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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1C_691/2023  
 
 
Urteil vom 12. September 2024  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident, 
Bundesrichter Chaix, 
nebenamtliche Bundesrichterin Petrik, 
Gerichtsschreiberin Dillier. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Wolfgang A. Josseck, 
 
gegen  
 
Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt 
des Kantons Bern, 
Schermenweg 5, Postfach, 3001 Bern. 
 
Gegenstand 
Entzug des Führerausweises für Motorfahrzeuge, 
 
Beschwerde gegen das Urteil der Rekurskommission 
des Kantons Bern für Massnahmen gegenüber Fahrzeugführerinnen und Fahrzeugführern vom 22. März 2023 (300.2023.6). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________ hat am 12. Oktober 2020 um 9:54 Uhr als Lenker eines Personenwagens auf der U.________strasse in V.________ ausserorts die aufgrund von Mäh- und weiteren Strassenrandunterhaltsarbeiten zwischen Oberburg und Krauchthal vom 12. Oktober 2020 bis zum 16. Oktober 2020 temporär von 80 km/h auf 60 km/h herabgesetzte, mit temporären Verkehrsschildern signalisierte, zulässige Höchstgeschwindigkeit um 35 km/h überschritten (nach Abzug der vom Bundesamt für Strassen ASTRA festgelegten Geräte- und Messunsicherheit). Auf Ersuchen von A.________ sistierte das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons Bern (SVSA) das Administrativverfahren bis zum Abschluss des Strafverfahrens. 
Aufgrund dieses Vorfalls befand ihn die regionale Staatsanwaltschaft Emmental-Oberaargau mit Strafbefehl vom 26. April 2021 einer groben Verkehrsregelverletzung für schuldig und bestrafte ihn mit einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen à Fr. 150.--, bedingt aufgeschoben unter Ansetzung einer Probezeit von zwei Jahren, sowie einer Verbindungsbusse von Fr. 750.--. Im dagegen angestrengten Rechtsmittelverfahren sprach ihn das Regionalgericht Emmental-Oberaargau mit zwischenzeitlich rechtskräftigem Urteil vom 21. September 2022 der einfachen Verkehrsregelverletzung, unbewusst fahrlässig begangen, schuldig und verurteilte ihn zu einer Übertretungsbusse von Fr. 800.--. Eine schriftliche Urteilsbegründung wurde nicht verlangt. 
 
B.  
Mit Verfügung vom 20. Dezember 2022 entzog das SVSA A.________ den Führerausweis für Motorfahrzeuge wegen einer mittelschweren Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften für die Dauer von zwei Monaten. 
Dagegen erhob A.________ am 20. Januar 2023 Beschwerde bei der Rekurskommission des Kantons Bern für Massnahmen gegenüber Fahrzeugführerinnen und -führern (RKMF). Er beantragte, auf den Führerausweisentzug sei zu verzichten und er sei stattdessen wegen leichter Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften zu verwarnen. Eventualiter sei die Entzugsdauer auf einen Monat zu reduzieren. Mit Urteil vom 22. März 2023 wies die RKMF die Beschwerde ab und eröffnete A.________ die Begründung per 24. November 2023. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 21. Dezember 2023 beantragt A.________ (nachfolgend: Beschwerdeführer) unter Kosten- und Entschädigungsfolge, der Entscheid der RKMF (nachfolgend: Vorinstanz) vom 22. März 2023 sei aufzuheben, eventualiter sei die Angelegenheit zwecks Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Subeventualiter sei auf den Entzug des Führerausweises für Motorfahrzeuge zu verzichten und stattdessen eine Verwarnung auszusprechen bzw. sub-subeventualiter sei die verfügte Dauer des Entzugs auf die Mindestdauer von einem Monat zu reduzieren. In prozessualer Hinsicht wird beantragt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu gewähren. 
Die Vorinstanz und das ASTRA beantragen unter Verzicht auf Vernehmlassung mit Verweis auf das angefochtene Urteil die Abweisung der Beschwerde. Das SVSA ersucht ebenfalls um Abweisung der Beschwerde. Insbesondere weist es unter Einreichung einer Kopie des entsprechenden Polizeiberichts auf eine erneute Widerhandlung des Beschwerdeführers gegen Strassenverkehrsvorschriften vom 20. September 2023 hin (Überschreiten der signalisierten Höchstgeschwindigkeit innerorts um 17 km/h). 
Mit Verfügung vom 18. Januar 2024 wird der Beschwerde die aufschiebende Wirkung erteilt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid betreffend einen Führerausweisentzug. Dagegen steht grundsätzlich die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht offen (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 sowie Art. 90 BGG). Ein Ausnahmegrund gemäss Art. 83 BGG ist nicht gegeben. Der Beschwerdeführer hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen und ist als Adressat des angefochtenen Urteils gemäss Art. 89 Abs. 1 BGG zur Beschwerde legitimiert. Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist demnach einzutreten. 
 
