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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_672/2024  
 
 
Urteil vom 10. Oktober 2024  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Abrecht, Präsident, 
Bundesrichterin Koch, Bundesrichter Kölz, 
Gerichtsschreiberin Kern. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Fürsprecher Manuel Rohrer, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Sicherheits- und Justizdepartement des Kantons St. Gallen, 
Oberer Graben 32, 9001 St. Gallen, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Bedingte Entlassung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid der Anklagekammer des Kantons St. Gallen vom 16. Mai 2024 
(AK.2024.148-AK). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Das Kreisgericht Werdenberg-Sarganserland sprach A.________ mit Urteil vom 4. November 2022 des gewerbsmässigen Betrugs, der mehrfachen Veruntreuung, der mehrfachen qualifizierten ungetreuen Geschäftsbesorgung, der Misswirtschaft, der Unterlassung der Buchführung und der Verleumdung schuldig und verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren, unter Anrechnung der bereits erstandenen Untersuchungs- und Sicherheitshaft sowie des vorzeitigen Strafvollzugs. Die siebenjährige Freiheitsstrafe endet am 9. Juli 2026. A.________ hat seit dem 9. März 2024 zwei Drittel der Freiheitsstrafe verbüsst. 
 
B.  
A.________ ersuchte am 8. Januar 2024 um bedingte Entlassung aus dem Strafvollzug. Das Amt für Justizvollzug des Sicherheits- und Justizdepartements des Kantons St. Gallen wies das Gesuch mit Verfügung vom 20. März 2024 ab. Dagegen reichte A.________ bei der Anklagekammer des Kantons St. Gallen Beschwerde ein. Diese wies die Beschwerde mit Entscheid vom 16. Mai 2024 ab, soweit sie darauf eintrat, und erlegte A.________ die Kosten des Beschwerdeverfahrens von Fr. 2'000.-- auf. 
 
C.  
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt A.________ vor Bundesgericht, es sei der Entscheid vom 16. Mai 2024 aufzuheben und er sei umgehend bedingt aus dem Strafvollzug zu entlassen, unter Anordnung einer Probezeit, die der bedingt aufgeschobenen Reststrafe entspreche. Eventualiter sei die Sache an das Sicherheits- und Justizdepartement des Kantons St. Gallen zur Neubeurteilung zurückzuweisen. Es sei festzustellen, dass "Herr Frei" des Sicherheits- und Justizdepartements in dieser Angelegenheit befangen sei und das Sicherheits- und Justizdepartement sei anzuweisen, die Angelegenheit bei einer allfälligen Rückweisung durch ein unbefangenes Behördenmitglied prüfen zu lassen. Es sei festzustellen, dass das Sicherheits- und Justizdepartement das Beschleunigungsgebot verletzt habe und dass ihm (A.________) für den entstandenen Schaden und die erlittene seelische Unbill "eine Entschädigung den Betrag von Fr. 18'000.-- übersteigend" auszurichten sei. 
Die Vorinstanz hat auf Vernehmlassung verzichtet. Die Staatsanwaltschaft beantragt, die Beschwerde abzuweisen. Das Amt für Justizvollzug beantragt, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. A.________ hat nicht repliziert. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Anfechtungsgegenstand ist ein letztinstanzlicher kantonaler Entscheid (Art. 80 und Art. 90 BGG), worin über die bedingte Entlassung aus dem Strafvollzug befunden wird. Es handelt sich um eine Strafsache im Sinne von Art. 78 Abs. 2 lit. b BGG, gegen welche die Beschwerde in Strafsachen zulässig ist. Der Beschwerdeführer als verurteilte Person ist zur Beschwerde legitimiert (Art. 81 Abs. 1 lit. a und lit. b BGG). Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde grundsätzlich einzutreten.  
 
1.2. Nicht einzutreten ist dagegen auf den Antrag des Beschwerdeführers, ihm sei für den entstandenen Schaden und die erlittene seelische Unbill eine Entschädigung den Betrag von Fr. 18'000.-- übersteigend auszurichten. Dabei handelt es sich um ein neues und damit unzulässiges Begehren (Art. 99 Abs. 2 BGG).  
 
2.  
 
