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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_773/2022  
 
 
Urteil vom 30. September 2022  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin, 
Bundesrichter Donzallaz, 
Bundesrichterin Hänni, 
Gerichtsschreiber Zollinger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Nadia Tarolli und Nora Heuberger, 
Advokatinnen, 
 
gegen  
 
Eidgenössische Steuerverwaltung, 
Dienst für Informationsaustausch in Steuersachen SEI, 
Eigerstrasse 65, 3003 Bern. 
 
Gegenstand 
Amtshilfe (DBA CH-FR), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des 
Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I, vom 
19. August 2022 (A-4680/2021). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Am 8. Juni 2021 richtete die französische Steuerbehörde, die Direction spécialisée de contrôle fiscal Est (nachfolgend: ersuchende Behörde) gestützt auf Art. 28 des Abkommens vom 9. September 1966 zwischen der Schweiz und Frankreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und zur Vermeidung von Steuerbetrug und Steuerflucht (DBA CH-FR; SR 0.672.934.91) ein Amtshilfeersuchen an die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV). 
Als vom Ersuchen betroffene Person nannte die ersuchende Behörde B.________. Als Informationsinhaberin in der Schweiz wurde die C.________ AG (heute: D.________ AG; nachfolgend: Informationsinhaberin) genannt. Die Informationen würden für die Erhebung der französischen Einkommenssteuer für die Steuerjahre 2011 bis 2020 benötigt. 
 
B.  
Mit Schreiben vom 11. August 2021 gewährte die ESTV A.________, Inhaber des fraglichen Bankkontos, für das seinem Vater B.________ eine Vollmacht übertragen worden war, Akteneinsicht und setzte ihm eine Frist zur Einreichung einer Stellungnahme an. A.________ nahm am 31. August 2021 Stellung. Mit Schlussverfügung vom 23. September 2021 kam die ESTV zum Schluss, dass die Voraussetzungen zur Leistung der Amtshilfe in Bezug auf die von der ersuchenden Behörde erfragten Bankinformationen betreffend B.________ erfüllt seien. 
Am 25. Oktober 2021 erhob A.________ Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht und beantragte die Aufhebung der Schlussverfügung vom 23. September 2021. Mit Urteil vom 19. August 2022 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde ab. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 22. September 2022 gelangt A.________ an das Bundesgericht. Er beantragt die Aufhebung des Urteils vom 19. August 2022. Es sei der ESTV zu untersagen, die mit Amtshilfeersuchen vom 8. Juni 2021 ersuchten Daten an die französische Steuerbehörde zu übermitteln. In prozessualer Hinsicht verlangt A.________ die Wahrung seiner Anonymität sowie die Anonymisierung des Urteils vor der Publikation. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die weiteren Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen (Art. 29 Abs. 1 BGG) und mit freier Kognition (vgl. BGE 146 II 276 E. 1; 141 II 113 E. 1). 
 
1.1. Art. 83 lit. h BGG sieht vor, dass die Beschwerde an das Bundesgericht gegen Entscheide auf dem Gebiet der internationalen Amtshilfe mit Ausnahme der Amtshilfe in Steuersachen unzulässig ist. Gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der internationalen Amtshilfe in Steuersachen ist die Beschwerde gemäss Art. 84a BGG zulässig, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder wenn es sich aus anderen Gründen um einen besonders bedeutenden Fall im Sinne von Art. 84 Abs. 2 BGG handelt. Die beschwerdeführende Partei hat in der Begründung darzulegen, warum die jeweilige Voraussetzung erfüllt ist, es sei denn, dies treffe ganz offensichtlich zu (Art. 42 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 146 II 276 E. 1.2.1; 133 IV 131 E. 3).  
Das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist regelmässig zu bejahen, wenn der Entscheid für die Praxis wegleitend sein kann - namentlich wenn von unteren Instanzen viele gleichartige Fälle zu beurteilen sein werden. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist unter Umständen auch anzunehmen, wenn es sich um eine erstmals zu beurteilende Frage handelt, die einer Klärung durch das Bundesgericht bedarf. Es muss sich allerdings um eine Rechtsfrage handeln, deren Entscheid von ihrem Gewicht her nach einer höchstrichterlichen Klärung ruft. Eine vom Bundesgericht bereits entschiedene Rechtsfrage kann auch von grundsätzlicher Bedeutung sein, wenn sich die erneute Überprüfung aufdrängt (vgl. BGE 139 II 404 E. 1.3; 139 II 340 E. 4; Urteil 2C_1037/2019 vom 27. August 2020 E. 1.2, nicht publ. in: BGE 147 II 116). 
 
