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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_434/2021  
 
 
Urteil vom 29. Juni 2022  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Parrino, Präsident, 
Bundesrichter Stadelmann, 
nebenamtliche Bundesrichterin Bechaalany, 
Gerichtsschreiberin Fleischanderl. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Stephan Kübler, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Ausgleichskasse des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Alters- und Hinterlassenenversicherung 
(Haftung des Arbeitgebers), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 31. Mai 2021 (AK.2020.00026). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Am 9. Dezember 2010 wurde die in Zürich domizilierte B.________ GmbH einzelrichterlich aufgelöst und die Liquidation nach den Vorschriften über den Konkurs angeordnet. Im Konkursverfahren meldete die Ausgleichskasse des Kantons Zürich eine Forderung aus nicht geleisteten Sozialversicherungsbeiträgen und Verwaltungskosten in der Höhe von insgesamt Fr. 369'948.15 an. Anfang April 2011 informierte das Konkursamt die Ausgleichskasse dahingehend, dass sie vermutlich voll zu Schaden kommen werde. Mit Entscheid des Konkursrichters vom 25. Mai 2011 wurde das Konkursverfahren als geschlossen erklärt und die Gesellschaft von Amtes wegen im Handelsregister gelöscht. In der Folge verpflichtete die Ausgleichskasse A.________, ehemalige Geschäftsführerin mit Einzelunterschrift der konkursiten Firma, zu Schadenersatzzahlung für entgangene Beiträge in der Höhe von Fr. 369'948.15 (Verfügung vom 17. Februar 2012). Auf Einsprache hin reduzierte die Ausgleichskasse den Schadensbetrag auf Fr. 308'180.55 (Einspracheentscheid vom 28. März 2013). Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 26. Juni 2014 teilweise gut, hob den angefochtenen Einspracheentscheid auf und wies die Sache zwecks rechtsgenügender Substanziierung des Schadens und gegebenenfalls Neuverfügung an die Verwaltung zurück.  
 
Mit Einspracheentscheid vom 24. April 2015 bekräftigte die Ausgleichskasse ihre Schadenersatzforderung im Betrag von Fr. 308'180.55. Das hierauf beschwerdeweise angerufene Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich stellte fest, dass der angefochtene Einspracheentscheid nichtig sei, und trat mangels Anfechtungsobjekts auf die Rechtsvorkehr nicht ein (Urteil vom 19. Dezember 2017). 
 
A.b. Am 28. Mai 2018 erliess die Ausgleichskasse eine Verfügung, mit welcher sie A.________ dazu verpflichtete, Schadenersatz für entgangene Beiträge in der Höhe von Fr. 308'180.55 zu leisten. Die hiegegen eingelegte Einsprache wurde abschlägig beschieden (Einspracheentscheid vom 24. Januar 2019). Die im Folgenden eingereichte Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich infolge Verjährung der streitgegenständlichen Forderung gut und hob den angefochtenen Einspracheentscheid vom 24. Januar 2019 auf (Urteil vom 11. Mai 2020). In Gutheissung der von der Ausgleichskasse geführten Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kam das Bundesgericht demgegenüber zum Ergebnis, dass die Schadenersatzverfügung der Ausgleichskasse vom 28. Mai 2018 innert der Verjährungsfrist erlassen worden sei; es hob das vorinstanzliche Urteil auf und wies die Sache zu neuer materieller Entscheidung an das Sozialversicherungsgericht zurück (Urteil 9C_400/2020 vom 19. Oktober 2020).  
 
B.  
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich hiess die Beschwerde in der Folge teilweise gut und änderte den Einspracheentscheid der Ausgleichskasse vom 24. Januar 2019 insoweit ab, als es A.________ verpflichtete, der Ausgleichskasse Schadenersatz im Betrag von Fr. 154'090.30 zu bezahlen (Urteil vom 31. Mai 2021). 
 
C.  
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erheben und beantragen, das angefochtene Urteil sowie der Einspracheentscheid der Ausgleichskasse vom 24. Januar 2019 seien ersatzlos aufzuheben. 
 
Während die Ausgleichskasse auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).  
 
1.2. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Indes prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (vgl. Art. 42 Abs. 1 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1).  
 
2.  
 
2.1. Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie eine Pflicht der Beschwerdeführerin zur Leistung von Schadenersatz an die Beschwerdegegnerin in der Höhe von Fr. 154'090.30 bejahte.  
 
