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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_665/2022  
 
 
Urteil vom 4. April 2023  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Herrmann, Präsident, 
Bundesrichter von Werdt, Schöbi, Bovey, 
Bundesrichterin De Rossa, 
Gerichtsschreiberin Gutzwiller. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Gränicher, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
1. B.________, 
2. C.________, 
beide vertreten durch Rechtsanwalt Matthias Wasem, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Nachbarrecht, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern, 2. Zivilkammer, vom 30. Juni 2022 (ZK 22 39). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. A.________ ist seit 2015 Eigentümerin des Grundstücks D.________ Gbbl. Nr. xxx. 1988 erwarb E.________ das topographisch tiefer liegende Nachbargrundstück D.________ Gbbl. Nr. yyy. Sie ist im Verlauf des kantonalen Verfahrens verstorben. Deren Erben, B.________ und C.________, traten an ihrer Stelle in den Prozess ein.  
 
A.b. Die beiden Grundstücke wurden 1980 im Rahmen der Realisierung der Reiheneinfamilienhaussiedlung "F.________" überbaut. Im damaligen Zeitpunkt befand sich zwischen den Grundstücken der Parteien eine Böschung. Zu einem späteren Zeitpunkt, jedenfalls aber vor 1988, wurde zur Sicherung der zwecks Raumgewinnung auf dem höher gelegenen Grundstück Nr. xxx vorgenommenen Aufschüttung und dem Niveauunterschied zum Grundstück Nr. yyy eine Holzpalisadenwand erstellt. Seither hat sich diese um einige Zentimeter nach unten, d.h. in Richtung Grundstück Nr. yyy verschoben. Einzelne Holzpfosten wurden morsch und hatten keine tragende Funktion mehr. A.________ brachte an der Holzpalisadenwand provisorisch Schaltafeln an.  
 
A.c. Auf Klage vom 8. Februar 2018 von E.________ verpflichtete das Regionalgericht Berner Jura-Seeland A.________ mit Entscheid vom 30. Juni 2020 soweit für das vorliegende Verfahren von Bedeutung, innert 60 Tagen nach Rechtskraft seines Entscheids das Grundstück Nr. yyy mittels Böschung oder einer neuen Stützmauer entlang der Parzellengrenze zum Grundstück Nr. xxx zu sichern oder auf eigene Kosten sichern zu lassen und die angebrachten Schaltafeln zu entfernen.  
 
B.  
Das Obergericht des Kantons Bern wies die von A.________ ergriffene Berufung kostenfällig ab. Der Entscheid vom 30. Juni 2022 wurde ihr am 5. Juli 2022 zugestellt. 
 
C.  
 
C.a. Mit Beschwerde in Zivilsachen und subsidiärer Verfassungsbeschwerde vom 5. September 2022 gelangt A.________ (Beschwerdeführerin) an das Bundesgericht. Sie beantragt, die Klage vom 8. Februar 2018 sei, soweit die Sicherung des Grundstücks Nr. yyy betreffend, kostenfällig abzuweisen.  
 
C.b. Mit Verfügung vom 27. September 2022 hat der Präsident der urteilenden Abteilung dem Gesuch der Beschwerdeführerin um Erteilung der aufschiebenden Wirkung, dem sich die Beschwerdegegner widersetzt haben, in Bezug auf die angeordneten baulichen Massnahmen stattgegeben und es hinsichtlich der vorinstanzlichen Kostenregelung abgewiesen.  
 
C.c. Das Bundesgericht hat die kantonalen Akten, hingegen in der Sache keine Vernehmlassungen eingeholt.  
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Der angefochtene Entscheid betrifft eine Auseinandersetzung über geltend gemachte Abwehransprüche aus Eigentums- bzw. Miteigentumsrecht (Art. 670 ZGB). Das ist eine Zivilsache (Art. 72 Abs. 1 BGG) in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit (BGE 52 II 292 E. 1; 45 II 402 E. 1; vgl. aus der neueren Rechtsprechung z.B. Urteile 5D_91/2020 vom 7. September 2020 E. 1; 5A_85/2016 vom 23. August 2016 E. 1.1; 5C.200/2005 vom 21. Oktober 2005 E. 1.2, nicht publ. in: BGE 132 III 6, aber in: SZZP 2006 S. 8). Die Beschwerde in Zivilsachen ist deshalb nur zulässig, wenn der Streitwert Fr. 30'000.-- erreicht (Art. 74 Abs. 1 Bst. b BGG). Das Obergericht hat den Streitwert auf Fr. 25'000.-- bestimmt. Auf diese Streitwertschätzung, die auch im hiesigen Verfahren nicht bestritten wird, kann abgestellt werden, zumal keine Gründe ersichtlich sind, den angefochtenen Entscheid diesbezüglich in Frage zu stellen.  
 
