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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_285/2022  
 
 
Urteil vom 11. April 2023  
 
III. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Parrino, Präsident, 
Bundesrichter Stadelmann, 
Bundesrichterin Scherrer Reber, 
Gerichtsschreiberin Keel Baumann. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Lagerhausstrasse 19, 8400 Winterthur, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (vorinstanzliches Verfahren; unentgeltlicher Rechtsbeistand), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 31. März 2022 (IV.2021.00574). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die IV-Stelle des Kantons Zürich verfügte am 27. August 2021 die Aufhebung der Rente der 1965 geborenen B.________. 
 
B.  
Mit Urteil vom 31. März 2022 wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich die von B.________ dagegen erhobene Beschwerde ab. Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wurden die Gerichtskosten einstweilen auf die Gerichtskasse genommen und erhielt der unentgeltliche Rechtsvertreter, Rechtsanwalt A.________, eine Entschädigung von Fr. 2'200.- zugesprochen. 
 
C.  
Rechtsanwalt A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren, er sei in Abänderung des Urteils vom 31. März 2022 mit Fr. 4'675.- (inklusive Barauslagen und Mehrwertsteuer) zu entschädigen. Eventualiter sei die Sache zur Neufestsetzung des Honorars an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich hält in seiner Vernehmlassung - ohne einen formellen Antrag zu stellen - fest, in seinem Urteil sei die von Rechtsanwalt A.________ eingereichte Honorarnote vom 4. Januar 2022 fälschlicherweise unberücksichtigt geblieben. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
D.  
B.________ liess ebenfalls Beschwerde gegen das Urteil vom 31. März 2022 erheben. Sie beantragte, es sei aufzuheben und die IV-Stelle zu verpflichten, ihr die gesetzlichen Leistungen zu gewähren, namentlich eine Rente, eventualiter berufliche Massnahmen; eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen und diese zu verpflichten, weitere Abklärungen medizinischer Art vorzunehmen, namentlich ein Obergutachten einzuholen. Mit Urteil 9C_284/2022 vom heutigen Tag wies das Bundesgericht ihre Beschwerde ab. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Der unentgeltliche Rechtsbeistand ist legitimiert, gegen die Festsetzung seines Honorars durch das kantonale Gericht in eigenem Namen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zu führen (Art. 89 Abs. 1 BGG; Urteile 9C_386/2020 vom 24. September 2020 E. 1; 9C_433/2019 vom 25. März 2020 E. 2; 9C_372/2019 vom 10. September 2019 E. 1 mit Hinweisen). 
 
2.  
 
2.1. Die Bemessung der Entschädigung des unentgeltlichen Rechtsbeistandes im kantonalen Verfahren ist mangels bundesrechtlicher Bestimmungen dem kantonalen Recht überlassen, mit welchem sich das Bundesgericht unter Vorbehalt der in Art. 95 lit. c-e BGG genannten Ausnahmen grundsätzlich nicht zu befassen hat. Nach Art. 95 lit. a BGG liegt eine Bundesrechtsverletzung vor, wenn die Anwendung kantonalen Rechts - sei es wegen seiner Ausgestaltung, sei es aufgrund des Ergebnisses im konkreten Fall - zu einer Verfassungsverletzung führt. Dabei fällt im Bereich der nach kantonalem Recht zuzusprechenden und zu bemessenden Entschädigung des unentgeltlichen Rechtsbeistandes praktisch nur das in Art. 9 BV verankerte Willkürverbot in Betracht (BGE 141 I 70 E. 2.1; SVR 2013 IV Nr. 26 S. 75, 8C_54/2013 E. 2 mit Hinweisen; Urteil 8C_278/2020 vom 17. August 2020 E. 2.1).  
 
