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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_574/2024  
 
 
Urteil vom 10. Oktober 2024  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Herrmann, Präsident, 
Bundesrichter von Werdt, Hartmann, 
Gerichtsschreiber Möckli. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Flurin Turnes, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
B.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Adrian Fiechter, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Scheidungsnebenfolgen, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, II. Zivilkammer, vom 30. Juli 2024 (FO.2023.15-K2 / ZV.2023.83-K2 / ZV.2023.106-K2). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Mit Urteil vom 13. Januar 2023 schied das Kreisgericht Werdenberg-Sarganserland die Ehe der Parteien. Dabei sah es von der Festsetzung nachehelichen Unterhalts ab, verweigerte die Teilung des Vorsorgeguthabens und erklärte die Parteien in güterrechtlicher Hinsicht als per Saldo aller Ansprüche auseinandergesetzt. 
 
B.  
Mit Berufungsurteil vom 30. Juli 2024 wies das Kantonsgericht St. Gallen die Berufung des Ehemannes hinsichtlich des Verzichts auf die Teilung des Vorsorgeguthabens ab. Hingegen hob es das erstinstanliche Urteil betreffend das Güterrecht auf und wies die Sache zum Entscheid über die Forderungen aus der güterrechtlichen Auseinandersetzung und zur neuen Regelung der Prozesskosten an das Kreisgericht zurück. 
 
C.  
Mit Beschwerde vom 2. September 2024 verlangt die Beschwerdeführerin die diesbezügliche Aufhebung des Berufungsurteils und die Feststellung, dass zufolge Nichterhebung einer Berufung bezüglich des Scheidungspunktes die güterrechtliche Auseinandersetzung als Nebenfolge durch eine weitere Instanz nicht abgewandelt werden könne bzw. dürfe, weil die Voraussetzung für ein solches Begehren die bestehende Ehe sei, welche im Zeitpunkt der Erhebung der Berufungsbegehren bereits aufgelöst gewesen sei. Ferner wird ein Gesuch um aufschiebende Wirkung gestellt. Weil die Sache sofort spruchreif ist, wurde nur ein Kostenvorschuss einverlangt, aber auf die Einholung einer Stellungnahme zum Gesuch um aufschiebende Wirkung und einer Vernehmlassung in der Sache verzichtet. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid betreffend die Regelung des Güterrechts als Scheidungsnebenfolge mit Fr. 30'000.-- übersteigendem Streitwert; die Beschwerde in Zivilsachen kann potenziell gegeben sein (Art. 72 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 lit. b und Art. 75 Abs. 1 BGG). 
Es ist jedoch zu beachten, dass es sich beim Anfechtungsobjekt um einen Rückweisungsentscheid handelt. Dieser führt zu keinem Verfahrensabschluss, weshalb er ein Zwischenentscheid ist (BGE 144 III 253 E. 1.3; 144 IV 321 E. 2.3). Als solcher ist er nur unter den besonderen Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 BGG mit Beschwerde in Zivilsachen anfechtbar (BGE 145 III 42 E. 2.1), wobei diese in der Beschwerde im Einzelnen darzulegen sind (BGE 137 III 324 E. 1.1; 141 III 80 E. 1.2; 141 IV 289 E. 1.3). Es bleibt die Möglichkeit, im Anschluss an den aufgrund des Rückweisungsentscheids neu ergehenden Endentscheid an das Bundesgericht zu gelangen (Art. 93 Abs. 3 BGG). Grundgedanke dabei ist, dass das Bundesgericht sich nach dem Willen des Gesetzgebers soweit möglich nur einmal mit der gleichen Sache befassen soll (BGE 141 III 80 E. 1.2; 142 III 798 E. 2.2; 143 III 290 E. 1.3; 144 III 475 E. 1.2). 
Die Beschwerdeführerin versäumt es, die besonderen Anfechtungsvoraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 BGG darzulegen. Weil das beschwerdeweise vorgetragene Hauptanliegen jedoch darin besteht, dass von vornherein gar nicht mehr über das Güterrecht entschieden werden dürfe - was bei grosszügiger Auslegung nichts anderes als eine Begründung im Sinn von Art. 93 Abs. 1 BGG ist -, rechtfertigt es sich, insbesondere auch zur Verhinderung von diesbezüglich unnötigen Weiterungen im kantonalen Verfahren, nachfolgend auf die materielle Frage einzugehen. 
 