1.2. Die Beschwerdeführerin behauptet allerdings, es stelle sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, weshalb die Beschwerde in Zivilsachen in Anwendung von Art. 74 Abs. 2 Bst. a BGG das zulässige Rechtsmittel sei. Der Kanton Bern habe mit Art. 79i des Gesetzes vom 28. Mai 1911 betreffend die Einführung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (EG ZGB; BSG 211.1), wonach auf der Grenze stehende Stützmauern als Bestandteil desjenigen Grundstücks gelten, dessen Eigentümer sie erstellt hat, eine Eigentumsordnung geschaffen, die im Widerspruch zu Art. 642 Abs. 2 (Bestandteil einer Sache) i.V.m. Art. 675 Abs. 1 (Baurecht) sowie Art. 779 Abs. 1 ZGB (Baurechtsdienstbarkeit) stehe. Es stelle sich die Frage, ob der Kanton Bern überhaupt legitimiert sei, in diesem Bereich zu legiferieren. Nebst der Verletzung der vorgenannten Bestimmungen des ZGB rügt die Beschwerdeführerin die Verletzung des Grundsatzes der derogatorischen Kraft des Bundesrechts (Art. 49 Abs. 1 BV). Dieser Grundsatz kann als verfassungsmässiges Individualrecht angerufen werden (BGE 148 I 251 E. 3.4.1; 144 IV 240 E. 2.3.2; 144 I 113 E. 6.2). Wird es - wie hier - angerufen, prüft das Bundesgericht mit freier Kognition, ob die kantonale Norm mit dem Bundesrecht im Einklang steht (BGE 147 III 352 E. 6.1.1; 143 I 352 E. 2.2; 131 I 394 E. 3.2 mit Hinweisen). Um zu entscheiden, ob ein Konflikt zwischen einer bundesrechtlichen Bestimmung und einer kantonalen Norm vorliegt, sind diese Regeln vorerst auszulegen (BGE 144 IV 240 E. 2.3.2; 138 I 356 E. 5.4.2 in fine mit Hinweis). Mit Bezug auf die aufgeworfene Frage hat das Bundesgericht mithin unabhängig von der Beschwerdeart die gleiche Kognition; für die Anwendung von Art. 74 Abs. 2 Bst. a BGG bleibt folglich kein Raum. Auf die Beschwerde in Zivilsachen ist nach dem Gesagten nicht einzutreten.  
 
1.3. Die Zulässigkeit der Beschwerde richtet sich demnach nach den Vorschriften über die subsidiäre Verfassungsbeschwerde (Art. 113 ff. BGG). Das Obergericht hat als obere kantonale Instanz auf Rechtsmittel hin entschieden (Art. 114 i.V.m. Art. 75 BGG). Der angefochtene Entscheid trifft die Beschwerdeführerin in ihren rechtlich geschützten Interessen (Art. 115 BGG) und schliesst das kantonale Verfahren ab (Art. 117 i.V.m Art. 90 BGG). Sie hat die Beschwerde rechtzeitig erhoben (Art. 117 i.V.m. Art. 100 Abs. 1 und Art. 46 Abs. 1 Bst. b BGG).  
 
2.  
 
