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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_1028/2021  
 
 
Urteil vom 3. April 2023  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, als präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Muschietti, 
Bundesrichter Hurni, 
Gerichtsschreiberin Lustenberger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Martin Schwaller, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau, 
Frey-Herosé-Strasse 20, Wielandhaus, 5001 Aarau, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Entschädigung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 11. August 2021 (SBE.2021.27). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Am 15. August 2020 reichte B.A.________ bei der Staatsanwaltschaft Muri-Bremgarten gegen seinen Bruder A.A.________ Strafanzeige ein. Er warf ihm vor, auf seinen, B.A.________s Namen im Internet Waren bestellt und entgegengenommen zu haben, ohne die Rechnungen zu bezahlen (Betrug). Nachdem die Staatsanwaltschaft den Parteien eine Verfahrenseinstellung in Aussicht gestellt hatte, ersuchte A.A.________ mit Eingabe vom 8. April 2021 um Zusprechung einer Entschädigung für seine Anwaltskosten. Mit Verfügung vom 20. April 2021 stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein, ohne A.A.________ eine Entschädigung auszurichten. 
 
B.  
A.A.________ wandte sich mit Beschwerde ans Obergericht des Kantons Aargau, welches diese mit Entscheid vom 11. August 2021 guthiess. Es wies die Sache zur neuen Beurteilung an die Staatsanwaltschaft zurück. Weiter wies es die Obergerichtskasse an, dem Beschwerdeführer für das Beschwerdeverfahren eine Entschädigung von Fr. 1'098.20 (inkl. Auslagen und MWST) zu bezahlen. 
 
C.  
Gegen den Entschädigungsentscheid des Obergerichts erhebt A.A.________ Beschwerde in Strafsachen und beantragt, die vorinstanzlich zu entschädigenden Parteikosten seien auf Fr. 1'594.40 (inkl. Fr. 94.30 Auslagen und Fr. 114.-- MWST) festzusetzen. Eventualiter sei der angefochtene Entscheid zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Streitgegenstand ist einzig die Entschädigung für das Beschwerdeverfahren. 
 
1.1. Entschädigungsansprüche im Rechtsmittelverfahren richten sich gemäss Art. 436 Abs. 1 StPO nach den Bestimmungen von Art. 429 -434 StPO und damit nach dem Ausgang des Rechtsmittelverfahrens (BGE 142 IV 163 E. 3.2.2; Urteil 6B_975/2021 vom 7. September 2022 E. 2.3.1 mit Hinweisen).  
 
1.1.1. Wird die beschuldigte Person ganz oder teilweise freigesprochen oder wird das Verfahren gegen sie eingestellt, so hat sie gemäss Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO unter anderem Anspruch auf Entschädigung ihrer Aufwendungen für die angemessene Ausübung ihrer Verfahrensrechte. Zu den Aufwendungen im Sinne dieser Bestimmung zählen in erster Linie die Kosten der frei gewählten Verteidigung, wenn der Beistand angesichts der tatsächlichen oder rechtlichen Komplexität des Falls geboten war. Nicht jeder Aufwand, der im Strafverfahren entstanden ist, ist jedoch zu entschädigen. Sowohl der Beizug eines Verteidigers als auch der von diesem betriebene Aufwand müssen sich als angemessen erweisen (BGE 142 IV 163 E. 3.1.2; 142 IV 45 E. 2.1; 138 IV 197 E. 2.3.4). Nicht zu entschädigen sind nutzlose, überflüssige und verfahrensfremde Aufwendungen. Als Massstab für die Beantwortung der Frage, welcher Aufwand für eine angemessene Verteidigung im Strafverfahren nötig ist, hat der erfahrene Anwalt zu gelten, der im Bereich des materiellen Strafrechts sowie des Strafprozessrechts über fundierte Kenntnisse verfügt und deshalb seine Leistungen von Anfang an zielgerichtet sowie effizient erbringen kann (zum Ganzen: Urteil 6B_888/2021 vom 24. November 2022 E. 2.2.1 mit Hinweisen).  
 
