Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
4A_380/2024
Urteil vom 11. September 2024
I. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Jametti, Präsidentin,
Bundesrichterin Kiss,
Bundesrichter Rüedi,
Gerichtsschreiber Luczak.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt David Leuthold, Beschwerdeführerin,
gegen
Kanton B.________,
vertreten durch das Bezirksgericht Horgen, Beschwerdegegner.
Gegenstand
Unentgeltliche Rechtspflege,
Beschwerde gegen den Beschluss und das Urteil
des Obergericht s des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, vom 28. Mai 2024 (RA240008-O/U).
Sachverhalt:
A.
Am 29. September 2023 reichte A.________ (Klägerin; Beschwerdeführerin) beim Arbeitsgericht Horgen eine arbeitsrechtliche Forderungsklage über Fr. 25'000.-- und Ausstellung eines Arbeitszeugnisses ein. Ihr Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wies das Arbeitsgericht am 20. Oktober 2023 (rechtskräftig) ab, soweit es darauf eintrat. Die Klägerin habe ihre Mittellosigkeit aufgrund mangelhafter Dokumentation nicht glaubhaft gemacht, und der Beizug eines Rechtsbeistandes sei infolge mangelnder Komplexität der Streitsache nicht notwendig.
B.
Mit der Replik stellte die Klägerin am 12. März 2024 erneut ein Gesuch um Bestellung einer unentgeltlichen Rechtsvertretung, in Wiedererwägung der Verfügung vom 20. Oktober 2023 per 27. September 2023, eventualiter per 9. Januar 2024.
B.a. Am 22. April 2024 wies das Arbeitsgericht das Gesuch um Wiedererwägung (Disp.-Ziff. 1) und das Gesuch um Bestellung einer unentgeltlichen Rechtsvertretung per 9. Januar 2024 (Disp.-Ziff. 2) ab.
B.b. Die gegen die Disp.-Ziff. 2 angestrengte Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 28. Mai 2024 ab, nachdem es zunächst mit Beschluss das Gesuch um Bestellung einer unentgeltlichen Rechtsvertretung für das Beschwerdeverfahren abgewiesen hatte. Die Bestellung einer unentgeltlichen Rechtsvertretung sei erst zu prüfen, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege erfüllt seien, d.h. wenn die Partei mittellos sei und ihr Rechtsstandpunkt nicht aussichtslos erscheine ( Art. 117 lit. a und b ZPO ). Die Klägerin habe einzig Veränderungen hinsichtlich der Notwendigkeit der Bestellung einer Rechtsvertretung vorgetragen, nicht hinsichtlich der Mittellosigkeit.
C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt die Beschwerdeführerin dem Bundesgericht im Wesentlichen, sowohl das Urteil als auch den Beschluss des Obergerichts aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an dieses zurückzuweisen. Zudem ersucht sie um unentgeltliche Rechtspflege und die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes für das bundesgerichtliche Verfahren. Am 16. August 2024 reichte sie eine Noveneingabe zu ihrem Einkommen ein. Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.
Erwägungen:
1.
Der angefochtene Entscheid ist nicht verfahrensabschliessend. Nach Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG ist die Beschwerde gegen selbstständig eröffnete Zwischenentscheide zulässig, wenn sie einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil bewirken können. Die Vorinstanz hat der Beschwerdeführerin die unentgeltliche Rechtspflege verweigert. Derartige Entscheide bewirken in der Regel einen solchen Nachteil (BGE 133 IV 335 E. 4; 129 I 129 E. 1.1).
1.1. Nach Art. 117 ff. ZPO hat eine Person Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn sie nicht über die für die Prozessführung erforderlichen Mittel verfügt (lit. a) und ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint (lit. b). Damit wird der verfassungsrechtliche Anspruch nach Art. 29 Abs. 3 BV (BGE 129 I 129 E. 2.1) auf Gesetzesstufe gewährleistet. Wer diese Bedingungen erfüllt, hat ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand, soweit dies zur Wahrung der Rechte notwendig ist (Art. 118 Abs. 1 lit. c ZPO).
