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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1C_225/2022  
 
 
Urteil vom 14. Juli 2022  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident, 
Bundesrichterin Jametti, 
Bundesrichter Haag, 
Gerichtsschreiber Bisaz. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Samuel Hasler, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Regierungsrat des Kantons Aargau, Regierungsgebäude, 5001 Aarau, 
 
Bundeskanzlei, Bundeshaus West, 3003 Bern. 
 
Gegenstand 
Eidgenössische Volksabstimmung vom 15. Mai 2022 betreffend die Revision des Filmgesetzes, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Regierungsrats des Kantons Aargau vom 19. April 2022 (Nr. 2022-000486). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Mit Beschluss vom 21. März 2022 setzte der Bundesrat den Termin für die Volksabstimmung über die Änderung vom 1. Oktober 2021 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 2001 über Filmproduktion und Filmkultur (FiG; SR 443.1) fest (BBl 2022 666). Mit den Abstimmungsunterlagen erhielten die Stimmberechtigten die Erläuterungen des Bundesrats (sog. Abstimmungserläuterungen oder Bundesbüchlein), die zusammen mit weiteren Ausführungen zu den verschiedenen Abstimmungsvorlagen auch auf der Website der Bundeskanzlei aufgeschaltet sind (https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/abstimmungen/20220515.html; besucht am 30. Juni 2022). Die Gesetzesvorlage wurde in der Abstimmung vom 15. Mai 2022 gemäss dem von der Bundeskanzlei publizierten provisorischen amtlichen Ergebnis mit einer Mehrheit von insgesamt 1'255'032 Ja-Stimmen (58.42%) gegenüber 893'369 Nein-Stimmen (41.58%) angenommen (https://www.bk.admin.ch/ch/d/pore/va/20220515/index.html; besucht am 30. Juni 2022). 
 
B.  
Am 11. April 2022 erhob Samuel Hasler Abstimmungsbeschwerde beim Regierungsrat des Kantons Aargau. Mit Beschluss vom 19. April 2022 trat dieser nicht auf die Beschwerde ein. 
 
C.  
Mit Eingabe vom 22. April 2022 erhebt Samuel Hasler dagegen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht. Er beantragt, den angefochtenen Entscheid aufzuheben. Sinngemäss sei der Bundesrat anzuweisen, die erforderlichen Anordnungen zur Beseitigung der gerügten Mängel zu treffen. Eventuell, sollte die Änderung des FiG inzwischen angenommen worden sein, sei die Abstimmung darüber aufzuheben. Allenfalls sei förmlich festzustellen, dass durch die fehlerhafte Information des Bundesrats im Abstimmungskampf zu dieser Abstimmungsvorlage Art. 34 Abs. 2 BV verletzt worden ist. 
Die Bundeskanzlei beantragt, auf die Beschwerde nicht einzutreten bzw. sie allenfalls abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Der Regierungsrat des Kantons Aargau beantragt, auf die Beschwerde nicht einzutreten, soweit die Aufhebung des regierungsrätlichen Nichteintretensentscheids beantragt werde. Der Beschwerdeführer hält an seinen Anträgen fest. 
 
D.  
Mit Präsidialverfügung vom 5. Mai 2022 hat das Bundesgericht das Gesuch des Beschwerdeführers um Anordnung von vorsorglichen Massnahmen abgewiesen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Vorinstanz ist auf die Beschwerde im Sinne von Art. 77 Abs. 1 lit. b BPR wegen Unregelmässigkeiten im Vorfeld einer eidgenössischen Volksabstimmung nicht eingetreten. Dagegen steht grundsätzlich die Beschwerde wegen Verletzung politischer Rechte an das Bundesgericht offen (vgl. Art. 80 Abs. 1 BPR i.V.m. Art. 82 lit. c sowie Art. 88 Abs. 1 lit. b BGG).  
 
