Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
7B_5/2023
Urteil vom 10. Oktober 2024
II. strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Abrecht, Präsident,
Bundesrichterin Koch, Bundesrichter Hofmann,
Gerichtsschreiberin Sauthier.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Marco Bivetti,
Beschwerdeführerin,
gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Appenzell A.Rh., Schützenstrasse 1A, 9100 Herisau,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Nichtanhandnahme (Verletzung des Berufs- eventuell des Amtsgeheimnisses),
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts Appenzell Ausserrhoden, 2. Abteilung,
vom 6. Dezember 2022 (O2S 22 5).
Sachverhalt:
A.
Die Staatsanwaltschaft Appenzell Ausserrhoden führt seit dem Jahr 2019 ein Strafverfahren gegen A.________ wegen mehrfachen gewerbsmässigen Betrugs, mehrfacher Veruntreuung, mehrfacher gewerbsmässiger Geldwäscherei, mehrfacher Geldwäscherei, mehrfacher Urkundenfälschung, mehrfacher falscher Anschuldigung, mehrfacher, teilweise versuchter Erpressung, mehrfacher, teilweise versuchter Nötigung, mehrfachen Entziehens von Minderjährigen, Drohung, mehrfacher Verleumdung, mehrfacher übler Nachrede und mehrfacher Beschimpfung. A.________ wird unter anderem vorgeworfen, gegenüber mindestens 1'000 Stiftungen falsche Angaben gemacht zu haben, um von diesen Geld zu erhalten. Sie soll von rund 100 Stiftungen Geld erhalten und dieses für ihren "gehobenen Lebensstil" verwendet haben. Zu diesem Zweck soll sie teilweise schutzbedürftige Personen - namentlich ältere Menschen, Menschen mit Suchtproblemen und Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger - bedroht und unter Druck gesetzt haben. Ferner soll sie sich gegenüber der Kantonspolizei Appenzell Ausserrhoden dahingehend geäussert haben, den Vater ihrer Tochter, B.________, irgendwann zu erschiessen.
B.
Die Staatsanwaltschaft erteilte Dr. med. C.________, Facharzt FMH für Psychiatrie und Psychotherapie, am 7. April 2021 den Auftrag zur psychiatrischen Begutachtung von A.________. Das Gutachten wurde am 22. Oktober 2021 erstattet und A.________ zur Kenntnis gebracht. Mit Schreiben vom 25. Februar 2022 beantragte sie, es sei gegen den Gutachter ein Strafverfahren wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses zur eröffnen.
Mit Verfügung vom 22. März 2022 nahm die Staatsanwaltschaft das Verfahren nicht an die Hand. Dagegen erhob A.________ Beschwerde an das Obergericht des Kantons Appenzell Ausserrhoden, welches die Beschwerde mit Beschluss vom 6. Dezember 2022 abwies.
C.
Mit Eingabe vom 9. Januar 2023 führt A.________ Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht. Sie beantragt, der Beschluss des Obergerichts vom 6. Dezember 2022 betreffend Nichtanhandnahme sei aufzuheben. Weiter sei die Nichtanhandnahmeverfügung vom 22. März 2022 aufzuheben und die Staatsanwaltschaft anzuweisen, gegen Dr. med. C.________ ein Strafverfahren wegen Verletzung des Berufs- eventuell des Amtsgeheimnisses zu eröffnen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Am 3. Juli 2023 zeigte das Bundesgericht den Verfahrensbeteiligten einen Zuständigkeits- bzw. Abteilungswechsel an (Übergang des Verfahrens 6B_33/2023 von der Strafrechtlichen auf die II. strafrechtliche Abteilung unter der neuen Verfahrensnummer 7B_5/2023).
Erwägungen:
1.
