Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
5A_358/2025
Urteil vom 14. Mai 2025
II. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Bovey, Präsident,
Gerichtsschreiber Möckli.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Patrik Schmid,
Beschwerdeführerin,
gegen
B.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Andrea Müller-Ranacher,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Aufschiebende Wirkung betreffend superprovisorische Anordnung (Regelung der Kinderbelange),
Beschwerde gegen die Verfügung des Obergerichts des Kantons Graubünden, Erste zivilrechtliche Kammer, vom 7. Mai 2025 (ZR1 25 50).
Sachverhalt:
A.
A.________ (Beschwerdeführerin) und B.________ sind die unverheirateten Eltern von C.________ (geb. 2021).
Mit Klage um Regelung der Kinderbelange vom 30. August 2023 gelangte die Beschwerdeführerin an das Regionalgericht Plessur. Sie verlangte namentlich die alleinige Obhut und Kindesunterhalt. Im Rahmen der Instruktionsverhandlung vom 16. April 2024 schlossen die Parteien eine Teilvereinbarung, wonach das Kind unter die alleinige Obhut der Beschwerdeführerin zu stellen sei.
Mit Gesuch um Erlass (superprovisorischer) vorsorglicher Massnahmen vom 23. August 2024 verlangte die Beschwerdeführerin eine Einschränkung des bestehenden Besuchsrechts des Vaters. An der Instruktionsverhandlung vom 10. Oktober 2024 schlossen die Parteien eine Teilvereinbarung betreffend das Besuchsrecht; ferner erklärten sie darin auch, eine kinderpsychiatrische Abklärung von C.________ durch die Kinder- und Jugendpsychiatrie Graubünden zu begrüssen.
Das betreffende Gutachten wurde dem Regionalgericht am 31. März 2025 zugestellt. Mit prozessleitender Verfügung vom 8. April 2025 lud dieses die Parteien auf den 5. Mai 2025 zu einer Verhandlung.
B.
Noch vor Durchführung der Verhandlung erliess das Regionalgericht am 2. Mai 2025 eine superprovisorische Anordnung mit der Begründung, aus dem Gutachten ergebe sich eine akute Kindeswohlgefährdung und der Erlass einer superprovisorischen Massnahme rechtfertige sich namentlich durch den notwendigen Überraschungseffekt. Darin entzog es der Beschwerdeführerin das Aufenthaltsbestimmungsrecht über C.________ und stellte diese unter die alleinige Obhut des Vaters. Es regelte ferner das Besuchsrecht der Beschwerdeführerin, errichtete eine Besuchsrechts- und Erziehungsbeistandschaft und ordnete für beide Elternteile eine sozialpädagogische Familienbegleitung an. Schliesslich setzte es den Parteien eine Frist bis zum 26. Mai 2025 zur Einreichung einer Stellungnahme. Diesen superprovisorischen Entscheid eröffnete es den Parteien an der Verhandlung vom 5. Mai 2025.
Am 6. Mai 2025 stellte die Beschwerdeführerin beim Obergericht des Kantons Graubünden ein Gesuch um (superprovisorische) Gewährung der aufschiebenden Wirkung und um (superprovisorischen) Vollstreckungsaufschub bezüglich des Entscheides des Regionalgerichtes vom 2. Mai 2025. Mit Verfügung vom 7. Mai 2025 trat das Obergericht darauf nicht ein.
C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 8. Mai 2025 verlangt die Beschwerdeführerin die Aufhebung der obergerichtlichen Verfügung, die Feststellung, dass der Entscheid des Regionalgerichtes vom 2. Mai 2025 einer Beschwerde im Sinn von Art. 319 ff. ZPO zugänglich sei, und die Rückweisung der Sache an das Obergericht zur neuen Beurteilung; eventualiter verlangt sie die Erteilung der aufschiebenden Wirkung in Bezug auf den superprovisorischen Entscheid vom 2. Mai 2025 und die Feststellung, dass dieser nicht vollstreckbar sei. Ferner stellt die Beschwerdeführerin die prozessualen Anträge, der Beschwerde sei superprovisorisch die aufschiebende Wirkung zu erteilen und damit die Vollstreckbarkeit der angefochtenen obergerichtlichen Verfügung sowie des Entscheides des Regionalgerichtes vom 2. Mai 2025 umgehend und noch vor Anhörung der Gegenpartei auszusetzen und der Vater sei superprovisorisch zu verpflichten, die Tochter in ihre Obhut zurückzugeben.
Mit weiterer Eingabe vom 12. Mai 2025 macht die Beschwerdeführerin unter Beilage eines ärztlichen Schreibens vom 10. Mai 2025 geltend, aus diesem gehe klar hervor, dass die erstinstanzlich angeordnete Obhutsumteilung auf einem mangelhaften Gutachten beruhe und von ihr keinerlei Kindeswohlgefährdung ausgehe, was als echtes Novum berücksichtigt werden müsse.
