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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_904/2024  
 
 
Urteil vom 16. Dezember 2024  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Koch, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Hurni, Hofmann, 
Gerichtsschreiberin Lustenberger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Nicolas Simon, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
B.________, 
c/o Kantonspolizei Zürich, 
Beschwerdegegner, 
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Güterstrasse 33, Postfach, 8010 Zürich. 
 
Gegenstand 
Ausstand, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 12. Juli 2024 (UH240116-O/U/HEI). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis führt ein Strafverfahren gegen A.________ wegen übler Nachrede. Ihm wird vorgeworfen, er habe seine Nachbarin C.________ bei der Arbeitslosenkasse angezeigt, trotz selbständiger Erwerbstätigkeit Arbeitslosengelder bezogen zu haben. Für die polizeilichen Ermittlungen ist der Polizeibeamte B.________ zuständig. Dieser führte bereits im Jahr 2021 ein Verfahren betreffend Drohung, einfache Körperverletzung und Tätlichkeiten, bei dem es um einen Vorfall mit einem Baseball-Schläger ging. A.________ und sein Sohn waren damals Beschuldigte. 
 
B.  
 
B.a. Am 7. September 2023 stellte A.________ ein Ausstandsgesuch gegen B.________. Mit Verfügung vom 19. März 2024 wies die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich dieses Gesuch ab.  
 
B.b. Gegen diese Verfügung erhob A.________ Beschwerde beim Obergericht des Kantons Zürich. Dieses wies die Beschwerde mit Beschluss vom 12. Juli 2024 ab.  
 
C.  
A.________ reicht Beschwerde in Strafsachen ein. Er stellt die Anträge, in Aufhebung des Beschlusses des Obergerichts des Kantons Zürich vom 12. Juli 2024 sei das Ausstandsgesuch gegen B.________ gutzuheissen und die Untersuchungshandlungen unter dessen Mitwirkung seien als unverwertbar zu erklären und zu wiederholen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Angefochten ist ein selbständig eröffneter Zwischenentscheid über ein Ausstandsbegehren in einer Strafsache, den die Vorinstanz als letzte kantonale Instanz gefällt hat. Dagegen steht die Beschwerde in Strafsachen offen (Art. 78 Abs. 1, Art. 92 Abs. 1 und Art. 80 BGG). Der Beschwerdeführer ist als Beschuldigter nach Art. 81 Abs. 1 lit. a und b Ziff. 1 BGG zur Beschwerde berechtigt. Die 30-tägige Beschwerdefrist (Art. 100 Abs. 1 BGG) ist unter Berücksichtigung des Fristenstillstands vom 15. Juli bis und mit dem 15. August 2024 (Art. 46 Abs. 1 lit. b BGG) eingehalten. Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben eingangs zu keinen Bemerkungen Anlass, weshalb auf die Beschwerde grundsätzlich einzutreten ist. 
 
2.  
 
2.1. Der Beschwerdeführer vertritt die Ansicht, der Beschwerdegegner habe gegen das Gebot der Unparteilichkeit verstossen, indem er ihn und seinen Sohn beim "Baseballschläger-Vorfall" als beschuldigte Personen und die Gegenseite als Geschädigte erfasst habe. Im gleichen Zug habe er sich geweigert, eine mündliche Strafanzeige seines Sohnes gegen die anderen in die Auseinandersetzung involvierten Personen entgegenzunehmen. Diese fragwürdige Rollenverteilung habe für ihn und seinen Sohn zu einer nachträglichen Verzerrung des Verfahrens geführt. Dass das Verfahren gegen ihn, den Beschwerdeführer, schliesslich eingestellt worden sei, sei eine klare Bestätigung dafür, dass die Beurteilung des Beschwerdegegners vorgefärbt und im Endeffekt erwiesenermassen unrichtig gewesen sei. Objektiv einseitig verhalten habe sich der Beschwerdegegner auch dadurch, dass er im Rapport ausgeführt habe, mehrere Anrufer hätten einen Streit gemeldet, ohne deren Namen ausfindig zu machen. Dies stelle "vorsätzliche Zeugenunterdrückung" dar. Ausserdem habe er damals nichts unternommen, um das entscheidende Beweismittel, nämlich den Baseballschläger, zu sichern und schliesslich habe er seinem Sohn anlässlich der Hausdurchsuchung Handschellen angelegt.  
 
