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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1C_490/2024  
 
 
Urteil vom 9. Dezember 2024  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident, 
Bundesrichter Chaix, Müller, 
Gerichtsschreiber Dold. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1. Andi Augsburger, 
2. Daniel Egloff, 
3. Willi Egloff, 
4. Nadin Fuhrer, 
5. Sabine Hunziker, 
6. Jeannot Leisi, 
7. Zora Schneider, 
Beschwerdeführende, 
alle vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Tribolet, 
 
gegen  
 
Einwohnergemeinde Bern, handelnd durch den Gemeinderat, Erlacherhof, Junkerngasse 47, Postfach, 3000 Bern 8, 
Regierungsstatthalteramt Bern-Mittelland, Poststrasse 25, 3071 Ostermundigen KATA. 
 
Gegenstand 
Ungültigerklärung der Volksinitiative für einen kostenlosen öffentlichen Nahverkehr in der Stadt Bern, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, vom 16. Juli 2024 (100.2022.274U). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Am 18. März 2021 wurde in der Einwohnergemeinde Bern die Volksinitiative "für einen kostenlosen öffentlichen Nahverkehr in der Stadt Bern" eingereicht, welche die "freie Fahrt für alle Benutzerinnen und Benutzer von Bernmobil auf dem Gebiet der Gemeinde Bern" fordert. Mit Verfügung vom 7. Januar 2022 erklärte der Gemeinderat die Initiative für ungültig. Eine dagegen erhobene Beschwerde wies die Regierungsstatthalterin des Verwaltungskreises Bern-Mittelland mit Entscheid vom 28. Juli 2022 ab. 
Gegen den Entscheid der Regierungsstatthalterin gelangten Andi Augsburger, Daniel Egloff, Willi Egloff, Nadin Fuhrer, Sabine Hunziker, Jeannot Leisi und Zora Schneider (die Mitglieder des lnitiativkomitees) mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Bern. Dieses wies das Rechtsmittel mit Urteil vom 16. Juli 2024 ab, soweit es darauf eintrat. Wie bereits der Gemeinderat und die Regierungsstatthalterin gelangte auch es zum Ergebnis, dass die Initiative nicht mit Art. 81a Abs. 2 BV vereinbar sei. 
 
B.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht vom 19. August 2024 beantragen die genannten Personen, das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 18. (recte: 16.) Juli 2024 sei aufzuheben und die Sache zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Die Regierungsstatthalterin hat auf eine Stellungnahme verzichtet. Die Einwohnergemeinde und das Verwaltungsgericht schliessen auf Abweisung der Beschwerde. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Gemäss Art. 82 lit. c BGG entscheidet das Bundesgericht über Beschwerden, die das Stimmrecht der Bürger und Bürgerinnen sowie die Volkswahlen und -abstimmungen betreffen. Die Beschwerde im Bereich der politischen Rechte ermöglicht es den Stimmberechtigten insbesondere, sich dagegen zu wehren, dass eine Volksinitiative zu Unrecht der Volksabstimmung entzogen wurde (BGE 128 I 190 E. 1.1). Sie steht jeder Person zu, die in der fraglichen Angelegenheit stimmberechtigt ist (Art. 89 Abs. 3 BGG). Da die Beschwerdeführenden gemäss den vorinstanzlichen Feststellungen in der Einwohnergemeinde Bern stimmberechtigt sind und zudem am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen haben (vgl. Art. 89 Abs. 1 lit. a BGG und BGE 149 II 66 E. 1.4), sind sie zur Beschwerde berechtigt. 
Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt und geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist einzutreten. Indes erweist sie sich als offensichtlich unbegründet, sodass sie im vereinfachten Verfahren gemäss Art. 109 Abs. 2 lit. a und Abs. 3 BGG mit summarischer Begründung zu behandeln ist. 
 
2.  
 
2.1. Die Volksinitiative "für einen kostenlosen öffentlichen Nahverkehr in der Stadt Bern" sieht eine Änderung von Art. 21 des Anstaltsreglements der Städtischen Verkehrsbetriebe (SVB) vom 28. September 1997 (SSSB 764.11) vor. Die geltende Fassung dieser Bestimmung lautet folgendermassen:  
 
"Art. 21 Fahrpreise/Tarife 
Soweit die Fahrpreise oder Tarife der SVB nicht Kraft übergeordneten Rechts durch andere Instanzen festgelegt werden, sind diese durch den Verwaltungsrat so festzusetzen, dass die Einnahmen insgesamt die nicht durch Subventionen abgegoltenen Aufwendungen für das Leistungsangebot des durch den Kanton mitfinanzierten öffentlichen, nicht touristischen Verkehrs abdecken." 
 
Die Volksinitiative "für einen kostenlosen öffentlichen Nahverkehr in der Stadt Bern" verlangt dagegen Folgendes: 
 
"Das Anstaltsreglement der Städtischen Verkehrsbetriebe (SVB) wird wie folgt geändert: Art. 21 Fahrpreise/Tarife: Soweit die Fahrpreise oder Tarife der SVB nicht Kraft übergeordneten Rechts durch andere Instanzen festgelegt werden, sind diese durch den Verwaltungsrat festzusetzen. Dabei ist sicherzustellen, dass der öffentliche, nicht touristische Verkehr in der Stadt Bern für alle Benutzerinnen und Benutzer kostenlos ist." 
 