1.2. Der Beschwerdeführer hat durchwegs kantonsübergreifende Sachverhalte beanstandet, weswegen der Regierungsrat einen formellen Nichteintretensentscheid zu fällen hatte. Soweit die Sachurteilsvoraussetzungen im vorinstanzlichen Verfahren im Übrigen erfüllt waren, kann ein Beschwerdeführer dem Bundesgericht insofern auch Fragen unterbreiten, welche der Regierungsrat mangels Zuständigkeit nicht behandeln konnte, falls sie auf kantonaler Ebene bereits aufgeworfen wurden (vgl. BGE 137 II 177 E. 1.2.3 und 1.3; Urteil 1C_713/2020 vom 23. März 2020 E. 2.2, nicht publ. in: BGE 147 I 194, aber in: ZBl 2021 629; je mit Hinweisen).  
 
1.3. Es ist aus den Akten nicht ersichtlich, ob die Vorinstanz die Stimmberechtigung und damit die Beschwerdelegitimation des Beschwerdeführers geprüft hat. Da auf die Beschwerde aus anderen Gründen nicht einzutreten ist, muss dies nicht vertieft werden. Entsprechendes gilt für die Frage, ob die Abstimmungsbeschwerde rechtzeitig erhoben wurde.  
 
1.4. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), prüft jedoch unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) nur die geltend gemachten Vorbringen, sofern rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 142 I 135 E. 1.5). Erhöhte Anforderungen an die Begründung gelten, soweit die Verletzung von Grundrechten gerügt wird (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.2 mit Hinweisen).  
Der Beschwerdeführer beantragt die Aufhebung des vorinstanzlichen, regierungsrätlichen Nichteintretensentscheids. Er begründet diesen Antrag nicht. Da der regierungsrätliche Nichteintretensentscheid auch an keinen offensichtlichen rechtlichen Mängeln leidet, ist insoweit auf die Beschwerde nicht einzutreten. 
 
2.  
Der Beschwerdeführer beantragt in der vor der Durchführung der Volksabstimmung eingereichten Beschwerde, dass der Bundesrat die erforderlichen Anordnungen zur Beseitigung der angeblichen Mängel trifft. Nachdem die eidgenössische Volksabstimmung über die Änderung des FiG am 15. Mai 2022 stattgefunden hat, ist die Beschwerde insoweit gegenstandslos geworden. Allerdings werden gegen Vorbereitungshandlungen von Abstimmungen gerichtete Beschwerden als gegen die Abstimmung gerichtet verstanden, wenn der Urnengang in der Zwischenzeit stattgefunden hat (BGE 145 I 282 E. 2.2.3), worauf das Bundesgericht in seiner Präsidialverfügung vom 5. Mai 2022 hingewiesen hat. Einen dahingehenden Eventualantrag hat der Beschwerdeführer ohnehin gestellt. Dieser wird in der Folge zu prüfen sein. 
 
3.  
 
3.1. In der Sache rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 34 Abs. 2 BV. Diese sei durch Mängel der behördlichen Information im Vorfeld der Volksabstimmung eingetreten. Im Zentrum der Beanstandungen stehen die Abstimmungserläuterungen des Bundesrats. Die gerügten Unregelmässigkeiten seien insgesamt geeignet, den Willen der Stimmberechtigten zu verfälschen.  
 
