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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_53/2024  
 
 
Urteil vom 13. Januar 2025  
 
I. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin, 
Bundesrichter Muschietti, 
Bundesrichterin Wohlhauser, 
Gerichtsschreiberin Fildir. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Christoph Bürgi, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Nordring 8, Postfach, 3001 Bern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Einfache Verkehrsregelverletzung; unrichtige Feststellung des Sachverhalts, Unschuldsvermutung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, 1. Strafkammer, vom 4. Dezember 2023 (SK 22 624). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________ wird vorgeworfen, er habe am 3. Mai 2022 als Lenker eines Personenwagens auf der Autobahn eine Verrichtung vorgenommen (Bedienen des Mobiltelefons), welche die Bedienung des Fahrzeugs erschwert habe. Dadurch habe er die Aufmerksamkeit von der Strasse und dem Verkehr abgewandt und sei mehrere Male mit den rechten Rädern auf den Pannenstreifen geraten. 
 
B.  
In Bestätigung des Urteils des Regionalgerichts Oberland vom 13. Oktober 2022 sprach das Obergericht des Kantons Bern A.________ am 4. Dezember 2023 der einfachen Verletzung der Verkehrsregeln schuldig und verurteilte ihn zu einer Busse von Fr. 500.--. 
 
C.  
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt A.________, das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern vom 4. Dezember 2023 sei aufzuheben und die Sache zur Kostenliquidation an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Die Beschwerde hat ein Rechtsbegehren zu enthalten (Art. 42 Abs. 1 BGG). Da die Beschwerde an das Bundesgericht ein reformatorisches Rechtsmittel ist (Art. 107 Abs. 2 BGG), darf sich der Beschwerdeführer grundsätzlich nicht darauf beschränken, die Aufhebung des angefochtenen Entscheids zu beantragen, sondern muss einen Antrag in der Sache stellen. Vorliegend stellt der Beschwerdeführer ein rein kassatorisches Begehren. Da die Beschwerdebegründung jedoch zur Interpretation des Rechtsbegehrens beigezogen werden kann (BGE 137 II 313 E. 1.3; 136 V 131 E. 1.2; je mit Hinweisen) und sich daraus ergibt, dass er einen Freispruch anstrebt, ist die Beschwerde zulässig. 
 
2.  
 
2.1. Die Vorinstanz erachtet es als erstellt, dass der Beschwerdeführer am 3. Mai 2022 zwei Polizeibeamten aufgefallen sei, weil er auf der Autobahn kurzzeitig in einer Schlangenlinie gefahren und dabei mit den rechten Rädern auf die Linie des Pannenstreifens geraten sei. Die beiden Polizisten hätten sich daraufhin auf den Überholstreifen neben das Fahrzeug des Beschwerdeführers begeben und beobachtet, wie dieser während rund 30 Sekunden sein Mobiltelefon in der rechten Hand gehalten und durch einen Chatverlauf gescrollt habe. Dabei habe er seinen Blick teilweise auf das Mobiltelefon, teilweise nach vorne gerichtet.  
 
2.2. Der Beschwerdeführer wirft der Vorinstanz zusammengefasst vor, sie habe bei der Sachverhaltsfeststellung den Untersuchungsgrundsatz und die Unschuldsvermutung verletzt.  
 
2.2.1. Erstmals vor Bundesgericht bringt er vor, die Strafbehörden hätten gegen den Untersuchungsgrundsatz verstossen, weil die beiden Polizisten, die ihn auf der Autobahn gesichtet hätten, weder eine Aufzeichnung seiner Fahrweise erstellt noch eine Kontrolle der Assistenzsysteme seines Fahrzeugs vorgenommen hätten. Diesen Einwand hätte er bereits in einem früheren Verfahrensstadium vorbringen können und müssen. Dass er dies getan und die kantonalen Instanzen seine Rüge nicht behandelt hätten, macht er nicht geltend und ist auch nicht ersichtlich. Mangels materieller Ausschöpfung des Instanzenzugs (vgl. Art. 80 Abs. 1 BGG) ist darauf nicht einzugehen (vgl. Urteile 6B_1385/2023 vom 19. September 2024 E. 1.1.2; 6B_1153/2023 vom 29. Januar 2024 E. 1.2; 6B_1216/2021 vom 15. Mai 2023 E. 3.4.3; 6B_355/2022 vom 27. März 2023 E. 3.4).  
 