 
2.2. Der Gemeinderat erklärte die Volksinitiative für ungültig, weil er sie als mit Art. 81a Abs. 2 BV unvereinbar erachtete. Diese Bestimmung sieht vor, dass die Kosten des öffentlichen Verkehrs zu einem angemessenen Teil durch die von den Nutzerinnen und Nutzern bezahlten Preise gedeckt werden. Die Regierungsstatthalterin und das Verwaltungsgericht teilen die Auffassung des Gemeinderats, wobei das Verwaltungsgericht die Beschwerde gar als offensichtlich unbegründet bezeichnete.  
 
2.3. Ob und inwiefern kantonale und kommunale Volksinitiativen vorgängig auf ihre Rechtmässigkeit, das heisst auf ihre Vereinbarkeit mit dem übergeordneten Recht, geprüft werden, bestimmt sich nach dem kantonalen und kommunalen Recht (BGE 128 I 190 E. 1.2 f.; Urteil 1C_470/2018 vom 4. März 2019 E. 2; je mit Hinweisen). Im Kanton Bern erklärt der Gemeinderat eine Initiative unter anderem dann für ungültig, wenn sie rechtswidrig ist (Art. 17 des Gemeindegesetzes des Kantons Bern vom 16. März 1998 [Gemeindegesetz, GG; BSG 170.11]; s. auch Art. 79 lit. b des Reglements der Stadt Bern vom 16. Mai 2004 über die politischen Rechte [RPR; SSSB 141.1]). Erforderlich ist damit eine noch vor der Volksabstimmung durchzuführende, freie Überprüfung der Initiative auf ihre Vereinbarkeit mit dem übergeordneten Recht. Damit besteht ein Unterschied zur Rechtslage in gewissen anderen Kantonen, wo eine Volksinitiative nur ungültig ist, wenn ihr Widerspruch zum übergeordneten Recht offensichtlich ist, das heisst ins Auge springt (vgl. Urteil 1C_470/2018 vom 4. März 2019 E. 2 mit Hinweisen). Ob die Vorinstanzen zu Recht von der Unvereinbarkeit der Volksinitiative "für einen kostenlosen öffentlichen Nahverkehr in der Stadt Bern" mit Art. 81a Abs. 2 BV ausgingen, prüft das Bundesgericht frei (Art. 95 lit. a und d BGG).  
 
2.4. Während das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht hängig war, fällte das Bundesgericht das Urteil 1C_393/2022 vom 31. März 2023 (publ. in BGE 149 I 182). Das Bundesgericht kam darin zum Schluss, dass eine im Kanton Freiburg eingereichte Verfassungsinitiative für kostenlose öffentliche Verkehrsmittel gegen Art. 81a Abs. 2 BV verstösst. Das Verwaltungsgericht hat diese Rechtsprechung zutreffend wiedergegeben und die bundesgerichtlichen Erwägungen auf die hier umstrittene Initiative angewendet. Zutreffend ist es davon ausgegangen, dass die verfassungsrechtliche Bestimmung ihrem insofern klaren Wortlaut entsprechend auch den kommunalen öffentlichen Verkehr erfasst. Weiter erwog es, dass der im Initiativtext enthaltene Vorbehalt zu Gunsten des übergeordneten Rechts keine inhaltliche Verfassungskonformität gewährleiste, da er sich einzig auf die Zuständigkeit zur Festlegung der Preise und Tarife und nicht auf die Grundsätze für deren Festlegung beziehe. Dem ist zuzustimmen. Die entgegengesetzte Auffassung der Beschwerdeführenden, es handle sich um einen allgemeinen Vorbehalt zu Gunsten des übergeordneten Rechts und die neue Reglementsvorschrift würde zumindest eine Zielgrösse für die künftige Ausgestaltung des Fahrpreissystems im städtischen Verkehr vorgeben, findet dagegen im Wortlaut der Initiative keinerlei Stütze. Umstritten ist weiter, was unter dem "touristischen Verkehr" der SVB zu verstehen ist, der gemäss der Initiative von der Kostenlosigkeit auszunehmen ist. Das Verwaltungsgericht ging davon aus, es handle sich dabei im Wesentlichen bloss um Extrafahrten im Dampftram, im Restaurant-Tram oder in einem Oldtimer-Bus. Die Beschwerdeführenden halten dies für offensichtlich unzutreffend. Wie es sich im Einzelnen mit diesem Begriff, der auch in Art. 3 und 9 des Gesetzes des Kantons Bern vom 16. September 1993 über den öffentlichen Verkehr (BSG 762.4) verwendet wird, verhält, braucht hier nicht vertieft zu werden (vgl. zur Auslegung von Initiativtexten BGE 147 I 183 E. 6.2 mit Hinweis). In jedem Fall hat die Initiative zur Folge, dass der weitaus überwiegende Teil der Nutzerinnen und Nutzer keinen angemessenen Teil an die Kosten des öffentlichen Verkehrs in der Stadt Bern beitragen würde. Dies ist gestützt auf die Erwägungen in BGE 149 I 182 mit Art. 81a Abs. 2 BV nicht vereinbar.  
Im Übrigen kann auf den angefochtenen Entscheid verwiesen werden. 
 
3.  
Nach dem Dargelegten ist die Beschwerde im vereinfachten Verfahren gemäss Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG abzuweisen. 
Dem Verfahrensausgang entsprechend tragen die Beschwerdeführenden die Gerichtskosten (vgl. Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (vgl. Art. 68 Abs. 1 und Abs. 3 BGG).  
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden den Beschwerdeführenden auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführenden, der Einwohnergemeinde Bern, dem Regierungsstatthalteramt Bern-Mittelland und dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 9. Dezember 2024 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kneubühler 
 
Der Gerichtsschreiber: Dold