2.1. Das Obergericht stellte - wie bereits vor ihm das Regionalgericht - fest, die Holzpalisadenwand sei vor 1988 vom Rechtsvorgänger der Beschwerdeführerin erstellt worden. Sodann erwog es, die Frage, ob die Holzpalisadenwand seinerzeit an oder auf der March erstellt worden sei, könne offenbleiben, weil so oder anders vom Eigentum der Beschwerdeführerin auszugehen sei. Sei die Wand an der March erstellt worden, ergebe sich das Eigentum der Beschwerdeführerin aus Art. 667 Abs. 2 ZGB; sei sie hingegen auf der March erstellt worden, handle es sich um eine Vorrichtung im Sinn von Art. 670 ZGB und ergebe sich das (Allein-) Eigentum der Beschwerdeführerin in Abweichung vom dort vermuteten Miteigentum aus Art. 79i Abs. 1 Satz 1 EG ZGB, wonach auf der Grenze stehende Stützmauern als Bestandteil desjenigen Grundstücks gelten, dessen Eigentümer sie erstellt hat.  
 
2.2. Die Beschwerdeführerin wirft dem Obergericht vor, nicht festgestellt zu haben, dass die Holzpalisadenwand auf der March stehe bzw. auf der March erstellt worden sei. Diese Rüge ist indes nur dann relevant, wenn es im Ergebnis darauf ankommt, ob die Holzpalisadenwand seinerzeit an oder auf die March gestellt wurde. Gegen die Erkenntnis, für den Fall, dass die Holzpalisadenwand an die March gestellt wurde, ergebe sich das Alleineigentum der Beschwerdeführerin aus Art. 667 Abs. 2 ZGB, erhebt diese keine Verfassungsrüge. Bleibt also zu prüfen, ob das Obergericht bei der Unterstellung, die Holzpalisadenwand sei auf die March gestellt worden, die massgeblichen Bestimmungen des Bundesrechts verfassungswidrig angewandt hat. Bejahendenfalls wäre die Sache an das Obergericht zurückzuweisen, damit es dieses Tatsachenelement feststelle, denn entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin kann das Bundesgericht den diesbezüglichen Sachverhalt nicht gestützt auf Art. 105 Abs. 2 BGG von Amtes wegen ergänzen.  
 
3.  
Stehen Vorrichtungen zur Abgrenzung zweier Grundstücke, wie Mauern, Hecken, Zäune, auf der Grenze, so wird Miteigentum der beiden Nachbarn vermutet (Art. 670 ZGB). 
 
3.1. Art. 670 ZGB erfasst Vorrichtungen, die auf der Grenze zweier Grundstücke stehen. Damit sind nicht nur Vorrichtungen gemeint, die allein der Abgrenzung dienen. Vielmehr ergibt sich aus der ratio legis dieser Bestimmung, dass sie grundsätzlich auf alle Vorrichtungen Anwendung findet, die auf der Grenze zweier Grundstücke stehen und der Nutzung beider Grundstücke dienen (BGE 59 II 221 E. 1; HAAB/ SIMONIUS/SCHERRER/ZOBL, Zürcher Kommentar, 2. Aufl. 1977, N. 1 zu Art. 670 ZGB; MARCHAND, in: Commentaire romand, Code civil, 2016, N. 6 zu Art. 670 ZGB; MEIER-HAYOZ, Berner Kommentar, 3. Aufl. 1964, N. 4 zu Art. 670 ZGB; REY/STREBEL, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, 7. Aufl. 2022, N. 2 zu Art. 670 ZGB; a.M. scheinbar GRAHAM-SIEGENTHALER, Berner Kommentar, 2022, N. 46 und Fn. 144 zu Art. 642 ZGB unter Hinweis auf das Urteil des Kantonsgerichts Graubünden vom 15. Dezember 1942, in: PKG 1942 Nr. 8, wonach Art. 670 ZGB auf Stützmauern nicht anwendbar sei [das Bundesgericht hat diesen Entscheid am 8. Juni 1943 zwar bestätigt, ist dabei allerdings anders als das Kantonsgericht davon ausgegangen, die streitgegenständliche Stützmauer stehe gar nicht auf der - nicht vermarchten - Grundstückgrenze]).  
 