2.1. Mit Beschwerde in Strafsachen können Rechtsverletzungen nach Art. 95 und Art. 96 BGG gerügt werden. Soweit sich der angefochtene Entscheid auf kantonales Recht stützt, kommt als Beschwerdegrund die Verletzung von Bundesrecht, insbesondere von verfassungsmässigen Rechten, in Frage (Art. 95 lit. a BGG). Im Vordergrund steht dabei das Willkürverbot von Art. 9 BV. Die unrichtige Anwendung des kantonalen Gesetzesrechts stellt demgegenüber keine zulässige Rüge dar (BGE 141 IV 305 E. 1.2 mit Hinweisen; 137 V 57 E. 1.3; 134 II 349 E. 3). Auch die Feststellung des Sachverhalts kann vor Bundesgericht nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig und damit willkürlich ist (Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 143 IV 241 E. 2.3.1; 143 I 310 E. 2.2; je mit Hinweis). Hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten und von kantonalem Recht gilt sodann eine qualifizierte Rügepflicht. Das Bundesgericht prüft Rügen nur insofern, als sie in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden sind (Art. 106 Abs. 2 BGG).  
 
2.2. Gemäss Art. 439 Abs. 1 StPO bestimmen Bund und Kantone die für den Vollzug von Strafen und Massnahmen zuständigen Behörden sowie das entsprechende Verfahren; besondere Regelungen in der StPO und im StGB bleiben vorbehalten. Das Verfahren betreffend die bedingte Entlassung aus dem Strafvollzug wird durch das kantonale Verfahrensrecht geregelt, wobei die StPO als ergänzendes kantonales Recht zur Anwendung kommt, soweit das kantonale Recht dies vorsieht. Im vorliegenden Fall hat die Vorinstanz Art. 58 Abs. 1 StPO als ergänzendes kantonales Recht angewandt, was vom Beschwerdeführer nicht kritisiert wird (Urteil 6B_623/2018 vom 22. August 2018 E. 2.2 mit Hinweisen; vgl. BGE 141 IV 187 E. 1.1; Urteil 6B_277/2023 vom 22. März 2023 E. 2.2 mit Hinweisen).  
 
3.  
Der Beschwerdeführer rügt eine "Verletzung der Ausstandspflicht nach Art. 56 StPO" und macht eine willkürliche Feststellung des Sachverhalts geltend.  
 
3.1. Nach seiner Auffassung geht die Vorinstanz zu Unrecht davon aus, dass er das Ausstandsgesuch gegen René Frei, Leiter Straf- und Massnahmenvollzug des Sicherheits- und Justizdepartements, verspätet gestellt habe. Er bringt im Wesentlichen vor, er habe die Befangenheit des Leiters des Straf- und Massnahmenvollzuges am 26. Februar 2024 rechtzeitig "in den Raum gestellt", nachdem er am 16. Februar 2024 ein Schreiben von diesem erhalten habe, in dem er erstmals als das für das vorliegende Verfahren zuständige Behördenmitglied aufgetreten sei.  
 
3.2. Dem kann nicht gefolgt werden:  
Mit Eingabe vom 26. Februar 2024 hat der Beschwerdeführer kein förmliches Ausstandsgesuch gestellt, sondern nach der (in diesem Punkt unbestrittenen) Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz lediglich den Leiter des Straf- und Massnahmenvollzugs gefragt: "Sind Sie vorbefasst, voreingenommen und haben deshalb den Fall abzugeben?" Wie die Vorinstanz zutreffend erwägt, kann von einer anwaltlich vertretenen Partei erwartet werden, dass sie, wenn sie den Ausstand der betroffenen Person bewirken will, diesen ausdrücklich beantragt und begründet. Es ist daher von Bundesrechts wegen nicht zu beanstanden, dass der betroffene Leiter des Straf- und Massnahmenvollzugs die Eingabe vom 26. Februar 2024 nicht als Ausstandsgesuch aufgefasst hat. 
Wenn die Vorinstanz mit Verweis auf Art. 58 Abs. 1 StPO davon ausgeht, dass spätere Ausstandsbegehren verspätet erfolgt seien, ist sie nicht in Willkür verfallen: Gemäss Satz 1 dieser Bestimmung hat eine Partei, die den Ausstand einer in einer Strafbehörde tätigen Person verlangen will, der Verfahrensleitung ohne Verzug ein entsprechendes Gesuch zu stellen, sobald sie vom Ausstandsgrund Kenntnis hat. Da der Beschwerdeführer nicht in Abrede stellt, dass er am 26. Februar 2024 Kenntnis des angeblichen Ausstandsgrundes hatte, erweist sich seine Rüge als unbegründet. 
 
