Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
2C_653/2024
Urteil vom 4. Februar 2025
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin,
Gerichtsschreiberin Ivanov.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Christian Schroff,
Beschwerdeführer,
gegen
1. Migrationsamt des Kantons Thurgau,
Multiplex 1, Langfeldstrasse 53a, 8510 Frauenfeld,
2. Departement für Justiz und Sicherheit des Kantons Thurgau, Generalsekretariat, Regierungsgebäude, 8510 Frauenfeld,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Widerruf der Niederlassungsbewilligung; Revision des Entscheids des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau VG.2023.39/E vom 28. August 2024,
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 18. Dezember 2024 (VG.2024.112/E).
Erwägungen:
1.
1.1. A.________ (geb. 1979), portugiesischer Staatsangehöriger, war seit dem 18. Februar 2010 im Besitz einer Niederlassungsbewilligung EU/EFTA, deren Kontrollfrist zuletzt bis 15. Februar 2025 verlängert worden war.
Mit Entscheid vom 28. November 2019 verurteilte ihn das Bezirksgericht Weinfelden wegen mehrfacher Vergewaltigung, mehrfacher sexueller Nötigung und Fahrens in fahrunfähigem Zustand zu einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten, einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je Fr. 30.--, sowie einer Busse von Fr. 600.--. Dieser Entscheid wurde vom Obergericht des Kantons Thurgau (Urteil vom 9. Juli 2020) und vom Bundesgericht (Urteil 6B_1105/2020 und 6B_1106/2020 vom 13. Oktober 2021) bestätigt.
1.2. Am 22. November 2022 verfügte das Migrationsamt des Kantons Thurgau den Widerruf der Niederlassungsbewilligung von A.________ und wies diesen an, die Schweiz innert 90 Tagen nach Rechtskraft des Entscheids zu verlassen. Einen gegen diese Verfügung erhobenen Rekurs wies das Departement für Justiz und Sicherheit des Kantons Thurgau mit Entscheid vom 6. März 2023 ab. Mit Entscheid vom 28. August 2024 (VG.2023.39/E) trat das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau auf eine gegen diesen Entscheid erhobene Beschwerde von A.________ wegen Nichtleistung des Kostenvorschusses nicht ein.
Gegen den Entscheid vom 28. August 2024 reichte A.________ am 2. Oktober 2024 ein Revisionsgesuch beim Verwaltungsgericht und am 3. Oktober 2024 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht ein.
Mit Urteil 2C_481/2024 vom 8. Oktober 2024 trat das Bundesgericht auf die Beschwerde mangels rechtsgenügender Begründung nicht ein.
1.3. Mit Schreiben vom 11. November 2024 teilte der verfahrensleitende Vizegerichtspräsident A.________ mit, dass er ein im Rahmen des Revisionsverfahrens gestelltes Gesuch um vorsorgliche Massnahmen vom 7. November 2024 abweise. Auf eine dagegen erhobene Beschwerde von A.________ trat das Bundesgericht mit Urteil 2C_627/2024 vom 13. Dezember 2024 mangels rechtsgenügender Begründung nicht ein.
1.4. Mit Entscheid vom 18. Dezember 2024 wies das Verwaltungsgericht das Revisionsgesuch von A.________ vom 2. Oktober 2024 gegen seinen Entscheid vom 28. August 2024 ab.
1.5. A.________ gelangt mit Beschwerde vom 24. Dezember 2024 (Postaufgabe) an das Bundesgericht und beantragt, es seien "der Entscheid [des Verwaltungsgerichts] vom 18. Dezember 2024 sowie der Ausweisungsentscheid und der Landesverweis inklusive das Einreiseverbot" aufzuheben. Prozessual ersucht er um (superprovisorische) Erteilung der aufschiebenden Wirkung sowie um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
In der selben Eingabe ersucht er um Revision des Urteils des Bundesgerichts 2C_627/2024 vom 13. Dezember 2024. Diesbezüglich eröffnete das Bundesgericht das Verfahren 2F_19/2024. Dieses Verfahren ist derzeit hängig.
Dem Gesuch um aufschiebende Wirkung im vorliegenden Beschwerdeverfahren entsprach das Bundesgericht superprovisorisch mit Formularverfügung vom 30. Dezember 2024.
Mit Eingaben vom 3. und 8. Januar 2025 (jeweils Postaufgabe) reichte A.________ Ergänzungen der Beschwerde sowie des Revisionsgesuchs ein.
Das Bundesgericht holte die vorinstanzlichen Akten ein und sah von weiteren Instruktionsmassnahmen ab.