3.2. Unter Vorbehalt abweichenden kantonalen Privatrechts oder Ortsgebrauchs erstreckt sich das Eigentum an einer Vorrichtung im Sinn von Art. 670 ZGB ausschliesslich auf die Vorrichtung selbst, nicht aber auf den unterliegenden Grund und Boden (GÖKSU, in: Breitschmid/Jungo [Hrsg.], Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, 3. Aufl. 2016, N. 4 zu Art. 670 ZGB; HAAB/SIMONIUS/SCHERRER/ZOBL, a.a.O., N. 8 zu Art. 670 ZGB; MEIER-HAYOZ, a.a.O., N. 10 zu Art. 670 ZGB; REY/STREBEL, a.a.O., N. 5 zu Art. 670 ZGB; STEINAUER, Les droits réels, Bd. II, 5. Aufl. 2020, Rz. 2238). Insofern bewirkt Art. 670 ZGB eine Durchbrechung des Akzessionsprinzips gemäss Art. 667 bzw. Art. 671 ZGB (BGE 59 II 221 E. 1; GÖKSU, a.a.O., N. 4 zu Art. 670 ZGB; REY/STREBEL, a.a.O., N. 5 zu Art. 670 ZGB; SCHMID/VON GRAFFENRIED, in: Kren Kostkiewicz/ Wolf/Amstutz/Fankhauser [Hrsg.], ZGB Kommentar, 4. Aufl. 2021, N. 3 zu Art. 670 ZGB; STEINAUER, a.a.O., Rz. 2238; SUTTER-SOMM, Eigentum und Besitz, SPR Bd. V/1, 2. Aufl. 2014, Rz. 654). Das Eigentum an der Vorrichtung ist unselbständig, denn es hängt vom Grundeigentum ab, auf dem sie errichtet wurde (GÖKSU, a.a.O., N. 4 zu Art. 670 ZGB; REY/STREBEL, a.a.O., N. 5 zu Art. 670 ZGB; SCHMID/VON GRAFFENRIED, a.a.O., N. 3 zu Art. 670 ZGB).  
 
3.3. Mit Bezug auf das Eigentum an einer Vorrichtung, die auf der Grenze zweier Grundstücke steht, stellt Art. 670 ZGB - nur, aber immerhin - eine Vermutung auf.  
 
3.3.1. In der gesetzlichen Vermutung ( praesumptio iuris, présomption légale, presunzione legale) schliesst eine generell-abstrakte Norm losgelöst von einer konkreten Streitlage mit dem syllogistischen "Wenn-Dann-Prinzip" von einer festgestellten Grundlage auf ein Vermutetes. Hat der Vermutungsträger die Vermutungsbasis bewiesen, hat das Gericht in seiner Rechtsanwendung die Vermutungsfolge ohne weiteres von Amtes wegen festzustellen, solange es nicht vom Gegenteil überzeugt, d.h. die Vermutung widerlegt worden ist (WALTER, in: Berner Kommentar, 2012, N. 389 zu Art. 8 ZGB; s. auch GÖKSU, a.a.O., N. 18 zu Art. 8 ZGB; JUNGO, Zürcher Kommentar, 3. Aufl. 2018, N. 269 f. zu Art. 8 ZGB; KUMMER, in: Berner Kommentar, 1962, N. 318 f. zu Art. 8 ZGB; PIOTET, in: Commentaire romand, Code civil, 2010, N. 37 und 41 zu Art. 8 ZGB; LARDELLI/VETTER, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, 7. Aufl. 2022, N. 67 zu Art. 8 ZGB).  
 
3.3.2. Die Vermutung nach Art. 670 ZGB lässt sich grundsätzlich auf zwei Arten widerlegen: Zum einen kann ein Rechtsgeschäft zwischen den Nachbarn vorliegen (z.B. durch Bestellung eines Überbaurechts), was vorliegend unbestrittenermassen nicht der Fall ist. Zum anderen kann die Vermutung durch den Nachweis entgegenstehenden Ortsgebrauchs im Sinn von Art. 5 Abs. 2 ZGB umgestossen werden, selbst wenn Art. 670 ZGB nicht direkt auf diese Bestimmung verweist (STEINAUER, a.a.O., Rz. 2239 ff.; s. auch GÖKSU, a.a.O., N. 7 zu Art. 670 ZGB; MEIER-HAYOZ, a.a.O., N. 21 zu Art. 670 ZGB; REY/STREBEL, a.a.O., N. 6 f. zu Art. 670 ZGB; SCHMID/VON GRAFFENRIED, a.a.O., N. 5 zu Art. 670 ZGB).  
 