2.2. Die Polizei stellt im Ermittlungsverfahren auf der Grundlage von Anzeigen, Anweisungen der Staatsanwaltschaft oder eigenen Feststellungen den für eine Straftat relevanten Sachverhalt fest (Art. 306 Abs. 1 StPO). Die Ausstandsgründe von Art. 56 StPO erfassen jede in einer Strafbehörde tätige Person, also auch einen Polizeibeamten (Art. 12 lit. a StPO). Gemäss Art. 56 lit. f StPO tritt eine in einer Strafbehörde tätige Person in den Ausstand, wenn sie aus anderen Gründen, insbesondere wegen Freundschaft oder Feindschaft mit einer Partei oder deren Rechtsbeistand, befangen sein könnte. Art. 56 lit. f StPO stellt eine Generalklausel dar, welche alle Ausstandsgründe erfasst, die in Art. 56 lit. a-e StPO nicht ausdrücklich vorgesehen sind. Die Rechtsprechung nimmt Voreingenommenheit und Befangenheit an, wenn Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtung geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit der in einer Strafbehörde tätigen Person zu erwecken. Dabei ist nicht auf das subjektive Empfinden einer Partei abzustellen. Das Misstrauen in die Unvoreingenommenheit muss vielmehr in objektiver Weise begründet erscheinen. Es genügt, wenn Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtung den Anschein der Befangenheit und Voreingenommenheit erwecken. Für die Ablehnung ist nicht erforderlich, dass die betroffene Person tatsächlich befangen ist (BGE 148 IV 137 E. 2.2; 144 I 234 E. 5.2; 143 IV 69 E. 3.2; je mit Hinweisen). Entscheidend beim Ausstandsgrund nach Art. 56 lit. f StPO ist, ob bei objektiver Betrachtungsweise der Ausgang des Verfahrens noch als offen erscheint (Urteile 1B_439/2022 vom 29. Juni 2023 E. 4.2; 6B_203/2022 vom 10. Mai 2023 E. 6.1.1; je mit Hinweisen).  
Bei einer Strafverfolgungsbehörde beurteilt sich die Ausstandspflicht nach Art. 29 Abs. 1 BV. Der Gehalt von Art. 30 Abs. 1 BV darf nicht unbesehen auf nicht richterliche Behörden bzw. auf Art. 29 Abs. 1 BV übertragen werden (BGE 141 IV 178 E. 3.2.2 mit Hinweisen). Dem funktionellen Unterschied zwischen einem Gericht (Art. 13 StPO) und einer Strafverfolgungsbehörde (Art. 12 StPO) ist Rechnung zu tragen. Die Anforderungen an die Unparteilichkeit sind bei einem Polizeibeamten aufgrund der Natur seiner Funktion weniger hoch als bei einer Staatsanwältin und erst recht einem Richter (Urteile 1B_236/2019 vom 9. Juli 2019 E. 2.1; 1B_139/2018 vom 26. November 2018 E. 4.1; je mit Hinweisen). 
 
