Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
6B_395/2024
Urteil vom 16. Oktober 2024
I. strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Muschietti, als präsidierendes Mitglied,
Bundesrichterin van de Graaf,
Bundesrichter von Felten,
Gerichtsschreiberin Endres.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Fabian Voegtlin,
Beschwerdeführer,
gegen
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Postfach 3439, 6002 Luzern,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Strafzumessung (mehrfache qualifizierte Verletzung
der Verkehrsregeln, Erwerb und Besitz von Betäubungsmitteln, etc.)
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Luzern, 2. Abteilung, vom 19. März 2024 (4M 23 88).
Sachverhalt:
A.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern erhob am 26. August 2021 Anklage gegen A.________. Sie warf ihm Pornografie und Gewaltdarstellungen, Erwerb und Besitz von Betäubungsmitteln und Verletzung von Verkehrsregeln vor, begangen in den Jahren 2017 und 2018.
B.
Das Kriminalgericht des Kantons Luzern sprach A.________ am 12. Januar 2023 der mehrfachen Widerhandlung gegen Art. 19 Abs. 1 BetmG, begangen als schwerer Fall gemäss Art. 19 Abs. 2 lit. a BetmG, der mehrfachen qualifiziert groben Verletzung der Verkehrsregeln ( Art. 90 Abs. 3 und 4 lit. c SVG ), der mehrfachen groben Verletzung der Verkehrsregeln (Art. 90 Abs. 2 SVG), des Fahrens ohne Berechtigung (Art. 95 Abs. 1 lit. b SVG), der mehrfachen Pornografie nach Art. 197 Abs. 4 Satz 2 und Abs. 5 Satz 1 und 2 StGB und der Gewaltdarstellung (aArt. 135 Abs. 1bis StGB) schuldig. Das Kriminalgericht verurteilte A.________ zu einer Freiheitsstrafe von 36 Monaten, wovon 12 Monate unbedingt und 24 Monate bedingt zu vollziehen seien, bei einer Probezeit von drei Jahren, sowie zu einer bedingt zu vollziehenden Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je Fr. 30.--, bei einer Probezeit von zwei Jahren.
C.
A.________ legte dagegen beim Kantonsgericht des Kantons Luzern Berufung ein. Mit Urteil vom 19. März 2024 stellte das Kantonsgericht fest, dass der Schuldspruch von A.________ wegen Fahrens ohne Berechtigung nach Art. 95 Abs. 1 lit. b SVG in Rechtskraft erwachsen ist. Es sprach A.________ der mehrfachen verbotenen Pornografie (Art. 197 Abs. 4 Satz 2 StGB), der verbotenen Pornografie nach Art. 197 Abs. 5 Satz 1 StGB (Anklage-Ziff. I.1.4), der Widerhandlung gegen Art. 19 Abs. 1 BetmG, begangen als schwerer Fall nach Art. 19 Abs. 2 lit. a BetmG, der mehrfachen qualifiziert groben Verkehrsregelverletzung ( Art. 90 Abs. 3 und 4 lit. c SVG ), sowie der mehrfachen groben Verkehrsregelverletzung (Art. 90 Abs. 2 SVG) schuldig. Das Kantonsgericht sprach A.________ von den Vorwürfen der mehrfachen verbotenen Pornografie nach Art. 197 Abs. 5 StGB (Anklage-Ziff. I.1.3, 1.5 und 1.6) und den Vorwürfen der Gewaltdarstellungen nach aArt. 135 Abs. 1bis StGB frei. Darüber hinaus stellte das Gericht eine Verletzung des Beschleunigungsgebotes fest.
Das Kantonsgericht verurteilte A.________ zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren 11 Monaten und zwei Wochen, wovon 12 Monate unbedingt und ein Jahr 11 Monate und zwei Wochen bedingt zu vollziehen seien, bei einer Probezeit von drei Jahren. Ausserdem verurteilte es A.________ zu einer bedingt zu vollziehenden Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je Fr. 80.--, bei einer Probezeit von drei Jahren.
D.
A.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht. Er beantragt, das Urteil des Kantonsgerichts sei teilweise aufzuheben und er sei neu zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren 11 Monaten und zwei Wochen zu verurteilen, wovon 6 Monate unbedingt zu vollziehen seien, bei einer Probezeit von drei Jahren. Des Weiteren sei ihm die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren und ein unentgeltlicher Rechtsbeistand zu bestellen.