1.2. Der Beschwerdeführer bringt vor, die ersuchende Behörde habe in ihrem Ersuchen einerseits erklärt, dass sie die in Frankreich zur Verfügung stehenden Mittel ausgeschöpft habe. Andererseits habe sie angegeben, bei der betroffenen Person nicht nachgefragt zu haben. Die Vorinstanz habe im angefochtenen Urteil festgehalten, dass kein Anlass bestehe, an der im Ersuchen enthaltenen Erklärung zu zweifeln. Sie habe jedoch nicht ausgeführt, was unter den üblichen Mitteln verstanden werde, damit das Subsidiaritätsprinzip als erfüllt gelte. Es stelle sich daher die Grundsatzfrage, ob die ESTV der Erklärung Glauben schenken dürfe, es seien alle zur Verfügung stehenden Mittel ausgeschöpft, obwohl die ersuchende Behörde bei der betroffenen Person nicht nachgefragt habe.  
Im Weiteren führe die Vorinstanz aus, der Umstand, dass der Beschwerdeführer nicht wisse, woher die ersuchende Behörde vom Bankkonto der betroffenen Person Kenntnis erlangt habe, begründe kein Verhalten wider Treu und Glauben. Die Vorinstanz erläutere jedoch nicht, ab wann ein treuwidriges Verhalten vorliege. Der Beschwerdeführer wirft die Frage auf, ab welchem Verhalten die ESTV eine Rückfrage betreffend Herkunft der Informationen an die ersuchende Behörde stellen müsse. 
 
1.3. Die beiden vom Beschwerdeführer aufgeworfenen Fragen betreffen lediglich die einzelfallspezifische Rechtsanwendung im Kontext des völkerrechtlichen Vertrauensprinzips.  
 
1.3.1. Nach dem (völkerrechtlichen) Grundsatz von Treu und Glauben im Sinne von Art. 26 des Wiener Übereinkommens vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge (SR 0.111) wird vermutet, dass ein staatsvertraglich gebundener Staat nach Treu und Glauben handelt. Im Bereich der internationalen Amtshilfe in Steuersachen bedeutet diese Vermutung, dass der ersuchte Staat auf die Angaben des ersuchenden Staats vertraut (sogenanntes Vertrauensprinzip; vgl. BGE 146 II 150 E. 7.1). Zwar steht es dem ersuchten Staat offen, zu prüfen, ob die erbetenen Informationen für den vom ersuchenden Staat angestrebten steuerlichen Zweck voraussichtlich erheblich sind. Allerdings verpflichtet das völkerrechtliche Vertrauensprinzip ihn im Grundsatz dennoch, sich auf die Angaben zu verlassen, die der ersuchende Staat mitteilt (vgl. BGE 144 II 206 E. 4.4; 142 II 161 E. 2.1.3; 142 II 218 E. 3.3). Das Vertrauensprinzip schliesst daher nicht aus, dass der ersuchte Staat vom ersuchenden Staat zusätzliche Erklärungen verlangt, wenn ernsthafte Zweifel an der Einhaltung der völkerrechtlichen Grundsätze oder an der voraussichtlichen Erheblichkeit der ersuchten Informationen bestehen. Die Vermutung des guten Glaubens kann nur aufgrund konkreter, nachgewiesener Anhaltspunkte umgestossen werden (vgl. BGE 146 II 150 E. 7.1; 144 II 206 E. 4.4; Urteil 2C_241/2016 vom 7. April 2017 E. 5.5).  
 
