Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
2C_237/2025
Urteil vom 9. Mai 2025
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin,
Gerichtsschreiberin Ivanov.
Verfahrensbeteiligte
1. A.A.________,
2. B.A.________,
Beschwerdeführer,
gegen
Sicherheits- und Justizdepartement des Kantons St. Gallen,
Oberer Graben 32, 9001 St. Gallen.
Gegenstand
Aufenthaltsbewilligung, vorsorgliche Massnahmen,
Beschwerde gegen das Schreiben des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen, Abteilung II, Präsidentin, vom 3. April 2025.
Erwägungen:
1.
1.1. Mit Urteil 2C_345/2023 vom 4. April 2024 wies das Bundesgericht eine Beschwerde der 1981 geborenen portugiesischen Staatsangehörigen A.A.________ (vormals: C.C.________) und des 1978 geborenen italienischen Staatsangehörigen B.A.________ (vormals: D.C.________) betreffend Widerruf bzw. Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA ab, soweit es darauf eintrat.
1.2. Mit Schreiben vom 6. Mai 2025 (Postaufgabe) übermittelte das Bundesverwaltungsgericht eine vom 15. April 2025 datierte, als "Dringende Beschwerde und Antrag auf vollständige richterliche Überprüfung" bezeichnete Eingabe von A.A.________ und B.A.________ zuständigkeitshalber an das Bundesgericht. Die Beschwerde richtet sich gegen ein Schreiben der Präsidentin der Abteilung II des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 3. April 2025, mit welchem ein vorsorglicher Antrag von A.A.________ und B.A.________ um Gestattung des Aufenthalts in der Schweiz abgewiesen wurde. Dem Schreiben lässt sich entnehmen, dass der Antrag im Rahmen eines derzeit beim Verwaltungsgericht hängigen Beschwerdeverfahrens gegen einen Entscheid des Sicherheits- und Justizdepartements des Kantons St. Gallen vom 20. Februar 2025 betreffend ein Wiedererwägungsgesuch zum Widerruf bzw. zur Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA gestellt wurde.
1.3. In ihrer Eingabe vom 15. April 2025 beantragen die Beschwerdeführer, es sei der Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 3. April 2025 aufzuheben und es sei ihrem Antrag auf vorsorgliche Massnahmen bzw. aufschiebende Wirkung im vorinstanzlichen Verfahren zu entsprechen. Ferner stellen sie diverse Feststellungsanträge, so namentlich, es sei festzustellen, dass eine zwangsweise Ausschaffung oder Wegweisung während laufender Gerichtsverfahren eine unmittelbare Intervention beim EGMR rechtfertigen würde, dass das Verhalten des Verwaltungsgerichts als unvereinbar mit verschiedenen rechtsstaatlichen Prinzipien sei und dass die Durchführung der Wegweisung eine Verletzung völkerrechtlicher Normen darstellen würde. Sodann ersuchen sie das Bundesgericht unter anderem, das Migrationsamt des Kantons St. Gallen anzuweisen, ihnen unverzüglich eine Bestätigung über das hängige ausländerrechtliche Verfahren auszustellen und die Angelegenheit an eine "sachlich und unparteiisch zusammengesetzte Kammer innerhalb der Bundesgerichtsbarkeit zur materiellen Prüfung zu überweisen", da die Unvoreingenommenheit der Vorinstanz nicht gegeben sei. Prozessual ersuchen sie um Beizug der Vorakten sowie um Erteilung der aufschiebenden Wirkung in dem Sinne, dass alle Vollzugsmassnahmen zu unterbleiben haben.
Es wurden keine Instruktionsmassnahmen angeordnet.
2.
