Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
7B_273/2024
Urteil vom 15. April 2025
II. strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Abrecht, Präsident,
Bundesrichterinnen van de Graaf, Koch,
Gerichtsschreiberin Sauthier.
Verfahrensbeteiligte
C.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Hans Joos,
Beschwerdeführer,
gegen
1. Jürg Hitz,
p.A. Staatsanwaltschaft Graubünden,
Rohanstrasse 5, 7001 Chur,
Beschwerdegegner 1,
2. B.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Andrea Brüesch,
Beschwerdegegner 2.
Gegenstand
Ausstand,
Beschwerde gegen den Beschluss des Kantonsgerichts von Graubünden, II. Strafkammer, vom 1. Februar 2024 (SK2 23 61).
Sachverhalt:
A.
B.________ hat am 22. Februar 2018 Strafanzeige gegen A.________ und C.________ wegen mehrfachen unlauteren Wettbewerbs eingereicht. Die Staatsanwaltschaft Graubünden eröffnete am 16. Juli 2018 eine Strafuntersuchung unter der Leitung des zuständigen Staatsanwalts Jürg Hitz. Am 24. November 2021 erhob Jürg Hitz Anklage beim Regionalgericht Plessur. Aufgrund der fehlenden örtlichen Zuständigkeit trat dieses jedoch nicht auf die Anklage ein. Eine dagegen erhobene Beschwerde von B.________ blieb sowohl vor dem Kantonsgericht als auch vor dem Bundesgericht erfolglos (Urteil 1B_91/2023 vom 26. Mai 2023).
B.
In der Folge erhob Jürg Hitz am 25. August 2023 beim Regionalgericht Maloja Anklage gegen A.________ und C.________ wegen Vergehens gegen das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG; SR 241) sowie wegen falscher Anschuldigung. Gemäss der Anklageschrift sollen A.________ und C.________ gegen das UWG verstossen haben, indem sie B.________ wissentlich und willentlich durch unrichtige, irreführende und unnötig verletzende Aussagen in seinem beruflichen Ansehen, seinem Geschäftsbetrieb und auch sonst in seinen wirtschaftlichen Interessen durch unlauteren Wettbewerb herabgesetzt haben.
Am 24. und 30. August 2023 reichte C.________ sinngemäss je ein Ausstandsgesuch gegen Staatsanwalt Jürg Hitz ein. Mit Stellungnahme vom 26. September 2023 beantragte Staatsanwalt Jürg Hitz, auf das Ausstandsgesuch sei nicht einzutreten, eventualiter sei es abzuweisen. Mit Beschluss vom 1. Februar 2024 wies das Kantonsgericht das Ausstandsgesuch ab, soweit es darauf eintrat.
C.
Mit Eingabe vom 5. März 2024 führt C.________ Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht. Er beantragt, Dispositiv Ziffern 2, 3 und 4 des Beschlusses des Kantonsgerichts vom 1. Februar 2024 seien aufzuheben und das Ausstandsgesuch gegen Staatsanwalt Jürg Hitz im gegen ihn geführten Strafverfahren vor dem Regionalgericht Maloja sei gutzuheissen.
Das Kantonsgericht stellt keinen konkreten Antrag. Die Beschwerdegegner beantragen die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei.
Mit Präsidialverfügung vom 28. März 2024 wies das Bundesgericht das Gesuch um aufschiebende Wirkung der Beschwerde ab.
Erwägungen:
1.
Die Sachurteilsvoraussetzungen von Art. 78 ff. bzw. Art. 92 Abs. 1 BGG sind grundsätzlich erfüllt und geben zu keinen Bemerkungen Anlass.
2.
Streitgegenstand bildet die Frage eines allfälligen Ausstands des Staatsanwalts aufgrund angeblicher persönlicher Vernetzung mit dem Anzeigeerstatter bzw. gegenseitiger Verbundenheit sowie wiederholter grober Verfahrensfehler. Der Beschwerdeführer rügt in diesem Zusammenhang eine Verletzung von Art. 56 lit. f StPO. Damit einhergehend macht er verschiedentlich Verletzungen seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) geltend.
3.
