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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1C_515/2021  
 
 
Urteil vom 30. August 2022  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Chaix, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichterin Jametti, 
nebenamtlicher Bundesrichter Weber, 
Gerichtsschreiber Kessler Coendet. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Andreas Miescher, 
 
gegen  
 
Baukommission der Stadt Solothurn, 
Baselstrasse 7, 4500 Solothurn, 
handelnd durch den 
Rechts- und Personaldienst der Stadt Solothurn, 
Baselstrasse 7, Postfach, 4502 Solothurn, 
 
Bau- und Justizdepartement des 
Kantons Solothurn, 
Rechtsdienst, Rötihof, Werkhofstrasse 65, 4509 Solothurn, 
 
B.________ AG, 
Mitbeteiligte, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Hermann Roland Etter, 
 
Gegenstand 
Wiederherstellungsverfügung / Nutzungsverbot, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom 11. August 2021 (VWBES.2021.136). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Baukommission der Stadt Solothurn erliess am 18. Februar 2020 gegenüber der auf Grundstück Nr. 1261 in Solothurn tätigen Einzelunternehmung A.________ folgende Verfügung: Im Erdgeschoss, 1. Obergeschoss und im Bereich Aussenrestaurant sei der rechtmässige Bau- und Nutzungszustand gemäss der Baubewilligung vom 26. April 1994 wiederherzustellen. Insbesondere dürften die betreffenden Räume spätestens nach Ablauf der gesetzten Frist (Ende März 2020) nur noch als Speiserestaurant und nicht mehr wie bis anhin als Bar genutzt werden. Mit sofortiger Wirkung wurden reduzierte Öffnungszeiten festgelegt. Die Nutzung der Räume im Erdgeschoss und 1. Obergeschoss als Event- und Partylokal wurde per sofort untersagt. Einer allfälligen Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung entzogen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgebracht, im Jahr 1994 sei ein Speiserestaurant in diesen Räumlichkeiten bewilligt worden. Die Umnutzung zu einer Bar und zu einem Eventlokal sei baubewilligungspflichtig. Ein Baugesuch sei nicht eingereicht worden, obwohl dazu Frist eingeräumt worden sei. Die Verfügung sei als Sofortmassnahme zum Schutz der Nachbarschaft erforderlich. 
 
B.  
Die Einzelunternehmung und die damalige Eigentümerin der betroffenen Stockwerkeinheit von Grundstück Nr. 1261 zogen diesen Entscheid an das Bau- und Justizdepartement des Kantons Solothurn (BJD) weiter. Dieses stellte mit verfahrensleitender Verfügung vom 2. April 2020 die aufschiebende Wirkung der hängigen Beschwerden wieder her. Am 26. März 2021 hiess das BJD die Beschwerden teilweise gut. Die erstinstanzliche Verfügung wurde insoweit aufgehoben, als damit der Rückbau nicht näher definierter Abweichungen von den baubewilligten Plänen von 1994 verlangt worden war. Im Übrigen wurden die Beschwerden abgewiesen. 
 
C.  
A.________ erhob hiergegen Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn. Dies wies mit Verfügung vom 12. April 2021 das Gesuch um Gewährung der aufschiebenden Wirkung ab. Mit Urteil vom 11. August 2021 hiess das Verwaltungsgericht die Beschwerde im Sinne der Erwägungen teilweise gut. Es stellte fest, dass für das Speiserestaurant der Beschwerdeführerin die im Einzelnen aufgeführten Regelöffnungszeiten gemäss dem kantonalen Wirtschafts- und Arbeitsgesetz vom 8. März 2015 (WAG; BGS 940.11) gälten. Im Übrigen wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde ab, dies unter Hinweis auf die teilweise Gutheissung des BJD. In der Folge gab das Verwaltungsgericht dem Gesuch der unterlegenen Beschwerdeführerin um Präzisierung des Urteils vom 11. August 2021 statt. Es beschloss am 6. September 2021 eine Erläuterung, mit welcher der Hinweis im Urteilsdispositiv auf die teilweise Gutheissung durch das BJD an den Wortlaut des BJD-Entscheids vom 26. März 2021 angeglichen wurde. 
 
D.  
Mit Eingabe vom 9. September 2021 führt A.________ Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht und beantragt im Wesentlichen, der Betrieb einer Bar sei in der fraglichen Liegenschaft weiterhin zu dulden. 
Die Stadt Solothurn ersucht um Abweisung der Beschwerde. Das Verwaltungsgericht schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden könne. 
 
E.  
Der Präsident der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung hat mit Verfügung vom 11. Oktober 2021 das Gesuch der Beschwerdeführerin um Gewährung der aufschiebenden Wirkung abgewiesen. 
 