2.1. Gegenstand des vorliegenden bundesgerichtlichen Verfahrens bildet einzig der prozedurale Aufenthalt der Beschwerdeführer während der Dauer des vor dem Verwaltungsgericht hängigen Verfahrens betreffend ein Wiedererwägungsgesuch zum Widerruf bzw. zur Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA. Nicht Verfahrensgegenstand ist ein allfälliger Vollzug der Wegweisung oder die Ausschaffung der Beschwerdeführer. Auf die in diesem Zusammenhang gestellten (Feststellungs) anträge ist daher nicht einzutreten. Im Übrigen sind Feststellungsanträge aufgrund ihres subsidiären Charakters unzulässig, wenn - wie vorliegend - kein schutzwürdiges Feststellungsinteresse erkennbar ist (vgl. u.a. BGE 148 I 160 E. 1.6; 141 IV 349 E. 3.4.2; Urteil 2C_84/2024 vom 30. September 2024 E. 1.5). Nicht einzutreten ist ferner auf den Antrag, es sei das Migrationsamt des Kantons St. Gallen anzuweisen, den Beschwerdeführern unverzüglich eine Bestätigung über das hängige ausländerrechtliche Verfahren auszustellen, da dieser ebenfalls den Verfahrensgegenstand sprengt. Schliesslich ist das Bundesgericht nicht zuständig, der Vorinstanz die Verfahrenshoheit für die materielle Beurteilung ihrer Beschwerde gegen den Entscheid des Departements zu entziehen.
2.2. Das vorliegend angefochtene Schreiben der Abteilungspräsidentin des Verwaltungsgerichts, mit welchem ein Gesuch der Beschwerdeführer um vorsorglichen Aufenthalt in der Schweiz während der Dauer des vorinstanzlichen Beschwerdeverfahrens abgewiesen wurde, wird zwar nicht formell als Verfügung bezeichnet und ist nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen. Materiell kommt diesem indessen Verfügungscharakter zu, sodass von einem gültigen Anfechtungsobjekt auszugehen ist (zum Verfügungsbegriff vgl. u.a. BGE 143 II 268 E. 4.2.1; 141 II 233 E. 3.1; 139 V 143 E. 1.2).
2.3. Beim Entscheid über den prozeduralen Aufenthalt im Sinne von Art. 17 AIG (SR 142.20) handelt es sich um einen Zwischenentscheid über eine vorsorgliche Massnahme mit materiellrechtlichen Vorgaben im Bundesrecht (Urteile 2C_281/2024 vom 12. Juni 2024 E. 2; 2C_376/2022 vom 13. September 2022 E. 1.3; 2C_852/2014 vom 2. Oktober 2015 E. 2.2). Nach dem Grundsatz der Einheit des Verfahrens (vgl. BGE 143 II 425 E. 1.3; 138 II 501 E. 1.1) folgt der Rechtsweg bei Zwischenentscheiden demjenigen der Hauptsache (vgl. BGE 137 III 380 E. 1.1; Urteile 2C_477/2021 vom 24. Juni 2021 E. 1.2; 2C_1062/2020 vom 25. März 2021 E. 1.1). Vorliegend braucht nicht geklärt zu werden, ob in der Hauptsache die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig ist (vgl. Art. 83 lit. c Ziff. 2 und 5 BGG ) oder lediglich die subsidiäre Verfassungsbeschwerde (Art. 113 ff. BGG) zur Verfügung steht, da auf die Beschwerde so oder so nicht einzutreten ist, wie nachstehend aufzuzeigen sein wird.
3.
3.1. Gegen selbständig eröffnete Zwischenentscheide, die weder die Zuständigkeit noch den Ausstand betreffen (Art. 92 BGG), ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten - abgesehen vom hier nicht massgebenden Fall gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG - nur zulässig, wenn der angefochtene Entscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (vgl. Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG). Art. 93 BGG gilt kraft Verweises in Art. 117 BGG auch für das Verfahren der subsidiären Verfassungsbeschwerde (vgl. auch Urteil 5A_573/2015 vom 22. April 2016 E. 2.3). Praxisgemäss muss der Nachteil, der dem Beschwerdeführer droht, rechtlicher Natur sein und auch durch einen für den Beschwerdeführer günstigen Entscheid in der Zukunft nicht mehr behoben werden können (BGE 143 III 416 E. 1.3; 141 III 80 E. 1.2). Rein tatsächliche Nachteile reichen grundsätzlich nicht aus (BGE 142 III 798 E. 2.2; 141 III 80 E. 1.2). Dass im konkreten Fall ein nicht wieder gutzumachender Nachteil droht, ist in der Beschwerdebegründung aufzuzeigen, soweit ein solcher nicht ohne Weiteres ins Auge springt. Andernfalls ist auf die Beschwerde nicht einzutreten (BGE 144 III 475 E. 1.2; 142 III 798 E. 2.2; 141 III 80 E. 1.2).