3.1. Die Ausstandsgründe für die in einer Strafbehörde tätigen Personen sind in Art. 56 StPO geregelt. Diese Bestimmung konkretisiert Art. 6 Ziff. 1 EMRK sowie Art. 29 Abs. 1 und Art. 30 Abs. 1 BV . Zu den Strafbehörden gehören neben den Gerichten (Art. 13 StPO) die Strafverfolgungsbehörden, darunter die Organe der Staatsanwaltschaft (Art. 12 lit. b StPO). Von den in Art. 56 lit. a-e StPO geregelten besonderen Ausstandsgründen abgesehen, tritt ein Staatsanwalt oder eine Staatsanwältin in den Ausstand, wenn er bzw. sie "aus anderen Gründen, insbesondere wegen Freundschaft oder Feindschaft mit einer Partei oder deren Rechtsbeistand, befangen sein könnte" (Art. 56 lit. f StPO). Die Rechtsprechung nimmt Voreingenommenheit bzw. Befangenheit an, wenn Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtung geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit der untersuchungsleitenden Person zu erwecken. Solche Umstände können namentlich in einem bestimmten Verhalten der untersuchungsleitenden Person bestehen. Dabei ist nicht auf das subjektive Empfinden einer Partei abzustellen. Das Misstrauen in die Unvoreingenommenheit muss vielmehr in objektiver Weise begründet erscheinen. Es genügt, wenn Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtung den Anschein der Befangenheit bzw. Voreingenommenheit erwecken. Für die Ablehnung ist nicht erforderlich, dass die untersuchungsleitende Person tatsächlich befangen ist (vgl. BGE 148 IV 137 E. 2.2; 147 I 173 E. 5.1; 144 I 234 E. 5.2; Urteil 7B_611/2024 vom 13. November 2024 E. 5.2.1; je mit Hinweisen).
Befangenheit einer staatsanwaltlichen Untersuchungsleiterin oder eines Untersuchungsleiters ist nach der Praxis des Bundesgerichtes nicht leichthin anzunehmen. Zu bejahen ist sie, wenn nach objektiver Betrachtung besonders krasse oder ungewöhnlich häufige Fehlleistungen der Untersuchungsleitung vorliegen, welche bei gesamthafter Würdigung eine schwere Verletzung der Amtspflichten darstellen und sich einseitig zulasten einer der Prozessparteien auswirken. Gegen beanstandete Verfahrenshandlungen sind primär die zur Verfügung stehenden Rechtsmittel auszuschöpfen (BGE 143 IV 69 E. 3.2; Urteil 7B_592/2024 vom 8. August 2024 E. 2.2; je mit Hinweisen).
3.2. Will eine Partei den Ausstand einer in einer Strafbehörde tätigen Person verlangen, so hat sie der Verfahrensleitung ohne Verzug ein entsprechendes Gesuch zu stellen, sobald sie vom Ausstandsgrund Kenntnis hat; die den Ausstand begründenden Tatsachen sind glaubhaft zu machen (Art. 58 Abs. 1 StPO). Nach der Rechtsprechung muss die gesuchstellende Person den Ausstand in den nächsten Tagen nach Kenntnis des Ausstandsgrundes verlangen; andernfalls verwirkt sie grundsätzlich den Anspruch (BGE 143 V 66 E. 4.3 mit Hinweisen). In der Regel gilt ein sechs bis sieben Tage nach Kenntnis des Ausstandsgrundes gestelltes Gesuch noch als rechtzeitig gestellt; ein zwei- bis dreiwöchiges Zuwarten führt dagegen bereits zu einer Verspätung. Bei ganz offensichtlichem Anschein der Befangenheit steht die allfällige Verspätung eines Ausstandsgesuchs der Ausstandspflicht unter Umständen nicht entgegen (vgl. BGE 139 III 120 E. 3.2.2; 134 I 20 E. 4.3.2; Urteil 7B_1156/2024 vom 16. Dezember 2024 E. 2.1; je mit Hinweisen).
Wer einen Ausstandsgrund gegen eine Justizperson kennt, diesen aber nicht unverzüglich, sondern aus prozesstaktischen Gründen erst später geltend macht, etwa bei ungünstigem Verlauf des Verfahrens, verstösst gegen Treu und Glauben und verwirkt grundsätzlich seinen Anspruch, sich auf den Ausstandsgrund berufen zu können (BGE 121 I 225 E. 3; Urteil 7B_249/2024 vom 19. Juni 2024 E. 2.4; je mit Hinweisen).
4.
