 2019, N. 28 zu Art. 49 BVG). Nähere Ausführungen zur in der Beschwerde behaupteten Rückwirkung erübrigen sich (zum Begriff: BGE 138 I 189 E. 3.4).  
 
4.3. Die Höhe der von der Vorinstanz im Rahmen der sog. Schattenrechnung (vgl. statt vieler: BGE 136 V 65 E. 3.7) ermittelten Rentenleistungen (E. 3 hievor) wird beschwerdeweise nicht in Abrede gestellt. Auch die sonstigen Vorbringen lassen das angefochtene Urteil nicht als bundesrechtswidrig erscheinen. Die Beschwerde ist unbegründet.  
 
5.  
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der unterliegende Beschwerdeführer die Verfahrenskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 27. Juni 2022 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Parrino 
 
Der Gerichtsschreiber: Grünenfelder