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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_60/2023  
 
 
Urteil vom 4. April 2023  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Herrmann, Präsident, 
Bundesrichter von Werdt, Schöbi, 
Gerichtsschreiberin Lang. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
gesetzlich vertreten durch seine Mutter B.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Mario Stegmann, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
C.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Lorenz Stefan Widmer, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Gerichts- und Parteikosten (Berufungsverfahren betreffend Kindesunterhalt), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern, 1. Zivilkammer, vom 27. Dezember 2021 (ZK 21 324 ZK 21 325). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. A.________ (geb. 2008) ist der Sohn von C.________ und B.________. Die Kindseltern waren nie verheiratet.  
 
A.b. Am 28. Januar 2019 leitete A.________ gegen C.________ beim Regionalgericht Berner Jura-Seeland ein Verfahren betreffend Abänderung von Kindesunterhaltsbeiträgen ein.  
 
A.b.a. Da dieser in Schweden wohnt, ersuchte das Regionalgericht die dort zuständige zentrale Behörde um rechtshilfeweise Zustellung der Klage sowie einer Verfügung, mit welcher dem Vater eine Frist zur Stellungnahme und zur Bezeichnung eines Zustelldomizils in der Schweiz angesetzt wurde. Die zentrale Behörde in Schweden bestätigte die erfolgte rechtshilfeweise Zustellung.  
 
A.b.b. C.________ beteiligte sich in der Folge nicht am erstinstanzlichen Verfahren. Mit Entscheid vom 11. Mai 2020 verpflichtete das Regionalgericht ihn schliesslich zur Bezahlung eines indexierten Unterhaltsbeitrags von monatlich Fr. 735.--, zahlbar rückwirkend ab Februar 2019 bis zur Volljährigkeit bzw. darüber hinaus bis zum ordentlichen Abschluss der Erstausbildung.  
 
B.  
 
B.a. Gegen den am 7. April 2021 schriftlich begründeten Entscheid vom 11. Mai 2020 erhob der Kindsvater Berufung am Obergericht des Kantons Bern. A.________ ersuchte um Abweisung der Berufung.  
 
B.b. Das Obergericht kam zum Schluss, dem Kindsvater seien die verfahrenseinleitenden Dokumente sowie die erste Verfügung nicht rechtsgültig zugestellt worden. Die daraus resultierende Gehörsverletzung könne nicht geheilt werden. Entsprechend hiess das Obergericht die Berufung gut, hob den erstinstanzlichen Entscheid auf und wies die Sache zur Durchführung des Schriftenwechsels, eines allfälligen Beweisverfahrens und zur anschliessenden Ausfällung eines neuen Entscheids an das Regionalgericht zurück. Die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens in Höhe von Fr. 3'800.-- auferlegte es A.________ und verpflichtete diesen überdies zur Bezahlung einer Parteientschädigung von Fr. 7'168.--. Für den Fall der Uneinbringlichkeit der Parteientschädigung bestimmte es die amtliche Entschädigung auf Fr. 5'768.-- (Entscheid vom 27. Dezember 2021).  
 
B.c. Die Parteien schlossen am 14./25. November 2022 einen Vergleich, den das Regionalgericht mit Verfügung vom 8. Dezember 2022 (zugestellt am 9. Dezember 2022) genehmigte, wobei es gleichzeitig das Verfahren infolge Vergleichs als erledigt abschrieb. Die Gerichtskosten auferlegte es den Parteien je hälftig und die Parteikosten schlug es wett.  
 
C.  
 
C.a. A.________ (Beschwerdeführer) gelangt mit Beschwerde in Zivilsachen vom 23. Januar 2023 (Poststempel) an das Bundesgericht. Diesem beantragt er im Wesentlichen, den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern vom 27. Dezember 2021 bezüglich der Auferlegung der Gerichts- und Parteikosten des Berufungsverfahrens an den Beschwerdeführer aufzuheben. Stattdessen seien die Gerichts- und Parteikosten vollumfänglich dem Kanton Bern aufzuerlegen. Ausserdem sei dem Beschwerdeführer zu Lasten des Kantons für das Berufungsverfahren eine Parteientschädigung gemäss Honorarnote vom 2. August 2021 auszurichten.  
 