4.  
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 86 StGB und bringt vor, er habe einen Anspruch auf bedingte Entlassung. 
 
4.1. Hat der Gefangene zwei Drittel seiner Strafe, mindestens aber drei Monate, verbüsst, so ist er durch die zuständige Behörde bedingt zu entlassen, wenn es sein Verhalten im Strafvollzug rechtfertigt und nicht anzunehmen ist, er werde weitere Verbrechen und Vergehen begehen (Art. 86 Abs. 1 StGB).  
Die bedingte Entlassung stellt die letzte Stufe des Strafvollzuges dar und bildet die Regel, von der nur aus guten Gründen abgewichen werden darf. In dieser Stufe soll die entlassene Person den Umgang mit der Freiheit erlernen, was nur in Freiheit möglich ist. Diesem rein spezialpräventiven Zweck stehen die Schutzbedürfnisse der Allgemeinheit gegenüber, welchen umso höheres Gewicht beizumessen ist, je hochwertiger die gefährdeten Rechtsgüter sind. Die Prognose über das künftige Wohlverhalten ist in einer Gesamtwürdigung zu erstellen, welche nebst dem Vorleben, der Persönlichkeit und dem Verhalten der gefangenen Person während des Strafvollzugs vor allem deren neuere Einstellung zu ihren Taten, ihre allfällige Besserung und die nach der Entlassung zu erwartenden Lebensverhältnisse berücksichtigt. Massgebliches Entscheidungsinstrument bei der Prüfung der bedingten Entlassung bildet nach der Rechtsprechung eine Abwägung der spezialpräventiven Vorzüge und Nachteile der Verbüssung der gesamten Strafe einerseits mit denjenigen der vorzeitigen Entlassung in Freiheit unter Bewährungsmassnahmen andererseits (BGE 133 IV 201 E. 2.3; Urteil 7B_157/2024 vom 22. April 2024 E. 2.2.1; je mit Hinweisen). 
Beim Entscheid über die bedingte Entlassung steht der zuständigen Behörde ein Ermessensspielraum zu. Das Bundesgericht greift in die Beurteilung der Bewährungsaussicht nur ein, wenn die Behörde ihr Ermessen über- oder unterschritten oder missbraucht und damit Bundesrecht verletzt hat (BGE 133 IV 201 E. 2.3; Urteil 7B_308/2023 vom 28. Juli 2023 E. 2.2; je mit Hinweisen). 
 
4.2. Das Gericht würdigt Gutachten grundsätzlich frei (vgl. Art. 10 Abs. 2 StPO). In Fachfragen darf es indessen nicht ohne triftige Gründe davon abweichen und Abweichungen müssen begründet werden. Auf der anderen Seite kann das Abstellen auf eine nicht schlüssige Expertise bzw. der Verzicht auf die gebotenen zusätzlichen Beweiserhebungen gegen das Verbot willkürlicher Beweiswürdigung (Art. 9 BV) verstossen (BGE 146 IV 114 E. 2 mit Hinweisen). Zur Beantwortung der Frage, ob ein früheres Gutachten hinreichend aktuell ist, ist nicht primär auf das formelle Kriterium des Alters des Gutachtens abzustellen. Massgebend ist vielmehr die materielle Frage, ob Gewähr dafür besteht, dass sich die Ausgangslage seit der Erstellung des Gutachtens nicht gewandelt hat. Soweit ein früheres Gutachten mit Ablauf der Zeit und zufolge veränderter Verhältnisse an Aktualität eingebüsst hat, sind neue Abklärungen unabdingbar. Entscheidend ist, ob die ärztliche Beurteilung mutmasslich noch immer zutrifft oder ob diese aufgrund der seitherigen Entwicklung nicht mehr als aktuell bezeichnet werden kann (BGE 134 IV 246 E. 4.3; Urteil 6B_553/2021 vom 17. August 2022 E. 4.6.2; je mit Hinweisen).  
 