2.  
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat, sofern dieser nicht offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 und Art. 97 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel können nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). Die im bundesgerichtlichen Verfahren eingereichte Kopie eines Polizeiberichts betreffend Widerhandlung des Beschwerdeführers gegen Strassenverkehrsvorschriften vom 20. September 2023 (Überschreiten der signalisierten Höchstgeschwindigkeit innerorts um 17 km/h) hat insofern unbeachtlich zu bleiben, als dass bei Erlass des angefochtenen Urteils noch keine strassenverkehrsrechtliche Widerhandlung aktenkundig war und der automobilistische Leumund des Beschwerdeführers in diesem Zeitpunkt somit als einwandfrei zu gelten hat. 
 
3.  
 
3.1. Nach Widerhandlungen gegen die Strassenverkehrsvorschriften, bei denen das Verfahren nach dem Ordnungsbussengesetz ausgeschlossen ist, wird der Lernfahr- oder Führerausweis entzogen oder eine Verwarnung ausgesprochen (Art. 16 Abs. 2 des Strassenverkehrsgesetzes vom 19. Dezember 1958 [SVG, SR 741.01; in der zum Urteilszeitpunkt geltenden Fassung, auch nachfolgend]).  
 
3.1.1. Eine leichte Widerhandlung begeht insbesondere, wer durch Verletzung von Verkehrsregeln eine geringe Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft, wobei ihn nur ein leichtes Verschulden trifft (Art. 16a Abs. 1 lit. a SVG). Diesfalls wird die fehlbare Person verwarnt, wenn in den vorangegangenen zwei Jahren der Ausweis nicht entzogen war und keine andere Administrativmassnahme verfügt wurde (Art. 16a Abs. 3 SVG). Eine schwere Widerhandlung nach Art. 16c Abs. 1 lit. a SVG begeht, wer durch grobe Verletzung von Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt. Diesfalls wird der Lernfahr- oder Führerausweis, sofern keine weiteren erschwerenden Elemente vorliegen, mindestens für drei Monate entzogen (Art. 16c Abs. 2 lit. a SVG).  
 
3.1.2. Eine mittelschwere Widerhandlung begeht insbesondere, wer durch Verletzung von Verkehrsregeln eine Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt (Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG). Die mittelschwere Widerhandlung nach Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG stellt einen Auffangtatbestand dar. Eine solche liegt vor, wenn nicht alle privilegierenden Elemente einer leichten Widerhandlung gemäss Art. 16a Abs. 1 lit. a SVG und nicht alle qualifizierenden Elemente einer schweren Widerhandlung nach Art. 16c Abs. 1 lit. a SVG gegeben sind, beispielsweise wenn die Gefährdung zwar lediglich als gering eingestuft wird, das Verschulden jedoch als schwerwiegend oder umgekehrt, wenn eine gravierende Gefährdung bei geringem Verschulden vorliegt (BGE 136 II 447 E. 3.2 mit Hinweisen und BGE 135 II 138 E. 2.2.2 und 2.2.3 mit Hinweisen auf die Botschaft vom 31. März 1999 zur Änderung des SVG). Nach einer mittelschweren Widerhandlung wird der Führerausweis gemäss Art. 16b Abs. 2 lit. a SVG für mindestens einen Monat entzogen.  
 