1.1.2. Das Bundesgericht prüft die Auslegung von Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO frei. Es auferlegt sich indessen eine gewisse Zurückhaltung gegenüber der vorinstanzlichen Einschätzung, insbesondere hinsichtlich der Frage, welcher Aufwand der Verteidigung noch als angemessen zu bezeichnen ist (BGE 142 IV 163 E. 3.2.1; 142 IV 45 E. 2.1 mit Hinweisen; 138 IV 197 E. 2.3.6). Es ist in erster Linie Aufgabe der Strafbehörden, die Angemessenheit anwaltlicher Bemühungen zu beurteilen, wobei sie über ein beträchtliches Ermessen verfügen. Das Bundesgericht schreitet nur ein, wenn der Ermessensspielraum klarerweise überschritten wurde und die Festsetzung des Honorars ausserhalb jeden vernünftigen Verhältnisses zu den vom Anwalt geleisteten Diensten steht und in krasser Weise gegen das Gerechtigkeitsgefühl verstösst (BGE 141 I 124 E. 3.2; zum Ganzen: Urteile 6B_888/2021 vom 24. November 2022 E. 2.2.2; 6B_1004/2019 vom 11. März 2020 E. 4.1.2; je mit Hinweisen).  
Die Anwendung kantonalen Rechts überprüft das Bundesgericht nur auf Willkür und die Vereinbarkeit mit anderen bundesverfassungsmässigen Rechten (vgl. Art. 95 und Art. 106 Abs. 2 BGG, zum Begriff der Willkür anstatt vieler: BGE 148 IV 39 E. 2.3.5 mit Hinweisen). 
 
1.2. Der Beschwerdeführer machte für das vorinstanzliche Beschwerdeverfahren einen Aufwand von 6.5 Stunden zu einem Stundenansatz von Fr. 220.--, zuzüglich Auslagen von Fr. 100.30 und 7.7% MWST, insgesamt ausmachend Fr. 1'648.15, geltend.  
Die Vorinstanz führt hierzu aus, der geltend gemachte Zeitaufwand von 6.5 Stunden für das Beschwerdeverfahren erweise sich als überhöht. Die Beschwerde umfasse 9 Seiten, wovon sich der Prosatext auf 6.5 Seiten beschränke. Der Umfang der Beschwerde sei der Bedeutung der Rechtsfrage nicht angemessen. So handle es sich bei der Frage nach der Entschädigung nicht um eine komplexe rechtliche Fragestellung, welche überdurchschnittlicher Abklärung und ausschweifender Argumentation bedürfe, sondern um eine Rechtsfrage, mit welcher sich der Verteidiger als Rechtsanwalt regelmässig auseinanderzusetzen habe. Angemessen sei daher ein Aufwand von 4.5 Stunden. Des Weiteren lasse sich die hohe Anzahl der geltend gemachten 147 Kopien mit Blick auf den Umfang des Verfahrens sowie die Eingabe des Beschwerdeführers nicht rechtfertigen. Die Auslagen seien demnach gestützt auf § 13 Abs. 1 des Dekrets des Kantons Aargau vom 10. November 1987 über die Entschädigung der Anwälte (Anwaltstarif; SAR 291.150) pauschal auf 3 % festzulegen. 
 
1.3.  
 
1.3.1. Was die Kürzung des geltend gemachten Aufwands anbelangt, bringt der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, sich mit der Verfügung einer Staatsanwältin und damit einer ausgewiesenen Fachperson im Bereich des Straf- und Strafprozessrechts konfrontiert gesehen zu haben, weshalb im Hinblick auf eine allfällige Beschwerde qualifizierte Abklärungen zu tätigen gewesen seien. Ausserdem werde sein Vertreter darin kritisiert, unnötigen Aufwand betrieben zu haben. Dieser Vorwurf sei unhaltbar. Die Beschwerde sei nach anwalts- und auftragsrechtlich sorgfältigem Massstab verfasst worden. Insbesondere stehe es in seinem Ermessen, die weitergehenden Umstände des Untersuchungsverfahrens darzustellen, um damit aufzuzeigen, dass die Staatsanwaltschaft einseitig oder falsch vorgegangen sei. Ausserdem gelte es zu berücksichtigen, dass die Tätigkeit seines Rechtsvertreters nicht nur aus dem Ausarbeiten der Beschwerde bestehe, sondern auch aus der Kommunikation mit dem Klienten. Der entsprechende Aufwand durch Telefonate und E-Mails belaufe sich vorliegend auf etwas mehr als zwei Stunden, was nicht unangemessen sei.  
 