Mit einem zweiten Nachtrag ebenfalls vom 12. Mai 2025 macht die Beschwerdeführerin unter Beilage eines weiteren Entscheides des Regionalgerichtes Plessur vom 8. Mai 2025 geltend, aus diesem gehe nunmehr klar hervor, dass es sich beim Entscheid vom 2. Mai 2025 um eine Kindesschutzmassnahme im Sinn von Art. 445 ZGB handle, obschon dieser Artikel im Entscheid vom 2. Mai 2025 mit keiner Silbe erwähnt und der Eindruck erweckt worden sei, es handle sich um eine superprovisorische Massnahme gestützt auf Art. 265 ZPO; dabei gehe es um ein echtes Novum, welches berücksichtigt werden müsse.
Erwägungen:
1.
Angefochten ist eine kantonal letztinstanzliche Nichteintretensverfügung betreffend eine superprovisorische Massnahme. Entscheide im Zusammenhang mit superprovisorischen Massnahmen sind jedoch - von hier nicht interessierenden Ausnahmen (Nichtgewährung des Arrestes, Nichtanordnung der superprovisorischen Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechtes) abgesehen - beim Bundesgericht nicht anfechtbar (BGE 137 III 417 E. 1.2; 139 III 86 E. 1.1.1; 140 III 289 E. 1.1).
Gleiches gilt bereits auf kantonaler Stufe, und zwar nicht nur im Anwendungsbereich von Art. 265 ZPO (BGE 137 III 417 E. 1.3; 139 III 86 E. 1.1.1; Urteil 5A_84/2018 vom 8. November 2018 E. 4.2), sondern auch in Bezug auf den Kindes- und Erwachsenenschutz, für welchen Art. 445 ZGB im Kontext mit vorsorglichen Massnahmen bundesrechtliche Normen vorsieht, welche dem zuteilenden Vorbehalt in Art. 450f ZGB vorgehen: Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung unterliegt einzig die vorsorgliche Massnahme im Sinn von Art. 445 Abs. 1 ZGB, nicht aber die dieser vorgelagerte superprovisorische Massnahme im Sinn von Art. 445 Abs. 2 ZGB der Beschwerde an die obere kantonale Instanz (BGE 140 III 289 E. 2, insb. E. 2.7).
Das Bundesgericht hat dies damit begründet, dass nach dem gesetzgeberischen Konzept die Wirkung der superprovisorischen Massnahme von beschränkter Dauer sein soll und gemäss Art. 445 Abs. 2 ZGB - analog zu Art. 265 Abs. 2 ZPO - mit dem Erlass der superprovisorischen Massnahme den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben und anschliessend neu zu entscheiden ist (BGE 140 III 289 E. 2.6.1), dass diesbezüglich die Einhaltung des Beschleunigungsgebots durch die jederzeit mögliche Rechtsverzögerungs- und Rechtsverweigerungsbeschwerde (Art. 450a Abs. 2 und Art. 450b Abs. 3 ZGB ) gewährleistet ist - welche die Beschwerdeführerin nach eigenen Angaben denn auch eingereicht hat - und der Rechtsschutz damit praktischer umgesetzt wird als mit einer Beschwerde gegen die superprovisorische Massnahme (BGE 140 III 289 E. 2.6.2) und dass bereits die dem Superprovisorium zugrunde liegende vorsorgliche Massnahme des Kindes- und Erwachsenenschutzes eine besondere Dringlichkeit voraussetzt, sodass eine auf die besonderen Voraussetzungen des Superprovisoriums beschränkte Beschwerdemöglichkeit als theoretisch erscheinen und deren Zulassung im Ergebnis zu einer Vorwegnahme und Präjudizierung des Entscheides über die vorsorgliche Massnahme führen würde (BGE 140 III 289 E. 2.6.3).
Diesen Ausführungen liegt letztlich der Gedanke zugrunde, dass ein kontradiktorisches Rechtsmittelverfahren weder logisch sinnvoll wäre, wo noch gar kein kontradiktorisches erstinstanzliches Verfahren stattgefunden hat, und dass der Rechtsschutz besser gewährleistet ist, wenn das erstinstanzliche Massnahmeverfahren, in dessen Rahmen die superprovisorische Anordnung ergangen ist, ohne Interferenzen mit einem Rechtsmittelverfahren voranschreiten und nach erfolgter Gehörsgewährung ohne Verzug der (anfechtbare) vorsorgliche Massnahmeentscheid ergehen kann.
Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde in Zivilsachen als offensichtlich unzulässig, weshalb auf sie nicht einzutreten und darüber praxisgemäss im vereinfachten Verfahren nach Art. 108 Abs. 1 lit. a BGG zu entscheiden ist (Urteile 5A_162/2024 vom 8. März 2024 E. 2 und 3; 5A_473/2024 vom 8. August 2024 E. 1 und 3).