3.2. Die Verpflichtung eines Ausländers, die Schweiz zu verlassen und das Ergebnis des ausländerrechtlichen Verfahrens im Ausland abzuwarten, bildet grundsätzlich nur dann einen nicht wieder gutzumachenden rechtlichen Nachteil, wenn in der Sache selber ein Rechtsanspruch auf Anwesenheit besteht bzw. ein solcher zumindest vertretbar dargetan wird (vgl. Urteile 2C_517/2024 vom 24. Oktober 2024 E. 3.4; 2C_281/2024 vom 12. Juni 2024 E. 3.2; 2D_9/2017 vom 3. Oktober 2017 E. 1.5 mit Hinweisen; 2D_58/2011 vom 9. Januar 2012 E. 1.2).
3.3. Das Bundesgericht hat im Urteil 2C_345/2023 vom 4. April 2024 im Wesentlichen festgehalten, dass die Beschwerdeführer über keine Aufenthaltsansprüche gestützt auf das FZA (SR 0.142.112.681) verfügen, da sie weder die Voraussetzungen einer unselbstständigen noch jene einer selbstständigen Erwerbstätigkeit i.S.v. Art. 6 Anhang I FZA bzw. Art. 12 Anhang I FZA erfüllen würden (vgl. E. 3 und 4). Vor diesem Hintergrund hat es zudem erwogen, dass sie sich nicht auf ein Verbleiberecht gestützt auf Art. 4 Anhang I FZA berufen können (vgl. E. 4.5). In der Folge hat das Bundesgericht festgehalten, dass die Aufenthaltsbewilligungen der Beschwerdeführer zu Recht widerrufen bzw. nicht verlängert wurden.
Wird - wie hier - nach einer rechtskräftigen Aufenthaltsbeendigung ein Gesuch um Aufenthaltsbewilligung gestellt, so geht es nicht um ein Wiederaufleben der früheren Bewilligung, sondern es handelt sich um eine neue Bewilligung, die voraussetzt, dass im Zeitpunkt ihrer Erteilung die dannzumal geltenden Bewilligungsvoraussetzungen erfüllt sind (Urteile 2C_749/2022 vom 17. August 2023 E. 1.2; 2C_141/2021 vom 13. April 2021 E. 1.2; 2C_663/2020 vom 2. März 2021 E. 2.2).
3.4. In ihrer 33 Seiten umfassenden, teilweise ausufernden Eingabe erwähnen die Beschwerdeführer zwar an verschiedenen Stellen das FZA. Entgegen ihrer Begründungspflicht (vgl. E. 3.1 hiervor) legen sie indessen in keiner Weise dar, inwiefern sich die Umstände seit dem Urteil des Bundesgerichts 2C_345/2023 vom 4. April 2024 verändert haben sollen, sodass sie (neu) über einen (potenziellen) Aufenthaltsanspruch gestützt auf das FZA verfügen würden. Dass sie aus dem von ihnen ausdrücklich erwähnten Art. 4 Anhang I FZA kein Verbleiberecht ableiten können, hat das Bundesgericht in jenem Urteil bereits festgehalten (vgl. Urteil 2C_345/2023 vom 4. April 2024 E. 4.5 und E. 3.3 hiervor).
Keinen Bewilligungsanspruch können die Beschwerdeführer ferner aus der von ihnen zitierten Unionsbürgerrichtlinie (Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004, ABl. L 158 vom 30. April 2004, S. 77) ableiten, da diese für die Schweiz nicht unmittelbar massgebend ist (vgl. BGE 149 I 248 E. 6.2; Urteil 2C_484/2022 vom 15. Mai 2023 E. 3.4.2).