2.2.2. Die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz kann vor Bundesgericht nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig bzw. willkürlich ist oder auf einer Rechtsverletzung beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Willkür im Sinne von Art. 9 BV liegt vor, wenn die vorinstanzliche Beweiswürdigung schlechterdings unhaltbar ist, das heisst, wenn die Behörde in ihrem Entscheid von Tatsachen ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen oder auf einem offenkundigen Fehler beruhen. Die Willkürrüge muss in der Beschwerde explizit vorgebracht und substanziiert begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG). Auf ungenügend begründete Rügen oder allgemeine appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 148 IV 356 E. 2.1; 146 IV 88 E. 1.3.1). Dem Grundsatz "in dubio pro reo" kommt in seiner Funktion als Beweiswürdigungsregel im Verfahren vor dem Bundesgericht keine über das Willkürverbot von Art. 9 BV hinausgehende Bedeutung zu (BGE 146 IV 88 E. 1.3.1 mit Hinweisen).  
War, wie vorliegend, ausschliesslich eine Übertretung Gegenstand des erstinstanzlichen Hauptverfahrens, ist Art. 398 Abs. 4 StPO zu beachten, wonach bereits vor dem Berufungsgericht nur geltend gemacht werden kann, das erstinstanzliche Urteil sei rechtsfehlerhaft oder die Feststellung des Sachverhalts sei offensichtlich unrichtig oder beruhe auf einer Rechtsverletzung. In diesem Fall prüft das Bundesgericht frei, ob die Vorinstanz auf eine gegen das erstinstanzliche Urteil vorgebrachte Rüge der willkürlichen Beweiswürdigung hin zu Unrecht Willkür verneint hat. Der Beschwerdeführer muss sich bei der Begründung der Rüge, die Vorinstanz habe zu Unrecht Willkür verneint, auch mit den massgebenden Erwägungen der ersten Instanz auseinandersetzen (vgl. Urteile 6B_341/2024 vom 5. August 2024 E. 1.4; 6B_944/2023 vom 21. März 2024 E. 4.2.2; 6B_892/2023 vom 14. Dezember 2023 E. 1.5.1; 6B_1044/2022 vom 2. August 2023 E. 2.2.2; 6B_171/2023 vom 19. Juni 2023 E. 1.2). 
 
2.2.3. Die Beschwerde genügt diesen Anforderungen nicht. Über weite Strecken beschränkt sich der Beschwerdeführer darauf, seine bereits vor der ersten Instanz und in der Berufungsbegründung vorgetragenen Einwände nochmals vorzubringen, ohne sich mit dem angefochtenen Urteil auseinanderzusetzen. So bestreitet er wie auch schon im kantonalen Verfahren die vorgeworfene Schlangenlinienfahrt und wiederholt sein Vorbringen, ohne aktive Übersteuerung seiner Fahrassistenzsysteme durch ihn sei eine solche Fahrt gar nicht möglich. Mit der Argumentation der Vorinstanz, die Assistenzsysteme könnten sich trotz Schlangenlinienfahrt nicht bemerkbar gemacht haben, befasst er sich nicht. Er geht auch nicht auf die vorinstanzlichen Ausführungen zu seiner Behauptung ein, die Polizisten seien nicht wegen einer Schlangenlinienfahrt, sondern aufgrund eines Schadens an seinem Auto auf ihn aufmerksam geworden. Stattdessen wiederholt er pauschal, die Aufmerksamkeit der Polizisten könne er sich durch den Parkschaden auf der rechten Seite seines Fahrzeugs erklären. Ebenso repetiert er sein Vorbringen, die beiden Polizisten hätten ihre Schilderung der Schlangenlinienfahrt in der Einvernahme relativiert, ohne sich zur Begründung der Vorinstanz zu äussern, weshalb sie die Aussagen der beiden Polizisten trotz des Umstands als glaubhaft erachtet, dass diese das mehrfache Befahren des Pannenstreifens bei ihrer Befragung "nicht mehr absolut bestätigen konnten". Was das Scrollen durch einen Chatverlauf anbelangt, stellt er sich wie auch schon im Berufungsverfahren auf den Standpunkt, er habe das Mobiltelefon lediglich bedient, um die Bluetoothverbindung wiederherzustellen. Auf die Ausführungen der Vorinstanz zu dieser Behauptung geht er nicht ein. Stattdessen möchte er die Glaubhaftigkeit der entsprechenden Aussagen der beiden Polizisten infrage stellen, indem er geltend macht, sie würden "leicht divergieren". Auch insoweit fehlt es jedoch an einer Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil. Dort wird nämlich ausgeführt, der Polizist auf der Beifahrerseite habe mit seiner vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang zitierten Bemerkung, er wolle sich nicht zu sehr auf den Chatverlauf "versteifen", nicht seine Aussage relativiert, sondern den Vorfall rechtlich subsumiert: Aus seiner Sicht sei es unerheblich gewesen, was genau der Beschwerdeführer am Mobiltelefon getan habe. Soweit der Beschwerdeführer schliesslich seine allgemeinen Ausführungen zur Qualität von Zeugenaussagen aus der Berufungsbegründung wiederholt und behauptet, seine eigenen Aussagen seien "sehr realitätsnah", "konsequent" oder "äusserst glaubwürdig", verfällt er in appellatorische Kritik und unterbreitet dem Bundesgericht lediglich seine Sicht der Dinge. Inwiefern die Vorinstanz zu Unrecht Willkür durch die Erstinstanz verneint oder, wie von ihm geltend gemacht, die Unschuldsvermutung verletzt, legt er damit nicht dar. Auf die Beschwerde ist somit auch in diesem Punkt nicht einzutreten (Art. 42 Abs. 2, Art. 106 Abs. 2 BGG).  
 