1.3.2. Erklärt die ersuchende Behörde, alle zur Verfügung stehenden innerstaatlichen Mittel ausgeschöpft zu haben, hat sich der ersuchte Staat im Grundsatz auf diese Angabe zu verlassen. Die auf diese Erklärung gestützte Vermutung, dass die ersuchende Behörde das Subsidiaritätsprinzip einhält, kann nur aufgrund konkreter, nachgewiesener Anhaltspunkte umgestossen werden. Ob der Hinweis der ersuchenden Behörde, sie habe bei der betroffenen Person nicht direkt nachgefragt, einen solchen Anhaltspunkt begründet, stellt keine Grundsatzfrage dar, sondern betrifft die Rechtsanwendung im Einzelfall. Die Vorinstanz hat diese Einzelfallbeurteilung vorgenommen und die rechtsprechungsgemässen Prinzipien vor dem Hintergrund, dass die betroffene Person entgegen ihrer Verpflichtung ausländische Bankkonten nicht deklariert habe, auf die vorliegende Angelegenheit angewendet (vgl. E. 4.4 des angefochtenen Urteils).  
 
1.3.3. Ebenso ist die Frage, ob der blosse Umstand, dass der Beschwerdeführer nicht wisse, woher die französischen Steuerbehörden vom Bankkonto bei der Informationsinhaberin Kenntnis hätten, das völkerrechtliche Vertrauensprinzip verletze, anhand der in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zu beurteilen. Auch diese Beurteilung nimmt die Vorinstanz vor und verweist unter anderem auf den Umstand, dass Ziff. XI Abs. 3 des Zusatzprotokolls des DBA CH-FR bei bereits identifizierten betroffenen Personen nicht voraussetze, dass das Amtshilfeersuchen über die Herkunft der Daten Angaben beinhalte (vgl. E. 4.1 des angefochtenen Urteils; vgl. auch E. 4.2.3 des angefochtenen Urteils). Folglich bezieht sich die Frage des Beschwerdeführers ebenfalls nur auf die Rechtsanwendung im vorliegenden Einzelfall.  
 
1.4. Nach dem Dargelegten wirft der Beschwerdeführer keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von Art. 84a BGG auf.  
 
2.  
In prozessualer Hinsicht beantragt der Beschwerdeführer, es sei in einer allfälligen öffentlichen Parteiverhandlung oder Urteilsberatung seine Anonymität zu wahren und das Urteil sei vor einer allfälligen Publikation zu anonymisieren. 
Gemäss Art. 27 Abs. 1 BGG informiert das Bundesgericht die Öffentlichkeit über seine Rechtsprechung. Die Veröffentlichung der Entscheide hat grundsätzlich in anonymisierter Form zu erfolgen (vgl. Art. 27 Abs. 2 BGG; vgl. auch BGE 133 I 106 E. 8.2 f.). Damit wird dem Prozessantrag des Beschwerdeführers zur Anonymisierung ausreichend Nachachtung verschafft (vgl. auch Urteile 2C_460/2022 vom 9. Juni 2022 E. 2; 2C_323/2022 vom 29. April 2022 E. 2; 2C_299 /2022 vom 21. April 2022 E. 2). Weitere Ausführungen dazu erübrigen sich. Gleiches gilt für den prozessualen Antrag des Beschwerdeführers mit Blick auf eine allfällige Parteiverhandlung oder Urteilsberatung, zumal eine solche nicht durchgeführt wird. 
 
3.  
Im Ergebnis ist auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nicht einzutreten. Bei diesem Verfahrensausgang wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung I, mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 30. September 2022 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin 
 
Der Gerichtsschreiber: M. Zollinger