1.1. Gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG ist die Privatklägerschaft zur Beschwerde in Strafsachen nur berechtigt, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann. Bei den Zivilansprüchen geht es in erster Linie um Ansprüche auf Schadenersatz und Genugtuung gemäss Art. 41 ff. OR, die üblicherweise vor den Zivilgerichten geltend gemacht werden müssen (BGE 146 IV 76 E. 3.1; zur Publ. bestimmtes Urteil 7B_1024/2023 vom 26. Juni 2024 E. 2.1; je mit Hinweisen). Öffentlich-rechtliche Ansprüche, auch solche aus Staatshaftungsrecht, sind keine Zivilansprüche, die adhäsionsweise im Strafprozess geltend gemacht werden können. Die Einstellung des Strafverfahrens bzw. die Nichtanhandnahme einer Untersuchung kann sich diesfalls nicht auf Zivilansprüche auswirken (BGE 146 IV 76 E. 3.1; 125 IV 161 E. 2b).
1.2. Richtet sich die Beschwerde gegen die Einstellung oder Nichtanhandnahme eines Verfahrens, hat die Privatklägerschaft - also diejenige Person, welche durch die Straftat in ihren Rechten unmittelbar verletzt worden ist, und sich durch ausdrückliche Erklärung am Strafverfahren als Straf- oder Zivilklägerin beteiligt (Art. 115 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 118 StPO) - nicht notwendigerweise bereits vor den kantonalen Behörden eine Zivilforderung geltend gemacht. Die Privatklägerschaft muss vor Bundesgericht daher darlegen, aus welchen Gründen sich der angefochtene Entscheid inwiefern auf welche Zivilforderung auswirken kann. Das Bundesgericht stellt an die Begründung der Legitimation strenge Anforderungen (BGE 141 IV 1 E. 1.1; Urteil 7B_481/2024 vom 20. August 2024 E. 1.2). Es prüft die Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen und mit freier Kognition (BGE 149 IV 9 E. 2; 143 IV 357 E. 1), aber ohne eingehende Auseinandersetzung mit der Sache (Urteil 6B_654/2022 vom 22. Februar 2023 E. 1.1). Dementsprechend ist, namentlich bei komplexen Fällen, in welchen allfällige Zivilansprüche nicht offensichtlich sind, in der Beschwerdeschrift einleitend und in gedrängter Form darzulegen, inwiefern die Eintretensvoraussetzungen erfüllt sind (Urteil 7B_481/2024 vom 20. August 2024 E. 1.2). Dabei genügt nicht, dass die Privatklägerschaft lediglich behauptet, von der fraglichen Straftat betroffen zu sein; sie muss vielmehr die Anspruchsvoraussetzungen und namentlich den erlittenen Schaden genau substanziieren und letzteren soweit möglich beziffern (Urteil 7B_79/2022 vom 10. Januar 2024 E. 1.1; zum Ganzen: Urteil 7B_18/2024 vom 14. März 2024 E. 2; je mit Hinweisen). Genügt die Beschwerde diesen Begründungsanforderungen nicht, kann auf sie nur eingetreten werden, wenn aufgrund der Natur der untersuchten Straftat ohne Weiteres ersichtlich ist, um welche Zivilforderungen es geht (zum Ganzen: BGE 141 IV 1 E. 1.1; zur Publ. bestimmtes Urteil 7B_1024/2023 vom 26. Juni 2024 E. 2.1 mit Hinweisen).
1.3. Den dargestellten Begründungsanforderungen genügt die Beschwerde nicht. Zwar macht die Beschwerdeführerin geltend, sie werde, sofern ein Strafverfahren eröffnet werde, selbstverständlich Zivilforderungen (Schadenersatz und Genugtuung) stellen. Ihre Persönlichkeit sei durch das eigenmächtige Vorgehen des Gutachters im Sinne von Art. 49 OR widerrechtlich verletzt worden. Worin diese widerrechtliche Verletzung ihrer Persönlichkeit liegen soll und welcher Schaden ihr tatsächlich aus der angeblich widerrechtlichen Handlung des Gutachters erwachsen sein soll, zeigt sie aber nicht ansatzweise auf. Daran ändert auch ihre Behauptung nichts, die Zivilforderung könne derzeit - nicht zuletzt auch deshalb - noch nicht beziffert werden, weil die Folgen der widerrechtlichen Handlungen des Gutachters noch nicht abschliessend feststünden. Das Verfahren wirke sich aber auf jeden Fall auf Zivilansprüche aus, denn falls kein Verfahren eröffnet werde, könne sie auch keine Zivilansprüche geltend machen.
