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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_185/2024  
 
 
Urteil vom 1. Oktober 2024  
 
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident, 
Bundesrichter Maillard, Bundesrichterin Heine, 
Gerichtsschreiberin Durizzo. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Andrea Cantieni, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
ÖKK Kranken- und Unfallversicherungen AG, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Philipp, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung (Unfallähnliche Körperschädigung), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des 
Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden vom 13. Februar 2024 (S 22 103). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________, geboren 1991, war bei B.________ als Skilehrer angestellt und dadurch bei der ÖKK Kranken- und Unfallversicherungen AG (nachfolgend: ÖKK) gegen die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen sowie Berufskrankheiten versichert. Am 9. Februar 2022 meldete die Arbeitgeberin einen am 22. Januar 2022 erlittenen Unfall. Nach der bildgebenden Untersuchung vom 21. Februar 2022 wurde ein Riss am Meniskushinterhorn (rechts) diagnostiziert. A.________ unterzog sich am 5. Mai 2022 einer Kniearthroskopie mit Innenmeniskusnaht. Gestützt auf die Berichte ihrer Vertrauensärzte lehnte die ÖKK eine Leistungspflicht mit Verfügung vom 29. Juli 2022 und Einspracheentscheid vom 8. September 2022 ab. 
 
B.  
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden mit Urteil vom 13. Februar 2024 ab. 
 
C.  
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils sei die Sache an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen zur Bestimmung seiner Ansprüche aus Unfallversicherung, eventuell habe eine Rückweisung an die Vorinstanz zu erfolgen zur Einholung eines Gerichtsgutachtens.  
 
Die ÖKK schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 mit Hinweisen).  
 
1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).  
 
2.  
Streitig ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie einen Anspruch des Beschwerdeführers aus Unfallversicherung verneinte. Zur Frage steht eine Leistungspflicht wegen unfallähnlicher Körperschädigung, wobei unbestritten ist, dass eine Listenverletzung in Form eines Meniskusrisses vorliegt, der Hergang des Ereignisses selber aber ebenso wie der kausale Zusammenhang zwischen dem Vorfall und den geklagten Kniebeschwerden streitig ist. Dass das Ereignis indessen als Unfall zu qualifizieren wäre, wird letztinstanzlich nicht geltend gemacht. 
 
3.  
Das kantonale Gericht hat die Grundsätze zu dem für die Leistungspflicht des Unfallversicherers vorausgesetzten natürlichen Kausalzusammenhang zwischen dem geltend gemachten Vorfall und den geklagten Beschwerden im Allgemeinen (BGE 142 V 435 E. 1; 129 V 177 E. 3.1) und insbesondere bei unfallähnlichen Körperschädigungen (Art. 6 Abs. 2 UVG) zutreffend dargelegt. Hervorzuheben ist, dass bei Vorliegen einer in lit. a-h aufgezählten Listenverletzung vermutet wird, es handle sich um eine leistungspflichtige unfallähnliche Körperschädigung. Indessen ist der Unfallversicherer zur Führung des leistungsausschliessenden Gegenbeweises zuzulassen, dass die Schädigung vorwiegend (das heisst zu mehr als 50 %) abnützungs- beziehungsweise erkrankungsbedingt sei. Aus dem Vorliegen einer Listenverletzung alleine lassen sich somit noch keine Schlüsse darüber ziehen, ob die Schädigung natürlich-kausal auf ein leistungspflichtiges Ereignis zurückzuführen oder aber degenerativ beziehungsweise erkrankungsbedingt sei. Bei der in erster Linie von medizinischen Fachpersonen zu beurteilenden Abgrenzungsfrage ist rechtsprechungsgemäss das gesamte Ursachenspektrum der in Frage stehenden Körperschädigung zu berücksichtigen. Nebst dem Vorzustand sind auch die Umstände des erstmaligen Auftretens der Beschwerden näher zu beleuchten. Die verschiedenen Indizien, die für oder gegen Abnützung oder Erkrankung sprechen, müssen aus medizinischer Sicht gewichtet werden. Lässt sich dabei kein initiales Ereignis erheben oder lediglich ein solches ganz untergeordneter beziehungsweise harmloser Art, so vereinfacht dies zwangsläufig in aller Regel den Entlastungsbeweis des Unfallversicherers (BGE 146 V 51 E. 8.2, 8.6 und 9.2; SVR 2021 UV Nr. 22 S. 103, 8C_382/2020 E. 6.1). 
Richtig wiedergegeben werden im angefochtenen Urteil ferner die bei der Beurteilung des Beweiswerts eines ärztlichen Berichts oder Gutachtens zu beachtenden Regeln (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352), insbesondere bei versicherungsinternen Stellungnahmen (BGE 139 V 225 E. 5.2; 135 V 465 E. 4.4.; 125 V 351 E. 3b/ee; 122 V 157 E. 1d). Es wird darauf verwiesen. 
 
4.  
 