3.5. Zudem könnten die Beschwerdeführer, die im Januar 2017 in die Schweiz eingereist sind (vgl. Urteil 2C_345/2024 vom 4. April 2024, Sachverhalt A.a) und sich - soweit ersichtlich - spätestens seit dem Urteil des Bundesgerichts 2C_345/2024 vom 4. April 2024 nicht mehr rechtmässig in der Schweiz aufhalten, aus BGE 144 I 266 und der darin aufgestellten Vermutung, dass eine ausländische Person nach einem zehnjährigen rechtmässigen Aufenthalt als integriert gelten könne (vgl. dort E. 3.9), keinen Anspruch auf Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung gestützt auf den Schutz des Privatlebens (Art. 8 Ziff. 1 EMRK und Art. 13 Abs. 1 BV) ableiten.
Nicht ersichtlich ist ferner, dass den Beschwerdeführern ein potenzieller Bewilligungsanspruch gestützt auf den Schutz des Familienlebens gemäss Art. 8 Ziff. 1 EMRK bzw. Art. 13 Abs. 1 BV zustehen würde, da mangels gegenteiliger Anhaltspunkte vom Grundsatz auszugehen ist, dass ihre minderjährigen Kinder mit ihnen auszureisen haben (BGE 143 I 21 E. 5.4; Urteil 2C_669/2020 vom 28. August 2020 E. 2.2.2). Dass andere familiäre Verhältnisse vorliegen sollen, die aufgrund eines besonderen Abhängigkeitsverhältnisses ausnahmsweise in den Schutzbereich von Art. 8 EMRK bzw. Art. 13 Abs. 1 BV fallen könnten, wird ebenfalls nicht geltend gemacht (vgl. dazu u.a. BGE 147 I 268 E. 1.2.3; 144 II 1 E. 6.1 mit Hinweisen). Unbehelflich sind die Hinweise auf das Übereinkommen über die Rechte des Kindes vom 20. November 1989 (KRK; SR 0.107), da sich daraus rechtsprechungsgemäss keine über die Garantien von Art. 8 EMRK bzw. Art. 13 Abs. 1 BV hinausgehenden eigenständigen Bewilligungsansprüche ergeben (vgl. z.B. BGE 144 I 91 E. 5.2; 143 I 21 E. 5.5.2).
Schliesslich verschafft das von den Beschwerdeführern angerufene Diskriminierungsverbot gemäss Art. 8 Abs. 2 BV in der Regel keinen Bewilligungsanspruch. Dass es sich in ihrem Fall anders verhalten soll, legen sie nicht dar (vgl. dazu BGE 147 I 89 E. 1.1.4 mit Hinweisen; Urteil 2D_25/2024 vom 15. November 2024 E. 5.1).
Ein anderweitiger potenzieller Bewilligungsanspruch ist nicht ersichtlich.
3.6. Folglich gelingt es den Beschwerdeführern nicht in vertretbarer Weise darzutun, dass ein Rechtsanspruch auf Anwesenheit in der Schweiz besteht und somit dass ihnen ein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a (allenfalls i.V.m. Art. 117) BGG droht, wenn sie den Entscheid über ihre Aufenthaltsbewilligung im Ausland abwarten müssen (vgl. E. 3.2 hiervor). Ein solcher Nachteil ist im Übrigen auch nicht offensichtlich. Die Eingabe erweist sich daher als unzulässig, und zwar unabhängig davon, ob diese als Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten oder als subsidiäre Verfassungsbeschwerde zu behandeln sei.
4.
4.1. Auf die offensichtlich unzulässige Beschwerde ist mit Entscheid der Abteilungspräsidentin als Einzelrichterin im vereinfachten Verfahren nach Art. 108 BGG (Abs. 1 lit. a) nicht einzutreten. Damit werden die Gesuche um aufschiebende Wirkung bzw. vorsorgliche Massnahmen für das bundesgerichtliche Verfahren sowie um Aktenbeizug gegenstandslos.
4.2. Auf die Erhebung von Gerichtskosten wird umständehalber ausnahmsweise verzichtet (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).
Demnach erkennt die Präsidentin:
1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen, Abteilung II, Präsidentin, mitgeteilt.
Lausanne, 9. Mai 2025
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin
Die Gerichtsschreiberin: D. Ivanov