1.2. Die gesuchstellende Person hat ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse schlüssig darzulegen (Art. 119 Abs. 2 ZPO; Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], BBl 2006 7303, Ziff. 5.8.4 zu Art. 117 E-ZPO). Ihr obliegt es mithin grundsätzlich, ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse umfassend darzustellen und soweit möglich auch zu belegen. Verweigert die gesuchstellende Person die zur Beurteilung ihrer aktuellen Gesamtsituation erforderlichen Angaben oder Belege, so kann die Bedürftigkeit verneint werden (BGE 125 IV 161 E. 4a; 120 Ia 179 E. 3a; Urteile des Bundesgerichts 2C_412/2023 vom 22. Dezember 2023 E. 3.2.2; 4A_326/2019 vom 4. Februar 2020 E. 3.3; je mit Hinweisen).
1.3. Weder Art. 29 Abs. 3 BV noch Art. 117 ff. ZPO verlangen, dass nach Abweisung eines ersten Gesuches um unentgeltliche Rechtspflege voraussetzungslos ein neues Gesuch gestellt werden kann (Urteile des Bundesgerichts 5A_521/2021 vom 28. April 2022 E. 3.1; 4A_375/2020 vom 23. September 2020 E. 3.1; 5A_299/2015 vom 22. September 2015 E. 3.2; je mit Hinweisen; vgl. schon Urteil 4P.170/1996 vom 16. Oktober 1996 E. 2a).
1.3.1. Ein zweites Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege auf der Basis desselben Sachverhalts hat den Charakter eines Wiedererwägungsgesuchs, auf dessen Beurteilung nur Anspruch besteht, wenn die gesuchstellende Partei erhebliche Tatsachen oder Beweismittel anführt, die ihr im früheren Verfahren nicht bekannt waren oder die schon damals geltend zu machen für sie rechtlich oder tatsächlich unmöglich war oder keine Veranlassung bestand. Ein Anspruch auf Wiedererwägung besteht somit bei Vorliegen sog. unechter Noven (zit. Urteile 5A_521/2021 E. 3.1; 4A_375/2020 E. 3.1; 5A_299/2015 E. 3.2; je mit Hinweisen; vgl. auch BGE 136 II 177 E. 2.1).
1.3.2. Anders verhält es sich bei einem neuen Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege aufgrund geänderter Verhältnisse. Dessen Zulässigkeit ergibt sich aus dem Umstand, dass der Entscheid über die Gewährung bzw. Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege als prozessleitender Entscheid nur formell, jedoch nicht materiell in Rechtskraft erwächst. Ein neues Gesuch ist zulässig, wenn sich die Verhältnisse seit dem Entscheid über das erste Gesuch aufgrund neuer nach dem ersten Entscheid eingetretener Tatsachen und Beweismittel geändert haben. Es ist somit auf der Basis echter Noven möglich (zit. Urteile 5A_521/2021 E. 3.1; 4A_375/2020 E. 3.1; 5A_299/2015 E. 3.2; Urteile des Bundesgerichts 5A_886/2017 vom 20. März 2018 E. 3.3.2; 5D_112/2015 vom 28. September 2015 E. 4.4.2; 4A_410/2013 vom 5. Dezember 2013 E. 3.2; 5A_430/2010 vom 13. August 2010 E. 2.4; 6B_569/2017 vom 12. Juli 2017 E. 2).
2.
Die Beschwerdeführerin rügt die Ansicht der Vorinstanz, der Anspruch auf einen unentgeltlichen Rechtsbeistand werde erst geprüft, nachdem feststehe, dass ein Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege im weiteren Sinne bestehe, mithin die Voraussetzungen der Mittellosigkeit und der fehlenden Aussichtslosigkeit gegeben seien.
2.1. Die Beschwerde basiert auf einem Missverständnis des angefochtenen Entscheides. Die Beschwerdeführerin anerkennt, dass der Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege im engeren Sinn Mittellosigkeit und fehlende Aussichtslosigkeit voraussetzt, während der Anspruch auf einen unentgeltlichen Rechtsbeistand zusätzlich die Erforderlichkeit einer Rechtsvertretung verlangt.
