Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
7B_921/2023
Urteil vom 8. April 2025
II. strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Abrecht, Präsident,
Bundesrichterin Koch, Bundesrichter Kölz,
Gerichtsschreiber Schurtenberger.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Frank Jetzer,
Beschwerdeführer,
gegen
Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich, Schwerpunktkriminalität, Cybercrime und besondere Untersuchungen, Güterstrasse 33, Postfach, 8010 Zürich,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Entsiegelung,
Beschwerde gegen die Verfügung des Bezirksgerichts Zürich, Zwangsmassnahmengericht, vom 23. Oktober 2023 (GT230130-L / U).
Sachverhalt:
A.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich führt eine Strafuntersuchung gegen A.________ wegen des Verdachts der Geldwäscherei und weiterer Delikte. Im Rahmen dieser Strafuntersuchung führte sie am 14. September 2023 am Wohnort von A.________ eine Hausdurchsuchung durch, anlässlich welcher sie diverse Gegenstände sicherstellte. A.________ verlangte gleichentags die Siegelung mehrerer sichergestellter Gegenstände, namentlich des Smartphones, zweier Laptops sowie des Tablets. Er begründete den Antrag auf Siegelung mit seinem Aussageverweigerungsrecht, fehlender Untersuchungsrelevanz dieser Gegenstände und mit dem Vorliegen "persönlich schützenswerter Daten".
B.
Am 22. September 2023 beantragte die Staatsanwaltschaft beim Bezirksgericht Zürich, Zwangsmassnahmengericht, die Entsiegelung der sichergestellten Gegenstände. Mit Verfügung vom 23. Oktober 2023 stellte das Zwangsmassnahmengericht fest, dass "der Siegelungsantrag des Gesuchsgegners vom 14. September 2023 ungültig ist, weshalb keine gültige Siegelung stattgefunden hat". Demzufolge ordnete es die Freigabe der sichergestellten Gegenstände zur Durchsuchung und weiteren Verwendung in der laufenden Strafuntersuchung an.
C.
Dagegen erhob A.________ mit Eingabe vom 24. November 2023 beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, die angefochtene Verfügung sei aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zu neuer Beurteilung zurückzuweisen. In prozessualer Hinsicht verlangt er sodann die Gewährung der aufschiebenden Wirkung sowie der unentgeltlichen Rechtspflege und Rechtsverbeiständung für das bundesgerichtliche Beschwerdeverfahren.
Die Vorinstanz hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. Die Staatsanwaltschaft beantragte mit Eingabe vom 30. November 2023 sowohl die Abweisung der Beschwerde als auch jene der prozessualen Anträge des Beschwerdeführers. Mit Präsidialverfügung vom 14. Dezember 2023 erkannte das Bundesgericht der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu.
Erwägungen:
1.
1.1. Angefochten ist ein Entscheid über die Entsiegelung von Aufzeichnungen und Gegenständen, die in einem strafprozessualen Untersuchungsverfahren in Anwendung von Art. 246 ff. StPO sichergestellt wurden. Die Vorinstanz hat gemäss Art. 248a Abs. 1 lit. a und Abs. 4 sowie Art. 380 StPO als einzige kantonale Instanz entschieden, weshalb die Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht nach Art. 78 ff. BGG grundsätzlich offensteht.
1.2. Das Bundesgericht prüft im Rahmen der Beschwerde in Strafsachen nur, ob die kantonale Instanz das Bundesrecht richtig angewendet hat, mithin jenes Recht, welches die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid anwenden musste (Urteil 7B_158/2023 vom 6. August 2024 E. 1.4 mit Hinweisen). Das Siegelungsrecht wurde in der auf den 1. Januar 2024 in Kraft gesetzten Gesetzesreform revidiert (AS 2023 468; BBl 2019 6697). Der hier streitige Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts datiert indessen vom 24. November 2023. Massgebend für die Beurteilung der bundesgerichtlichen Beschwerde sind damit die bis zum 31. Dezember 2023 geltenden Bestimmungen.