C.b. Das Bundesgericht hat die kantonalen Akten, indes keine Vernehmlassungen eingeholt.  
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Angefochten ist die Kostenregelung im Rückweisungsentscheid vom 27. Dezember 2021 im Anschluss an den erstinstanzlichen Endentscheid. Dieser Zwischenentscheid (Art. 93 BGG) erging auf Rechtsmittel hin durch ein oberes Gericht (Art. 75 BGG), betrifft die Abänderung des Kindesunterhalts und damit eine vermögensrechtliche Zivilsache (Art. 72 Abs. 1 BGG), deren Streitwert die Mindestgrenze von Fr. 30'000.-- überschreitet (Art. 74 Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 51 Abs. lit. c und Abs. 4 BGG). Der erstinstanzliche Endentscheid vom 8. Dezember 2022 wird von keiner der Parteien in der Sache angefochten, weshalb die Beschwerde in Zivilsachen gegen den Rückweisungsentscheid direkt im Anschluss an den Endentscheid erhoben werden kann (BGE 142 V 551 E. 3.2). Die Beschwerdefrist, die sich nach dem erstinstanzlichen Endentscheid richtet (BGE 143 II 290 E. 1.3), ist vorliegend eingehalten (Art. 100 Abs. 1 i.V.m Art. 46 Abs. 1 lit. c BGG); der Beschwerdeführer ist überdies zur Beschwerde berechtigt (Art. 76 BGG). Die Beschwerde in Zivilsachen erweist sich als das zutreffende Rechtsmittel. 
 
2.  
 
2.1. Mit der Beschwerde in Zivilsachen können Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 f. BGG geltend gemacht werden. Das Bundesgericht wendet das Recht in diesem Bereich von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG) und prüft mit freier Kognition, ob der angefochtene Entscheid Recht verletzt. Es befasst sich aber grundsätzlich nur mit formell ausreichend begründeten Einwänden. In der Beschwerde ist deshalb in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG), was eine Auseinandersetzung mit dessen Begründung erfordert (BGE 143 II 283 E. 1.2.2; 140 III 86 E. 2). Erhöhte Anforderungen gelten, wenn verfassungsmässige Rechte als verletzt gerügt werden. Das Bundesgericht prüft deren Verletzung nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; Rügeprinzip). Es prüft nur klar und detailliert erhobene und soweit möglich belegte Rügen (BGE 142 III 364 E. 2.4). Was den Sachverhalt angeht, legt das Bundesgericht seinem Urteil die vorinstanzlichen Feststellungen zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG). Diesbezüglich kann die rechtsuchende Partei nur vorbringen, die vorinstanzlichen Feststellungen seien offensichtlich unrichtig, das heisst willkürlich (Art. 9 BV; BGE 147 I 73 E. 2.2 mit Hinweis), oder würden auf einer anderen Bundesrechtsverletzung im Sinn von Art. 95 BGG (z.B. Verletzung von Art. 29 Abs. 2 BV oder Art. 8 ZGB) beruhen, wobei ebenfalls das strenge Rügeprinzip nach Art. 106 Abs. 2 BGG gilt (BGE 144 V 50 E. 4.1).  
 
2.2. Der Beschwerdeführer widmet dem Sachverhalt ein eigenes Kapitel seiner Beschwerdeschrift, er erhebt jedoch keine Sachverhaltsrügen. Soweit seine Darstellung von den vorinstanzlichen Feststellungen abweicht, ist sie für das Bundesgericht entsprechend unbeachtlich.  
 
3.  
Streitthema ist, ob die Vorinstanz die Prozesskosten (Gerichtskosten und Parteientschädigung) des Berufungsverfahrens in Anwendung von Art. 107 Abs. 2 ZPO dem Kanton hätte auferlegen müssen. 
 
