Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
8C_604/2019  
 
 
Urteil vom 18. Oktober 2019  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichterin Viscione, Bundesrichter Abrecht, 
Gerichtsschreiberin Polla. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Urs Hochstrasser, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva), Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung (Vorinstanzliches Verfahren; Prozessvoraussetzung), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 18. Juli 2019 (VBE.2018.906). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die 1979 geborene A.________ zog sich bei einem am 2. Juni 2010 erlittenen Unfall linksseitige Schulterbeschwerden zu. Als obligatorischer Unfallversicherer erbrachte die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva) die gesetzlichen Leistungen (Heilbehandlung und Taggelder). Am 10. Dezember 2011 rutschte sie auf einer Eisplatte aus und erlitt eine Prellung der Lendenwirbelsäule. Am 18. Januar 2017 stürzte A.________ erneut auf die linke Schulter. Die Suva übernahm jeweils die Heilbehandlungskosten und leistete Taggelder. Mit Verfügung vom 15. Mai 2017 verneinte die Suva einen Anspruch auf Invalidenrente und sprach ihr in Bezug auf die linke Schulter eine Integritätsentschädigung entsprechend einer Einbusse von 10 % zu. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 18. Oktober 2018 fest. 
 
B.   
Auf die dagegen am 21. November 2018 erhobene Beschwerde trat das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mangels fristgerechter Einreichung derselben nicht ein (Entscheid vom 18. Juli 2019). 
 
C.   
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Antrag, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Sache zur materiellen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Das Bundesgericht führt keinen Schriftenwechsel durch. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist (Art. 97 Abs. 1 BGG) oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht. 
 
2.   
Streitig ist, ob der vorinstanzliche Nichteintretensentscheid wegen Fristversäumnis vor Bundesrecht standhält. Es stellt sich dabei die Frage, zu welchem Zeitpunkt der Einspracheentscheid vom 18. Oktober 2018 als zugestellt gelten konnte. 
 
3.   
Gemäss Art. 60 ATSG (in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 UVG) ist die Beschwerde innerhalb von 30 Tagen nach der Eröffnung des Einspracheentscheides oder der Verfügung, gegen welche eine Einsprache ausgeschlossen ist, einzureichen (Abs. 1). Die Artikel 38-41 sind sinngemäss anwendbar (Abs. 2). Berechnet sich eine Frist nach Tagen oder Monaten und bedarf sie der Mitteilung an die Parteien, so beginnt sie am Tag nach ihrer Mitteilung zu laufen (Art. 38 Abs. 1 ATSG). Ist der letzte Tag der Frist ein Samstag, ein Sonntag oder ein vom Bundesrecht oder vom kantonalen Recht anerkannter Feiertag, so endet sie am nächstfolgenden Werktag. Massgebend ist das Recht des Kantons, in dem die Partei oder ihr Vertreter beziehungsweise ihre Vertreterin Wohnsitz oder Sitz hat (Art. 38 Abs. 3 ATSG). Schriftliche Eingaben müssen spätestens am letzten Tag der Frist dem Versicherungsträger eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung übergeben werden (Art. 39 Abs. 1 ATSG). 
 
4.   
Die Vorinstanz hielt fest, es sei unbestritten, dass der Einspracheentscheid vom 18. Oktober 2018 mit "A-Post Plus" und gemäss "Track & Trace"-Ausdruck der Schweizerischen Post am Samstag, 20. Oktober 2018 dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin via Postfach zugestellt wurde. Dadurch sei die Sendung in den Machtbereich des Empfängers gelangt, weshalb die Frist am 21. Oktober 2018 zu laufen begonnen und am 19. November 2018 geendet habe. Die Beschwerde sei erst am 21. November 2018 - und damit verspätet - der Post übergeben worden. 
 
5.  
 
5.1. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin entspricht diese Beurteilung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung. Sie verkennt insbesondere, dass der von ihr angerufene BGE 144 IV 57, worin sich das Bundesgericht mit der besonderen Zustellungsform gegen Empfangsbestätigung nach Art. 85 Abs. 2 StPO befasst hat, nicht einschlägig ist. Die Strafprozessordnung enthält eine eigene Zustellungsregelung, die mit den Zustellungsvorschriften des ATSG nicht übereinstimmt (E. 3 hievor) und daher im Sozialversicherungsverfahren keine Anwendung findet.  
 
