Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
9C_223/2024
Urteil vom 3. Oktober 2024
III. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Parrino, Präsident,
Bundesrichter Stadelmann,
Bundesrichterin Scherrer Reber,
Gerichtsschreiberin Dormann.
Verfahrensbeteiligte
1. A.________ AG,
2. B.________ AG,
3. C.________ AG,
4. D.________ AG,
5. Valitas Sammelstiftung BVG,
alle vertreten durch Advokatin Franziska Bur,
Beschwerdeführerinnen,
gegen
Pensionskasse der technischen Verbände SIA STV BSA FSAI USIC,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Berufliche Vorsorge,
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 5. März 2024 (200 23 341 BV).
Sachverhalt:
A.
A.a. Die A.________ AG, die B.________ AG, die C.________ AG und die D.________ AG, die zusammen die sog. E.________ Gruppe bilden, waren für die berufliche Vorsorge der Pensionskasse der Technischen Verbände SIA STV BSA FSAl USIC (nachfolgend: PTV) angeschlossen. Sie kündigten ihre entsprechenden Anschlussverträge auf den 31. Dezember 2019 und schlossen sich ab dem 1. Januar 2020 der Valitas Sammelstiftung BVG (nachfolgend: Valitas) an. Diese hatte der PTV am 24. Oktober 2019 die Übernahme sämtlicher aktiven Versicherten und der rentenberechtigten Personen der E.________ Gruppe zu den gleichen Bedingungen bestätigt.
Die PTV beschloss am 7. November 2019 die Senkung des technischen Zinssatzes von 2 % auf 1,75 % resp., soweit der Deckungsgrad auch mit der Mehrverzinsung per Ende 2019 bei über 110 % verbleibe, auf 1,5 % ab dem 1. Januar 2020.
Im Zusammenhang mit dem Wechsel der Vorsorgeeinrichtung überwies die PTV der Valitas mit Valuta 27. Dezember 2019 insgesamt Fr. 30'217'360.- als "Schadenreserve (ohne Sparkapital) ". Im Januar 2020 erfolgten zwei weitere Zahlungen von insgesamt Fr. 42'359'204.- unter den Titeln "Freizügigkeitsleistung" (entsprechend der "massgebenden Austrittsleistung per 31. Dezember 2019" und 1 % Zins) und "Arbeitgeberbeitragsreserven".
A.b. Nachdem die PTV Kenntnis des Urteils C-5858/2019 des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Juni 2021 erlangt hatte, beschloss sie im Zusammenhang mit dem Abgang der E.________ Gruppe die Durchführung einer Teilliquidation mit Stichtag 31. Dezember 2019.
Am 14. Dezember 2021 teilte die PTV der E.________ Gruppe unter Verweis auf den Revisionsbericht ihrer Expertin für berufliche Vorsoge (F.________ AG) vom 28. Oktober 2021 mit, aus der Teilliquidation bestehe ein kollektiver Anspruch auf versicherungstechnische Rückstellungen und Wertschwankungsreserven in der Höhe von Fr. 12'750'000.- (davon "Vorsorgekapitalien der Rentenbeziehenden" von Fr. 1'461'000.-); über eine allfällige Anpassung der zu übertragenden Mittel werde auf der Basis des Jahresabschlusses 2021 separat informiert. Daraufhin forderten die Valitas und die E.________ Gruppe von der PTV auf den "erhöhten Schadensreserven" resp. dem "fehlenden Rentendeckungskapital" von Fr. 1'461'000.- einen Verzugszins von 5 % ab dem 1. Januar 2020. Die PTV überwies der Valitas mit Valuta 27. Januar 2022 Fr. 12'750'000.-. Am 13. April 2022 verweigerte sie den verlangten Verzugszins mit der Begründung, sie habe im Jahresabschluss 2019 Rückstellungen für die auf Anfang 2020 beschlossene Senkung des technischen Zinssatzes von 2 % auf 1,5 % bilden müssen. Mithin handle es sich beim Betrag von Fr. 1'461'000.- nicht um einen Teil des "Vorsorgekapitals", sondern der Rückstellungen; diese seien erst mit der Festlegung der zu übertragenden Rückstellungen und Reserven im Rahmen der Teilliquidation fällig geworden. Daran hielt die PTV mit "Einsprache-Entscheid" vom 9. August 2022 fest.