3.2. Die Vorinstanz hat die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit im konkreten Fall mit dem SVSA als mittelschwere Widerhandlung im oberen Rahmen bewertet, insbesondere was die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmender angeht. Gestützt darauf erachtete sie die Erhöhung der minimalen Entzugsdauer trotz im Urteilszeitpunkt einwandfreiem automobilistischem Leumund des Beschwerdeführers als gerechtfertigt. Der Beschwerdeführer ist hingegen der Ansicht, dass er die Voraussetzungen von Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG nicht erfülle, sondern lediglich eine leichte Widerhandlung begangen habe und deshalb nur zu verwarnen wäre. Eventualiter wendet er sich gegen die Bemessung der Entzugsdauer (vgl. dazu nachfolgend E. 4).  
 
3.2.1. Konkret moniert der Beschwerdeführer, in Missachtung der grundsätzlichen Bindungswirkung des Strafurteils, welches auf eine einfache Verkehrsregelverletzung nach Art. 90 Abs. 1 SVG in unbewusst fahrlässiger Tatbegehung laute, habe das SVSA im Administrativverfahren nicht auf die entsprechende Sachverhaltsfeststellung und -würdigung abgestellt, sondern sei ohne entsprechende ergänzende Würdigung in seiner Verfügung vom 20. Dezember 2022 mit dem ursprünglichen Strafbefehl vom Vorwurf des Überschreitens der signalisierten Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 35 km/h ausgegangen, womit es Bundesrecht verletzt habe. Diesen Entscheid habe die Vorinstanz geschützt unter Hinweis darauf, dass er es unterlassen habe, eine Begründung des Strafurteils zu verlangen, weshalb eine solche und der dieser zugrunde liegende Sachverhalt nicht übernommen werden könnten, sondern das SVSA vielmehr nach freiem Ermessen habe entscheiden können. Aufgrund dieser rechtswidrigen Auffassung entstehe ein massiver Widerspruch zum Strafurteil. Im Übrigen seien die Behörden im Administrativverfahren verpflichtet, den Sachverhalt von Amtes wegen zu ermitteln und dürften dessen Feststellung nicht vollumfänglich unter Verweis auf die Mitwirkungspflicht ihm überbinden. Damit werde der Untersuchungsgrundsatz verletzt. Ebenso wenig habe sich die Vorinstanz mit den von ihm in der Stellungnahme vom 12. Dezember 2022 vorgebrachten Sachverhaltselementen auseinandergesetzt. Er habe sich in einem Sachverhaltsirrtum befunden aufgrund der temporär herabgesetzten Höchstgeschwindigkeit (von 80 km/h auf 60 km/h).  
 
3.2.2. Vorliegend ging die Vorinstanz mit dem SVSA aufgrund der effektiven Geschwindigkeitsüberschreitung von 35 km/h von einer hohen Gefährdung aus. Nach der Rechtsprechung liegt ausserorts ungeachtet der konkreten Umstände bei einer Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit um 30 km/h oder mehr in der Regel eine schwere Widerhandlung vor (BGE 132 II 234 E. 3.1). Sowohl die Vorinstanz als auch das SVSA haben ausgehend von dieser Prämisse entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers berücksichtigt, dass die Tat mit Strafurteil vom 21. September 2022 als einfache Verletzung der Verkehrsregeln i.S.v. Art. 90 Abs. 1 SVG qualifiziert worden ist und das zuständige Strafgericht zum Schluss gekommen ist, die Geschwindigkeitsüberschreitung sei unbewusst fahrlässig begangen worden, womit das Verschulden als nicht hoch eingestuft wurde. Die Vorinstanz hielt diesbezüglich fest, dass dem Beschwerdeführer in strafrechtlicher Hinsicht keine Grobfahrlässigkeit vorzuwerfen sei, bedeute nicht zwingend, sein Verschulden sei im Administrativverfahren ebenfalls als leicht einzustufen. In letzterer Hinsicht sei ein leichtes Verschulden zu bejahen, wenn dem Fahrzeugführer, der sich im Verkehr grundsätzlich regelkonform verhalte, nur eine leichte Unaufmerksamkeit vorgeworfen werden könne oder wenn die Verkehrsregelverletzung letztlich auf das Zusammenspiel unglücklicher Umstände zurückzuführen sei. Keine dieser Konstellationen sei vorliegend gegeben. Bei Geschwindigkeitsbegrenzungen handle es sich um elementare Verkehrsregeln, denen Fahrzeuglenker besondere Aufmerksamkeit zu schenken hätten.  
 