Wie das Bundesgericht im die Beschwerdeführerin betreffenden Urteil 1B_460/2022 vom 24. November 2022 in E. 2.3.2 bereits festhielt, ist fraglich, inwiefern die Beschwerdeführerin durch die dem Gutachter vorgeworfene Verletzung des Berufs- und Amtsgeheimnisses tatsächlich einen Schaden erlitten haben soll. Ebenso wenig ist ersichtlich, inwiefern die Schwere einer allfälligen Verletzung der Persönlichkeit eine Genugtuung rechtfertigen sollte. Die Beschwerdeführerin hätte vor Bundesgericht darlegen müssen, weshalb sie welche Zivilforderung erheben will. Ihr Einwand, wonach die Zivilforderung derzeit noch nicht beziffert werden könne, weil die Folgen der widerrechtlichen Handlungen noch nicht abschliessend feststehen, entbindet sie nicht davon, zumindest in gedrängter Form darzulegen, inwiefern ihr tatsächlich ein Schaden erwachsen sein soll bzw. eine derart schwere Verletzung der Persönlichkeit vorliegen soll, die eine Genugtuung rechtfertigen würde. Indem sie es unterlässt, den erlittenen Schaden zu substanziieren oder zumindest zu umreissen, geschweige den zu beziffern, vermag sie den strengen Anforderungen, die das Bundesgericht an die Begründung der Legitimation stellt (vgl. E. 1.2 hiervor), nicht nachzukommen.
Die Beschwerdeführerin wäre verpflichtet gewesen, allfällige (medizinische) Belege einzureichen und - zumindest in groben Zügen - den Zusammenhang zwischen der anbegehrten strafrechtlichen Untersuchung und den zivilrechtlichen Schadenersatz- und Genugtuugsansprüchen darzulegen. Die Kausalität zwischen dem angeblich strafbaren Verhalten - der mutmasslichen Verletzung des Amtsgeheimnisses durch den Gutachter, indem dieser Dritte informiert habe, dass gegen die Beschwerdeführerin ein Strafverfahren am Laufen sei und in diesem Rahmen eine psychiatrische Begutachtung durchgeführt werde - und einem möglichen Schaden erhellt nicht ohne Weiteres. Nähere Ausführungen dazu wären unabdingbar gewesen. Nach dem Gesagten behauptet die Beschwerdeführerin mit ihren knappen Ausführungen die Anspruchsvoraussetzungen ihrer angeblichen Zivilforderungen nicht schlüssig und konkretisiert diese nicht hinreichend. Auf die Beschwerde ist folglich nicht einzutreten.
1.4. Im Übrigen handelt es sich beim Gutachtensauftrag einer kantonalen Behörde nicht um einen privatrechtlichen Auftrag, sondern um ein Rechtsverhältnis des kantonalen öffentlichen Rechts (BGE 134 I 159 E. 3; Urteil 7B_641/2023 vom 17. Oktober 2023 E. 1.2; je mit Hinweisen). Demgemäss stellt die Tätigkeit als Gutachter oder Gutachterin im Dienst des Staates eine hoheitliche Aufgabe dar (Urteil 7B_641/2023 vom 17. Oktober 2023 E. 1.2 mit Hinweisen). Allfällige Haftungsansprüche gegen den Gutachter oder die Gutachterin richten sich nach den kantonalen oder bundesrechtlichen Bestimmungen zur Staatshaftung. Ein persönlicher Anspruch der geschädigten Person gegen die Experten ist in der Regel ausgeschlossen. Die Geschädigte, der ausschliesslich öffentlich-rechtliche Ansprüche aus Haftungsrecht gegen den Staat zustehen, und die keine Zivilforderung gegen die angeblich fehlbaren Personen geltend machen kann, ist nicht beschwerdelegitimiert nach Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG (vgl. 7B_641/2023 vom 17. Oktober 2023 E. 1.2 mit Hinweisen). Auch insofern erweist sich die Beschwerde als unzulässig.
2.
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Ihr Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist wegen Aussichtslosigkeit der Beschwerde abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht Appenzell Ausserrhoden, 2. Abteilung, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 10. Oktober 2024
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Abrecht
Die Gerichtsschreiberin: Sauthier