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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
9C_15/2021  
 
 
Urteil vom 29. März 2021  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Moser-Szeless, als Einzelrichterin, 
Gerichtsschreiberin Keel Baumann. 
 
Verfahrensbeteiligte 
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, vertreten durch Rechtsanwalt Roland Zahner, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 8. Dezember 2020 (IV 2020/93). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Der 1959 geborene A.________ meldete sich im März 2015 erneut bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an, nachdem ein erstes Gesuch am 19. April 2011 abgewiesen worden war. Die IV-Stelle des Kantons St. Gallen nahm verschiedene medizinische Unterlagen zu den Akten. In einer Mitteilung vom 8. Januar 2020 ordnete sie eine bidisziplinäre (orthopädisch-psychiatrische) Begutachtung an, vorzunehmen durch die IME - Interdisziplinäre medizinische Expertisen, St. Gallen. Als Gutachter nannte sie Prof. Dr. med. B.________, Facharzt u.a. für Psychiatrie und Psychotherapie, und Dr. med. C.________, Facharzt für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates. A.________ sprach sich gegen diese Anordnung aus, wobei er insbesondere Prof. Dr. med. B.________ als Gutachter ablehnte und einen eigenen Sachverständigenvorschlag machte (Schreiben vom 17. Januar 2020). Die IV-Stelle hielt an ihrer Gutachtensanordnung fest und erklärte, dass Prof. Dr. med. B.________ nicht befangen sei (Schreiben vom 11. Februar 2020), und auch der Versicherte beharrte auf seinem Standpunkt (Stellungnahme vom 27. Februar 2020). Mit Zwischenverfügung vom 17. März 2020 hielt die Verwaltung an der vorgesehenen orthopädisch-psychiatrischen Begutachtung durch die IME fest. 
 
B.   
A.________ liess Beschwerde erheben und beantragen, die Zwischenverfügung vom 17. März 2020 sei aufzuheben und die IV-Stelle zu verpflichten, den Gutachtensauftrag an die von ihm vorgeschlagenen Sachverständigen, eventualiter konsensorientiert zu vergeben. Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen hiess die Beschwerde teilweise gut, hob die angefochtene Verfügung auf und wies die Sache zur Weiterführung des Verwaltungsverfahrens im Sinne der Erwägungen an die IV-Stelle zurück (Entscheid vom 8. Dezember 2020). 
 
C.   
Die IV-Stelle lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und das Rechtsbegehren stellen, der kantonale Entscheid sei aufzuheben und die Verfügung vom 17. Mai 2020 zu bestätigen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Beim vorinstanzlichen Rückweisungsentscheid handelt es sich um einen selbstständig eröffneten Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 Abs. 1 BGG, gegen welchen die Beschwerde nur zulässig ist, wenn er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (lit. a) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführt und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (lit. b).  
 
1.2. Der Eintretensgrund von Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG fällt hier ausser Betracht. In Frage kommt lediglich die von der IV-Stelle angerufene lit. a derselben Bestimmung.  
 
2.  
 
2.1. Das kantonale Gericht erwog, wenn die Verwaltung bei einer Medizinischen Abklärungsstelle (MEDAS) eine bi- oder monodisziplinäre Expertise einholen wolle, habe sie rechtsprechungsgemäss zwingend einen Einigungsversuch einzuleiten. Die IV-Stelle habe jegliche Bereitschaft für ein solches konsensorientiertes Vorgehen, wie es der Versicherte von Anfang an gefordert habe, vermissen lassen und damit den Grundsatz der Verfahrensfairness verletzt. Ihre Beauftragung der (Ärzte der) IME sei deshalb unzulässig. Die angefochtene Zwischenverfügung sei aufzuheben und die Sache zur konsensorientierten Bestimmung der Gutachtensstelle an die Verwaltung zurückzuweisen. Dabei erscheine es als sachgerecht, dem Versicherten das Recht einzuräumen, aus der Sachverständigenliste drei Vorschläge zu machen, welche die IV-Stelle ernsthaft zu prüfen haben werde.  
 
2.2. Die IV-Stelle hält die Eintretensvoraussetzung des irreparablen Nachteils (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) für gegeben, weil sie durch den kantonalen Entscheid gezwungen werde, eine Zwischenverfügung zu erlassen, die mit dem geltenden Recht nicht in Einklang stehe. Entgegen der Rechtsprechung zur Gutachtensvergabe, welche nur im Falle zulässiger materieller oder personenbezogener Einwendungen ein konsensorientiertes Vorgehen vorsehe, hätte sie nach den verbindlichen organisatorischen und verfahrensmässigen Vorgaben im angefochtenen Entscheid direkt das Einigungsverfahren durchzuführen und dadurch zwei wesentliche Verfahrensschritte zu überspringen. Das angeordnete Vorgehen laufe auf ein uneingeschränktes Vetorecht des Versicherten hinaus, was nicht angehe.  
 
2.3. Das kantonale Gericht wies die Sache an die Verwaltung zurück, damit sie zunächst einen Einigungsversuch durchführe (d.h. unabhängig davon, ob gegen die gewählten Gutachter zulässige oder stichhaltige Einwände geltend gemacht wurden; vgl. dazu BGE 139 V 349 E. 5.4 in fine S. 357; Urteil 9C_718/2013 vom 12. August 2014 E. 4, in: SVR 2015 IV Nr. 3 S. 5). Selbst wenn die IV-Stelle damit, wie sie in ihrer Beschwerde dafürhält, eine bundesrechtliche Verfahrensvorschrift zu missachten hätte, würde ihr daraus kein nicht wieder gutzumachender Nachteil erwachsen. Die angeordnete Vorgehensweise verpflichtet die IV-Stelle nicht dazu, eine rechtswidrige Verfügung zu erlassen. Denn weil keine Partei zu einer Einigung gezwungen werden kann, bliebe im Fall des Scheiterns einer Konsenssuche die von der IV-Stelle zu treffende Verfügung davon unbeeinflusst (zum Ganzen: BGE 140 V 507 E. 3.2.2 S. 512; Urteile 9C_401/2015 vom 30. Juni 2015 E. 3 und 8C_512/2013 vom 13. Januar 2014 E. 3.5). In diesem Sinne hat die Rückweisung für die IV-Stelle lediglich einen Mehraufwand zur Folge, welcher die Eintretensvoraussetzung des Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG nicht erfüllt (BGE 139 V 99 E. 2.4 S. 103 f.; Urteil 9C_401/2015 vom 30. Juni 2015 E. 3).  
 
3.   
Auf die Beschwerde ist im Verfahren nach Art. 108 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 BGG nicht einzutreten. Entsprechend dem Verfahrensausgang werden die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). Dem obsiegenden Beschwerdegegner steht mangels entschädigungspflichtigen Aufwandes für das bundesgerichtliche Verfahren keine Parteientschädigung zu. 
 
 
 Demnach erkennt die Einzelrichterin:  
 
1.   
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 29. März 2021 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Einzelrichterin: Moser-Szeless 
 
Die Gerichtsschreiberin: Keel Baumann