4.1. Der vom Ausstandsgesuch betroffene Staatsanwalt bestreitet die Rechtzeitigkeit des Ausstandsgesuchs. Die Vorinstanz hat die Frage der Rechtzeitigkeit des Ausstandsgesuchs offen gelassen, weil das Ausstandsgesuch ohnehin abzuweisen sei, da keine bzw. keine derart schweren (Verfahrens-) Fehler seitens Staatsanwalt Hitz vorlägen, die geeignet wären, den Anschein der Befangenheit zu begründen. Vorliegend ist angesichts des Umstands, dass bereits zum Zeitpunkt der vom Staatsanwalt am 24. November 2021 beim unzuständigen Gericht erhobenen Anklage alle vom Beschwerdeführer behaupteten angeblichen Anhaltspunkte für eine Befangenheit des Staatsanwalts (vgl. E. 4.2 hiernach) vorlagen, fraglich, ob das Ausstandsgesuch rechtzeitig gestellt wurde. Die Frage kann aber offen bleiben, da sich das Ausstandsgesuch ohnehin als unbegründet erweist und abzuweisen ist.
4.2. Die Vorwürfe des Beschwerdeführers gegen Staatsanwalt Hitz sind sowohl einzeln als auch bei Würdigung des Gesamtverhaltens nicht geeignet, bei diesem den Anschein der Befangenheit zu begründen.
Der Beschwerdeführer behauptet summarisch, die Untätigkeit des Staatsanwalts und damit die angebliche Begünstigung des Anzeigeerstatters, die schleppende Untersuchung, die bewusste Anklageerhebung beim unzuständigen Gericht in Chur und die vehemente Verteidigung des Staatsanwalts durch den Privatkläger, deute auf die Voreingenommenheit und Befangenheit des Staatsanwalts. Dabei unterlässt es der Beschwerdeführer, sich hinreichend substanziiert mit dem angefochtenen Entschied auseinanderzusetzen und legt einseitig seine Sichtweise dar. Insbesondere seine Ausführungen hinsichtlich des Privatgutachtens und der darin festgestellten angeblichen Begünstigung, welcher sich der Staatsanwalt schuldig gemacht haben soll, sind nicht zielführend, eine Befangenheit des Staatsanwalts darzutun. Der von einer Partei behauptete Vorwurf der Begünstigung genügt nicht, um einen Anschein der Befangenheit zu begründen. Im Übrigen ist die Frage, ob Staatsanwalt Hitz gegen B.________ tatsächlich eine Strafuntersuchung wegen Betrugs hätte eröffnen müssen, nicht im vorliegenden Ausstandsverfahren zu beantworten.
Was der Beschwerdeführer sonst noch an Argumenten für eine Ausstandspflicht des Staatsanwalts vorbringt, ist entweder nicht hinreichend substanziiert bzw. von vornherein nicht geeignet, eine Befangenheit zu begründen. Dies gilt unter anderem für die Anklageerhebung beim örtlich unzuständigen Gericht sowie den Umstand, dass der Staatsanwalt in der Folge dieselbe Anklage "mit gleichem Text, nur mit neuer Adresse" beim örtlich zuständigen Gericht erhoben hat. Besonders krasse oder wiederholte Fehlleistungen des Staatsanwalts, die eine schwere Verletzung der Amtspflichten darstellen würden, sind, wie von der Vorinstanz ausgeführt, nicht ersichtlich. Die vorinstanzlichen Erwägungen stützen sich auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung und lassen keine Bundesrechtsverletzung erkennen. Es verletzt daher kein Bundesrecht, wenn die Vorinstanz in ihrem Beschluss vom 1. Februar 2024 das Ausstandsgesuch, soweit sie darauf eingetreten ist, abgewiesen hat.
Nachdem sich aus dem angefochtenen Entscheid hinreichend deutlich ergibt, weshalb die Vorinstanz die Beschwerde abweist, liegt denn auch keine Verletzung des rechtlichen Gehörs des Beschwerdeführers vor. Soweit der Beschwerdeführer überdies rügt, die Vorinstanz habe den Sachverhalt unrichtig und rechtswidrig dargestellt, zeigt er nicht hinreichend auf, inwiefern die Vorinstanz den Sachverhalt tatsächlich offensichtlich unrichtig festgestellt haben soll (Art. 97 Abs. 1 BGG). Die sachverhaltliche Kritik erweist sich als rein appellatorischer Natur; darauf ist nicht weiter einzugehen.
5.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Er hat dem anwaltlich vertretenen Beschwerdegegner 2 eine angemessene Parteientschädigung auszurichten ( Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG ).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Der Beschwerdeführer hat den Beschwerdegegner 2 für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'000.-- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht von Graubünden, II. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 15. April 2025
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Abrecht
Die Gerichtsschreiberin: Sauthier