4.1. Gemäss Vorinstanz konnte der Beschwerdeführer sein rechtes Knie nicht mehr ausstrecken, nachdem er in die Hocke gegangen war, um einem Kind beim Schliessen der Jacke zu helfen. Dass er zuvor gestürzt sei, wie später vorgebracht, könne mit Blick auf seine eigenen Angaben vom 1. Mai 2022 im Fragebogen sowie anlässlich eines Telefonats mit der zuständigen Sachbearbeiterin am 11. Mai 2022 nicht als erstellt gelten. In der Folge sei er zudem in seiner Tätigkeit als Skilehrer nicht eingeschränkt gewesen.  
Das kantonale Gericht gelangte weiter zum Schluss, dass die nach dem Vorfall diagnostizierte Meniskusverletzung überwiegend durch einen degenerativen Vorzustand bedingt und die Beschwerdegegnerin deshalb von der Haftung für die Listenverletzung befreit sei. Dabei stützte sich die Vorinstanz auf die Einschätzungen der Vertrauensärzte der Beschwerdegegnerin. Daraus geht im Wesentlichen hervor, dass zum einen das Aufstehen aus der Hocke nicht geeignet gewesen sei, den Meniskusriss zu verursachen. Zum andern habe der Beschwerdeführer, passend zu den bildgebend gezeigten Befunden, berichtet, dass er schon zuvor immer wieder ein Knacken beziehungsweise Schnappen des Knies bemerkt und zudem bereits im Alter von 13 Jahren eine Meniskusverletzung erlitten habe. An dieser Beurteilung könnten, so das kantonale Gericht, die abweichenden Privatgutachten von Dr. med. C.________, Fachärztin für Chirurgie FMH, vom 30. September 2022 und PD Dr. med. E.________, Radiologie FMH, vom 22. Januar 2023 nichts ändern, zumal beide bei ihren Beurteilungen davon ausgegangen seien, der Beschwerdeführer habe einen Skiunfall erlitten. 
 
4.2. Der Beschwerdeführer macht letztinstanzlich geltend, er sei - vor der Knieblockade beim Hinknien - gestürzt, ohne jedoch zu bestreiten, dass der Vorfall nicht als Unfallereignis zu qualifizieren sei. Er rügt des Weiteren die vorinstanzlichen Erwägungen zum angeblichen Vorzustand.  
 
5.  
 
5.1. Inwiefern die Vorinstanz unrichtige Sachverhaltsfeststellungen getroffen oder die zu beachtenden Beweiswürdigungsregeln verletzt haben sollte, ist nicht erkennbar. Dies gilt zunächst hinsichtlich des Hergangs des Ereignisses. Auch wenn die Arbeitgeberin in der Unfallmeldung einen Sturz angab, berichtete der Beschwerdeführer selber sowohl im Fragebogen vom 1. Mai 2022 als auch im Telefongespräch mit der Sachbearbeiterin der Beschwerdegegnerin am 11. Mai 2022, dass er sein rechtes Knie beim Aufstehen aus der Hocke nicht mehr habe strecken können. Er könne sich nicht daran erinnern, dass er zuvor gestürzt sei. Dass das kantonale Gericht das Aufstehen aus der Hocke als massgebliches initiales Ereignis feststellte, ist nicht zu beanstanden.  
 
5.2. Die Vorinstanz erwog sodann zu Recht, dass indessen sowohl Dr. med. C.________ als auch PD Dr. med. E.________ in ihren Privatgutachten von einem Sturz beim Skifahren ausgingen. Ihre Beurteilung beruhte somit auf einem unzutreffenden Hergang des Ereignisses. Dieser kann entgegen der Einschätzung von Dr. med. C.________ nicht ausser Acht bleiben. Für die Beurteilung der Leistungspflicht des Unfallversicherers bedarf es der ärztlichen Abklärung, welche Ursachen für die Listenverletzung in Frage kommen. Danach ist zu prüfen, welche dieser (Teil-) Ursachen am wahrscheinlichsten zur Listenverletzung geführt hat. Es genügt daher nicht, einen allfälligen abnützungs- oder erkrankungsbedingten Vorzustand als Schadensursache allein aufgrund der bildgebenden Untersuchungen auszuschliessen, sondern es bedarf auch der Berücksichtigung und Gewichtung des initialen Ereignisses.  
 