3.  
 
3.1. Der Beschwerdeführer wendet sich sodann gegen die rechtliche Würdigung des Sachverhalts durch die Vorinstanz. Im Wesentlichen trägt er vor, das Scrollen durch einen Chatverlauf auf dem Mobiltelefon sei keine Verrichtung, die den Fahrzeugführer davon abhalte, dem Strassenverkehr die nötige Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Selbst wenn mit der Vorinstanz davon ausgegangen werde, er habe während der Fahrt durch einen Chatverlauf gescrollt, sei er deshalb vom Vorwurf der einfachen Verkehrsregelverletzung freizusprechen.  
 
3.2. Die Vorinstanz erwägt, der Gebrauch des Mobiltelefons während der Fahrt schliesse das Aufbringen der im Strassenverkehr gebührenden Aufmerksamkeit nicht generell aus. Vorliegend falle jedoch ins Gewicht, dass der Beschwerdeführer sein Mobiltelefon während rund einer halben Minute verwendet und dabei durch einen Chatverlauf gescrollt habe. Angesichts dessen und der konkreten Verkehrssituation - Fahrt auf der Autobahn mit erhöhter Geschwindigkeit, zum Schluss sogar durch einen Tunnel - müsse seine Aufmerksamkeit als durchaus beeinträchtigt eingestuft werden, was sich insbesondere im Fahren einer Schlangenlinie niedergeschlagen habe. Er sei somit der einfachen Verkehrsregelverletzung nach Art. 90 Abs. 1 i.V.m. Art. 31 Abs. 1 SVG und Art. 3 Abs. 1 VRV schuldig zu erklären.  
 
3.3.  
 
3.3.1. Nach Art. 90 Abs. 1 SVG macht sich strafbar, wer die Verkehrsregeln des SVG oder der Vollziehungsvorschriften des Bundesrates verletzt. Gemäss Art. 31 Abs. 1 SVG muss der Fahrzeuglenker das Fahrzeug ständig so beherrschen, dass er seinen Vorsichtspflichten nachkommen kann. Er muss seine Aufmerksamkeit der Strasse und dem Verkehr zuwenden (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 VRV). Er darf beim Fahren keine Verrichtung vornehmen, welche die Bedienung des Fahrzeugs erschwert (Art. 3 Abs. 1 Satz 2 VRV). Er hat dafür zu sorgen, dass seine Aufmerksamkeit insbesondere durch Tonwiedergabegeräte sowie Kommunikations- und Informationssysteme nicht beeinträchtigt wird (Art. 3 Abs. 1 Satz 3 VRV). Das Mass der Aufmerksamkeit, die er nach Art. 31 Abs. 1 SVG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 VRV der Strasse und dem Verkehr zuzuwenden hat, richtet sich nach den gesamten Umständen, namentlich der Verkehrsdichte, den örtlichen Verhältnissen, der Zeit, der Sicht und den voraussehbaren Gefahrenquellen (BGE 137 IV 290 E. 3.6; 127 II 302 E. 3c; 122 IV 225 E. 2b; Urteile 6B_27/2023 vom 5. Mai 2023 E. 1.3; 6B_1423/2017 vom 9. Mai 2018 E. 2.1.1; 6B_1183/2014 vom 27. Oktober 2015 E. 1.3; je mit Hinweisen). Eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 Satz 1 und 3 VRV durch die Verwendung von Kommunikations- und Informationssystemen liegt nur vor, wenn die Aufmerksamkeit dadurch auch tatsächlich beeinträchtigt wird (vgl. BGE 120 IV 63 E. 2c; Urteil 6B_27/2023 vom 5. Mai 2023 E. 1.3 mit Hinweis).  
 
3.3.2. Im vorliegenden Fall bediente der Beschwerdeführer als Fahrzeuglenker auf der Autobahn 30 Sekunden lang mit der rechten Hand sein Mobiltelefon, indem er durch einen Chatverlauf scrollte. Währenddessen fuhr er in einer Schlangenlinie, wobei er auf die Linie des Pannenstreifens geriet. Seine Aufmerksamkeit war demnach durch die Bedienung des Mobiltelefons offensichtlich i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Satz 3 VRV beeinträchtigt; er war in verkehrsrelevanter Weise abgelenkt. Soweit er dagegen einwendet, er sei keine Schlangenlinie gefahren, weicht er in unzulässiger Weise vom willkürfrei festgestellten Sachverhalt ab und kann damit keine Unrichtigkeit des angefochtenen Urteils begründen. Ebenso wenig vermag er aus seinem Vorbringen, das Mass der geforderten Aufmerksamkeit sei auf der Autobahn geringer als etwa im innerstädtischen Bereich, etwas zu seinen Gunsten abzuleiten. Der Schuldspruch gestützt auf Art. 90 Abs. 1 i.V.m. Art. 31 Abs. 1 SVG und Art. 3 Abs. 1 VRV ist nicht zu beanstanden.  
 
4.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, 1. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 13. Januar 2025 
 
Im Namen der I. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari 
 
Die Gerichtsschreiberin: Fildir