1.3.2. Mit seiner Argumentation verkennt der Beschwerdeführer, dass es nicht Aufgabe des Bundesgerichts ist, im Detail zu überprüfen, ob die Aufwände seines Verteidigers im Hinblick auf den vorinstanzlichen Streitgegenstand - die Entschädigung für das Strafverfahren wegen Betrugs - angemessen waren. Seinen Ausführungen lässt sich nicht entnehmen, dass das zugesprochene Honorar ausserhalb jeden vernünftigen Verhältnisses zum gebotenen Aufwand stehen oder in augenfälliger Weise ungerecht erscheinen würde. Insbesondere kann der Vorinstanz gefolgt werden, wenn sie dafürhält, dass der Streitgegenstand nicht von besonderer Komplexität ist und keiner vertieften rechtlichen Abklärungen oder weitschweifigen Begründung bedarf. Im Übrigen räumt der Beschwerdeführer selber ein, sich auch zu Umständen geäussert zu haben, die "nicht unmittelbar entscheidend für die vorinstanzlich bemängelte Verweigerung der Parteientschädigung" gewesen seien. Der vorinstanzlich implizit gezogene Schluss, wonach gewisse Aufwendungen unnötig gewesen seien, ist somit vertretbar. Wenn die Vorinstanz dem Verteidiger für die Redaktion der Beschwerde und die Korrespondenz mit dem Beschwerdeführer rund einen halben Tag Aufwand zuerkennt, ist dies unter Ermessensgesichtspunkten nicht zu beanstanden.  
 
1.4.  
 
1.4.1. Bezugnehmend auf die verrechneten Fotokopien macht der Beschwerdeführer geltend, sämtliche Auslagen seien ausgewiesen und nachvollziehbar. Es sei deshalb unhaltbar und rechtswidrig, eine pauschalisierte Reduzierung vorzunehmen.  
 
1.4.2. Gemäss § 13 Abs. 1 des Anwaltstarifs des Kantons Aargau sind dem Anwalt sämtliche notwendigen Auslagen (Gerichts- und Betreibungskosten, Vorschüsse, Reisespesen, Porti, Telefon-, Telex- und Telefaxgebühren, Kopien usw.) zu ersetzen. Die Entscheidbehörde kann für den Auslagenersatz eine Pauschale festsetzen.  
 
1.4.3. Der Beschwerdeschrift ist zu entnehmen, dass sein Verteidiger dem Beschwerdeführer nebst Kopien der Rechtsschrift sowie der Verfügungen der Vorinstanz auch Kopien aus den Untersuchungsakten, der Literatur und der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zustellte. Wenn die Vorinstanz derartige Aufwendungen mit Blick auf den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens als übersetzt erachtet und den Auslagenersatz stattdessen nach einer Pauschale bestimmt, ist dies weder unhaltbar, noch läuft dies in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwider.  
 
1.5. Soweit dieser den Begründungsanforderungen von Art. 106 Abs. 2 BGG überhaupt genügt, geht schliesslich auch der Einwand fehl, die Vorinstanz habe die Reduktion der Entschädigung ohne Gewährung des rechtlichen Gehörs vorgenommen. Das Strafgericht prüft den Entschädigungsanspruch von Amtes wegen (Art. 429 Abs. 2 Satz 1 StPO). Wie von Art. 429 Abs. 2 Satz 2 StPO vorgesehen, hatte der Beschwerdeführer vor der Vorinstanz die Möglichkeit, seine Ansprüche zu beziffern und zu belegen (vgl. BGE 146 IV 332 E. 1.3; 144 IV 207 E. 1.3.1; je mit Hinweisen). Art. 29 Abs. 2 BV verleiht darüber hinaus keinen Anspruch, zu der vom Gericht beabsichtigten Entschädigungsregelung vorweg Stellung zu nehmen (Urteil 6B_1004/2019 vom 11. März 2019 E. 4.1.1 mit Hinweisen).  
 
2.  
Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als unbegründet und ist abzuweisen, soweit auf sie einzutreten ist. Ausgangsgemäss wird der Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 3. April 2023 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Denys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Lustenberger