3.1. Gemäss Art. 107 Abs. 2 ZPO kann das Gericht Gerichtskosten, die weder eine Partei noch Dritte veranlasst haben, aus Billigkeitsgründen dem Kanton auferlegen. Dies kommt aber nur in Betracht, wenn ein von der unterliegenden rechtsmittelbeklagten Partei nicht mitverschuldeter grober Verfahrensfehler (Justizpanne) zur Gutheissung des Rechtsmittels führt und sie selber die Gutheissung des Rechtsmittels beantragt oder zumindest keinen (unbegründeten) Antrag gestellt bzw. sich mit dem angefochtenen Entscheid nicht identifiziert hat (BGE 138 III 471 E. 7; Urteil 5A_87/2022 vom 2. November 2022 E. 4.4.1 mit zahlreichen Hinweisen).  
 
3.2. Betreffend die Auferlegung der Gerichtskosten an den Kanton ergibt sich Folgendes:  
 
3.2.1. Die Vorinstanz erwog, der Beschwerdeführer sei unterlegen, weshalb er gemäss Art. 106 Abs. 1 ZPO kostenpflichtig werde. Zwar handle es sich bei der mangelhaften Zustellung der verfahrenseinleitenden Schriftstücke um einen Verfahrensfehler, welchen der Beschwerdeführer nicht mitverschuldet habe. Im Berufungsverfahren habe dieser indessen die vollumfängliche Abweisung der Berufung beantragt, soweit darauf eingetreten werden könne, und begründet, weshalb die rechtshilfeweise Zustellung seiner Auffassung nach korrekt erfolgt sei. Die Auferlegung der Gerichtskosten an den Kanton rechtfertige sich daher nicht.  
 
3.2.2. Der Beschwerdeführer vertritt die Ansicht, die Vorinstanz habe die Verteilungsgrundsätze der Prozesskosten bundesrechtswidrig angewandt, was zu einem höchst stossenden Ergebnis führe. Zusammengefasst bringt er vor, es liege, entgegen der vorinstanzlichen Auffassung, vorliegend eine Justizpanne vor. Es sei das erstinstanzliche Gericht gewesen, welches die in Schweden zuständige Behörde um rechtshilfeweise Zustellung ersucht habe. Die Pflicht zur Sicherstellung der ordnungsgemässen rechtshilfeweisen Zustellung gehöre zum Kern der gerichtlichen Aufgaben. Die nicht rechtsgenügliche Zustellung könne nicht dem Beschwerdeführer (und auch nicht dem Beschwerdegegner) angerechnet werden. Sein Antrag auf Abweisung der Berufung sei gerechtfertigt gewesen, da aus Sicht des Beschwerdeführers keine Gehörsverletzung habe vorliegen können. Überhaupt habe die bundesgerichtliche Rechtsprechung, wonach man sich dem Rechtsmittel der Gegenseite hätte unterziehen oder auf eine Stellungnahme verzichten müssen, zur Konsequenz, dass man gemäss Art. 106 Abs. 1 ZPO als unterliegend gelte und somit in jedem Fall kostenpflichtig werde. Die Argumentation des Bundesgerichts führe also dazu, dass es nie möglich sein werde, bei einer eigentlichen Justizpanne die Kosten dem Kanton aufzuerlegen, weil man immer kostenpflichtig werde. Es sei überdies nicht ersichtlich, worin der Zusammenhang zwischen einer Justizpanne und der Haltung der Gegenpartei sein solle, die Fehlleistung der Justiz werde dadurch nicht besser oder schlechter, wenn sich die Gegenpartei dem Rechtsmittel unterziehen würde. Letztlich könne es nur darum gehen, ob eine Partei an eine obere Instanz gelange, weil die untere Gerichtsbehörde einen Fehler, der einzig in ihrem Einflussbereich liegt, begangen habe. Den Grund für die Gutheissung setze somit einzig die untere Instanz und nur ihretwegen müsse das Verfahren wiederholt werden - darauf habe das Verhalten der Gegenpartei im Rechtsmittelverfahren keinerlei Einfluss. Die Auferlegung der Gerichtskosten widerspreche dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäss Art. 52 ZPO sowie Art. 9 BV. Es sei unhaltbar, dass gerade der Beschwerdeführer für die nicht rechtsgenügliche Zustellung durch das Auferlegen von Gerichtskosten bestraft werde. Dies widerspreche jeglichem Empfinden von Recht und Gerechtigkeit.  
 