Erwägungen:
1.
1.1. Der Beschwerdeführer wendet sich einzig gegen die Bemessung des unbedingten Teils der ausgefällten Freiheitsstrafe. Die Vorinstanz hat eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren 11 Monaten und zwei Wochen verhängt. Dies wird vom Beschwerdeführer nicht beanstandet.
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz berücksichtige bei der Bemessung des unbedingt vollziehbaren Teils der Freiheitsstrafe massgebliche Gesichtspunkte nicht beziehungsweise gewichte diese in Überschreitung respektive Missbrauch ihres Ermessens falsch. Insbesondere sei das Verschulden maximal mittelschwer im unteren Bereich, was in Verbindung mit einer Verletzung des Beschleunigungsgebots und der positiven Legalprognose nur eine unbedingte Strafe von 6 Monaten rechtfertige. Es ist demnach zu prüfen, ob die Vorinstanz beim Festsetzen des unbedingten Teils der Freiheitsstrafe, hinsichtlich der Beurteilung von Legalprognose und Schuld, Bundesrecht verletzt hat.
1.2.
1.2.1. Gemäss Art. 43 Abs. 1 StGB kann das Gericht den Vollzug einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und höchstens drei Jahren teilweise aufschieben, wenn dies notwendig ist, um dem Verschulden des Täters genügend Rechnung zu tragen.
Grundvoraussetzung für eine teilbedingte Strafe gemäss Art. 43 StGB ist, wie bei Art. 42 StGB, dass die Legalprognose des Täters nicht schlecht ausfällt (vgl. BGE 144 IV 277 E. 3.1.1; 139 IV 270 E. 3.3; Urteile 6B_123/2024 vom 9. April 2024 E. 3.1; 7B_261/2023 vom 18. März 2024 E. 2.3.7, zur Publ. vorgesehen; je mit Hinweisen). Der teilbedingte Vollzug kommt nur (subsidiär) zur Anwendung, wenn der Aufschub wenigstens eines Teils der Strafe aus spezialpräventiver Sicht erfordert, dass der andere Strafteil unbedingt ausgesprochen wird. Ergeben sich - insbesondere aufgrund früherer Verurteilungen - ganz erhebliche Bedenken an der Legalbewährung des Täters, die bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände eine eigentliche Schlechtprognose noch nicht zu begründen vermögen, so kann das Gericht an Stelle des Strafaufschubs den teilbedingten Vollzug gewähren. Auf diesem Wege kann es im Bereich höchst ungewisser Prognosen dem Dilemma "Alles oder Nichts" entgehen. Art. 43 StGB hat die Bedeutung, dass die Warnwirkung des Teilaufschubes angesichts des gleichzeitig angeordneten Teilvollzuges für die Zukunft eine weitaus bessere Prognose erlaubt. Erforderlich ist aber stets, dass der teilweise Vollzug der Freiheitsstrafe für die Erhöhung der Bewährungsaussichten unumgänglich erscheint (BGE 144 IV 277 E. 3.1.1; 134 IV 1 E. 5.5.2; Urteil 6B_962/2023 vom 26. Februar 2024 E. 2.3.2). Besteht hingegen keinerlei Aussicht, dass der Täter sich durch den - ganz oder teilweise - gewährten Strafaufschub im Hinblick auf sein zukünftiges Legalverhalten positiv beeinflussen lässt, ist die Strafe in voller Länge zu vollziehen (BGE 144 IV 277 E. 3.1.1; 134 IV 1 E. 5.3.1; Urteil 6B_962/2023 vom 26. Februar 2024 E. 2.3.2; je mit Hinweisen).