3.2.3. Das vor Bundesgericht wiederholte Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach die temporäre Geschwindigkeitssignalisation zu nahe an der Einbiegstelle aufgestellt gewesen sei, wie sich aus Fotos in den Strafakten ergebe, und er sie deshalb nicht habe wahrnehmen können, verwarf die Vorinstanz unter Verweis auf die angerufenen Aktenstücke. Anhand dieser Fotos, welche die Signalisation am fraglichen Ort zu einer vergleichbaren späteren Situation zeigten, ergebe sich, dass die beidseits der Strasse angebrachte Signalisation auch von Burgdorf her kommend bei der Pleerkreuzung auf die fragliche Strasse abbiegend gut erkennbar sei. Diese Sachverhaltsfeststellung bzw. die entsprechende Beweiswürdigung wurde vom Beschwerdeführer nicht bemängelt und ist demnach für das Bundesgericht verbindlich (vgl. Art. 105 und Art. 97 Abs. 1 BGG; E. 2 hiervor). Gestützt darauf verneinte die Vorinstanz eine lediglich leichte Unaufmerksamkeit beim Nichtbeachten der Geschwindigkeitstafeln und stufte das Verschulden des Beschwerdeführers als mittelschwer ein.  
 
3.3.  
 
3.3.1. Eine Verurteilung nach Art. 90 Abs. 1 SVG kann in Abhängigkeit von der Verkehrsgefährdung und dem Verschulden im Administrativverfahren eine leichte oder eine mittelschwere Widerhandlung i.S.v. Art. 16a bzw. 16b SVG darstellen (BGE 135 II 138 E. 2.4). Gemäss Lehre und Rechtsprechung setzt die Annahme einer leichten Widerhandlung nach Art. 16a Abs. 1 lit. a SVG kumulativ voraus, dass die lenkende Person durch Verletzung von Verkehrsregeln eine geringe Gefahr für die Sicherheit anderer hervorgerufen hat und sie dabei nur ein leichtes Verschulden trifft. Danach stellt die Gefährdung der Sicherheit anderer einen wesentlichen und eigenständigen Gesichtspunkt dar, dem der Gesetzgeber bewusst ein höheres Gewicht zugemessen hat, indem er im Rahmen einer Revision das Recht des Warnungsentzugs von strafrechtlichen Erwägungen stärker verselbständigt und im Hinblick auf die Erhöhung der Verkehrssicherheit und damit die weitere Senkung der Zahl der Toten und Verletzten im Strassenverkehr - teilweise massiv - verschärft hat; dies nicht nur gegenüber Rückfälligen, sondern auch gegenüber Ersttäterinnen und Ersttätern (BGE 135 II 138 E. 2.2.3 mit Hinweisen, insbesondere auch auf die Botschaft vom 31. März 1999 zur Änderung des SVG).  
 
3.3.2. Das Einhalten von Geschwindigkeitsvorschriften ist wesentlich für die Verkehrssicherheit. Bei den Vorschriften über die Geschwindigkeit handelt es sich deshalb um grundlegende Verkehrsregeln. Wer sie missachtet, gefährdet Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmender. Übersetzte Geschwindigkeit ist eine der Hauptursachen für schwere Unfälle im Strassenverkehr. Die lenkende Person hat den Geschwindigkeitsbegrenzungen deshalb besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Dies gilt auch für zeitlich und örtlich vorübergehend herabgesetzte Höchstgeschwindigkeiten, weil die anderen Verkehrsteilnehmenden auch auf deren Einhaltung vertrauen. Verkehrsteilnehmende müssen nicht damit rechnen, dass eine andere Person die Höchstgeschwindigkeit derart massiv überschreitet wie vorliegend (vgl. Urteile 1C_539/2022 vom 23. Mai 2024 E. 5.4, zur Publikation vorgesehen; 1C_224/2010 vom 6. Oktober 2010 E. 4.4; je mit Hinweisen). Eine erhöhte abstrakte Gefahr besteht, wenn die Möglichkeit einer konkreten Gefährdung oder Verletzung naheliegt. Ob eine solche Gefährdung vorliegt, ist anhand der jeweiligen Verhältnisse im Einzelfall zu beurteilen (Urteil 1C_156/2023 vom 8. Juli 2023 E. 2.2).  
 