2.2. Im angefochtenen Urteil wurden die Grundlagen der Arbeitgeberhaftung (Art. 52 AHVG; Art. 14 Abs. 1 und Art. 51 Abs. 1 AHVG in Verbindung mit Art. 34 ff. AHVV) sowie die dazu ergangene Rechtsprechung zutreffend wiedergegeben. Es betrifft dies insbesondere die Voraussetzungen der subsidiären Haftung der Organe eines Arbeitgebers (Schaden, Widerrechtlichkeit, Verschulden und adäquater Kausalzusammenhang zwischen vorwerfbarem Verhalten und eingetretenem Schaden). Darauf wird verwiesen.  
 
3.  
 
3.1. In prozessualer Hinsicht macht die Beschwerdeführerin unter Berufung auf Art. 29 Abs. 2 BV vorab eine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend, da sich das kantonale Gericht nicht zu ihrem Antrag auf Beiladung von C.________, ehemals Geschäftsführer der B.________ GmbH, zum Beschwerdeverfahren geäussert habe.  
 
3.2.  
 
3.2.1. Gemäss Art. 29 Abs. 2 BV haben die Parteien Anspruch auf rechtliches Gehör. Dieses dient einerseits der Sachaufklärung, anderseits stellt es ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht beim Erlass eines Entscheids dar, welcher in die Rechtsstellung des Einzelnen eingreift. Dazu gehört auch das Recht der betroffenen Person, sich vor Erlass eines solchen Entscheids zur Sache zu äussern, erhebliche Beweise beizubringen und Einsicht in die Akten zu nehmen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst als Mitwirkungsrecht somit alle Befugnisse, die einer Partei einzuräumen sind, damit sie in einem Verfahren ihren Standpunkt wirksam zur Geltung bringen kann (vgl. BGE 144 I 11 E. 5.3; 136 I 265 E. 3.2; 135 II 286 E. 5.1).  
Der Anspruch auf rechtliches Gehör als persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht verlangt namentlich, dass die Behörde die Vorbringen der vom Entscheid in ihrer Rechtsstellung betroffenen Person auch tatsächlich hört, sorgfältig und ernsthaft prüft und - soweit entscheidrelevant - in der Entscheidfindung berücksichtigt (BGE 135 III 670 E. 3.3.1; 129 I 232 E. 3.2; Urteil 2C_608/2021 vom 11. Mai 2022 E. 4.2.2 mit Hinweisen). Die Behörde hat die Pflicht, die Argumente und Verfahrensanträge der Partei entgegenzunehmen und zu beurteilen (BGE 124 I 241 E. 2 mit Hinweisen; Urteil 9C_78/2021 vom 26. März 2021 E. 2.1 mit Hinweisen). 
 
3.2.2. Das Recht, angehört zu werden, ist formeller Natur. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs führt ungeachtet der Erfolgsaussichten der Beschwerde in der Sache selbst zur Aufhebung der angefochtenen Verfügung. Es kommt mit anderen Worten nicht darauf an, ob die Anhörung im konkreten Fall für den Ausgang der materiellen Streitentscheidung von Bedeutung ist, d.h. die Behörde zu einer Änderung ihres Entscheids veranlasst wird oder nicht (BGE 126 V 130 E. 2b mit Hinweisen). Nach der Rechtsprechung kann eine nicht besonders schwerwiegende Verletzung des rechtlichen Gehörs ausnahmsweise als geheilt gelten, wenn die betroffene Person die Möglichkeit erhält, sich vor einer Beschwerdeinstanz zu äussern, die sowohl den Sachverhalt wie die Rechtslage frei überprüfen kann. Unter dieser Voraussetzung ist darüber hinaus - im Sinne einer Heilung des Mangels - selbst bei einer schwerwiegenden Verletzung des Gehörs von einer Rückweisung der Sache an die Verwaltung abzusehen, wenn und soweit die Rückweisung zu einem formalistischen Leerlauf und damit zu unnötigen Verzögerungen führen würde, die mit dem (der Anhörung gleichgestellten) Interesse der betroffenen Partei an einer beförderlichen Beurteilung der Sache nicht zu vereinbaren wären (BGE 137 I 195 E. 2.3.2; 136 V 117 E. 4.2.2.2; 132 V 387 E. 5.1; je mit Hinweisen; Urteil 9C_555/2020 vom 3. März 2021 E. 4.4.1 mit Hinweisen).  
 