F.  
Mit Eingabe vom 26. April 2022 hat die B.________ AG dem Bundesgericht mitgeteilt, das Mietverhältnis zwischen A.________ und der damaligen Stockwerkeigentümerin über die Räumlichkeiten der Bar C.________ sei einvernehmlich beendet worden. Dieser Betrieb sei geschlossen worden. Die B.________ AG habe die Liegenschaft am 28. März 2022 erworben und kein Interesse an der Weiterführung des hängigen Beschwerdeverfahrens. In der Folge hat das Bundesgericht die Verfahrensbeteiligten am 28. April 2022 darauf hingewiesen, dass das Verfahren möglicherweise gegenstandslos geworden sei, und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. 
Daraufhin räumt die Beschwerdeführerin am 20. Juni 2022 die Einstellung ihres Betriebs nach Einleitung des bundesgerichtlichen Verfahrens ein, bestreitet aber den Wegfall ihres Rechtsschutzinteresses. Die Stadt Solothurn verzichtet auf weitere Bemerkungen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerdeführerin ist als Adressatin des angefochtenen Urteils nach Art. 89 Abs. 1 BGG grundsätzlich zur Beschwerde befugt. Das Rechtsschutzinteresse gemäss Art. 89 Abs. 1 lit. c BGG muss allerdings aktuell und praktisch sein, und zwar nicht nur bei der Beschwerdeeinreichung, sondern auch noch im Zeitpunkt der Urteilsfällung (vgl. BGE 141 II 14 E. 4.4; 139 I 206 E. 1.1).  
 
1.2. Bei der Beschwerdeführerin ist aufgrund ihrer Einstellung des gastwirtschaftlichen Betriebs und der Beendigung des Mietverhältnisses ein aktuelles Rechtsschutzbedürfnis an der Klärung der baurechtlichen Vorgaben an diesen Betrieb nachträglich weggefallen.  
Die Beschwerdeführerin entgegnet, beim Richteramt Solothurn-Lebern laufe ein Strafverfahren wegen Nichteinhaltung von Vorschriften des WAG. Der Ausgang des vorliegenden Verfahrens werde als ausschlaggebend für das Strafverfahren erachtet. Auch sonst könne sie sich dem strafrechtlichen Vorwurf ausgesetzt sehen, sich nicht an gesetzliche Vorschriften oder behördliche Massnahmen gehalten zu haben. Nach der Rechtsprechung kann ein Strafgericht jedoch auch verwaltungsrechtliche Vorfragen beurteilen, soweit die Verwaltungsjustiz darüber nicht entschieden hat. Ein schutzwürdiges Interesse an einer verwaltungsgerichtlichen Beurteilung kann folglich nicht mit Hinblick auf ein allfälliges Strafverfahren begründet werden (vgl. BGE 129 IV 246 E. 2.1; Urteil 2C_45/2014 vom 28. März 2014 E. 2.4.2). 
In der Hauptsache stellen sich auch keine Fragen von grundsätzlicher Bedeutung, die sich jederzeit unter gleichen oder ähnlichen Umständen wieder stellen können, ohne dass im Einzelfall rechtzeitig eine höchstrichterliche Prüfung stattfinden könnte (vgl. BGE 146 II 335 E. 1.3; 139 I 206 E. 1.1). 
 
1.3. Die Beschwerdeführerin macht geltend, ihr Rechtsschutzinteresse sei mindestens im Hinblick auf die Kostenregelung im kantonalen Verfahren aktuell. Nach der Rechtsprechung bleibt die Legitimation bezüglich der Kostenverlegung im kantonalen Verfahren erhalten, wenn das aktuelle Interesse an der Anfechtung des Hauptsachenentscheids entfällt. Die Überprüfung des Kostenentscheids kann aber nicht dazu führen, dass indirekt auch der Entscheid in der Hauptsache überprüft wird. Daher kann in diesem Rahmen nur geltend gemacht werden, die Kostenverlegung sei aus einem anderen Grund als dem blossen Unterliegen in der Hauptsache bundesrechtswidrig (vgl. BGE 129 II 297 E. 2.2; 117 Ia 251 E. 1b; Urteil 1C_180/2009 vom 14. Oktober 2009 E. 3.1).  
Die Kostenregelung im kantonalen Verfahren richtete sich vorliegend nach kantonalem Recht. Dessen Anwendung prüft das Bundesgericht nur auf qualifizierte Rüge von Grundrechtsverletzungen hin (vgl. Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 145 I 26 E. 1.3; 143 II 283 E. 1.2.2). In der Begründung der Beschwerdeschrift ans Bundesgericht wird dargelegt, weshalb das Verbot, in den Räumlichkeiten eine Bar zu führen, rechtswidrig gewesen sei. Eigenständige, vom Ausgang der Hauptsache unabhängige Rügen betreffend die Kostenentscheide sind hingegen nicht ersichtlich. In diesem Punkt kann deshalb auf die Beschwerde nicht eingetreten werden. 
 
1.4. Insgesamt ist auf die Beschwerde nicht einzutreten, soweit das Verfahren nicht ohnehin gegenstandslos geworden ist.  
 
2.  
 