3.3.3. Der Beschwerdeführer macht in diesem Zusammenhang geltend, es habe lediglich eine geringe abstrakte Gefährdung anderer Personen vorgelegen, da die fragliche Strecke übersichtlich sei und nicht erstellt sei, dass auf dem fraglichen Abschnitt zur Tatzeit überhaupt Mäh- und Strassenrandunterhaltsarbeiten stattgefunden hätten. Insofern bleibt ihm entgegenzuhalten, dass nach dem Gesagten - auch ungeachtet eines allfälligen Sachverhaltsirrtums seinerseits - zur Beurteilung der konkreten oder abstrakt erhöhten Gefährdung die effektive Geschwindigkeitsüberschreitung um 35 km/h als massgebend zu erachten ist (vgl. Urteil 6B_109/2008 vom 13. Juni 2008 E. 3.2) und er im Übrigen auch die üblicherweise signalisierte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 15 km/h überschritten hat. In objektiver Hinsicht ist die unbestritten gebliebene Überschreitung der signalisierten Maximalgeschwindigkeit um 35 km/h als schwerer Verkehrsregelverstoss einzustufen (BGE 132 II 234 E. 3.1; Urteil 1C_539/2022 vom 23. Mai 2024 E. 6.1 mit Hinweisen, zur Publikation vorgesehen). Aufgrund seines Fahrens mit deutlich übersetzter Geschwindigkeit hat der Beschwerdeführer ein erhebliches Risiko für andere Verkehrsteilnehmende und insbesondere auch für diejenigen Personen gesetzt, welche die Strassenrandunterhalts- und Mäharbeiten vornahmen und zu deren Schutz die Geschwindigkeit im relevanten Zeitraum weiter beschränkt wurde. Angesichts dessen kann die vom Beschwerdeführer geschaffene Gefahr für die Sicherheit anderer nicht als leicht eingestuft werden. Die Annahme einer leichten Widerhandlung gemäss Art. 16a Abs. 1 lit. a SVG ist deshalb ausgeschlossen. Dementsprechend ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz mit dem SVSA von einer objektiv schweren Gefährdung der Sicherheit anderer Personen ausgegangen ist, zumal im Strafurteil keine Sachverhaltselemente auszumachen sind, die für eine geringe Gefährdung sprechen würden.  
 