1.3. Der angefochtene Entscheid schliesst das Strafverfahren nicht ab. Er kann deshalb nur unter den Voraussetzungen von Art. 92 und 93 BGG angefochten werden. Die Beschwerde ist insbesondere zulässig, wenn er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG). Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt, da der Beschwerdeführer vor Bundesgericht schlüssig behauptet, dass der vom Zwangsmassnahmengericht angeordneten Entsiegelung Geheimnisschutzgründe im Sinne von aArt. 248 Abs. 1 StPO entgegenstehen (zum Ganzen: Urteil 7B_145/2025 vom 25. März 2025 E. 2.2, zur Publikation bestimmt, mit Hinweisen).
2.
Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe sein Siegelungsgesuch zu Unrecht für ungültig erklärt und damit aArt. 248 Abs. 1 StPO verletzt.
2.1. Die Vorinstanz hält zusammengefasst fest, siegelungsfähig seien lediglich Gegenstände und Aufzeichnungen, die einer Durchsuchung im Sinne von Art. 246 ff. StPO zugänglich seien und schützenswerte Geheimnisse enthalten könnten. Dies sei bei den sichergestellten Reisepässen, dem SIM-Kartenhalter (ohne SIM) und dem Schlüsselbund nicht der Fall, weshalb sich der Siegelungsantrag bereits unter diesem Gesichtspunkt als pauschal und undifferenziert erweise.
Was die weiteren Gegenstände betreffe, sei festzuhalten, dass der Beschwerdeführer im Rahmen seines Siegelungsgesuchs das Aussageverweigerungsrecht, die fehlende Untersuchungsrelevanz sowie das Vorliegen persönlich schützenswerter Daten als Siegelungsgrund vorgebracht habe. Weder beim Aussageverweigerungsrecht noch bei der fehlenden Untersuchungsrelevanz handle es sich um einen Siegelungsgrund im Sinne von aArt. 248 Abs. 1 StPO. Der blosse Hinweis auf "persönlich schützenswerte Daten" erweise sich sodann als sehr vage und pauschal. Konkrete Siegelungsgründe bzw. Geheimnisschutzinteressen habe der Beschwerdeführer im Rahmen des Siegelungsgesuchs nicht vorgebracht. Für eine Glaubhaftmachung der Siegelungsgründe, so die Vorinstanz weiter, wäre zu erwarten gewesen, dass zumindest sinngemäss dargelegt werde, um was für konkrete Geheimhaltungsinteressen (Anwaltsgeheimnis, Arztgeheimnis, Intimsphäre etc.) es sich handle. Eine solche summarische Begründung des Siegelungsbegehrens sei dem Beschwerdegegner bzw. der anlässlich des Siegelungsantrags ebenfalls anwesenden (damaligen) Verteidigerin zuzumuten gewesen. Weshalb es dem Gesuchsgegner nicht möglich gewesen sein sollte, die im Rahmen des Entsiegelungsverfahrens geltend gemachten Geheimnisschutzinteressen bereits anlässlich des Siegelungsantrags zumindest stichwortartig zu benennen, sei nicht ersichtlich.
2.2. Nach der Rechtsprechung wird nicht verlangt, dass die betroffene Person die Siegelungsgründe bereits im Rahmen ihres Antrags im Detail begründet. Erforderlich ist nur (aber immerhin), dass sie sinngemäss einen spezifischen Siegelungsgrund anruft (Urteil 7B_318/2023 vom 27. Dezember 2023 E. 3.2 mit Hinweis). Dies hat der Beschwerdeführer vorliegend mit der Berufung auf "persönlich schützenswerte Daten", also Privatgeheimnisse im Sinne von Art. 264 Abs. 1 lit. b StPO, getan, zumal bei der vollständigen Durchsuchung von privat genutzten Smartphones ohne Weiteres davon auszugehen ist, dass persönliche Aufzeichnungen und Korrespondenz im Sinne von Art. 264 Abs. 1 lit. b StPO tangiert sind (Urteil 7B_145/2025 vom 25. März 2025 E. 2.7, zur Publikation bestimmt, mit Hinweisen). Die Beschwerde ist demnach insoweit begründet, als die Vorinstanz mit ihrer Feststellung, es liege kein gültiges Siegelungsgesuch vor, Bundesrecht verletzt (Art. 95 lit. a BGG).
