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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_203/2022  
 
 
Urteil vom 16. Dezember 2022  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin, 
Bundesrichter Beusch, 
Bundesrichterin Ryter, 
Gerichtsschreiber Seiler. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
1. Einwohnergemeinde Ipsach, handelnd durch den Gemeinderat, Dorfstrasse 8, 2563 Ipsach, 
2. Regierungsstatthalteramt Biel/Bienne, Hauptstrasse 6, 2560 Nidau, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Kanalisationsanschlussgebühr der Einwohnergemeinde Ipsach/BE, Abgabeperiode 2019, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, Einzelrichterin, vom 1. Februar 2022 (100.2021.72U). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________ ist Eigentümer der in der Landwirtschaftszone der Einwohnergemeinde Ipsach/BE gelegenen Parzelle Grundbuchblatt Nr. xxx. Nachdem er das Bauernhaus und das "Stöckli" an die öffentliche Kanalisation angeschlossen hatte, stellte die Einwohnergemeinde Ipsach ihm am 14. Mai 2020 eine Anschlussgebühr von Fr. 18'149.50 in Rechnung. Dagegen erhoben A.________ und seine Ehefrau B.________ am 9. Juni 2020 Einsprache. 
 
B.  
Mit Verfügung vom 27. August 2020 hielt die Einwohnergemeinde Ipsach an der in Rechnung gestellten Forderung fest. Dagegen führten A.________ und B.________ Beschwerde beim Regierungsstatthalteramt Biel/Bienne/BE. Mit Entscheid vom 18. Februar 2021 hiess die stellvertretende Regierungsstatthalterin die Beschwerde teilweise gut und hob die Verfügung vom 27. August 2020 auf, soweit diese sich gegen B.________ richtete. Im Übrigen wies sie die Beschwerde ab. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde von A.________ gegen diesen Entscheid wies die Einzelrichterin am Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Urteil vom 1. Februar 2022 ab. 
 
C.  
Mit Beschwerde (in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) vom 4. März 2021 beantragt A.________, der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 1. Februar 2022 sei aufzuheben. Eventualiter beantragt er, dass die virtuelle Häuserparzelle auf insgesamt 1'060 m² zu reduzieren und eine entsprechende Anschlussgebühr festzusetzen sei. 
Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern und die Einwohnergemeinde Ipsach beantragen die Abweisung der Beschwerde. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Die frist- (Art. 100 Abs. 1 BGG) und formgerecht (Art. 42 BGG) eingereichte Eingabe betrifft eine Angelegenheit des öffentlichen Rechts (Art. 82 lit. a BGG) und richtet sich gegen das kantonal letztinstanzliche, verfahrensabschliessende Urteil eines oberen kantonalen Gerichts (Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 und Art. 90 BGG). Das Rechtsmittel ist als Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig, da kein Ausschlussgrund vorliegt (Art. 83 BGG). Der Beschwerdeführer ist zur Beschwerde legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG). Auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist einzutreten. 
 
2.  
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann insbesondere die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Anwendung kantonalen (einschliesslich kommunalen) Rechts kann das Bundesgericht dagegen nur überprüfen, wenn kantonale verfassungsmässige Rechte oder kantonale Bestimmungen über die politische Stimmberechtigung der Bürger und Bürgerinnen und über Volkswahlen und -abstimmungen verletzt worden sind (Art. 95 lit. c und d BGG). Zuweilen kann die Anwendung anderen kantonalen Rechts aber immerhin auf eine Verletzung des Bundesrechts - etwa des Willkürverbots (Art. 9 BV) oder anderer verfassungsmässiger Rechte - hinauslaufen (BGE 143 I 321 E. 6.1). Im Rahmen der Beschwerdegründe nach Art. 95 BGG wendet das Bundesgericht das Recht grundsätzlich von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), prüft jedoch unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) nur die geltend gemachten Rechtsverletzungen, sofern rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 142 I 135 E. 1.5). Die Verletzung von Grundrechten und - soweit eine entsprechende Rüge nach Art. 95 BGG überhaupt zulässig ist - von kantonalem (und interkantonalem) Recht untersucht das Bundesgericht nur, wenn eine entsprechende Rüge in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 147 I 73 E. 2.1; 147 I 47 E. 3.1; 143 II 283 E. 1.2.2; 139 I 229 E. 2.2; 134 II 244 E. 2.2). In der Beschwerde ist klar und detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids darzulegen, inwiefern verfassungsmässige Rechte verletzt worden sein sollen (BGE 147 I 47 E. 3.1; 139 II 229 E. 2.2; 135 III 232 E. 1.2). Die Begründung der Beschwerde einschliesslich Verfassungsrügen muss in der Beschwerdeschrift selbst enthalten sein; der blosse Verweis auf Ausführungen in andern Rechtsschriften oder auf die Akten reicht nicht aus (BGE 147 II 125 E. 10.3; 144 V 173 E. 3.2.2; 140 III 115 E. 2). 
 