3.3.4. Ob, wie der Beschwerdeführer vorbringt, sein Verschulden gestützt auf das unbegründete strafgerichtliche Urteil lediglich als leicht zu beurteilen gewesen wäre, kann demnach offenbleiben. Die Annahme der Vorinstanz, sein Verschulden wiege mittelschwer, steht jedenfalls nicht - wie dargetan - in einem massiven Widerspruch zum Dispositiv des unbegründet gebliebenen einschlägigen Strafurteils, wonach von einer leichten Verkehrsregelverletzung in unbewusst fahrlässiger Tatbegehung ausgegangen wurde: Das geltend gemachte Übersehen der signalisierten Höchstgeschwindigkeit schliesst vorsätzliches Handeln des Beschwerdeführers zwar aus. Selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es sich um den ersten Tag der temporären Herabsetzung der Höchstgeschwindigkeit handelt, sind Verkehrssignale jedoch jedenfalls zu befolgen (Art. 27 Abs. 1 Satz 1 SVG). Weder aus dem unbegründeten Entscheid des Strafgerichts bzw. dessen Dispositiv noch aus den verbindlichen Sachverhaltsfeststellungen des vorinstanzlichen Urteils ist ein Umstand ersichtlich, wonach es dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen sein soll, die Signalisation zu erkennen und einzuhalten. Sein Verhalten hat deshalb als pflichtwidrig unachtsam bzw. fahrlässig zu gelten. Trotz objektiv grundsätzlich als massiv einzustufender Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit hat die Vorinstanz in subjektiver Hinsicht ein rücksichtsloses Verhalten des Beschwerdeführers und damit eine Grobfahrlässigkeit übereinstimmend mit der strafgerichtlichen Würdigung ausnahmsweise aufgrund besonderer Umstände, die sein Verhalten subjektiv in einem milderen Licht erscheinen lassen, verneint. Dies, obschon nach sorgfältiger Prüfung eine grobe Fahrlässigkeit grundsätzlich auch angenommen werden kann, wenn der Täter die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmender pflichtwidrig gar nicht in Betracht zieht, also unbewusst fahrlässig handelt (vgl. dazu BGE 131 IV 133 E. 3.2 mit Hinweis; Urteile 6B_55/2024 vom 11. März 2024 E. 2.2 und 3; 6B_85/2023 vom 8. November 2023 E. 1.2.1). Die Vorinstanz durfte den Tatsachen Rechnung tragen, dass der Beschwerdeführer die neu signalisierte und bloss während einiger Tage geltende und örtlich begrenzte Geschwindigkeitsreduktion übersehen hat und nicht erstellt war, ob im Zeitpunkt seiner Durchfahrt tatsächlich Unterhaltsarbeiten stattfanden. Darin ist zwar ein strassenverkehrsrechtliches Fehlverhalten zu erblicken, diese Unachtsamkeit zeugt jedoch weder von Rücksichtslosigkeit noch offenbart sie ein bedenkenloses Verhalten gegenüber fremden Rechtsgütern (vgl. dazu auch Urteil 6B_109/2008 vom 13. Juni 2008 E. 3.2).  
 
3.4. Insgesamt ist es nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz davon ausgeht, der Vorfall vom 12. Oktober 2020 bewege sich im oberen Bereich des Rahmens einer mittelschweren Widerhandlung. Demnach ist eine Verwarnung trotz im Urteilszeitpunkt einwandfreiem automobilistischem Leumund des Beschwerdeführers gestützt auf die gesetzlichen Grundlagen ausgeschlossen. Die Vorinstanz durfte somit einen Führerausweisentzug anordnen. Nachfolgend bleibt zu prüfen, ob die Überschreitung der Mindestentzugsdauer gerechtfertigt ist.  
 
4.  
 
4.1. Bei der Festsetzung der Dauer des Lernfahr- oder Führerausweisentzugs sind die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, namentlich die Gefährdung der Verkehrssicherheit, das Verschulden, der Leumund als Motorfahrzeugführer sowie die berufliche Notwendigkeit, ein Motorfahrzeug zu führen. Die Mindestentzugsdauer darf jedoch - abgesehen von der hier nicht beachtlichen Ausnahme - nicht unterschritten werden (Art. 16 Abs. 3 SVG). Alle Umstände sind dabei gesamthaft zu würdigen, und es ist im Einzelfall die Entzugsdauer so festzusetzen, dass die mit der Massnahme beabsichtigte erzieherische und präventive Wirkung am besten erreicht wird. Den kantonalen Behörden steht bei der Bemessung der Entzugsdauer ein weiter Spielraum des Ermessens zu. Das Bundesgericht greift nur ein, wenn dieses Ermessen überschritten oder missbraucht worden ist. Dies ist namentlich der Fall, wenn die kantonalen Behörden einzelne Umstände zu Unrecht ganz ausser Acht lassen oder in einer unhaltbaren Weise gewichten (BGE 128 II 173 E. 4b; Urteile 1C_59/2023 vom 11. Juli 2023 E. 5.3; 1C_320/2018 vom 14. Januar 2019 E. 3.1; je mit Hinweisen).  
 
4.2. Die Entzugsdauer ist vorliegend auf zwei Monate angesetzt worden. Die Mindestdauer von einem Monat gemäss Art. 16b Abs. 2 lit. a SVG wurde damit um einen Monat geringfügig erhöht. Diesen Entscheid hat die Vorinstanz geschützt, indem sie die festgestellte ernstliche Gefährdung der Verkehrssicherheit, das als mittelschwer eingestufte Verschulden des Beschwerdeführers beim Vorfall, seinen ungetrübten automobilistischen Leumund und seine fehlende Massnahmenempfindlichkeit berücksichtigte.  
 