5.2. Im Sozialversicherungsverfahren bestehen keine Vorschriften darüber, wie die Versicherungsträger ihre Verfügungen zustellen sollen. Daher ist der Versand des Einspracheentscheids mit der Versandart "A-Post Plus" nicht zu beanstanden. Die Eröffnung muss bloss so erfolgen, dass sie dem Adressaten ermöglicht, von der Verfügung oder der Entscheidung Kenntnis zu erlangen. Bei uneingeschriebenem Brief erfolgt die Zustellung bereits dadurch, dass er in den Briefkasten oder ins Postfach des Adressaten gelegt wird und damit in den Macht- bzw. Verfügungsbereich des Empfängers gelangt. Dass der Empfänger vom Entscheid tatsächlich Kenntnis nimmt, ist nicht erforderlich (BGE 142 III 599 E. 2.4.1 S. 603; Urteil 8C_198/2015 vom 30. April 2015 E. 3.2 mit Hinweisen). Bei der Versandmethode "A-Post Plus" wird der Brief mit einer Nummer versehen und ähnlich wie ein eingeschriebener Brief mit A-Post spediert. Im Unterschied zu den eingeschriebenen Briefpostsendungen wird aber der Empfang nicht quittiert. Der Adressat wird im Falle seiner Abwesenheit auch nicht durch Hinterlegung einer Abholungseinladung avisiert. Die Zustellung wird vielmehr elektronisch erfasst, wenn die Sendung in das Postfach oder in den Briefkasten des Empfängers gelegt wird. Auf diese Weise ist es möglich, mit Hilfe des von der Post zur Verfügung gestellten elektronischen Suchsystems "Track & Trace" die Sendung bis zum Empfangsbereich des Empfängers zu verfolgen (BGE 144 IV 57 E. 2.3.1 S. 61; 142 III 599 E. 2.2 S. 601; SVR 2019 UV Nr. 24 S. 89, 8C_586/2018 E. 5 f.; Urteile 8C_124/2019 vom 23. April 2019 E. 6.3 und 8.2; 8C_271/2019 vom 11. Juni 2019 E. 6.1).  
 
5.3. Im Fall der Beschwerdeführerin wurde die Sendung mit dem Einsprachentscheid am Samstag, 20. Oktober 2018 ins Postfach des Rechtsvertreters gelegt. Dieses bescheinigte Zustelldatum ist mit der Vorinstanz als Eröffnungszeitpunkt für den Einspracheentscheid vom 18. Oktober 2018 zu sehen, da - im Unterschied zum von der Beschwerdeführerin angeführten Verfahren gemäss Art. 85 Abs. 2 StPO - hier für die korrekte Zustellung des Entscheids keine Empfangsbestätigung erforderlich ist (E. 5.2 hievor). Die Frist beginnt mit der ordnungsgemässen Zustellung und nicht erst bei tatsächlicher Kenntnisnahme durch den Adressaten zu laufen. Keine Rolle spielt daher, dass die Kanzlei des Rechtsvertreters am Samstag und Sonntag geschlossen war und er erst am darauffolgenden Montag tatsächlich Kenntnis vom Sendungsinhalt nahm. Das kantonale Gericht sah damit den Entscheid korrekterweise am 20. Oktober 2018 als eröffnet an, weshalb die 30-tägige Beschwerdefrist folglich am 21. Oktober 2018 zu laufen begann. Demnach ist der angefochtene Entscheid nicht willkürlich oder rechtsungleich noch verletzt er andere verfassungsmässige Rechte der Beschwerdeführerin wie insbesondere der von ihr ebenfalls angerufene Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 9 BV) oder den Anspruch auf ein faires Verfahren gemäss Art. 29 BV. Ebenso wenig verstösst er gegen die Waffengleichheit im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Die Beschwerde ist unbegründet.  
 
6.   
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden der unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 18. Oktober 2019 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Polla