2.
2.1. Verfahrensgegenstand bildet vorliegend einzig die Frage, ob die Vorinstanz das Revisionsgesuch des Beschwerdeführers gegen ihren Entscheid vom 28. August 2024 zu Recht abgewiesen hat. Nicht Gegenstand des Verfahrens ist das gegen den Beschwerdeführer angeordnete Einreiseverbot. Auf den Antrag, es sei das Einreiseverbot aufzuheben, kann bereits aus diesem Grund nicht eingetreten werden.
2.2. Nach Art. 42 BGG haben Rechtsschriften an das Bundesgericht die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Die Begründung hat sachbezogen zu sein; die beschwerdeführende Partei hat in gezielter Auseinandersetzung mit den für das Ergebnis des angefochtenen Entscheids massgeblichen Erwägungen plausibel aufzuzeigen, welche Rechte bzw. Rechtsnormen die Vorinstanz verletzt haben soll (BGE 148 IV 205 E. 2.6; 140 III 86 E. 2 mit Hinweisen). Hinzu kommt, dass das Bundesgericht die Anwendung kantonalen Rechts - von hier nicht zutreffenden Ausnahmen ( Art. 95 lit. c-e BGG ) abgesehen - nur auf Bundesrechtsverletzungen, namentlich auf Willkür hin, prüft (BGE 149 IV 183 E. 2.4; 143 I 321 E. 6.1; 141 I 105 E. 3.3.1). In Bezug auf die Verletzung von Grundrechten, einschliesslich des Willkürverbots, und von kantonalem Recht gilt eine qualifizierte Rüge- und Begründungspflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 149 I 248 E. 3.1; 143 II 283 E. 1.2.2; 141 I 36 E. 1.3).
2.3. Die Vorinstanz hat die Gründe dargelegt, aus welchen die Revision ihrer Entscheide verlangt werden kann (§ 70 des Gesetzes [des Kantons Thurgau] vom 23. Februar 1981 über die Verwaltungsrechtspflege [VRG/TG; RB 170.1] i.V.m. Art. 328 ZPO [SR 272]). Sie hat sodann festgehalten, dass der Beschwerdeführer sich - unter Hinweis auf das (ihn nicht betreffende) Urteil des EGMR i.S.
P.J. und R.J. gegen die Schweiz vom 17. September 2024 (Nr. 52232/20) - auf den Revisionsgrund von Art. 328 Abs. 2 ZPO berufen habe, welcher die Revision wegen Verletzung der EMRK zum Gegenstand habe. Weil aber in seinem Fall kein "endgültiges Urteil" des EGMR vorliege, welches feststelle, dass die EMRK oder die Protokolle dazu verletzt worden seien, sei bereits die Voraussetzung von Art. 328 Abs. 2 lit. a ZPO nicht erfüllt. In der Folge hat das Verwaltungsgericht das Revisionsgesuch abgewiesen, wobei es die Voraussetzungen von Art. 328 Abs. 2 lit. b und c ZPO nicht mehr geprüft hat, mit der Begründung, dass diese kumulativ zu jenen gemäss lit. a zu erfüllen seien.
2.4. Die von einem Rechtsanwalt verfasste Beschwerdeschrift sowie die beiden Beschwerdeergänzungen enthalten keine sachbezogene Begründung. Der Beschwerdeführer hätte substanziiert (Art. 106 Abs. 2 BGG) darlegen müssen, inwiefern das Verwaltungsgericht das massgebende kantonale Recht, d.h. § 70 VRG/TG i.V.m. Art. 328 Abs. 2 ZPO, welches vorliegend als subsidiäres kantonales Recht zur Anwendung gelangt (vgl. dazu u.a. Urteil 2C_900/2022 vom 12. Juli 2024 E. 2.2 und 2.4), willkürlich oder unter Verletzung von Bundes (verfassungs) recht angewendet habe, indem es das Vorliegen eines Revisionsgrunds verneint hat. Dies tut er indessen nicht. Stattdessen wirft er der Vorinstanz - unter Berufung auf verschiedene Bestimmungen, namentlich des FZA (SR 0.142.112.681), des AIG (SR 142.20), der BV, der EMRK oder des Übereinkommens über die Rechte des Kindes vom 20. November 1989 (KRK; SR 0.107) - vor, keine Abklärungen zur Frage, ob er künftig die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Schweiz stören würde oder bezüglich seiner familiären Situation vorgenommen zu haben. Inwiefern die Vorinstanz verpflichtet gewesen wäre, derartige Abklärungen im Rahmen eines Revisionsgesuchs vorzunehmen bzw. inwiefern sich aus den von ihm genannten Bestimmungen ein Revisionsgrund ergeben soll, zeigt der Beschwerdeführer nicht ansatzweise auf. Insbesondere legt er nicht dar, inwiefern die Verurteilung der Schweiz durch den EGMR im Fall
P.J. und R.J. gegen die Schweiz für sich allein einen Revisionsgrund darstellen soll. Vor diesem Hintergrund genügen auch die Behauptungen des Beschwerdeführers, das Verwaltungsgericht habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör sowie auf ein faires Verfahren ( Art. 29 Abs. 1 und 2 BV ; Art. 6 Ziff. 1 EMRK) verletzt, weil es sich mit der Verurteilung der Schweiz in jenem Fall bzw. der Praxis des EGMR zu Art. 8 Ziff. 1 EMRK nicht auseinandergesetzt habe, den qualifizierten Anforderungen an die Begründung von Verfassungsrügen nicht (Art. 106 Abs. 2 BGG).