2.  
Bereits im Berufungsverfahren hatte die Beschwerdeführerin vortragen lassen, indem der Scheidungspunkt nicht berufen und damit rechtskräftig geworden sei, dürfe nicht mehr nachträglich über das Güterrecht entschieden werden, da ein entsprechendes Rechtsbegehren den Bestand bzw. das weitere Bestehen der Ehe voraussetze. 
Das Kantonsgericht hielt diesbezüglich fest: "Diese Ausführungen erscheinen als völlig abstrus und entbehren jeder Grundlage. Gemäss Art. 315 Abs. 1 ZPO hemmt die Berufung die Rechtskraft und die Vollstreckbarkeit des angefochtenen Entscheids (nur) im Umfang der Berufungsanträge. Umgekehrt bedeutet dies, dass die angefochtenen Scheidungsfolgen berufungsweise noch zu beurteilen sind." 
Vor Bundesgericht lässt die Beschwerdeführerin ausführen, damit werde der vertretende Anwalt diskriminiert, denn wer abstruse Theorien herumbiete, sei ja ein Spinner; mit einer solchen Diffamierung werde die Rechtsstaatlichkeit untergraben. Die Ansicht des Kantonsgerichts könne nicht stimmen, weil sonst trotz rechtskräftig geschiedener Ehe ein jeder kommen und Punkte aus dem seinerzeitigen Scheidungsurteil aufgreifen könnte, welche ihm nicht passen würden; man hätte es dann mit Prozessen sonder Zahl zu tun. 
Die Beschwerdeführerin ist durch die konkrete Wortwahl in den Erwägungen des angefochtenen Entscheides nicht beschwert (Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG), nur das Dispositiv ist für sie massgeblich. Insoweit erübrigen sich Weiterungen zum Wort "abstrus". Ohnehin wollte das Kantonsgericht damit nicht den Rechtsvertreter diffamieren, sondern zum Ausdruck bringen, dass die Argumentationslinie offensichtlich unhaltbar ist und jeglicher Grundlage entbehrt: 
In der Schweiz gilt der Grundsatz der Einheit des Scheidungsurteils (Art. 283 Abs. 1 ZPO). Danach muss das Scheidungsgericht zusammen mit dem Scheidungspunkt auch über die Nebenfolgen der Scheidung befinden. Allerdings kann es das Güterrecht in ein Separatum verweisen (Art. 283 Abs. 2 ZPO) und in der jüngeren Rechtsprechung ist anerkannt worden, dass es auch im Zusammenhang mit weiteren Nebenfolgen ausnahmsweise vorab über den Scheidungspunkt entscheiden darf (vgl. BGE 144 III 298). Der Grundsatz der Einheit des Scheidungsurteils betrifft somit in erster Linie horizontal die Ebene der Entscheidinstanz und nicht vertikal das Rechtsmittelverhältnis. Vorliegend geht es aber genau um diese zweite Frage, ob einzelne Nebenfolgen des - als Einheit ergangenen - erstinstanzlichen Scheidungsurteils angefochten werden können oder ob (wegen des Einheitsgrundsatzes) unteilbar das gesamte Scheidungsurteil den Anfechtungsgegenstand des oberinstanzlichen Verfahrens bilden muss. Diese Frage wird nach dem zutreffenden Hinweis im angefochtenen Entscheid durch Art. 315 Abs. 1 ZPO - und vor Inkrafttreten der Schweizerischen Zivilprozessordnung in identischer Weise durch den aufgehobenen Art. 148 Abs. 1 ZGB - geregelt, wonach die Berufung die Rechtskraft des erstinstanzlichen Urteils nur in Bezug auf diejenigen Punkte hemmt, welche berufen worden sind. Daraus folgt umgekehrt, dass eine Partei nicht gezwungen ist, das gesamte erstinstanzliche Urteil zum Berufungsgegenstand zu machen. Dies führt dazu, dass nicht angefochtene Urteilspunkte - vorliegend insbesondere der Scheidungspunkt als solcher und damit die personenstandsrechtlichen Folgen der Scheidung - in Rechtskraft erwachsen, nicht jedoch die berufenen Punkte. Das Rechtsmittelgericht kann gestützt auf Art. 318 Abs. 1 ZPO die noch nicht entschiedenen Punkte durch reformatorisches Urteil selbst entscheiden oder sie ganz oder teilweise an die erste Instanz zurückweisen (zum Ganzen im spezifischen Kontext mit den Scheidungsnebenfolgen: BGE 130 III 537 E. 5; 134 III 426 E. 1.2; Urteil 5A_213/2019 vom 25. September 2019 E. 1.4; FANKHAUSER/ BLEICHENBACHER, in: FamKomm Scheidung, Band II, 4. Aufl. 2022, Anhang ZPO, Art. 283 N. 5). 
 
3.  
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde abzuweisen ist, soweit auf sie einzutreten ist. Mit dem umgehenden Urteil in der Sache ist das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos. 
 
4.  
Die Gerichtskosten sind der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Gegenseite ist kein entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden, weil weder eine Stellungnahme zum Gesuch um aufschiebende Wirkung noch eine Vernehmlassung in der Sache eingeholt worden ist. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen, II. Zivilkammer, mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 10. Oktober 2024 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Herrmann 
 
Der Gerichtsschreiber: Möckli