2.1. Erklärt das Bundesgericht einen Rechtsstreit als gegenstandslos, entscheidet es grundsätzlich mit summarischer Begründung über die Prozesskosten aufgrund der Sachlage vor Eintritt des Erledigungsgrundes (vgl. Art. 71 BGG i.V.m. Art. 72 BZP). Bei der Beurteilung der Kosten- und Entschädigungsfolgen ist somit in erster Linie auf den mutmasslichen Ausgang des Prozesses abzustellen (BGE 125 V 373 E. 2a). Lässt sich der mutmassliche Ausgang eines Verfahrens im konkreten Fall nicht ohne weiteres feststellen, ist auf allgemeine zivilprozessrechtliche Kriterien zurückzugreifen. Danach wird in erster Linie jene Partei kosten- und entschädigungspflichtig, die das gegenstandslos gewordene Verfahren veranlasst oder bei der die Gründe eingetreten sind, die zur Gegenstandslosigkeit des Verfahrens geführt haben (zum Ganzen BGE 142 V 551 E. 8.2 mit Hinweisen).  
 
2.2. Die Vorinstanz hat erwogen, dass mit dem Barbetrieb eine Nutzungsänderung stattgefunden habe, für die keine Baubewilligung vorliege. Dabei ging die Vorinstanz auf die diesbezüglichen Erwiderungen der Beschwerdeführerin ein. Weiter hat die Vorinstanz ausgeführt, es möge zutreffen, dass der Betrieb eines Pubs bereits unmittelbar nach der Baubewilligung von 1994 statt des bewilligten Speiserestaurants erfolgt sei und die Beschwerdeführerin diesen Betrieb im Jahr 2009 übernommen und weitgehend unverändert weitergeführt habe. In den vergangenen Jahren seien zahlreiche Lärmklagen eingegangen. Es spiele keine Rolle, ob diese Lärmklagen berechtigt gewesen seien. Die Beschwerdeführerin sei bereits im Oktober 2016 darauf aufmerksam gemacht worden, dass für die Umnutzung zu einem Barbetrieb ein neues Baubewilligungsverfahren notwendig sei. Im September 2019 sei der Beschwerdeführerin das rechtliche Gehör zu einer Wiederherstellungsverfügung gewährt worden. Die Beschwerdeführerin habe auch in der Folge keinen Gebrauch von der Möglichkeit gemacht, ein Baugesuch zu stellen. Insgesamt hat die Vorinstanz das umstrittene Nutzungsverbot nicht beanstandet.  
 
2.3. Die Vorinstanz durfte ohne Bundesrechtsverletzung eine Baubewilligungspflicht für die Umnutzung eines bewilligten Speiserestaurants zu einer Bar zugrunde legen. Es erscheint aufgrund der Akten auch nicht als offensichtlich unrichtig, wenn die Vorinstanz vom Fehlen einer Baubewilligung für den Barbetrieb ausgegangen ist. Weiter verwirkt der Anspruch der Baubehörden auf Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands innerhalb der Bauzonen nach der Rechtsprechung grundsätzlich nach 30 Jahren (vgl. BGE 147 II 309 E. 4.1 mit Hinweisen). Diese Frist ist vorliegend noch nicht abgelaufen. Die Beschwerdeführerin beansprucht zwar eine kürzere Verwirkungsfrist und beruft sich sinngemäss auf Gutgläubigkeit. Dabei setzt sie sich aber nicht mit der Rechtsprechung auseinander, wonach sie sich eine fehlende Gutgläubigkeit von Rechtsvorgängern anzurechnen lassen hat (vgl. dazu die Urteile 1C_205/2019 vom 21. Februar 2020 E. 4.3; 1C_122/2016 vom 7. September 2016 E. 6.2.3; je mit Hinweisen). Im Übrigen durfte die Vorinstanz annehmen, dass die Voraussetzungen für die Anordnung eines Nutzungsverbots für den baurechtlich nicht bewilligten Barbetrieb angesichts des vorangehenden Verfahrensablaufs nicht allzu hoch sind. Bei einer summarischen Prüfung erweisen sich die Rügen der Beschwerdeführerin in der Hauptsache als wenig stichhaltig. Daher wäre ihre Beschwerde insoweit voraussichtlich abzuweisen gewesen, soweit darauf hätte eingetreten werden können. Im Hinblick auf die Kostenverlegung fehlen rechtsgenügliche Rügen (vgl. oben E. 1.3). Damit wird die Beschwerdeführerin im bundesgerichtlichen Verfahren kostenpflichtig und hat keinen Anspruch auf Parteientschädigung (Art. 66 und 68 BGG). Die Kostenverlegung nach dem Unterliegerprinzip entspricht auch jener nach dem Verursacherprinzip, weil die Beschwerdeführerin mit der nachträglichen Aufgabe des Betriebs den Grund für die Gegenstandslosigkeit des Rechtsmittelverfahrens gesetzt hat.  
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten, soweit sie nicht ohnehin gegenstandslos geworden ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Baukommission der Stadt Solothurn, dem Bau- und Justizdepartement des Kantons Solothurn, der B.________ AG und dem Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 30. August 2022 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Chaix 
 
Der Gerichtsschreiber: Kessler Coendet