3.  
Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, dass es zu einem offensichtlichen Missverhältnis "zwischen der anfallenden Abwassermenge und der Abwasseranschlussgebühr" führen würde, wenn die Kanalisationsanschlussgebühr gemäss Art. 32 Abs. 1 lit. b des Abwasserentsorgungsreglements der Einwohnergemeinde Ipsach vom 21. März 2002 (AER/Ipsach) auf der Basis des sogenannten Umschwungs bemessen würde. Beim Umschwung handelt es sich laut der Vorinstanz um denjenigen Flächenanteil eines Grundstücks, der normalerweise für die Erstellung und den Betrieb eines Gebäudes nach den einschlägigen Vorschriften benötigt wird (vgl. angefochtenes Urteil E. 3.2). Wie der Beschwerdeführer selbst ausführt, hat die Gemeinde die Kanalisationsanschlussgebühr in seinem Fall jedoch gar nicht auf der Basis des Umschwungs, sondern auf der Basis einer anderen Zahl - einer "virtuellen Häuserparzelle" - festgesetzt. Die Frage, ob eine Bemessung der Kanalisationsanschlussgebühr auf der Basis des Umschwungs zulässig ist, braucht demnach vorliegend nicht vertieft zu werden. 
 
4.  
Der Beschwerdeführer führt weiter an, dass die Kanalisationsanschlussgebühr richtigerweise auf der Basis der Fläche "Bodenbedeckung Gebäude" bemessen werden müsse, wie dies in einem anderen Fall (Grundstück Nr. yyy) geschehen sei. Da die Gemeinde die Gebühr in diesem anderen Fall korrekt bemessen habe, verlange er entgegen dem angefochtenen Urteil keine "Gleichbehandlung im Unrecht", sondern lediglich die korrekte Auslegung des kommunalen Rechts. 
 
4.1. Die Vorinstanz ist in ihrem Urteil offenkundig davon ausgegangen, dass die Bemessung der Kanalisationsanschlussgebühr auf der Basis der Fläche "Bodenbedeckung Gebäude" - statt auf der Basis des Umschwungs - gegen Art. 32 Abs. 1 lit. b AER/Ipsach verstossen würde, weshalb sie das Vorbringen des Beschwerdeführers unter dem Titel der Gleichbehandlung im Unrecht geprüft hat (vgl. auch Vernehmlassung der Vorinstanz S. 2). Art. 32 AER/Ipsach fällt nicht in eine der Kategorien kantonalen Rechts, deren Anwendung das Bundesrecht frei prüfen könnte (vgl. oben E. 2). Die Würdigung der Vorinstanz müsste daher als willkürlich erscheinen und die Verfassung (Art. 9 BV) verletzen, damit das Bundesgericht das angefochtene Urteil korrigieren und die kommunale Vorschrift im Sinne des Beschwerdeführers "richtig" auslegen und anwenden könnte.  
Ob der Beschwerdeführer mit seinen Ausführungen den qualifizierten Rügeanforderungen für die Verletzung von Art. 9 BV (vgl. oben E. 2) gerecht wird, ist zwar zweifelhaft, kann aber offenbleiben. Denn es ist jedenfalls keineswegs unhaltbar, Art. 32 AER/Ipsach so auszulegen, dass diese Bestimmung die Bemessung der Gebühr auf der Basis der Fläche "Bodenbedeckung Gebäude" ausschliesst. Die Vorinstanz hat also Art. 9 BV insoweit offensichtlich nicht verletzt. 
 