4.3. Nach der Vorinstanz kann der Beschwerdeführer trotz einzelner günstiger Faktoren - wie seinem Wohlverhalten im Strafvollzug und der Aufnahme einer Therapie - nicht bedingt aus dem Strafvollzug entlassen werden, da gewichtige Anhaltspunkte für eine erhebliche Gefahr neuer Delikte sprechen. Die Vorinstanz hält fest, der Sachverständige gehe in seinem Gutachten vom 21. November 2019 von einer "eher hohen Wahrscheinlichkeit von weiteren Wirtschaftsdelikten wie Betrug etc." aus. Dass der Beschwerdeführer in eine therapeutische Behandlung eingewilligt habe, sei zwar positiv zu werten, doch es sei zu berücksichtigen, dass er die Therapie bei Dr. med. B.________ erst im Juni 2023 aufgenommen habe. Dessen Verlaufsbericht als behandelnder Therapeut könne überdies nicht mit einem psychiatrischen Gutachten gleichgesetzt werden. Ausserdem stimme Dr. med. B.________ in seinem Therapiebericht diagnostisch mit dem Gutachten des Sachverständigen mehrheitlich überein und bestätige ein "an sich strukturelles erhöhtes Rückfallrisiko".  
Ferner sei der Beschwerdeführer mehrfach einschlägig vorbestraft. Seine früheren Verurteilungen hätten scheinbar keine Warnwirkung auf ihn gehabt. So habe er in den Jahren 2007 und 2008 trotz laufendem Strafverfahren und im Jahr 2016 während laufender Probezeit delinquiert. Auch seine finanziellen Verhältnisse wirkten sich ungünstig auf seine Rückfallprognose aus, denn er habe - anscheinend einen höheren Lebensstandard gewohnt - in den letzten fünf Jahren zweimal Privatkonkurs angemeldet. Betreffend sein soziales Netzwerk habe der Beschwerdeführer widersprüchliche Angaben gemacht. So sei nicht klar, ob der Kontakt zu seiner angeblichen Partnerin noch bestehe. In beruflicher Hinsicht plane der Beschwerdeführer einen Masterabschluss in Rechtswissenschaften. Es erscheine jedoch fraglich, ob er mit seinem Strafregisterauszug über realistische Anstellungsmöglichkeiten im juristischen Bereich verfüge. Bei den weiteren von ihm anvisierten Anstellungsmöglichkeiten bestünden zudem klare Befürchtungen, er könnte wieder in alte, destruktive Verhaltensmuster zurückfallen, denn seine Auswahl möglicher Arbeitspartner zeige eine kaum kritische Haltung, bzw. ein mangelndes Risikobewusstsein. Aus diesen Gründen falle die bedingte Entlassung des Beschwerdeführers nicht in Betracht. 
 
4.4. Was der Beschwerdeführer hiergegen vorbringt, überzeugt nicht:  
Ihm ist zwar zuzustimmen, dass das mittlerweile fünfjährige Gutachten von Dr. med. C.________ an Aktualität eingebüsst hat. Ob sich die Vorinstanz dennoch auf das Gutachten stützen durfte, kann jedoch - entgegen seiner eigenen Ansicht - offenbleiben, da gemäss der Feststellung im angefochtenen Entscheid auch sein eigener Therapeut (auf dessen Verlaufsbericht er in seiner Beschwerde mehrfach verweist) die im Gutachten gestellte Diagnose teilt und seinerseits zumindest ein "strukturelles erhöhtes Rückfallrisiko" bejaht. Auch soweit der Beschwerdeführer ferner vorbringt, die Vorinstanz sei bei der Würdigung seiner beruflichen Perspektiven in Willkür verfallen, kann ihm nicht gefolgt werden. Zunächst ist der Vorinstanz zuzustimmen, dass seine Vorstrafen eine seriöse Anstellung als Jurist stark erschweren dürften. Ferner scheint auch ihre Skepsis gegenüber der vom Beschwerdeführer anvisierten Arbeitsstelle als Sachbearbeiter "Marketing & Compliance" bei der Gesellschaft D.________ GmbH begründet, hat ihm doch das Kreisgericht mit Urteil vom 4. November 2022 für fünf Jahre jegliche selbstständige und unselbstständige Tätigkeit in der Immobilien-, Treuhand- und Finanzbranche untersagt. Schliesslich erwägt die Vorinstanz - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - zutreffend, dass er offenbar über kein solides soziales Netzwerk verfügt. Er nennt in seiner Beschwerde in diesem Zusammenhang einzig seine Partnerin, die aber nach seinen letzten Angaben zurzeit im Ausland zu wohnen scheint. 
Angesichts der Vorstrafen des Beschwerdeführers, seiner finanziellen Verhältnisse, seines fehlenden sozialen Netzwerks und des von seinem eigenen Therapeuten bestätigten Rückfallrisikos durfte die Vorinstanz die bedingte Entlassung willkürfrei ablehnen. 
 