A.c. Am 8. September 2022 stellte die E.________ Gruppe bei der Bernischen BVG- und Stiftungsaufsicht (BBSA) als zuständige Aufsichtsbehörde ein Gesuch um Überprüfung der Teilliquidation. Dabei beantragte sie, der Beschluss vom 13. April 2022 und der "Einsprache-Entscheid" vom 9. August 2022 seien aufzuheben und die PTV sei anzuweisen, die am 27. Januar 2022 überwiesenen anteilmässigen Schwankungsreserven und Rückstellungen unter Wahrung der gesetzlichen Bestimmungen (namentlich Art. 27h Abs. 4 der Verordnung vom 18. April 1984 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge [BVV 2; SR 831.441.1]) neu zu berechnen und den Differenzbetrag (Anspruch aus Neuberechnung abzüglich bereits überwiesene anteilmässige Schwankungsreserven und Rückstellungen) zuzüglich Verzugszins von 5 % ab dem 28. Januar 2022 an die Valitas zu überweisen.
B.
Die Gesellschaften der E.________ Gruppe und die Valitas beantragten mit gemeinsamer Klage vom 4. Mai 2023, die PTV sei zu verurteilen, der Valitas auf verspätet überwiesenem Vorsorgekapital (Deckungskapital Rentner) in der Höhe von Fr. 1'461'000.- Verzugszins von 5 % ab dem 1. Januar 2020 zu zahlen. Mit Urteil vom 5. März 2024 trat das Verwaltungsgericht des Kantons Bern auf die Klage nicht ein.
C.
Die Gesellschaften der E.________ Gruppe und die Valitas lassen mit gemeinsamer Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten die Aufhebung des Urteils vom 5. März 2024 beantragen und das Klagebegehren erneuern; eventualiter sei die Sache an das kantonale Gericht zurückzuweisen, damit es auf die Klage vom 4. Mai 2023 eintrete und sie gutheisse.
Die PTV schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Stellungnahme.
Erwägungen:
1.
Das Bundesgericht prüft in Bezug auf das vor- wie das letztinstanzliche Verfahren die Zuständigkeit und die weiteren Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen und mit freier Kognition (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 145 V 57 E. 1; 141 V 605 E. 3.1).
2.
Das kantonale Gericht ist auf die Klage nicht eingetreten, weil es für deren Beurteilung nicht sich, sondern die Aufsichtsbehörde als zuständig erachtet hat. Dementsprechend ist die Beschwerde nur soweit zulässig, als damit die materielle Behandlung der Klage durch die Vorinstanz verlangt wird (vgl. Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG; BGE 125 V 413 E. 1).
3.
3.1.
3.1.1. Jeder Kanton bezeichnet ein Gericht, das als letzte kantonale Instanz über Streitigkeiten zwischen Vorsorgeeinrichtungen, Arbeitgebern und Anspruchsberechtigten entscheidet (Art. 73 Abs. 1 BVG). Voraussetzung für den Rechtsweg nach Art. 73 Abs. 1 BVG bildet jedoch, dass eine Streitigkeit aus beruflicher Vorsorge im engeren oder weiteren Sinn vorliegt.
Zudem darf die streitige berufsvorsorgerechtliche Angelegenheit nicht in den Zuständigkeitsbereich der Aufsichtsbehörden gemäss Art. 61 ff. BVG fallen (BGE 141 V 605 E. 3.2.1 mit Hinweisen; SVR 2017 BVG Nr. 37 S. 169, 9C_938/2015 und 9C_944/2015 E. 3.3.1). Die strikte Zweiteilung der Zuständigkeit und des Verfahrens je nach vorsorgerechtlichem Gegenstand (vgl. BGE 141 V 605 E. 3.2.3-3.2.4) gilt es zu respektieren. Für eine Kompetenzattraktion des kantonalen Berufsvorsorgegerichts in Bezug auf rein aufsichtsrechtliche (Vor-) Fragen verbleibt kein Raum, könnten doch damit die gesetzlichen Zuständigkeitsvorschriften jederzeit ausgehebelt werden (BGE 150 V 26 E. 4.1.1 mit Hinweisen).