3.2.3. Mit seinen Ausführungen zielt der Beschwerdeführer letztlich auf eine Änderung der langjährigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung (siehe dazu zit. Urteil 5A_87/2022 E. 4.4.1 mit zahlreichen Hinweisen). Dazu besteht vorliegend aber kein Anlass. Unzutreffend sind insbesondere die Ausführungen des Beschwerdeführers, wonach, hätte er sich dem Rechtsmittel unterzogen, er ohnehin die Gerichtskosten zu tragen gehabt hätte (Art. 106 Abs. 1 ZPO) und es somit nie möglich sei, bei einer Justizpanne die Kosten dem Kanton aufzuerlegen. Bei gegebenen Voraussetzungen (siehe E. 3.1) kann das Gericht von den Verteilungsgrundsätzen gemäss Art. 106 ZPO abweichen und die Kosten nach Ermessen verteilen (Art. 107 ZPO). Es bleibt somit dabei: Der Beschwerdeführer hat sich dem Rechtsmittel weder unterzogen noch hat er zu erkennen gegeben, sich mit dem angefochtenen Entscheid nicht zu identifizieren. Im Gegenteil hat er ausdrücklich die Abweisung der Berufung beantragt und begründet, weshalb die rechtshilfeweise Zustellung seiner Auffassung nach korrekt erfolgt sei. Die Vorinstanz hat daher kein Bundesrecht verletzt, indem sie das Vorliegen der Voraussetzungen zur Anwendung von Art. 107 Abs. 2 ZPO verneint hat.  
 
3.3. Was die Auferlegung der Parteientschädigung anbelangt, verweist der Beschwerdeführer grundsätzlich auf seine (unzutreffende) Argumentation bezüglich der Gerichtskosten. Bereits deshalb entfällt eine Auferlegung der Parteientschädigung an den Kanton gemäss Art. 107 Abs. 2 ZPO, wobei offengelassen werden kann, ob Art. 107 Abs. 2 BGG dafür überhaupt eine Rechtsgrundlage bildet (siehe BGE 140 III 385 E. 4.1, wonach es jedenfalls nicht willkürlich ist, Art. 107 Abs. 2 ZPO nur in Bezug auf die Gerichtskosten anzuwenden; vgl. aber auch BGE 138 III 471 E. 7 in Bezug auf eine Justizpanne). Soweit der Beschwerdeführer überdies die Höhe der Parteientschädigung kritisiert, übersieht er, dass sich diese nach kantonalem Recht richtet (Art. 105 Abs. 2 i.V.m. Art. 96 ZPO). Die Verletzung von kantonalem Recht prüft das Bundesgericht aber nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). Der Beschwerde sind keine entsprechenden Rügen zu entnehmen; Weiterungen hierzu erübrigen sich.  
 
4.  
Seinen Antrag, der Kanton Bern sei überdies zu verpflichten, ihm eine Parteientschädigung für das Berufungsverfahren auszurichten, begründet der Beschwerdeführer ebenfalls mit der angeblichen Justizpanne. Wie aufgezeigt, dringt er hiermit nicht durch, weswegen sich weitere Erläuterungen hierzu erübrigen. 
 
5.  
Wie sich aus den vorstehenden Erwägungen ergibt, ist die Beschwerde abzuweisen. Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kosten- (Art. 66 Abs. 1 BGG), nicht aber entschädigungspflichtig, zumal dem Beschwerdegegner kein entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden ist (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, 1. Zivilkammer, mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 4. April 2023 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Herrmann 
 
Die Gerichtsschreiberin: Lang