5.3. Die ausführlichen radiologischen Stellungnahmen des Privatgutachters PD Dr. med. E.________ und des Vertrauensarztes der Beschwerdegegnerin, Dr. med. F.________ (vom 16. Dezember 2022), zu dem am 21. Februar 2022 im Spital G.________ bildgebend (mittels MRI) erhobenen Befund stimmen insoweit überein, als im Wesentlichen eine von dessen Wurzel ausgehende Innenmeniskusläsion vorliegt. Gemäss Vertrauensarzt lassen sich zusätzliche degenerative Anzeichen ausmachen, so eine mukoide Degeneration des Ligamentum, ödemartige Knochenmarksveränderungen als dessen Begleiterscheinungen, eine Baker-Zyste als Hinweis auf eine Vorgeschichte mit rezidivierenden Gelenkergüssen sowie ein kleines parameniskales Ganglion, das auf ein höheres Alter der Läsion deute. PD Dr. med. E.________ vermochte sich dem im Einzelnen nicht anzuschliessen. Indessen liegen auch seiner Beurteilung nach ungewöhnlich lokalisierte Strukturveränderungen vor.  
Der Vertrauensarzt hält des Weiteren unter Hinweis auf entsprechende medizinische Fachbeiträge dafür, dass eine Läsion an der dorsalen Wurzel des Meniscus medialis wie die hier zu beurteilende im Gegensatz zu Verletzungen des entsprechenden Abschnitts des Meniscus lateralis in den allermeisten Fällen unabhängig von ihrer Form degenerativ bedingt sei. 
Gemäss PD Dr. med. E.________ kann die vorliegende Schädigung des Meniskus ebenso wahrscheinlich durch eine Kontusion bei einem Unfall verursacht worden sein wie auch eine Reaktion auf eine mechanische Belastung im Rahmen einer (anteroposterioren und rotatorischen femorotibialen) Instabilität darstellen. PD Dr. med. E.________ verwirft die degenerative Ursache des Meniskusrisses jedoch unter Hinweis auf den erlittenen Sportunfall beziehungsweise die dabei stattgehabte traumatische Kontusion. Ein solcher Skisturz ist hier aber als das vom Privatgutachter angenommene "adäquate Trauma" auszuschliessen. Damit fehlt es im Rahmen des zu berücksichtigenden gesamten Ursachenspekturms an einem entsprechenden starken Indiz für eine nicht erkrankungs- beziehungsweise abnützungsbedingte Schädigung (vgl. BGE 146 V 51 E. 8.6).  
 
5.4. Dazu kommt, dass gemäss den Angaben des Beschwerdeführers selber gegenüber seinem behandelnden Arzt am 26. Februar 2022, also vier Tage nach dem Vorfall, sowie anlässlich des erwähnten Telefonats vom 11. Mai 2022 - entgegen den letztinstanzlichen Vorbringen - bereits vor dem Ereignis vom 22. Februar 2022 ein Knacken beziehungsweise Schnappen des Knies aufgetreten ist. Dieser Umstand ist in den Privatgutachten unberücksichtigt geblieben.  
 
 
5.5. In Betracht fällt schliesslich, dass mit der seit 2017 geltenden Neuregelung der unfallähnlichen Körperschädigung lediglich eine Beweiserleichterung zugunsten der Versicherten gewollt war, was nicht ohne Weiteres auch eine Ausdehnung des Versicherungsschutzes bedeutet (vgl. dazu im Einzelnen BGE 146 V 51 E. 8). Bei der Beurteilung der einzelnen Indizien im Rahmen des Ursachenspektrums soll denn auch berücksichtigt werden, wenn es sich beim erinnerlichen initialen Vorfall um ein harmloses Ereignis handelte (BGE 146 V 51 E. 8.6). Insoweit kann nicht ausser Acht bleiben, dass nach der noch zu der früheren Regelung der unfallähnlichen Körperschädigung in Art. 9 Abs. 2 UVV ergangenen Rechtsprechung blosse Lebensverrichtungen wie insbesondere auch das Aufstehen aus der Hocke nicht als unfallähnliche Körperschädigung galten (vgl. Sachverhalt und E. 5 des Urteils U 17/03 vom 20. August 2003, in BGE 129 V 466 nicht publiziert; SVR 2017 UV Nr. 35 S. 119, 8C_155/2017 E. 4.2; Urteil 8C_723/2019 vom 10. März 2020 E. 4.3.2).  
 
5.6. Zusammengefasst wurde beim Beschwerdeführer nach dem Vorfall vom 22. Februar 2022 ein Meniskusriss und damit eine Listenverletzung diagnostiziert, die auch gemäss Auffassung des Privatgutachters PD Dr. med. E.________ in der hier bildgebend dargestellten Form allein degenerativ bedingt sein kann, sofern nicht ein Skisturz mit Kontusion des Knies erfolgt ist. Ein solcher hat sich jedoch nicht zugetragen. Vielmehr handelte es sich um das blosse Aufstehen aus der Hocke und damit einen Hergang ganz untergeordneter beziehungsweise harmloser Art. Die Stellungnahme des Privatgutachters vermag deshalb keine auch nur geringen Zweifel an der Beurteilung durch den Vertrauensarzt zu erwecken. Dass die Vorinstanz gestützt auf dessen Beurteilung von einer vorwiegend abnützungsbedingten Schädigung des Meniskus ausging und daher den Entlastungsbeweis der Beschwerdegegnerin als gelungen erachtete, ist nicht zu beanstanden. Die Beschwerde erweist sich als unbegründet.  
 
6.  
Die Gerichtskosten werden dem unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der in ihrem amtlichen Wirkungskreis obsiegenden Beschwerdegegnerin steht keine Parteientschädigung zu (Art. 68 Abs. 3 BGG; SVR 2023 UV Nr. 24 S. 78, 8C_316/2022 E. 9; SVR 2011 UV Nr. 7 S. 25, 8C_443/2010 E. 6).  
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 1. Oktober 2024 
 
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Wirthlin 
 
Die Gerichtsschreiberin: Durizzo