5.  
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 29 Abs. 1 BV und macht eine Rechtsverzögerung und Verletzung des Beschleunigungsgebots geltend. 
 
5.1. Er moniert, die Behörden hätten sein Gesuch um bedingte Entlassung ebenso dringlich behandeln müssen wie einen Antrag um Entlassung aus der Untersuchungs- oder Sicherheitshaft. Die Prüfung seines Gesuchs hätte deshalb seiner Ansicht nach nicht länger als 60 Tage dauern dürfen. Ausserdem hätten die zuständigen Behörden sein Gesuch rechtzeitig, d.h. bis Januar oder Februar 2024, und allerspätestens bis am 9. März 2024 prüfen müssen. An diesem Tag habe er nämlich zwei Drittel seiner Freiheitsstrafe verbüsst und hätte - so der Beschwerdeführer - gemäss Art. 86 Abs. 1 StGB aus dem Strafvollzug bedingt entlassen werden müssen.  
 
5.2. Stellt sich die Frage, ob eine verurteilte Person bedingt aus dem Strafvollzug zu entlassen ist, ist die erstinstanzliche Behörde nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts grundsätzlich befugt, den Ablauf des unbedingt zu verbüssenden Strafteils (annähernd) abzuwarten, um ihren Entscheid über die bedingte Entlassung auf einer möglichst aktuellen Grundlage fällen zu können. Schöpft sie diesen Zeitraum aus und entscheidet sie erst kurz vor dem "Zwei-Drittel-Termin" von Art. 86 Abs. 1 StGB, sind die kantonalen Rechtsmittelinstanzen allerdings gehalten, das Verfahren mit besonderer Beschleunigung voranzutreiben; sie dürfen die gesetzliche Regelung, wonach das letzte Strafdrittel in der Regel zur Bewährung ausgesetzt wird, nicht durch eine schleppende Verfahrensführung, während derer der Beschwerdeführer inhaftiert bleibt, faktisch ausser Kraft setzen (Urteile 6B_875/2021 vom 3. Oktober 2022 E. 1.3.2; 6B_645/2010 vom 12. November 2010 E. 1.3; 6B_122/2007 vom 21. Juni 2007 E. 4.3, nicht publ. in: BGE 133 IV 201).  
 
5.3. Der Beschwerdeführer ersuchte am 8. Januar 2024 um bedingte Entlassung. Das Amt für Justizvollzug wies dieses Gesuch am 20. März 2024 ab, d.h. elf Tage nach dem "Zwei-Drittel-Termin" vom 9. März 2024. Es hat damit den ihm für den Entscheid über die bedingte Entlassung zur Verfügung stehenden Zeitraum nicht nur ausgeschöpft, sondern überschritten. Dass es Berichte abwarten und dem Beschwerdeführer das rechtliche Gehör gewähren musste, wie es in seiner Vernehmlassung darlegt, rechtfertigt diese Verzögerung nicht; denn es ist Sache der Behörden, das Verfahren so zu führen, dass sie ihre Entscheide innert angemessener Frist fällen können.  
 
6.  
Die Beschwerde ist insoweit gutzuheissen, als im Dispositiv festzuhalten ist, dass das Amt für Justizvollzug des Kantons St. Gallen das Beschleunigungsgebot verletzt hat (vgl. BGE 137 IV 118 E. 2.2 mit Hinweisen). Im Übrigen ist sie abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. 
Im bundesgerichtlichen Verfahren wird der Beschwerdeführer im Umfang seines Unterliegens kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Dem Kanton St. Gallen sind keine Kosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 4 BGG). Hingegen schuldet er dem anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer eine reduzierte Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Dem Kanton St. Gallen ist keine Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Es wird festgestellt, dass das Amt für Justizvollzug des Kantons St. Gallen das Beschleunigungsgebot verletzt hat. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 
 
2.  
Die Gerichtskosten werden im Umfang von Fr. 2'500.-- dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Der Kanton St. Gallen den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 500.-- zu entschädigen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und der Anklagekammer des Kantons St. Gallen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 10. Oktober 2024 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Abrecht 
 
Die Gerichtsschreiberin: Kern