3.2. Bei Sachabstimmungen im eigenen Gemeinwesen kommt den Behörden eine gewisse Beratungsfunktion zu. Diese nehmen sie mit der Redaktion der Abstimmungserläuterungen, aber auch in anderer Form wahr. Die Behörden sind dabei nicht zur Neutralität verpflichtet und dürfen eine Abstimmungsempfehlung abgeben. In Einzelfällen ergibt sich aus Art. 34 Abs. 2 BV sogar eine Pflicht der Behörden zur Information. Informationen im Vorfeld einer Abstimmung unterliegen den Geboten der Sachlichkeit, der Transparenz und der Verhältnismässigkeit. Behördliche Informationen zu eigenen Vorlagen müssen geeignet sein, zur offenen Meinungsbildung beizutragen, und dürfen nicht in dominanter und unverhältnismässiger Art im Sinne eigentlicher Propaganda eine freie Willensbildung der Stimmberechtigten erschweren oder geradezu verunmöglichen. Das Gebot der Sachlichkeit verbietet, über den Zweck und die Tragweite einer Vorlage falsch zu orientieren, für die Meinungsbildung bedeutende Gegebenheiten zu verschweigen oder Argumente von gegnerischen Referendums- oder Initiativkomitees falsch wiederzugeben. Bei negativen Bewertungen (z.B. von Argumenten des Referendumskomitees) müssen hierfür gute Gründe bestehen (zum Ganzen BGE 145 I 282 E. 5.1 mit Hinweisen).  
Für Abstimmungen auf Bundesebene sieht Art. 10a BPR vor, dass der Bundesrat die Stimmberechtigten kontinuierlich über die eidgenössischen Abstimmungsvorlagen informiert (Abs. 1), wobei er die Grundsätze der Vollständigkeit, der Sachlichkeit, der Transparenz und der Verhältnismässigkeit beachtet (Abs. 2), die wichtigsten im parlamentarischen Entscheidungsprozess vertretenen Positionen darlegt (Abs. 3) und keine von der Haltung der Bundesversammlung abweichende Abstimmungsempfehlung vertritt (Abs. 4). Die neuere bundesgerichtliche Rechtsprechung nimmt vor diesem Hintergrund an, dass nicht die Frage der Zulässigkeit einer behördlichen Intervention im Vordergrund steht, sondern vielmehr deren Art und Wirkung (zum Ganzen BGE 145 I 282 E. 5.1 mit Hinweisen). 
 
3.3. Gemäss Art. 189 Abs. 4 BV können Akte der Bundesversammlung und des Bundesrats beim Bundesgericht allerdings nicht angefochten werden, ausser das Gesetz sehe dies vor. Dies gilt auch bei Beschwerden wegen Verletzung der politischen Rechte (BGE 147 I 194 E. 4.1; 138 I 61 E. 7.1). Nicht direkt anfechtbar sind damit insbesondere die bundesrätlichen Abstimmungserläuterungen. Von diesem Ausschluss erfasst sind auch Äusserungen einzelner Mitglieder des Bundesrates sowie weiterer Akteure, sofern sie im Wesentlichen den Inhalt der Abstimmungserläuterungen wiedergeben (BGE 147 I 194 E. 4.1; 145 I 207 E. 1.5; 145 I 1 E. 5.1.1; 138 I 61 E. 7.2; 137 II 177 E. 1.2). Eine gesetzliche Ausnahme im Sinne der genannten Verfassungsbestimmung nennt der Beschwerdeführer nicht, und es ist auch keine solche erkennbar. Solange der Bundesgesetzgeber diese im Lichte von Art. 34 und Art. 29a BV gewichtige Rechtsschutzlücke (GEROLD STEINMANN/ADRIAN MATTLE, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 3. Aufl. 2018, N. 77 und 95 zu Art. 82 BGG) nicht schliesst, kann das Bundesgericht auf solche Rügen nicht eintreten.  
 
3.4. Insoweit ist auf die Beschwerde nicht einzutreten.  
 
4.  
Der Beschwerdeführer beanstandet vor Bundesgericht neben den bundesrätlichen Abstimmungserläuterungen auch die am 13. April 2022 von der Bundeskanzlei publizierte "Präzisierung zu einer Karte in den Abstimmungserläuterungen zur Änderung des Filmgesetzes" (siehe https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/abstimmungen/20220515.html; besucht am 30. Juni 2022) als Verletzung von Art. 34 BV
 
4.1. Vorweg wäre zu klären, ob oder allenfalls inwieweit diese Information der Bundeskanzlei nicht auch von Art. 189 Abs. 4 BV erfasst wird (vgl. BGE 145 I 1 E. 5.1). Diese Frage ist indes nicht zu vertiefen, da das Bundesgericht aus anderen Gründen auch insoweit auf die Beschwerde nicht eintreten kann, wie im Folgenden zu zeigen sein wird.  
 