2.3. In der Begründung einer Beschwerde an das Bundesgericht ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). Die Bestimmungen von Art. 95 ff. BGG nennen die vor Bundesgericht zulässigen Beschwerdegründe. Unerlässlich ist, dass auf die Begründung des angefochtenen Entscheids eingegangen und im Einzelnen aufgezeigt wird, worin eine vom Bundesgericht überprüfbare Rechtsverletzung liegt. Die beschwerdeführende Partei soll in der Beschwerde an das Bundesgericht nicht bloss die Rechtsstandpunkte erneut bekräftigen, die sie im kantonalen Verfahren eingenommen hat, sondern hat mit ihrer Kritik an den als rechtsfehlerhaft erachteten Erwägungen der Vorinstanz anzusetzen (BGE 148 IV 205 E. 2.6; 146 IV 297 E. 1.2; je mit Hinweisen). Für die Anfechtung des von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalts gelten erhöhte Begründungsanforderungen (Art. 106 Abs. 2 BGG; 146 IV 297 E. 1.2 mit Hinweisen). Das Bundesgericht greift in die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung nur ein, wenn diese sich als offensichtlich unrichtig bzw. willkürlich im Sinne von Art. 9 BV erweist (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 1 BGG). Auf ungenügend begründete Rügen oder allgemeine appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt es nicht ein (BGE 148 IV 39 E. 2.3.5, 205 E. 2.6; je mit Hinweisen).  
 
 
2.4.  
 
2.4.1. Der Beschwerdeführer wirft dem Beschwerdegegner hauptsächlich verschiedene Verfehlungen im früheren Verfahren wegen Drohung, einfacher Körperverletzung und Tätlichkeiten vor. Dabei erweitert er zu einem gewichtigen Teil den vorinstanzlich festgestellten Sachverhalt, ohne aber Willkür geltend zu machen. Auf solche Sachverhaltselemente, die im angefochtenen Entscheid nicht enthalten sind, kann das Bundesgericht nach Art. 105 Abs. 1 BGG deshalb nicht abstellen.  
Im angefochtenen Beschluss verankert sind einzig die Tatsachen, dass der Beschwerdegegner nach dem Vorfall mit dem Baseballschläger den Beschwerdeführer sowie seinen Sohn als Beschuldigte und ihre Kontrahenten als Geschädigte im Rapport aufführte, dass er keine Ermittlungen unternahm, um die Anrufer, die den Vorfall gemeldet hatten, zu identifizieren und dass der Baseballschläger erst sichergestellt wurde, als sich der Beschwerdeführer selber nochmals zum Tatort begeben hat. 
Die Vorinstanz vermag in diesen Vorgehensweisen kein unkorrektes Verhalten zu erkennen, das den Anschein von Befangenheit erwecken könnte. Dem ist beizupflichten. Nach der Rechtsprechung braucht es bereits bei einer Staatsanwältin oder einem Staatsanwalt besonders krasse oder ungewöhnlich häufige Fehlleistungen, um den Anschein der Voreingenommenheit zu begründen (BGE 141 IV 178 E. 3.2.3; Urteile 7B_677/2024 vom 13. November 2024 E. 4.3.3; 7B_122/2022 vom 12. Februar 2024 E. 4; je mit Hinweisen). Solche sind in der von der Ermittlungstätigkeit des Beschwerdegegners, bei dem die Hürde für die Annahme von Befangenheit noch höher anzusetzen ist, klarerweise nicht erkennbar. 
Entscheidend ist aber ohnehin, dass der Beschwerdeführer keinen hinreichenden Bezug zur aktuellen Strafuntersuchung herstellt. Er bringt einzig vor, die Vorinstanz verkenne, dass es nicht um die damalige Situation gehe, sondern darum, dass der Beschwerdegegner im Zeitpunkt des Ausstandsgesuchs vom 7. September 2023 voreingenommen gewesen sei. Dies, so der Beschwerdeführer weiter, gerade deshalb, weil er schon in den Baseballschläger-Fall involviert gewesen sei und ihn und seine Familie in objektiv nicht begründbarer Weise in schlechtes Licht gerückt habe. Damit legt der Beschwerdeführer jedoch nicht substanziiert dar, inwiefern der Beschwerdegegner aufgrund der angeblichen früheren Verfehlungen nicht mehr in der Lage sein sollte, gegen ihn ergebnisoffen zu ermitteln. Ebenso wenig erhellt aus seinen Ausführungen, weshalb gerade diese Ermittlungen in einem anderen Verfahren wie in der Beschwerde behauptet dazu geführt haben sollen, dass gegen ihn Anklage wegen übler Nachrede erhoben worden ist. Der Beschwerdeführer vermag die bundesgerichtlichen Begründungsanforderungen letztlich nicht zu erfüllen. 
 
