Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
1C_563/2024
Urteil vom 14. März 2025
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Haag, Präsident,
Bundesrichter Kneubühler, Merz,
Gerichtsschreiberin Hänni.
Verfahrensbeteiligte
1. Eheleute A.________,
2. Eheleute B.________,
3. Eheleute C.________,
4. Eheleute D.________,
5. Eheleute E.________,
6. Eheleute F.________,
7. Eheleute G.________,
8. Eheleute H.________,
9. Eheleute I.________,
Beschwerdeführende,
alle vertreten durch Rechtsanwalt Matthias Fricker,
gegen
Swisscom (Schweiz) AG,
Alte Tiefenaustrasse 6, 3050 Bern,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Legal Counsel Miriam Hostettler, c/o Swisscom (Schweiz) AG, Konzernrechtsdienst, Alte Tiefenaustrasse 6, 3050 Bern,
Politische Gemeinde Eschenbach,
Gemeinderat, Rickenstrasse 12, 8733 Eschenbach SG,
Bau- und Umweltdepartement des Kantons St. Gallen, Lämmlisbrunnenstrasse 54, 9001 St. Gallen.
Gegenstand
Baubewilligung (Neubau Mobilfunkanlage mit Mast und Antennen),
Beschwerde gegen den Entscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen, Abteilung I, vom 20. August 2024 (B 2024/3).
Sachverhalt:
A.
Die Swisscom plant auf dem Grundstück 1497E an der Strasse U.________ in Eschenbach SG den Bau einer neuen Mobilfunkanlage mit einem 25 m hohem Mast und nicht adaptiven Antennen. Sie ist selbst Eigentümerin des Grundstücks, das in der Zone für öffentliche Bauten und Anlagen (OeBA) liegt. Gegen das Vorhaben wurden zahlreiche Einsprachen eingereicht, unter anderem von den im Rubrum genannten Personen. Am 23. Mai 2023 hat die Baukommission Eschenbach die Baubewilligung erteilt, die öffentlich-rechtlichen Einsprachen abgewiesen und die privatrechtlichen auf den Zivilweg verwiesen.
B.
Die im Rubrum erwähnten (nachfolgend: Beschwerdeführende) und weitere Personen haben die Baubewilligung erfolglos beim Bau- und Umweltdepartement des Kantons St. Gallen angefochten. Mit Urteil vom 20. August 2024 hat das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen deren Beschwerde ebenfalls abgewiesen.
C.
Die Beschwerdeführenden erheben gegen diesen Entscheid mit Eingabe vom 19. September 2024 beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Sie beantragen die Rückweisung der Sache an die Baukommission, eventuell an den Gemeinderat von Eschenbach.
Das Verwaltungsgericht sowie das Bau- und Umweltdepartement beantragen die Abweisung der Beschwerde. Die Swisscom beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Die Beschwerdeführenden haben repliziert. Die Gemeinde Eschenbach hat Stellung genommen, ohne ausdrücklich Antrag zu stellen.
Erwägungen:
1.
1.1. Beim angefochtenen Urteil handelt es sich um einen kantonal letztinstanzlichen Endentscheid im Bereich des Bau- und Umweltrechts, gegen den grundsätzlich die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offen steht (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2, Art. 90 BGG ). Ein Ausnahmegrund im Sinne von Art. 83 BGG liegt nicht vor. Die Beschwerdeführenden haben am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen und sind als Nachbarinnen und Nachbarn des geplanten Standorts der Mobilfunkantenne zur Beschwerde berechtigt (Art. 89 Abs. 1 BGG).
1.2. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann insbesondere die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Soweit es um die Anwendung kantonalen Rechts geht, kann vorbehältlich Art. 95 lit. c-e BGG im Wesentlichen vorgebracht werden, der angefochtene Entscheid verstosse gegen Bundesrecht, namentlich das Willkürverbot nach Art. 9 BV (BGE 141 I 36 E. 1.3; 138 I 143 E. 2). Das Bundesgericht wendet das Recht grundsätzlich von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht prüft es aber nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und ausreichend begründet worden ist (qualifizierte Rüge- und Begründungspflicht; Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 142 I 99 E. 1.7.2; 139 I 229 E. 2.2).
1.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen können nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich (BGE 137 I 58 E. 4.1.2) sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG).
Die Beschwerdeführenden erheben vorliegend keine Sachverhaltsrügen. Die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz sind somit für das Bundesgericht verbindlich.
1.4. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist ein reformatorisches Rechtsmittel (vgl. Art. 107 Abs. 2 BGG). Die beschwerdeführende Partei darf sich deshalb grundsätzlich nicht darauf beschränken, die Aufhebung des angefochtenen Entscheids zu beantragen, sondern muss einen Antrag in der Sache stellen (BGE 150 II 334 E. 1.3). Ein blosser Rückweisungsantrag reicht ausnahmsweise aus, wenn das Bundesgericht im Falle der Gutheissung in der Sache nicht selbst entscheiden könnte (BGE 134 III 379 E. 1.3; 133 III 489 E. 3.1). Dies ist vorliegend der Fall, bemängeln die Beschwerdeführenden doch das Vorgehen des Gemeinderats bei der Standortevaluation. Der Rückweisungsantrag ist daher zulässig.