3.1.2. Der massgebende Rechtsweg im Falle der (Teil-) Liquidation einer Vorsorgeeinrichtung ergibt sich daraus, ob die (generelle) Erstellung des Verteilungsplans oder dessen (individuell-konkreter) Vollzug zur Diskussion steht. Im ersten Fall ist das Verwaltungsverfahren zu beschreiten, wofür die Aufsichtsbehörde und bei allfälliger Beschwerde das Bundesverwaltungsgericht (vgl. Art. 74 BVG) zuständig ist; im zweiten Fall steht die Klage an das kantonale Berufsvorsorgegericht gemäss Art. 73 BVG offen (BGE 141 V 605 E. 3.2.3 mit Hinweisen). Entscheidend ist somit - auch im Zusammenhang mit Streitigkeiten um Deckungskapital für Rentner resp. Rentenansprüche (SVR 2007 BVG Nr. 27 S. 95, B 114/05 vom 14. November 2006 E. 7.2) - eine Zweiteilung im Sinne von Gestaltung und Umsetzung, die dem Bundesgericht als Abgrenzungskriterium für den Rechtsweg dient.
3.2. Klagefundament und Ausgangspunkt für die Zulässigkeit der Klage bildet - nebst den Anträgen - deren Begründung (BGE 141 V 605 E. 3.3).
3.3.
3.3.1. Die vorinstanzlich beklagte PTV erbringt als registrierte (vgl. Art. 5 Abs. 2 und Art. 48 BVG ) resp. umhüllende Vorsorgeeinrichtung reglementarische Leistungen (vgl. Art. 2 des Versicherungsreglements der PTV vom 27. November 2003, Fassung 2018). Im Rahmen eines kollektiven Übertritts von Rentnern ist die übernehmende Vorsorgeeinrichtung (hier: Valitas) grundsätzlich - unter Vorbehalt der Zuständigkeit der Aufsichtsbehörde - berechtigt, von der abgebenden Vorsorgeeinrichtung (hier: PTV) Rentendeckungskapitalien mittels Klage nach Art. 73 BVG einzufordern (SVR 2013 BVG Nr. 22 S. 95, 9C_375/2012 E. 4; 2007 BVG Nr. 27 S. 95, B 114/05 E. 7.2). Auch den betroffenen Arbeitgeberinnen kommt (grundsätzlich) Klageberechtigung zu.
3.3.2. Die hier im Fokus stehende "Hauptforderung" von Fr. 1'461'000.-, die nach Auffassung der Beteiligten dem Rentendeckungskapital oder den versicherungstechnischen Rückstellungen (für die Senkung des technischen Zinssatzes) zugerechnet werden könnte, wurde bereits am 27. Januar 2022 erfüllt. In concreto stand und steht denn auch nicht dieser Anspruch, sondern einzig die dazu akzessorische Verzugszinsforderung im Streit. Dabei handelt es sich - entsprechend der der Zinsforderung zugrunde liegenden Hauptsache (vgl. BGE 147 V 86 E. 3.2 Abs. 2) - um eine berufsvorsorgerechtliche Angelegenheit im Sinne von Art. 73 BVG.
3.3.3. Für den geltend gemachten Verzugszins von zentraler Bedeutung ist insbesondere die Fälligkeit der (durch die abgebende Vorsorgeeinrichtung bereits anerkannten und beglichenen) "Hauptforderung" oder, mit anderen Worten, die Rechtzeitigkeit der Zahlung von Fr. 1'461'000.-. Damit stellen sich - unbesehen, ob dieser Betrag dem Rentendeckungskapital oder den technischen Rückstellungen zugeordnet wird, und auch wenn über die "Hauptforderung" selbst im Teilliquidationsverfahren zu befinden wäre - Fragen des Vollzugs resp. der individuellen Umsetzung eines "Hauptanspruchs". Zu deren Beantwortung ist nicht die Aufsichtsbehörde, sondern das kantonale Berufsvorsorgegericht zuständig (vgl. BGE 147 V 86 E. 3.2; Sachverhalt in SVR 2009 BVG Nr. 33 S. 124, 9C_98/2009). Insoweit ist die Beschwerde begründet.
4.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdegegnerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 und e contrario Abs. 4 BGG). Die (im Wesentlichen) obsiegenden Beschwerdeführerinnen haben Anspruch auf Parteientschädigung ( Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG ).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 5. März 2024 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 5'000.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.
3.
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerinnen für das bundesgerichtliche Verfahren mit insgesamt Fr. 5'000.- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, dem Bundesamt für Sozialversicherungen und der Bernischen BVG- und Stiftungsaufsicht (BBSA) schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 3. Oktober 2024
Im Namen der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Parrino
Die Gerichtsschreiberin: Dormann