4.2. Das Vorbringen des Beschwerdeführers ist demgemäss unter dem Titel der Gleichbehandlung im Unrecht (Art. 8 Abs. 1 BV) zu würdigen, wie dies auch bereits die Vorinstanz getan hat. Ob die Ausführungen des Beschwerdeführers insoweit den qualifizierten Rügeanforderungen genügen, ist zwar wiederum zweifelhaft. Die Frage kann aber auch hier offenbleiben, weil die Voraussetzungen für eine Gleichbehandlung im Unrecht (vgl. dazu BGE 146 I 105 E. 5.3.1; 139 II 49 E. 7.1) offensichtlich nicht gegeben sind. Wie nämlich die Vorinstanz zutreffend erwogen hat, hatte die Gemeinde die vom Beschwerdeführer gewünschte Behandlung (Bemessung der Kanalisationsanschlussgebühr auf der Basis der Fläche "Bodenbedeckung Gebäude") nur gerade einem einzelnen Grundstückeigentümer zuteil werden lassen. Von einer ständigen rechtswidrigen Praxis, die einen Anspruch auf Gleichbehandlung auf Unrecht begründen könnte, kann demnach keine Rede sein.  
 
5.  
Der Beschwerdeführer beruft sich schliesslich auf die Auskunft der stellvertretenden Leiterin der Bauabteilung, die ihm die Bemessung der Kanalisationsanschlussgebühr auf der Basis der Fläche "Bodenbedeckung Gebäude" in Aussicht gestellt hatte. Er habe auf die Richtigkeit dieser Auskunft vertraut und sei in diesem Vertrauen zu schützen (Art. 9 BV). 
 
5.1. Der Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 5 Abs. 3 und Art. 9 BV) verleiht Rechtsuchenden unter gewissen Umständen Anspruch auf Schutz ihres Vertrauens auf die Richtigkeit behördlichen Handelns. Dieser Anspruch hindert die Behörden, von ihrem früheren Handeln abzuweichen, auch wenn sie dieses zu einem späteren Zeitpunkt als unrichtig erkennen. Potenzielle Vertrauensgrundlage sind dabei allein jene behördlichen Handlungen, die sich auf eine konkrete, den Rechtsuchenden berührende Angelegenheit beziehen und von einer Behörde ausgehen, die für die betreffende Handlung zuständig ist oder die der Rechtsuchende aus zureichenden Gründen für zuständig hält. Individuelle Auskünfte und Zusicherungen sind demnach typische Beispiele für Verwaltungsakte, die beim Bürger Vertrauen wecken können. Das Vertrauen ist allerdings nur schutzwürdig, wenn der Rechtsuchende die Unrichtigkeit der Auskunft nicht ohne Weiteres erkennen konnte und er im Vertrauen auf die Auskunft Dispositionen getroffen hat, die er nicht ohne Nachteil rückgängig machen kann (BGE 148 II 233 E. 5.5.1; 146 I 105 E. 5.1.1; 143 V 341 E. 5.2.1).  
 