3.3.3. Übung und Ortsgebrauch im Sinn von Art. 5 Abs. 2 ZGB bilden Vorschriften des Bundesrechts und unterliegen deshalb grundsätzlich der Überprüfung durch das Bundesgericht. Der Begriff von Übung und Ortsgebrauch ist Rechtsfrage. Demgegenüber bildet die Feststellung des Bestands und des Inhalts einer Ortsübung eine Tatfrage (BGE 117 II 282 E. 4c; 86 II 256 mit zahlreichen Hinweisen; 72 II 267 E. 3).  
 
3.3.4. Als Ausdruck des Ortsgebrauchs gilt (namentlich) das bisherige kantonale Recht, solange nicht eine abweichende Übung nachgewiesen ist (Art. 5 Abs. 2 ZGB). Die überwiegende neuere Lehre vertritt den Standpunkt, es sei den Kantonen gestattet, tatsächlich vorhandener Übung und bestehendem Ortsgebrauch auch nach dem Inkrafttreten des ZGB durch entsprechendes kantonales Recht Ausdruck zu verschaffen. Sie könnten Übung und Ortsgebrauch im Sinn einer im Gesetzgebungsverfahren erlassenen tatsächlichen Feststellung neu umschreiben. Ein solches Vorgehen stelle keinen Rechtssetzungsakt dar, sondern werde als "Verlautbarung" bezeichnet: Übung und Ortsgebrauch würden nicht "geschrieben", sondern bloss "aufgeschrieben". Für eine derartige - freilich in der Form eines Gesetzes erfolgende - Umschreibung von Tatsachen bedürfe es keiner Gesetzesdelegation durch den Bund. Der kantonale Gesetzgeber habe also die Möglichkeit, auf die umschriebene Weise Tatsachen festzustellen. Dass den Kantonen gestattet werde, den - gegebenenfalls im Vergleich mit dem früheren Recht veränderten - Ortsgebrauch zu umschreiben, erscheine namentlich auch unter praktischen Gesichtspunkten als sinnvoll, denn es lasse sich auf solche Weise die Rechtsanwendung erleichtern (zum Ganzen: WOLF, in: Berner Kommentar, 2012, N. 120 zu Art. 5 ZGB; s. auch HAUSHEER/JAUN, Die Einleitungsartikel des ZGB, 2003, N. 40 und 48 zu Art. 5 ZGB; HRUBESCH-MILLAUER/BOSSHARDT, Die Einleitungsartikel des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, 2019, N. 59 zu Art. 5 ZGB; HÜRLIMANN-KAUP/SCHMID, Einleitungsartikel des ZGB und Personenrecht, 3. Aufl. 2016, Rz. 398; JAGMETTI, Vorbehaltenes kantonales Privatrecht, in: SPR Bd. I, 1969, S. 257 f.; LARDELLI/VETTER, a.a.O., N. 50 zu Art. 5 ZGB; LIVER, in: Berner Kommentar, 1962, N. 95 ff. zu Art. 5 ZGB; MARTI, in: Zürcher Kommentar, 3. Aufl. 1998, N. 5, 62 und 266 zu Art. 5 ZGB; PIOTET, Ergänzendes kantonales Recht, SPR I/2, 2001, Rz. 75; zurückhaltender STEINAUER, Le Titre préliminaire du Code civil, TDP II/1, 2009, Rz. 202).  
 
3.4. Nach Art. 686 ZGB sind die Kantone befugt, die Abstände festzulegen, die bei Grabungen und Bauten zu beobachten sind (Abs. 1); ausserdem bleibt ihnen vorbehalten, weitere Bauvorschriften aufzustellen (Abs. 2). Es handelt sich um einen echten Rechtsetzungsvorbehalt im Sinn von Art. 5 Abs. 1 ZGB (BGE 132 III 49 E. 2.2; 129 III 161 E. 2.4; GÖKSU, a.a.O., N. 1 zu Art. 686 ZGB; MEIER-HAYOZ, Berner Kommentar, 3. Aufl. 1975, N. 81 ff. zu Art. 685/686 ZGB; REY/STREBEL, a.a.O., N. 20 zu Art. 685/686 ZGB; VON FISCHER LEHMANN, in: Kren Kostkiewicz/Wolf/Amstutz/Fankhauser [Hrsg.], ZGB Kommentar, 4. Aufl. 2021, N. 1 zu Art. 686 ZGB).  
 