4.2.1. Die Gefährdung der Verkehrssicherheit ist entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers in Art. 16 Abs. 3 SVG explizit als bei der Festsetzung der Entzugsdauer zu berücksichtigendes Element genannt. Die Vorinstanz kam in diesem Zusammenhang zum nicht zu beanstandenden Schluss, die festgestellte ernstliche Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmender sei zu Recht massnahmeverschärfend berücksichtigt worden.  
 
4.2.2. Zwar nahm das SVSA in seiner Massnahmeverfügung im Rahmen der Festlegung der Entzugsdauer nicht explizit auf das Verschulden des Beschwerdeführers Bezug, sondern erwähnte lediglich die aufgrund der gemessenen Geschwindigkeitsüberschreitung als speziell hoch einzustufende Gefährdung als erhöhenden Faktor sowie die langjährige klaglose Fahrpraxis und die berufliche Angewiesenheit des Beschwerdeführers auf das Führen eines Motorfahrzeuges als mildernde Faktoren. Es nahm jedoch auf die strafgerichtliche Schlussfolgerung Bezug, wonach sein Verschulden als nicht hoch einzustufen sei. Dementsprechend geht aus der Vernehmlassung des SVSA im vorinstanzlichen Verfahren hervor, dass es mit dem Beschwerdeführer lediglich von einem leichten Verschulden ausging. Nichtsdestotrotz beschränkte es aufgrund der als speziell hoch erachteten, der konkreten Geschwindigkeitsüberschreitung inhärenten abstrakten Gefährdung der Verkehrssicherheit die Entzugsdauer nicht auf das gesetzliche Minimum.  
Im angefochtenen Urteil erwähnt die Vorinstanz bei der Überprüfung der Entzugsdauer das Verschulden bei der Geschwindigkeitsübertretung vom 12. Oktober 2020. Sie stuft es entgegen der Ansicht der Verfahrensbeteiligten als mittelschwer ein und erachtet es deshalb weder für eine Erhöhung noch für eine Verminderung der Entzugsdauer sprechend. Dieser Schluss ist nachvollziehbar. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist das Verschulden demnach bei der Festsetzung der Entzugsdauer nicht in Verletzung von Art. 16 Abs. 3 SVG unberücksichtigt geblieben, sondern wurde aufgrund der erhöhten Gefährdungssituation vom SVSA bzw. der von derjenigen des Beschwerdeführers abweichenden Einstufung der Vorinstanz als diesbezüglich nicht ins Gewicht fallend qualifiziert, was mit Blick auf den Ermessensspielraum der kantonalen Behörden nicht zu beanstanden ist. 
 
4.2.3. Der Leumund einer Person als Motorfahrzeugführer bzw. -führerin kann neben den weiteren Umständen des Einzelfalls insbesondere dann von Bedeutung sein, wenn es um die Frage geht, ob die gesetzliche Mindestdauer für einen Ausweisentzug zu erhöhen ist (Urteil 1C_320/2018 vom 14. Januar 2019 E. 3.3). Der Beschwerdeführer besitzt den Führerausweis seit 1973, fährt regelmässig Auto und war in der eidgenössischen Administrativkontrolle im Urteilszeitpunkt nicht verzeichnet. Er kann sich somit - soweit sein Verhalten registermässig erfasst war - über ein langjähriges klagloses Verhalten ausweisen. Dieser Umstand wurde bei der Bestimmung der Massnahmedauer zu Recht mildernd berücksichtigt.  
 