2.
Nur der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass auf die Beschwerde ohnehin auch deshalb nicht eingetreten werden könnte, weil die Beschwerdeführerin sich auf echte Noven beruft, die im bundesgerichtlichen Verfahren von vornherein unzulässig sind (Art. 99 Abs. 1 BGG; BGE 139 III 120 E. 3.1.2; 148 V 174 E. 2.2), und sie letztlich die in BGE 140 III 289 publizierte Rechtsprechung in Frage stellen möchte, ohne sich hinreichend mit den dortigen Argumenten auseinanderzusetzen, weshalb keine Rechtsverletzung dargetan wäre (zu den betreffenden Begründungsanforderungen BGE 140 III 115 E. 2; 142 III 364 E. 2.4).
Zunächst ändert am Grundsatz, wonach gegen superprovisorische Anordnungen kein Rechtsmittel gegeben ist, entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin der Umstand nichts, dass die superprovisorische Massnahme vom 2. Mai 2025 von Amtes wegen und nicht auf Antrag einer Partei verfügt wurde.
Ebenso wenig ist eine Rechtsverletzung durch die Aussage darzutun, BGE 140 III 289 könne nicht zutreffen, weil die Überprüfung eines superprovisorischen Entscheides möglich sein müsse und dies in der Botschaft des Bundesrates zum Kindes- und Erwachsenenschutz so festgehalten sei (BBl 2006 7077). Das Bundesgericht hat sich in BGE 140 III 289 E. 2.3 mit den Ausführungen in der Botschaft auseinandergesetzt und im betreffenden Urteil vom Ergebnis her für einen Gleichlauf bei Superprovisorien nach Art. 265 ZPO und solchen nach Art. 445 Abs. 2 ZGB gesorgt (vgl. im Übrigen die klare Aussage in der Botschaft des Bundesrates zur Zivilprozessordnung, wonach die superprovisorische Anordnung keinem Rechtsmittel unterliegt, BBl 2006 7356). Der blosse Verweis auf die Botschaft zum Kindes- und Erwachsenenschutzrecht kann mithin nicht Anlass geben, auf die publizierte Rechtsprechung zurückzukommen.
Am Gesagten ändern sodann die beiden weiteren Eingaben vom 12. Mai 2025 nichts. Bei den nachgereichten Unterlagen handelt es sich, wie die Beschwerdeführerin selbst festhält, um echte Noven, welche entgegen ihrer Ansicht im bundesgerichtlichen Verfahren von vornherein ausgeschlossen sind (Art. 99 Abs. 1 BGG; BGE 139 III 120 E. 3.1.2; 148 V 174 E. 2.2).
Ohnehin wäre die darauf basierende nachgeschobene - in der Beschwerde ging die Beschwerdeführerin selbst noch von einer superprovisorischen Entscheidung aus - Behauptung, der weitere Entscheid des Regionalgerichts vom 8. Mai 2025 zeige, dass derjenige vom 2. Mai 2025 gar nicht superprovisorisch ergangen sei, unzutreffend, denn auch im Entscheid vom 8. Mai 2025 bezeichnet das Regionalgericht seinen Entscheid vom 2. Mai 2025 erneut explizit als superprovisorisch und hält zu dessen Inhalt fest, dass die Obhut superprovisorisch dem Vater übertragen sei; im Übrigen weist das Regionalgericht auch im Entscheid vom 8. Mai 2025 darauf hin, dass in demjenigen vom 2. Mai 2025 den Parteien Frist zur Stellungnahme gesetzt worden und im Anschluss umgehend neu über die Obhutszuteilung zu befinden sei. Abgesehen davon, dass die Behauptung der Beschwerdeführerin im weiteren Entscheid vom 8. Mai 2025 keine Stütze findet, unterlässt sie zu deren Begründung auch jegliche Ausführungen dazu, inwiefern bereits vorgängig zum Entscheid vom 2. Mai 2025 das rechtliche Gehör gewährt worden wäre, so dass diese unrichtig bezeichnet worden wäre und von der Sache her nicht mehr als superprovisorisch angesehen werden könnte.
Nach dem Gesagten wäre auf die Beschwerde in Zivilsachen, selbst wenn diese im Kontext mit superprovisorischen Anordnungen offenstünde, im vereinfachten Verfahren nach Art. 108 Abs. 1 lit. b BGG nicht einzutreten, weil sie offensichtlich nicht hinreichend begründet ist.
3.
Mit dem sofortigen Nichteintretensentscheid wird das Gesuch um (superprovisorische) Gewährung der aufschiebenden Wirkung im bundesgerichtlichen Verfahren gegenstandslos.
4.
Die Gerichtskosten sind der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt der Präsident:
1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'500.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Graubünden, Erste zivilrechtliche Kammer, mitgeteilt.
Lausanne, 14. Mai 2025
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Bovey
Der Gerichtsschreiber: Möckli