2.1.1. Damit hängt der Anspruch auf einen unentgeltlichen Rechtsbeistand kumulativ von drei Voraussetzungen ab: der Mittellosigkeit, der fehlenden Aussichtslosigkeit und der Erforderlichkeit. Sobald nur eine dieser Voraussetzungen fehlt, spielt im Ergebnis keine Rolle, ob die anderen gegeben wären. Darum geht es im angefochtenen Entscheid.
2.1.2. Daraus, dass allein der Wegfall der Erforderlichkeit zum Entzug des Anspruchs auf einen unentgeltlichen Rechtsvertreter führen kann, lässt sich e contrario für den Anspruch auf ein neues Gesuch bei nachträglicher Erfüllung dieser Voraussetzung nichts ableiten. Denn solange eine der anderen Voraussetzungen nicht erfüllt ist, kann der nachträglichen Erfüllung der Erforderlichkeit keine Bedeutung zukommen, weil immer noch nicht alle kumulativ geforderten Voraussetzungen gegeben wären.
2.2. Die Beschwerdeführerin anerkennt, sie habe nie bestritten, dass keine Veränderungen in Bezug auf die finanziellen Verhältnisse vorlägen. Sie mache geltend, dass Veränderungen in Bezug auf die Erforderlichkeit eines Rechtsbeistands geänderte Verhältnisse darstellten, die zur Stellung eines neuen URV-Gesuchs berechtigten. Sie sei mittellos, habe dies im Rahmen des ersten Gesuchs jedoch nicht hinreichend dokumentieren können. Damit fehlt es ihrem Sachvortrag bereits an Schlüssigkeit: Wurde ein erstes Gesuch mangels Bedürftigkeit und mangels Erforderlichkeit abgewiesen und behauptet die Beschwerdeführerin lediglich, in Bezug auf die Erforderlichkeit habe sich etwas geändert, nicht auch in Bezug auf die Bedürftigkeit, bleibt es, auch wenn man diese Behauptung als wahr unterstellt, bei der Abweisung des Gesuchs mangels Bedürftigkeit.
2.3. Es geht nicht um die Reihenfolge, in der die Voraussetzungen für die Beigabe eines unentgeltlichen Rechtsbeistands zu prüfen sind. Hat die Beschwerdeführerin die behauptete Mittellosigkeit im Rahmen ihres ersten Gesuchs nicht hinreichend dokumentiert, kann ein neues Gesuch mit Blick darauf abgewiesen werden, unabhängig davon, ob eine Rechtsvertretung infolge veränderter Verhältnisse nunmehr erforderlich erscheint. Die Beschwerdeführerin hat keinen Anspruch darauf, dass die Frage der Mittellosigkeit bei diesbezüglich unveränderten Verhältnissen erneut geprüft wird. Sie hätte ihre finanziellen Verhältnisse im Rahmen des ersten Gesuchs hinreichend offenlegen müssen.
2.4. Mit Blick darauf war das Gesuch von vornherein aussichtslos, weshalb auch für das Verfahren vor der Vorinstanz kein Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege bestand.
3.
Damit erweist sich die Beschwerde insgesamt als unbegründet und ist abzuweisen. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren ist wegen Aussichtslosigkeit abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Darüber musste unter den gegebenen Umständen nicht vorgängig s eparat entschieden werden (Urteile des Bundesgerichts 4A_6/2022 vom 18. Februar 2022 E. 4; 4A_20/2011 vom 11. April 2011 E. 7.2.2). Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Bei einer Streitigkeit aus einem Arbeitsverhältnis mit einem Streitwert, der nach dem angefochtenen Entscheid Fr. 28'700.-- beträgt, kommt Art. 65 Abs. 4 lit. c BGG zur Anwendung.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das Verfahren vor Bundesgericht wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, Irene Pidoux, Horgen, und Isabelle Wasem-Pidoux, Meiringen, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 11. September 2024
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Jametti
Der Gerichtsschreiber: Luczak