2.2. Dem erstinstanzlichen Gericht ist bei der Bemessung der Entschädigung des unentgeltlichen Rechtsbeistandes praxisgemäss ein weiter Ermessensspielraum einzuräumen. Das Bundesgericht greift nur ein, wenn der Ermessensspielraum klar überschritten worden ist oder Bemühungen nicht honoriert worden sind, die zweifelsfrei zu den Obliegenheiten eines unentgeltlichen Vertreters gehören. Die Festsetzung des Honorars des unentgeltlichen Rechtsbeistandes ist in der Regel nicht oder dann lediglich summarisch zu begründen. Eine Begründungspflicht besteht hingegen, wenn eine Kostennote eingereicht wird und das Gericht die Entschädigung abweichend davon auf einen bestimmten nicht der Praxis entsprechenden Betrag festsetzt (BGE 141 I 70 E. 5.2). Das rechtliche Gehör nach Art. 29 Abs. 2 BV verlangt, dass die Behörden die Vorbringen des vom Entscheid in seiner Rechtsstellung Betroffenen tatsächlich hört, prüft und in der Entscheidfindung berücksichtigt. Daraus folgt die Verpflichtung der Behörde, ihren Entscheid zu begründen. Dabei kann sie sich auf die hierfür wesentlichen Punkte beschränken. Die Begründung muss aber so abgefasst sein, dass sich der Betroffene über die Tragweite des Entscheids Rechenschaft geben und ihn in voller Kenntnis der Sache an die höhere Instanz weiterziehen kann. In diesem Sinne müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde hat leiten lassen und auf die sich ihr Entscheid stützt (Urteile 9C_386/2020 vom 24. September 2020 E. 4.1.2; 8C_278/2020 vom 17. August 2020 E. 2.3; 9C_372/2019 vom 10. September 2019 E. 3.2 f., je mit Hinweisen).  
 
3.  
 
3.1. Aufgrund der übereinstimmenden Darstellungen der Parteien steht fest, dass Rechtsanwalt A.________ der Vorinstanz auf ihre Aufforderung vom 29. November 2021 hin am 4. Januar 2022 eine detaillierte Kostennote über den Betrag von Fr. 4'675.- zukommen liess. Im kantonalen Urteil vom 31. März 2022 wurde diese versehentlich ausser Acht gelassen und die Rechtsanwalt A.________ als unentgeltlichem Rechtsbeistand zustehende Entschädigung ermessensweise auf Fr. 2'200.- festgesetzt.  
 
3.2. Weil die Vorinstanz im Zeitpunkt, als sie über die Entschädigung des unentgeltlichen Rechtsbeistandes befand, irrtümlich davon ausging, dass Rechtsanwalt A.________ ihr keine Kostennote eingereicht hatte, setzte sie sein Honorar, wie in der Verfügung vom 29. November 2021 für diesen Fall angekündigt, ermessensweise auf Fr. 2'200.- fest, welcher Betrag deutlich unter dem vom Rechtsvertreter geltend gemachten, sich auf Fr. 4'675.- belaufenden Aufwand liegt. Es rechtfertigt sich daher, die Sache an das kantonale Gericht zurückzuweisen, damit es sich in Nachachtung des Anspruchs auf rechtliches Gehör des Beschwerdeführers mit der Kostennote vom 4. Januar 2022 befasse, d.h. den darin ausgewiesenen Aufwand prüfe, und gestützt darauf über das dem unentgeltlichen Rechtsbeistand zustehende Honorar neu befinde, wobei es ein allfälliges Abweichen von der Kostennote zu begründen haben wird (vgl. E. 2.2 hiervor).  
 
4.  
Die Rückweisung zu erneutem Entscheid mit offenem Ausgang gilt praxisgemäss als Obsiegen (BGE 141 V 281 E. 11.1). Dementsprechend sind die Gerichtskosten dem Kanton Zürich, um dessen Vermögensinteresse es geht, aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG; Urteil 2C_253/2016 vom 10. November 2016 E. 6). Der im Streit um die Erhöhung des Honorars als unentgeltlicher Rechtsbeistand im vorgenannten Sinne obsiegende Rechtsanwalt hat Anspruch auf eine Parteientschädigung (BGE 125 II 518; SVR 2013 IV Nr. 8 S. 19, 9C_387/2012 E. 5). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und Dispositiv-Ziffer 3 des Urteils des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 31. März 2022 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 600.- werden dem Kanton Zürich auferlegt. 
 
3.  
Der Kanton Zürich hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'000.- zu entschädigen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Bundesamt für Sozialversicherungen und der IV-Stelle des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 11. April 2023 
 
Im Namen der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Parrino 
 
Die Gerichtsschreiberin: Keel Baumann