Unklar ist, ob der Beschwerdeführer in seiner Beschwerdeergänzung vom 3. Januar 2025 geltend machen will, dass die Vorinstanz die Voraussetzungen von Art. 328 Abs. 2 lit. b und c ZPO zu Unrecht nicht geprüft habe. Jedenfalls tut er einmal mehr nicht substanziiert dar, inwiefern die Auslegung des Verwaltungsgerichts, wonach die Voraussetzungen von Art. 328 Abs. 2 lit. a - c kumulativ erfüllt sein müssten und der Revisionsgrund gemäss dieser Bestimmung bereits an der Voraussetzung von lit. a scheitere, willkürlich sei.
Soweit in der vorliegenden Beschwerde die strafrechtliche Verurteilung vom 28. November 2019 durch das Bezirksgericht Weinfelden beanstandet wird, ist festzuhalten, dass der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer bereits in verschiedenen Verfahren darauf hingewiesen wurde, dass dieses rechtskräftige Urteil im Rahmen späterer (migrationsrechtlicher) Verfahren nicht mehr infrage gestellt werden kann (vgl. Urteile 2C_23/2025 vom 30. Januar 2025 E. 4.3; 2C_627/2024 vom 13. Dezember 2024 E. 2.5; 2C_481/2024 vom 8. Oktober 2024 E. 3.6).
2.5. Schliesslich führt der Beschwerdeführer in seiner Beschwerdeergänzung vom 3. Januar 2025 aus, er habe im Revisionsgesuch an die Vorinstanz geltend gemacht, dass gemäss Art. 328 Abs. 1 lit. a ZPO eine Revision auch dann möglich sei, wenn nachträglich erhebliche Tatsachen gefunden würden. Dabei bringt er zumindest sinngemäss vor, er habe den Kostenvorschuss im verwaltungsgerichtlichen Verfahren betreffend den Widerruf seiner Niederlassungsbewilligung infolge Fehlens eines Einzahlungsscheins nicht geleistet. Substanziierte Rügen erhebt der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang jedoch nicht. Zudem ist weder aus dem angefochtenen Entscheid noch aus dem aktenkundigen Revisionsgesuch an die Vorinstanz ersichtlich, dass er sich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auf den Revisionsgrund von § 70 VRG/TG i.V.m. Art. 328 Abs. 1 lit. a ZPO berufen hätte. Folglich bleibt unklar, was der Beschwerdeführer der Vorinstanz in diesem Zusammenhang konkret vorwirft.
2.6. Im Ergebnis entbehrt die Beschwerde einer genügenden Begründung (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG ).
3.
3.1. Auf die offensichtlich unbegründete Beschwerde ist mit Entscheid der Abteilungspräsidentin als Einzelrichterin im vereinfachten Verfahren nach Art. 108 BGG (Abs. 1 lit. b) nicht einzutreten. Damit wird das Gesuch um Erteilung der aufschiebenden Wirkung gegenstandslos. Der am 30. Dezember 2024 superprovisorisch verfügte Vollzugsstopp fällt dahin.
3.2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird infolge offensichtlicher Aussichtslosigkeit des Rechtsmittels abgewiesen ( Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG ). Der unterliegende Beschwerdeführer trägt die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).
Demnach erkennt die Präsidentin:
1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und dem Staatssekretariat für Migration mitgeteilt.
Lausanne, 4. Februar 2025
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin
Die Gerichtsschreiberin: D. Ivanov