2.3. Was die übrigen sichergestellten Gegenstände betrifft, ist zu beachten, dass die Vorschriften über die Siegelung kein Selbstzweck sind, sondern die "Möglichkeit eines verfrühten Zugangs" der Untersuchungsbehörden auf geheimnisgeschützte Daten verhindern sollen. Zwar sind im Entsiegelungsverfahren auch akzessorische Einwände zu prüfen. Dies setzt indessen voraus, dass überhaupt Geheimhaltungsgründe im Sinne von aArt. 248 Abs. 1 StPO vorgebracht werden. Denn die primäre Aufgabe des Entsiegelungsgerichts ist, zu prüfen, ob schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen einer Durchsuchung bzw. Beschlagnahme entgegenstehen (Urteil 7B_318/2023 vom 27. Dezember 2023 E. 3.3 f. mit Hinweis). Derartige Geheimhaltungsinteressen hat der Beschwerdeführer im Entsiegelungsverfahren indessen einzig bezüglich des sichergestellten Mobiltelefons (Sicherstellungsposition Nr. 17) vorgebracht. Entsprechend ist nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz insofern kein Siegelungsverfahren durchgeführt und die übrigen sichergestellten Gegenstände der Staatsanwaltschaft zur Durchsuchung und weiteren Verwendung in der laufenden Strafuntersuchung freigegeben hat.
3.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde teilweise gutzuheissen. Der angefochtene Entscheid ist insoweit abzuändern, als die Feststellung der Vorinstanz, es liege kein gültiges Siegelungsgesuch vor (Dispositiv-Ziff. 1 Abs. 1), und die Freigabe des Smartphones des Beschwerdeführers (Sicherstellungsposition Nr. 17) zur Durchsuchung und weiteren Verwendung in der laufenden Strafuntersuchung (Dispositiv-Ziff. 1 Abs. 2 Spiegelstrich 12) aufzuheben sind. Die Sache ist bezüglich des Smartphones (Sicherstellungsposition Nr. 17) zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Im Übrigen ist die Beschwerde abzuweisen.
Die Parteien werden im Umfang ihres Unterliegens grundsätzlich kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG ). Der Kanton Zürich hat dem Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren im Umfang seines Obsiegens eine angemessene Entschädigung zu bezahlen, trägt aber keine Verfahrenskosten (Art. 66 Abs. 4 BGG). Da der Beschwerdeführer um unentgeltliche Rechtspflege ersucht, ist die Entschädigung praxisgemäss seinem Rechtsvertreter zuzusprechen. Insoweit wird das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung gegenstandslos. Im Übrigen ist das Gesuch abzuweisen, da deren Gewährung voraussetzt, dass der Beschwerdeführer nicht über die erforderlichen Mittel verfügt und sein Rechtsbegehren nicht aussichtslos ist (Art. 64 Abs. 1 BGG). Der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer behauptet zwar seine Mittellosigkeit, unterlässt es jedoch, diese auch nur ansatzweise zu belegen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
1.1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen.
1.2. Dispositiv-Ziffer 1 Abs. 1 und Abs. 2 Spiegelstrich 12 der Verfügung des Zwangsmassnahmengerichts vom 23. Oktober 2023 werden aufgehoben.
1.3. Die Sache wird zu neuer Entscheidung bezüglich der Sicherstellungsposition Nr. 17 an die Vorinstanz zurückgewiesen.
1.4. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen, soweit es nicht gegenstandslos geworden ist.
3.
Die Gerichtskosten werden im Umfang von Fr. 2'000.-- dem Beschwerdeführer auferlegt.
4.
Der Kanton Zürich hat den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt Friedrich Frank, für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen.
5.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Bezirksgericht Zürich, Zwangsmassnahmengericht, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 8. April 2025
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Abrecht
Der Gerichtsschreiber: Schurtenberger