2.
Die Beschwerdeführenden werfen der Gemeinde vor, sie habe es unterlassen, dafür zu sorgen, dass Alternativstandorte für die Mobilfunkantenne geprüft werden: Zwischen den Mobilfunkbetreiberinnen und den St. Galler Gemeinden sei nämlich eine Vereinbarung über die Standortevaluation und -koordination abgeschlossen worden. Dabei handle es sich um einen verwaltungsrechtlichen Vertrag. Wenn eine Mobilfunkbetreiberin eine neue Anlage plane, könnten die Gemeinden nach dieser Vereinbarung einen anderen, in der Nähe gelegenen, ähnlich geeigneten Standort vorschlagen. Diesfalls würden die Mobilfunkbetreiberinnen auf das ursprüngliche Baugesuch verzichten und ein neues Gesuch am gewünschten Standort einreichen.
Es treffe zwar zu, so die Beschwerdeführenden, dass sie keinen klagbaren Anspruch auf einen Alternativstandort hätten. Indes räume der verwaltungsrechtliche Vertrag der Gemeinde Ermessen ein, das diese pflichtgemäss auszuüben habe. Tue sie dies, wie vorliegend, nicht, verletze sie das rechtliche Gehör und das Willkürverbot.
3.
Das Verwaltungsgericht hat erwogen, die zwischen der Vereinigung der st. gallischen Gemeindepräsidentinnen und -präsidenten (VSGP) und den Mobilfunkbetreiberinnen abgeschlossene "Vereinbarung über die Standortevaluation und -koordination" stelle keine planungsrechtliche Vorschrift dar, aus welcher sich ein klagbarer Anspruch auf einen Alternativstandort ableiten lasse. Der Gemeinderat Eschenbach habe der Swisscom mit Schreiben vom 1. Februar 2022 seinen Beschluss vom 25. Januar 2022 mitgeteilt, wonach er keine Einwände gegen den vorgesehenen Standort erhebe.
Der Vereinbarung komme, so die Vorinstanz, keine Rechtsverbindlichkeit zu. Zudem sei sie nicht von der Gemeinde selbst abgeschlossen worden, sondern von der VSGP. Dabei handle es sich um einen privatrechtlichen Verein, der nicht verpflichtend für seine Mitglieder handeln könne. Massgebend für die Beurteilung des Baugesuchs seien somit allein die geltenden planungsrechtlichen Normen. Ausserdem diene die Vereinbarung dem öffentlichen Interesse und nicht den privaten Interessen Dritter.
4.
Wie bereits erwähnt (oben E. 1.2), kann mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten die Verletzung schweizerischen Rechts gerügt werden (Randtitel Art. 95 BGG). Darunter fallen namentlich das Bundesrecht - inklusive des Völkerrechts - und die kantonalen verfassungsmässigen Rechte. Es ist nicht leicht ersichtlich, welche Rechtsnorm, die unter eine dieser Fallgruppen fallen würde, die Beschwerdeführenden als verletzt erachten. Insbesondere leiten sie aus der Vereinbarung zwischen der VSGP und den Mobilfunkbetreiberinnen keine eigenen Rechtsansprüche ab, die verletzt sein könnten; vielmehr gestehen sie ausdrücklich ein, dass "kein klagbarer Anspruch der Beschwerdeführer auf einen Alternativstandort" besteht. Im Kern machen sie geltend, die Gemeinde habe ihr Ermessen, ob sie eine Standortevaluation durchführen wolle, nicht pflichtgemäss ausgeübt. Darin sehen sie eine Verletzung des rechtlichen Gehörs und des Willkürverbots, ohne dies allerdings näher auszuführen.
Ob die Beschwerdeführenden damit überhaupt eine zulässige Rüge erheben und diese hinreichend substanziieren (Art. 106 Abs. 2 BGG; oben E. 1.2), erscheint vor diesem Hintergrund fraglich. Die Frage kann indes offengelassen werden, da sich die Beschwerde ohnehin als unbegründet erweisen würde, falls darauf einzutreten wäre.
5.
5.1. Die Vorinstanz hat befunden, die Vereinbarung zwischen der VSGP und den Mobilfunkbetreiberinnen stelle keinen verwaltungsrechtlichen Vertrag dar, weil nicht ein individuell-konkretes Rechtsverhältnis geregelt werde, sondern sich die Vereinbarung auf eine unbestimmte Zahl von Fällen beziehe und die Standortevaluation auch Drittpersonen betreffe. Der Vereinbarung komme auch deshalb keine Verbindlichkeit zu, weil sie kein formelles Gesetzgebungsverfahren durchlaufen habe und nicht von der Gemeinde selbst abgeschlossen worden sei; die Vereinigung der Gemeindepräsidentinnen und -präsidenten könne nicht verbindlich für die Gemeinden handeln.