3.5.  
 
3.5.1. Im Rahmen des Erlasses des Baugesetzes vom 7. Juni 1970 (aufgehoben mit dem Inkrafttreten des Baugesetzes vom 9. Juni 1985 [BauG; BSG 721.0]) hat der Gesetzgeber des Kantons Bern neu weitere Bauvorschriften in das EG ZGB aufgenommen (BAG 1970 d 163). Dazu gehört Art. 79i EG ZGB. Danach gilt eine Stützmauer, welche auf der Grenze steht, als Bestandteil des Grundstücks, dessen Eigentümer sie erstellt hat; kann dies nicht festgestellt werden, so wird Miteigentum beider Nachbarn angenommen.  
 
3.5.2. In BGE 59 II 221 E. 2 und 3 hat das Bundesgericht die Frage, ob der Vorbehalt nach Art. 686 Abs. 2 ZGB auch im Verhältnis zu Art. 670 ZGB gilt, aufgeworfen, die Antwort darauf aber offengelassen (weil die kantonale Regelung im konkreten Fall nicht von der bundesrechtlichen abwich). In der Doktrin wird diese Frage einheitlich bejaht. STEINAUER leitet seine Antwort aus dem Umstand ab, dass Art. 670 ZGB lediglich eine Vermutung des Miteigentums statuiere (a.a.O., Rz. 2638). DROUX erwägt, Art. 686 ZGB habe auch im Kontext von Art. 670 ZGB seinen Platz, zumal die Vermutung (auch) durch einen abweichenden kantonalen Ortsgebrauch widerlegt werden könne; wenn dem so sei, müsse dies erst recht für eine gesetzliche Regelung gelten (Le mur mitoyen à l'exemple du droit fribourgeois, 1984, S. 28 f.). PIOTET erklärt ausdrücklich, der kantonale Gesetzgeber sei befugt, von Art. 670 ZGB abzuweichen oder diese Bestimmung zu präzisieren (in: Commentaire romand, Code civil, 2016, N. 10 und 12 zu Art. 686 ZGB), und MEIER-HAYOZ meint unter diesem Titel, die Kantone könnten namentlich die Eigentumsverhältnisse an auf der Grenze stehenden Mauern regeln (a.a.O., N. 103 zu Art. 685/686 ZGB). Nach LIVER sind die Kantone befugt, kantonales "Stützmauerrecht" zu erlassen (Das Eigentum, in: SPR Bd. V/1, 1977, S. 248, wo er in Fn. 22 Art. 79i EG ZGB ausdrücklich erwähnt). Andere Autoren bejahen diese Frage ebenfalls, teils ohne weitere Begründung, teils unter Hinweis auf hiervor erwähnte Lehrmeinungen (GÖKSU, a.a.O., N. 7 zu Art. 670 ZGB; MEIER-HAYOZ, a.a.O., N. 21 ff. zu Art. 670 ZGB; REY/STREBEL, a.a.O., N. 7 zu Art. 670 ZGB; SCHMID/VON GRAFFENRIED, a.a.O., N. 4 f. zu Art. 670 ZGB; WOLF, a.a.O., N. 73 zu Art. 5 ZGB).  
 