5.2. Die Vorinstanz hat festgestellt, dass die stellvertretende Leiterin der Bauabteilung der Gemeinde anlässlich einer Besprechung vom 5. Juni 2019 eine Notiz mit der folgenden Berechnung angefertigt hat:  
 
1'060 m² x 0,4 = 424.0 
424.0 x 1,2 = 84.8 
424.0 x 1,2 = 84.8 
593.60 
Grundgebühr jährlich 178.10 
Anschlussgebühren 
593.6 ZGF x 22.35 =13'266.95 
Weil der Wert von 1'060 m² mit der im Grundbuch festgehaltenen Fläche "Bodenbedeckung Gebäude" übereinstimmt, hat die Vorinstanz aus dieser Notiz geschlossen, dass die Gemeindevertreterin dem Beschwerdeführer die konkrete Auskunft erteilt habe, die Kanalisationsanschlussgebühr werde auf der Basis der Fläche "Bodenbedeckung Gebäude" bemessen. Obschon sie also in der Auskunft der Gemeinde grundsätzlich eine taugliche Vertrauensgrundlage sah, war die Vorinstanz der Auffassung, dass der Beschwerdeführer keinen Anspruch auf Vertrauensschutz habe, weil die Unrichtigkeit der Auskunft ohne Weiteres erkennbar gewesen sei. Die laut Notiz implizit für massgeblich erklärte Fläche ("Bodenbedeckung Gebäude") widerspreche eindeutig Art. 32 Abs. 1 lit. b AER/Ipsach ("Umschwung gemäss amtlichem Schätzungsprotokoll"). Dass der Begriff "Umschwung" nicht nur eine Gebäudefläche meinen könne, sondern die nähere Umgebung einschliessen müsse, sei auch für juristische Laien ohne Weiteres erkennbar, ebenso wie die Tatsache, dass die Fläche der Gebäude zwar im Grundbuch ausgewiesen werde, im Protokoll der amtlichen Schätzung aber nicht bzw. mit Null. 
 
5.3. Die Würdigung der Vorinstanz ist nicht zu beanstanden. Der Beschwerdeführer musste erkennen, dass die von ihm präferierte Bemessung der Kanalisationsgebühr mit Art. 32 Abs. 1 lit. b AER/Ipsach nicht zu vereinbaren war. Tatsächlich hatte der Beschwerdeführer nach seiner eigenen Darstellung denn auch gerade deshalb bei der Gemeinde um eine Auskunft ersucht, "weil die beiden anderen Fälle ausserhalb der Bauzone [Grundstücke Nr. zzz und Nr. yyy], nicht wie im Reglement festgehalten, geregelt" worden seien (vgl. Beschwerde S. 4). Unter diesen Umständen konnte er sich nicht guten Glaubens darauf verlassen, dass die Auskunft der stellvertretenden Leiterin der Bauabteilung trotz der offenkundigen und vom Beschwerdeführer erkannten Diskrepanz zu Art. 32 Abs. 1 lit. b AER/Ipsach richtig sei. Daran ändert nichts, dass die Gemeinde durch ihr erratisches Verhalten in früheren Fällen beim Beschwerdeführer Ungewissheit darüber hervorgerufen hatte, ob bzw. in welche Richtung sie auch in seinem Fall von Art. 32 Abs. 1 lit. b AER/Ipsach abweichen würde. Denn der Grundsatz von Treu und Glauben nach Art. 9 BV schützt den Rechtssuchenden im (gutgläubigen) Vertrauen in die materielle Richtigkeit der behördlichen Auskunft und nicht etwa sein Vertrauen darauf, dass die Behörde auch in seinem Fall einer Auffassung zum Durchbruch verhelfen werde, die er selbst als reglementswidrig erkennt.  
 
5.4. Entfällt der Vertrauensschutz bereits, weil der Beschwerdeführer nicht guten Glaubens auf die Richtigkeit der Auskunft vertrauen durfte, kann offenbleiben, ob die übrigen Voraussetzungen für den Vertrauensschutz gegeben gewesen wären, insbesondere, ob die Auskunft von der zuständigen Stelle stammte (vgl. Art. 35 Abs. 1 AER/Ipsach).  
 
6.  
Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als unbegründet. Sie ist abzuweisen. Die Gerichtskosten sind dem unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es ist keine Parteientschädigung geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, Einzelrichterin, mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 16. Dezember 2022 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin 
 
Der Gerichtsschreiber: Seiler