4.2. Der Beschwerdeführer hatte vor der Vorinstanz ausschliesslich die bundesrätlichen Abstimmungserläuterungen gerügt. Die "Präzisierung zu einer Karte in den Abstimmungserläuterungen zur Änderung des Filmgesetzes" der Bundeskanzlei war damals nicht Streitgegenstand, da sie von der Bundeskanzlei erst nach der Beschwerdeerhebung am 11. April 2022 bei der Kantonsregierung, nämlich am 13. April 2022 veröffentlicht wurde. Erst mit Beschwerdeerhebung beim Bundesgericht am 22. April 2022 ergänzte der Beschwerdeführer seine Beschwerde um diese Rüge. Damit erfolgte die diesbezügliche Beschwerdeerhebung nicht nur im Lichte der Dreitagesfrist von Art. 77 Abs. 2 BPR verspätet, sondern auch bei der falschen Instanz, da im bundesgerichtlichen Verfahren die Berufung auf neue Tatsachen grundsätzlich nicht zulässig ist (Art. 99 Abs. 1 BGG). Notwendig wäre gewesen, dass der Beschwerdeführer diesen neuen mutmasslichen Mangel mit einer neuen Abstimmungsbeschwerde bei der Kantonsregierung gerügt hätte.  
Dass der Rechtsweg über die Kantonsregierungen nicht zufriedenstellend erscheint, wenn gesamtschweizerische Abstimmungsunregelmässigkeiten gerügt werden, ist seit längerem bekannt (vgl. BBl 2013 9077, 9098; BGE 136 II 132 E. 2.5.2). Das Bundesgericht hat bisher dennoch daran festgehalten, da sich die verfahrensrechtlichen Unzulänglichkeiten kaum richterrechtlich befriedigend beheben lassen. Das ist vielmehr Sache des Gesetzgebers (vgl. BGE 136 II 132 E. 2.7). Dass dieser bisher nicht entsprechend tätig wurde, kann zwar bedauert werden, ändert an der Rechtslage aber nichts (zum Ganzen Urteil 1C_308/2021 vom 24. August 2021 E. 3.3). 
 
4.3. Da diese Rüge vor der Kantonsregierung noch nicht erhoben worden war, kann das Bundesgericht darauf nicht eintreten (siehe vorne E. 1.2). Aber selbst wenn die Rüge bei der Kantonsregierung vorgebracht worden wäre, könnte dem Beschwerdeführer nicht gefolgt werden. Er legt in tatsächlicher Hinsicht selbst dar, dass die von ihm beanstandete Karte im Abstimmungsbüchlein Gegenstand der öffentlichen Diskussion im Abstimmungskampf war und die Bundeskanzlei zu Präzisierungen veranlasste. Dass die Stimmbürgerschaft trotz dieser in der Öffentlichkeit und in den Medien breit geführten Diskussion nicht über hinreichende Kenntnis des Abstimmungsgegenstands und allfälliger Mängel bei der behördlichen Information verfügt hätte, macht der Beschwerdeführer nicht geltend. Er behauptet zwar, die angeblichen Unregelmässigkeiten seien geeignet gewesen, die freie Willensbildung der Stimmberechtigten zu verfälschen, äussert sich aber nicht zur Frage, inwiefern trotz der öffentlichen Diskussion der behaupteten Mängel eine Beeinträchtigung der Willensbildung verblieben sein soll. Damit enthält die Beschwerde in diesem Punkt keine hinreichende Begründung (Art. 42 Abs. 2 bzw. Art. 106 Abs. 2 i.V.m. Art. 97 Abs. 1 BGG). Auf die Beschwerde kann somit auch unter diesem Gesichtspunkt nicht eingetreten werden.  
 
5.  
Nach dem Ausgeführten ist auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nicht einzutreten. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (vgl. Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen sind keine auszurichten (vgl. Art. 68 Abs. 1 und 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, der Bundeskanzlei und dem Regierungsrat des Kantons Aargau schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 14. Juli 2022 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kneubühler 
 
Der Gerichtsschreiber: Bisaz