3.5.3. Die Beschwerdeführerin glaubt, in Art. 79i EG ZGB einen unzulässigen Widerspruch zur (bundes) gesetzlichen Regelung der Bestandteile als Teil des (Grund-) Eigentums (Art. 642 ZGB) zu erkennen. Sie führt aus, nach BGE 64 II 83 dürfe eine kantonale Regelung den aus Art. 642 ZGB fliessenden Begriffsmerkmalen zum Bestandteil nicht widersprechen. Es trifft zwar zu, dass mit dem Grund und Boden oberirdisch oder unterirdisch verbundene Bauten als Bestandteile eines Grundstücks gelten (vgl. BGE 92 II 227 E. 2b). Nun hat aber der Bundesgesetzgeber für alle Vorrichtungen, die auf der Grenze zweier Grundstücke stehen, also auch für unterirdisch mit dem Grund und Boden verbundene Mauern, eine Spezialregelung erlassen (vorne E. 3.1). Danach wird hierfür Miteigentum vermutet. Miteigentümer halten eine Sache nach (rechnerischen) Bruchteilen und ohne äusserliche Aufteilung in ihrem Eigentum (Art. 646 Abs. 1 ZGB). Sie haben gemeinschaftliches Eigentum am ganzen Gegenstand (BRUNNER/WICHTERMANN, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, 7. Aufl. 2022, N. 1 zu Art. 646 ZGB, die von einem Gesamtrecht an der Sache sprechen); nur die Ausübung des Eigentums und der Eigentumsrechte daran ist geteilt (GRAHAM-SIEGENTHALER, a.a.O., N. 1 zu Art. 646 ZGB; SCHMID/HÜRLIMANN-KAUP, Sachenrecht, 6. Aufl. 2022, Rz. 723). Steht also eine Stützmauer auf der Grundstückgrenze, d.h. befindet sie sich sowohl auf dem einen wie auch dem anderen Grundstück, werden die Eigentümer der beiden Grundstücke - gestützt auf Art. 670 ZGB vermutungsweise - je auch (Mit-) Eigentümer jenes Teils der Mauer, der auf dem Grundstück des anderen steht. Insofern hat der Bundesgesetzgeber für Vorrichtungen zur Abgrenzung zweier Grundstücke eine Regelung vorgesehen, die von den Grundsätzen des Umfangs des Grundeigentums (Art. 667 und Art. 671 ZGB) abweicht. Lässt aber das Bundesrecht im Kontext von auf einer Grundstückgrenze stehenden Vorrichtungen Abweichungen vom Akzessionsprinzip zu, kann dieses nicht ein derart wesentliches Begriffsmerkmal des Bestandteils sein, von welchem der kantonale Gesetzgeber im Rahmen seiner Regelungskompetenz (Art. 686 ZGB) nicht abweichen dürfte. Art. 79i EG ZGB führt bloss - aber immerhin - dazu, dass nicht beide Grundeigentümer, sondern nur einer, nämlich jener, der die Grenzmauer gebaut hat, Eigentümer einer nicht ausschliesslich auf seinem Grundstück stehenden Vorrichtung wird. Insofern erweisen sich die Befürchtungen der Beschwerdeführerin, Art. 79i EG ZGB stehe in grundsätzlichem Widerspruch zu Bundesrecht, als unbegründet.  
 
3.5.4. Zusammenfassend durfte der Kanton Bern gestützt auf Art. 686 Abs. 2 ZGB die streitgegenständliche Bestimmung (Art. 79i EG ZGB) erlassen; der Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts (Art. 49 BV) ist nicht verletzt.  
 
4.  
Gestützt auf das vorstehend Ausgeführte ergibt sich fallspezifisch was folgt: 
 
4.1. Die Beschwerdeführerin bestreitet die Qualifikation der Holzpalisadenwand als Vorrichtung im Sinn von Art. 670 ZGB nicht.  
 
4.2. Die Holzpalisadenwand wurde unbestrittenermassen vom Rechtsvorgänger der Beschwerdeführerin erstellt. Ob er diese seinerzeit an oder auf die Grundstückgrenze gestellt hat, spielt mit Bezug auf die Frage, in wessen Eigentum sie steht, keine Rolle (vgl. E. 2.2). Soweit die Holzpalisadenwand auf die Grenze zwischen den Grundstücken Nr. yyy und xxx gebaut wurde, worauf die Beschwerdeführerin insistiert, wurde der Rechtsvorgänger gestützt auf Art. 79i EG ZGB Eigentümer dieser Vorrichtung (vgl. E. 3.5). Gründe, weshalb dieses (unselbständige) Eigentum anlässlich des Erwerbs des Grundstücks Nr. xxx nicht auf die Beschwerdeführerin übergegangen sein soll, führt diese nicht auf.  
 
4.3. Bei diesem Ergebnis zielen die Einwendungen der Beschwerdeführerin, mit welchen sie Willkür in der Anwendung des Dienstbarkeitsrechts (fehlendes Überbaurecht [Art. 674 ZGB], fehlende Baurechtsdienstbarkeit [Art. 779 ZGB] sowie der gutgläubige Erwerb eines nicht durch Dienstbarkeiten belasteten Grundstücks [Art. 731 i.V.m. Art. 973 Abs. 1 ZGB]) geltend macht, ins Leere. Darauf ist nicht weiter einzugehen.  
 