1.2.2. Der unbedingt vollziehbare Teil darf die Hälfte der Strafe nicht übersteigen (Art. 43 Abs. 2 StGB). Sowohl der aufgeschobene wie auch der zu vollziehende Teil müssen mindestens sechs Monate betragen (Art. 43 Abs. 3 Satz 1 StGB). Innerhalb des gesetzlichen Rahmens liegt die Festsetzung im pflichtgemässen Ermessen des Gerichts. Das Verhältnis der Strafteile ist so festzusetzen, dass darin die Wahrscheinlichkeit der Legalbewährung des Täters einerseits und dessen Einzeltatschuld andererseits hinreichend zum Ausdruck kommen. Je günstiger die Prognose und je kleiner die Vorwerfbarkeit der Tat sind, desto grösser muss der auf Bewährung ausgesetzte Strafteil sein. Der unbedingt vollziehbare Strafteil darf das unter Verschuldensgesichtspunkten (Art. 47 StGB) gebotene Mass nicht unterschreiten (BGE 134 IV 1 E. 5.6, 97 E. 6.3.4.3; Urteil 7B_185/2022 vom 22. Dezember 2023 E. 2.4; je mit Hinweisen).
1.2.3. Für die Prognose über das zukünftige Verhalten des Täters ist eine Gesamtwürdigung aller wesentlichen Umstände vorzunehmen. In die Beurteilung mit einzubeziehen sind neben den Tatumständen auch das Vorleben und der Leumund sowie alle weiteren Tatsachen, die gültige Schlüsse auf den Charakter des Täters und die Aussichten seiner Bewährung zulassen. Für die Einschätzung des Rückfallrisikos ist ein Gesamtbild der Täterpersönlichkeit unerlässlich. Relevante Faktoren sind etwa strafrechtliche Vorbelastung, Sozialisationsbiographie und Arbeitsverhalten, das Bestehen sozialer Bindungen, Hinweise auf Suchtgefährdungen, usw. Die persönlichen Verhältnisse bis zum Zeitpunkt des Entscheides sind mit einzubeziehen. Es ist unzulässig, einzelnen Umständen eine vorrangige Bedeutung beizumessen und andere zu vernachlässigen oder überhaupt ausser Acht zu lassen (BGE 134 IV 1 E. 4.2.1; Urteil 6B_30/2024 vom 5. August 2024 E. 2.3.3; je mit Hinweisen). Dem Gericht steht bei der Prüfung der Prognose des künftigen Legalverhaltens ein Ermessensspielraum zu. Das Bundesgericht greift nur korrigierend ein, wenn eine Überschreitung oder ein Missbrauch des Ermessens und damit eine Verletzung von Bundesrecht gegeben ist (BGE 145 IV 137 E. 2.2; Urteil 6B_30/2024 vom 5. August 2024 E. 2.3.3; je mit Hinweisen).
1.3. Die Vorinstanz erwägt, der Beschwerdeführer sei einschlägig vorbestraft und habe die zu beurteilenden Delikte während der dafür ausgesprochenen Probezeit begangen. Dies spreche auf den ersten Blick für eine Rückfallgefahr. Es sei jedoch zu betonen, dass der Beschwerdeführer seit den vor sechs Jahren begangenen Taten straffrei geblieben sei. Er habe sich in beruflicher und persönlicher Hinsicht positiv gewandelt und sei gereift. Der Beschwerdeführer habe noch nie eine Freiheitsstrafe zu gewärtigen gehabt und es sei davon auszugehen, dass ein teilweiser Vollzug der Freiheitsstrafe eine abschreckende Wirkung haben werde.
Das Verschulden für die qualifizierte Widerhandlung gegen das BetmG schätzt die Vorinstanz als leicht und für die qualifiziert groben Verkehrsregelverletzungen sowie die grobe Verkehrsregelverletzung als mittelschwer im unteren Bereich ein. Unter Berücksichtigung der Legalprognose und dem Verschulden sei der unbedingte Strafteil auf 12 Monate festzusetzen.
1.4. Mit der ausgefällten Freiheitsstrafe von zwei Jahren 11 Monaten und zwei Wochen ist die objektive Voraussetzung von Art. 43 Abs. 1 StGB gerade noch gegeben. Betreffend die subjektive Voraussetzung geht die Vorinstanz trotz bestehender Vorstrafe (einer Geldstrafe für Verletzung der Verkehrsregeln) nicht von einer ungünstigen Prognose aus, und legt dementsprechend in Einklang mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung mit 12 Monaten den kleineren Teil der Strafe als unbedingt vollziehbar fest.