4.2.4. Betreffend Massnahmeempfindlichkeit macht der Beschwerdeführer geltend, als Verwaltungsratspräsident und Vorsitzender der Geschäftsleitung der B.________ AG sowie Inhaber und einziger Mitarbeiter der C.________ GmbH in beruflicher Hinsicht auf den Führerschein angewiesen zu sein für Kundenbesuche in der gesamten Schweiz mit Laptop, Beamer, Akten, schwergewichtig im Kanton Bern und im Mittelland. Die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel sei nicht praktikabel; er fahre monatlich geschäftlich ca. 1'500 km und es sei eine persönliche Leistungserbringung notwendig. Für sein Einmannunternehmen und das kleine Unternehmen mit acht Mitarbeitenden sei sein Führerausweisentzug geschäftsschädigend bis existenzbedrohend, da Aufträge nicht angenommen oder ausgeführt werden könnten, Umsatzausfälle die Folge seien bzw. Mehrkosten für einen persönlichen Fahrer oder Taxi in der Höhe von ca. Fr. 4'000.-- bis Fr. 7'500.-- anfallen würden. In Anwendung des Verhältnismässigkeitsprinzips sei ihm der Führerschein daher nur für die Mindestdauer von einem Monat zu entziehen.  
Mit der Vorinstanz ist eine berufliche Angewiesenheit des Beschwerdeführers auf den Führerausweis entgegen der Ansicht des SVSA zu verneinen; sie weist zu Recht darauf hin, dass sich die benötigten Arbeitsmaterialien auch mit den öffentlichen Verkehrsmittel transportieren lassen. Der Anfahrtsweg zu seinen Kunden sollte damit im gut ausgebauten schweizerischen öffentlichen Verkehrsnetz grundsätzlich bewältigbar sein und liesse sich ansonsten mit Taxifahrten oder betriebsinternen oder externen Fahrgemeinschaften organisieren, ohne dass sich dies massiv geschäftsschädigend für die Unternehmen des Beschwerdeführers auswirken würde. Wie der Beschwerdeführer selbst namhaft macht, verfügt sein Unternehmen über mehrere Angestellte. Dagegen bringt er nichts Wesentliches vor. Dass eine derartige Organisation mit Umtrieben und auch finanziellem Mehraufwand verbunden ist, gehört zu den möglichen Folgen eines Führerausweisentzugs, begründet aber noch keine berufliche Angewiesenheit auf den Führerausweis (BGE 123 II 63 E. 3c/bb; 122 II 21 E. 1c). 
 
4.3. Der Vorfall ist insgesamt unter Berücksichtigung des Strafurteils vom 21. September 2022, wonach die Tat als einfache Verkehrsregelverletzung in unbewusst fahrlässiger Begehung qualifiziert wurde, als mittelschwere Widerhandlung im oberen Rahmen eingestuft worden. Diese Erwägungen der Vorinstanz lassen wie erwähnt keine Bundesrechtswidrigkeit erkennen. Dieser Umstand kann zu einer Erhöhung der Entzugsdauer über das Minimum hinaus führen (vgl. Urteil 1C_320/2018 vom 14. Januar 2019 E. 3.5 mit Hinweisen). Nach dem Gesagten trifft den Beschwerdeführer ein mittelschweres Verschulden. Der ungetrübte automobilistische Leumund ist zu seinen Gunsten zu gewichten, nicht jedoch eine berufliche Angewiesenheit auf den Führerausweis. Angesichts der erhöhten abstrakten Gefährdung liegt die Anordnung eines lediglich zweimonatigen Entzugs im Rahmen des vorinstanzlichen Ermessens, weshalb im Ergebnis eine Verletzung von Bundesrecht zu verneinen ist. Namentlich ist nicht davon auszugehen, dass die kantonalen Behörden einzelne Umstände zu Unrecht gänzlich ausser Acht gelassen oder in einer unhaltbaren Weise gewichtet haben. Im Übrigen ist nicht ersichtlich und wird auch nicht substantiiert geltend gemacht, inwiefern sich die Vorinstanz mit seitens des Beschwerdeführers vorgebrachten Sachverhaltselementen nicht auseinandergesetzt haben und inwiefern der Untersuchungsgrundsatz verletzt worden sein soll.  
 
5.  
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen. Der unterliegende Beschwerdeführer hat die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen (Art. 68 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Parteientschädigungen werden nicht zugesprochen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons Bern, der Rekurskommission des Kantons Bern für Massnahmen gegenüber Fahrzeugführerinnen und Fahrzeugführern und dem Bundesamt für Strassen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 12. September 2024 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kneubühler 
 
Die Gerichtsschreiberin: Dillier