5.  
Schliesslich bestreitet die Beschwerdeführerin ihre alleinige Unterhaltspflicht. Sie bezieht sich auf Art. 741 Abs. 2 ZGB und leitet daraus eine Mitverpflichtung der Beschwerdegegner ab, weil die Holzpalisadenwand auch deren Interessen diene. Wie die Beschwerdeführerin selbst ausführt, gilt diese Bestimmung für Vorrichtungen, die zur Ausübung einer Dienstbarkeit gehören (Art. 741 Abs. 1 ZGB). Weshalb sie auch für Vorrichtungen im Sinn von Art. 670 ZGB gelten soll, die kraft Gesetzes (Art. 79i EG ZGB) und nicht gestützt auf eine Dienstbarkeit (z.B. Überbaurecht) im Alleineigentum eines Grundeigentümers stehen, erklärt sie hingegen nicht. Von Willkür in der Anwendung von Art. 741 Abs. 2 ZGB kann keine Rede sein.  
Unbegründet ist auch die in diesem Zusammenhang erhobene Rüge der Verletzung der Begründungspflicht als Teilgehalt des rechtlichen Gehörs. Die aus Art. 29 Abs. 2 BV abgeleitete Begründungspflicht verpflichtet das Gericht lediglich, seinen Entscheid so abzufassen, dass die Betroffenen ihn sachgerecht anfechten können, weshalb wenigstens kurz die entscheidwesentlichen Gesichtspunkte zu nennen sind, aber nicht auf jede Einzelheit eingegangen werden muss (BGE 143 III 65 E. 5.2; 142 III 433 E. 4.3.2; 141 III 28 E. 3.2.4; je mit Hinweisen). Die verfassungsrechtlichen Minimalanforderungen sind vorliegend mit dem auf alle relevanten Elemente bezugnehmenden angefochtenen Entscheid in jeder Hinsicht erfüllt. Die Beschwerdeführerin behauptet nicht, sie habe ihre auf Art. 741 Abs. 2 ZGB gründenden Einwendungen auch für den Fall vorgetragen, dass die Holzpalisadenwand gestützt auf Art. 79i EG ZGB in ihrem Alleineigentum stehen sollte. Da das Obergericht verfassungskonform zu diesem Ergebnis gelangt ist, brauchte es sich nicht spezifisch zu Art. 741 Abs. 2 ZGB zu äussern. 
 
6.  
Nach dem Ausgeführten ist die Beschwerde in Zivilsachen unzulässig und erweist sich die subsidiäre Verfassungsbeschwerde als unbegründet, soweit darauf eingetreten werden kann. 
 
6.1. Nachdem der Beschwerde die aufschiebende Wirkung erteilt wurde, diese aber abzuweisen ist, tritt die Verpflichtung der Beschwerdeführerin, innert 60 Tagen nach Rechtskraft des Entscheids das Grundstück Nr. yyy mittels Böschung oder einer neuen Stützmauer entlang der Parzellengrenze zum Grundstück Nr. xxx zu sichern oder auf eigene Kosten sichern zu lassen und die angebrachten Schaltafeln zu entfernen, mit dem vorliegenden Entscheid in Rechtskraft (Art. 61 BGG). Folglich erübrigt sich die Ansetzung einer neuen Frist. Der Vollständigkeit halber sei angefügt, dass sich der Beginn des Fristenlaufs für die vorliegenden Belange nicht anhand des Entscheiddatums, sondern der Eröffnung des bundesgerichtlichen Urteils beurteilt (vgl. BGE 122 I 97 E. 3a/bb).  
 
6.2. Die Beschwerdeführerin unterliegt und wird kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Nachdem sich die Beschwerdegegner der Erteilung der aufschiebenden Wirkung erfolglos widersetzt haben und sich in der Hauptsache nicht vernehmen lassen mussten, ist keine Parteientschädigung geschuldet (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).  
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, 2. Zivilkammer, mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 4. April 2023 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Herrmann 
 
Die Gerichtsschreiberin: Gutzwiller