3.3. In ihrer gegen den Einspracheentscheid der Beschwerdegegnerin vom 24. Januar 2019 gerichteten Beschwerde vom 25. Februar 2019 hatte die Beschwerdeführerin in verfahrensrechtlicher Hinsicht die Beiladung von C.________ in seiner Funktion als ehemaliger Geschäftsführer der B.________ GmbH zum Beschwerdeverfahren beantragt. Das (in der Folge aufgehobene) vorinstanzliche Urteil vom 11. Mai 2020 enthielt in den Ausführungen zum Sachverhalt respektive Prozessverlauf den Hinweis, die Beschwerdeführerin ersuche zudem um Beiladung von C.________ zum Verfahren. In den Erwägungen wurde darauf nicht eingegangen, was sich auf Grund des Ausgangs des Prozesses (Gutheissung der Beschwerde infolge Verjährung der streitgegenständlichen Forderung) indes ohnehin erübrigte. Das hier angefochtene Urteil erwähnt den entsprechenden Antrag um Beiladung von C.________ im Sachverhalt zwar ebenfalls, ohne dass sich die Vorinstanz damit aber - trotz teilweiser Abweisung des Rechtsmittels - im Rahmen der rechtlichen Würdigung befasste.  
 
3.4. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör der Beschwerdeführerin durch das kantonale Gericht ist vor diesem Hintergrund zu bejahen, da dieses es unterlassen hat, sich zum betreffenden prozessualen Antrag zu äussern. Letztinstanzlich werden Tat- und Rechtsfragen in den Verfahren betreffend AHVG nurmehr eingeschränkt überprüft (vgl. E. 1 hiervor), weshalb eine Heilung auf dieser Stufe rechtsprechungsgemäss entfällt, unbesehen davon, ob es sich dabei um eine schwerwiegende oder nicht besonders schwerwiegende Verletzung handelt. Überdies belegt das ausdrückliche Begehren der Beschwerdeführerin, das angefochtene Urteil bereits aus diesem Grund aufzuheben und die Angelegenheit zur Behandlung des Beiladungsersuchens an die Vorinstanz zurückzuweisen, ohne Weiteres, dass sie zugunsten eines formell einwandfreien Prozesses auf eine beförderliche Beurteilung der Sache im materiellen Punkt verzichtet. Wie hiervor dargelegt, führt ferner der Umstand, dass es sich dabei um einen verfahrensrechtlichen Antrag handelt, der für den Ausgang der materiellen Streitentscheidung unmittelbar nicht von Belang sein dürfte, auf Grund des formellen Charakters des Gehörsanspruchs zu keinem anderen Ergebnis.  
 
Das angefochtene Urteil verletzt daher Bundesrecht und ist aufzuheben; nähere Erläuterungen zur Frage der Arbeitgeberhaftung sind nicht erforderlich. Die Angelegenheit wird an die Vorinstanz zurückgewiesen, damit sie auf den Beiladungsantrag eingeht. 
 
4.  
 
4.1. Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 Abs. 4 lit. a BGG). Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Des Weitern wird diese regelmässig verpflichtet, der obsiegenden Partei die durch den Rechtsstreit verursachten notwendigen Kosten zu ersetzen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Bund, Kantonen und Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist (Art. 66 Abs. 4 BGG). Auch wird ihnen in der Regel keine Parteientschädigung zugesprochen, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis obsiegen (Art. 68 Abs. 3 BGG). Unnötige Kosten hat indessen zu bezahlen, wer sie verursacht (Art. 66 Abs. 3 und Art. 68 Abs. 4 BGG). Dies gestattet auch, die Gerichts- und Parteikosten ausnahmsweise der Vorinstanz respektive dem Gemeinwesen, dem diese angehört, aufzuerlegen, namentlich wenn die Vorinstanz in qualifizierter Weise die Pflicht zur Justizgewährleistung verletzt hat (BGE 142 V 551 E. 9.1 mit Hinweisen; Urteile 9C_354/2020 vom 8. September 2020 E. 5.1 und 9C_666/2018 vom 27. Mai 2019 E. 7.1, in: SVR 2019 IV Nr. 92 S. 306).  
 
4.2. Die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zu neuem Entscheid gilt für die Frage der Auferlegung der Gerichtskosten wie auch der Parteientschädigung als vollständiges Obsiegen im Sinne von Art. 66 Abs. 1 Satz 1 sowie Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG, unabhängig davon, ob sie beantragt oder ob das entsprechende Begehren im Haupt- oder im Eventualantrag gestellt wird (BGE 132 V 215 E. 6.1; unter vielen Urteil 9C_555/2020 vom 3. März 2021 E. 6.1 mit Hinweisen).  
 
4.3. Indem die Rückweisung einzig in der Nichtbehandlung eines verfahrensrechtlichen Antrags durch die Vorinstanz begründet liegt, erscheint es nicht gerechtfertigt, der Beschwerdegegnerin die Gerichts- und Parteikosten zu überbinden. Vielmehr hat diese der Kanton Zürich zu tragen.  
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
 
1.  
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 31. Mai 2021 wird aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 4000.- werden dem Kanton Zürich auferlegt. 
 
3.  
Der Kanton Zürich hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2800.- zu entschädigen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 29. Juni 2022 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Parrino 
 
Die Gerichtsschreiberin: Fleischanderl