2.4.2. Bezugnehmend auf die aktuelle Untersuchung macht der Beschwerdeführer geltend, der Beschwerdegegner habe der Anzeigeerstatterin C.________ offengelegt, dass er, der Beschwerdeführer, der Verdachtsmelder bei der UNIA gewesen sei. Damit habe der Beschwerdegegner eine Handlung zu seinen Ungunsten vorgenommen, ohne dass hierfür eine rechtliche Pflicht bestanden hätte, was als objektiver Grund für eine Befangenheit ausreiche. Damit entfernt sich der Beschwerdeführer abermals vom vorinstanzlich festgestellten Sachverhalt - nämlich, dass die UNIA seine Identität als Verdachtsmelder offengelegt habe - ohne dass er der Vorinstanz Willkür vorwerfen würde. Weitere Ausführungen dazu erübrigen sich (Art. 105 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 2 BGG).  
 
2.4.3. Auch den Vorwürfen, die der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der Stellungnahme des Beschwerdegegners zum Ausstandsgesuch - dieser wolle nicht auf die Vorhalte eingehen und möchte diese pauschal entkräften - erhebt, fehlt es an der nötigen Begründungssubstanz im Sinne von Art. 42 Abs. 2 BGG. Es liegt alles andere als auf der Hand, inwiefern der Umstand, dass die betroffene Person in ihrer Stellungnahme nach Art. 58 Abs. 2 StPO das Ausstandsgesuch zurückweist, Befangenheit begründen könnte. Der Beschwerdeführer wäre deshalb gehalten gewesen, dies näher auszuführen, was er aber unterlässt. Es kann deshalb offenbleiben, ob sich die Kritik nach dem Grundsatz der materiellen Ausschöpfung des kantonalen Instanzenzugs (vgl. Art. 80 Abs. 1 BGG) überhaupt als zulässig erweist.  
 
2.5. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht einschlägig ist schliesslich Art. 56 lit. b StPO. Demnach tritt wegen Vorbefassung in den Ausstand, wer in anderer Stellung bereits in der gleichen Sache tätig war. Der Beschwerdegegner war in beiden vom Beschwerdeführer thematisierten Verfahren als ermittelnder Polizeibeamter involviert und hatte somit keine "andere Stellung" im Sinne dieser Bestimmung inne. Gleichzeitig impliziert die "gleiche Sache" eine Identität der Parteien, des Verfahrens und der streitigen Fragen (vgl. zum Ganzen BGE 143 IV 69 E. 3.1 mit Hinweisen). Vorliegend fehlt es sowohl an der Identität des Verfahrens wie auch jener der streitigen Fragen. Dass der Beschwerdegegner bereits einmal in anderer Sache gegen den Beschwerdeführer ermittelt hat, könnte höchstens unter Art. 56 lit. f StPO Bedeutung erlangen (vgl. Urteile 7B_1136/2024 vom 25. November 2024 E. 2.1; 6B_944/2023 vom 21. März 2024 E. 3.2.1; je mit Hinweisen). Dies anzunehmen, ist aber vorliegend, wie vorstehend ausgeführt, nicht angezeigt.  
 
3.  
Die Beschwerde erweist sich insgesamt als unbegründet, soweit überhaupt darauf eingetreten werden kann. Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens sind ausgangsgemäss vom Beschwerdeführer zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 16. Dezember 2024 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Koch 
 
Die Gerichtsschreiberin: Lustenberger