Ob diese Auffassung zutrifft, kann aus folgenden Gründen offen bleiben:
5.2. Sofern der Vereinbarung zwischen der VSGP und den Mobilfunkbetreiberinnen bindende Wirkung zukäme, würde sie der Gemeinde Eschenbach als öffentlich-rechtliche Körperschaft Rechte einräumen und nicht den Beschwerdeführenden als Einwohnerinnen und Einwohnern der Gemeinde. Dies ist zwischen den Beteiligten letztlich nicht streitig. Würde der Vereinbarung also verpflichtender Charakter zuerkannt, könnte die Gemeinde, handelnd durch ihre Organe, ein Vorgehen gemäss dem in § 1 ff. der Vereinbarung festgelegten Prozedere verlangen; falls ein geeigneter Alternativstandort vorläge, könnte sie also fordern, dass die Mobilfunkantenne dort realisiert würde. Eine direkte Mitwirkung der interessierten Bevölkerung ist dort nicht vorgesehen, auch nicht der direkt betroffenen Nachbarschaft.
Nach den für das Bundesgericht verbindlichen vorinstanzlichen Feststellungen hat die Swisscom die Bauverwaltung von Eschenbach am 14. Januar 2022 über ihr Vorhaben informiert und sie darauf aufmerksam gemacht, die Gemeinde habe nun die Gelegenheit, einen Alternativstandort zu prüfen. Der Gemeinderat hat der Swisscom am 1. Februar 2022 seinen Beschluss mitgeteilt, wonach er vom vorgesehenen Standort für die Mobilfunkantenne Kenntnis genommen habe und er keine Alternativstandorte vorschlage; diesen Entscheid hat er auch begründet und darauf hingewiesen, der Standort befinde sich nicht in einer Bauzone, sondern in der OeBA und es befinde sich kein Schulhaus in der Nähe.
5.3. Die Gemeinde Eschenbach hat somit darauf verzichtet, einen Alternativstandort zu bezeichnen. Die Beschwerdeführenden zeigen nicht auf, inwiefern darin eine nicht pflichtgemässe Ermessenshandhabung liegen könnte, und dies ist auch nicht ersichtlich. Selbst wenn eine Gemeinde in einer solchen Situation sachwidrige Entscheide treffen sollte, leuchtet nicht ein, dass Nachbarinnen und Nachbarn allein gestützt auf die streitige Vereinbarung die Möglichkeit offen stünde, auf dem Rechtsweg gegen die geplante Mobilfunkantenne vorzugehen. Da den Beschwerdeführenden aus der Vereinbarung unstreitig keine eigenen Rechte erwachsen, könnten sie eine pflichtwidrige Verwaltungstätigkeit der Gemeindebehörden allenfalls aufsichtsrechtlich rügen. Ausserdem würde sich die Frage der politischen Verantwortlichkeit stellen.
Die Beschwerdeführenden vertreten gestützt auf eine Lehrmeinung von Thomas Müller-Tschumi die Auffassung, "ein Verstoss gegen den verwaltungsrechtlichen Vertrag [könnte] durchaus mittels Vollzugsverfügung sanktioniert werden". Auch in diesem Punkt kann ihnen nicht gefolgt werden: In der Textstelle, die sie anführen (Thomas Müller-Tschumi, Leistungsstörungen bei verwaltungsrechtlichen Verträgen, in: Häner/Waldmann [Hrsg.], Der verwaltungsrechtliche Vertrag in der Praxis, 2007, S. 58 f.) plädiert dieser Autor zwar dafür, Leistungsstörungen aus verwaltungsrechtlichen Verträgen auf der Grundlage entsprechender Regelungen des privaten Vertragsrechts zu beurteilen; im vorliegenden Fall ist indessen keine derartige Konstellation gegeben. Wie erwähnt und wie auch die Beschwerdeführenden anerkennen, räumt ihnen die Vereinbarung zwischen der VSGP und den Mobilfunkanbieterinnen keine eigenen Rechte ein; es liegt somit auch keine Situation vor, die mit einem Vertrag zugunsten eines Dritten im Sinne von Art. 112 OR vergleichbar wäre.
6.
Damit wäre die Beschwerde abzuweisen, wenn darauf einzutreten wäre.
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten den Beschwerdeführenden aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Diese haben der obsiegenden Beschwerdegegnerin eine angemessene Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 2 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden den Beschwerdeführenden auferlegt.
3.
Die Beschwerdeführenden haben der Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 2'000.-- zu bezahlen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Politischen Gemeinde Eschenbach, dem Bau- und Umweltdepartement des Kantons St. Gallen und dem Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen, Abteilung I, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 14. März 2025
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Haag
Die Gerichtsschreiberin: Hänni