1.5. Betreffend die Legalprognose führt der Beschwerdeführer an, eine frisch diagnostizierte Schilddrüsenunterfunktion, der Lehrstellenverlust und ein falscher Freundeskreis von dem er sich abgewandt habe, seien Punkte, die sein Verhalten im Tatzeitraum erklärten. Weiter betont der Beschwerdeführer, noch nie mit einer Freiheitsstrafe konfrontiert gewesen zu sein, eine langjährige Lebenspartnerin zu haben, mit ihr ein Kind zu erwarten, einen bevorstehenden Lehrabschluss mit durchweg sehr positiven Bewertungen und damit eine Kehrtwende von den im Tatzeitraum herrschenden Umständen vollzogen zu haben. Der Beschwerdeführer führt an, das Gericht habe diesen Gesichtspunkten unzureichendes Gewicht beigemessen, zeigten doch die oben genannten Punkte, dass bereits während der Dauer des Verfahrens eine Resozialisierung stattgefunden habe.
Die Vorinstanz setzt sich mit den angeführten Gründen ausreichend detailliert auseinander. Sie hält die schwierige Lebensphase (frisch diagnostizierte Schilddrüsenunterfunktion und Verlust der Lehrstelle), die glaubhafte Distanzierung von der früheren Delinquenz, die Geständigkeit, das glaubhafte Zeigen von Einsicht und Reue als strafmindernde Gründe fest. Weiter setzt sie sich mit der bevorstehenden Vaterschaft und dem bevorstehenden Berufsabschluss auseinander. Darüber hinaus berücksichtigt sie die lange Verfahrensdauer, und die dadurch mögliche lange Straffreiheit des Beschwerdeführers unter dem Titel "Täterkomponente" für eine erhebliche Relativierung der Vorstrafe. Die Vorinstanz wertet sodann die berufliche und persönliche Entwicklung des Beschwerdeführers im Rahmen der Legalprognose als positiv. Mit dieser Gewichtung bewegt sie sich innerhalb des ihr zustehenden Ermessens.
Die Vorinstanz setzt sich in den Erwägungen auch detailliert mit der Vorwerfbarkeit der einzelnen Taten auseinander. Entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers liegt es im Ermessensspielraum der Vorinstanz, dem jeweils gering bis mittelschwer gewerteten Verschulden mit einem unbedingten Strafteil von 12 Monaten zu entsprechen. Dies ist umso mehr der Fall, als vorliegend eine beträchtliche Häufung von Taten zu berücksichtigen ist.
1.6. Der Beschwerdeführer hebt besonders hervor, dass die Verletzung des Beschleunigungsgebotes bei der Evaluation der subjektiven Voraussetzung (Legalprognose und Verschulden) nicht ausreichend berücksichtigt wurde.
Dem kann nicht gefolgt werden. Die Vorinstanz berücksichtigt die Verletzung des Beschleunigungsgebotes mit einer Herabsetzung der zugemessenen Strafe. Darüber hinaus wertet sie die lange Straffreiheit für eine Relativierung der Vorstrafe hinsichtlich der Legalprognose positiv. Damit handelt sie innerhalb des ihr zustehendenen Ermessensspielraumes; ein Über- oder Unterschreiten dieses Ermessens ist nicht ersichtlich.
1.7. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers folgt die Vorinstanz durchaus spezialpräventiven Überlegungen, wenn sie den unbedingten Teil der Freiheitsstrafe auf 12 Monate festsetzt. Sie legt den Grund für die vorliegend angefochtene Höhe der unbedingten Strafe explizit dar: es soll eine Abschreckung bewirkt werden. Damit lässt sich die Vorinstanz in der Ausübung ihres Ermessens im Hinblick auf die Festlegung des unbedingten Teils der Freiheitsstrafe von folgenorientierten Überlegungen leiten (vgl. Urteil 6B_1321/2016 vom 8. Mai 2017 E. 2.4).
Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass sich aus den Erwägungen der Vorinstanz kein missbräuchliches Nichtberücksichtigen oder falsches Gewichten massgeblicher Gesichtspunkte ergibt, das eine Verletzung von Bundesrecht darstellen würde.
2.
Die Beschwerde ist abzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang trägt der Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist wegen Aussichtslosigkeit der Begehren abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Den finanziellen Verhältnissen des Beschwerdeführers ist bei der Bemessung der Gerichtskosten Rechnung zu tragen (vgl. Art. 65 Abs. 2 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Luzern, 2. Abteilung, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 16. Oktober 2024
Im Namen der I. strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Muschietti
Die Gerichtsschreiberin: Endres