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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_40/2024  
 
 
Urteil vom 17. Januar 2025  
 
I. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin, 
Bundesrichter Muschietti, Bundesrichter von Felten, 
Gerichtsschreiberin Fildir. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Stephan Stulz, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
1. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau, 
Frey-Herosé-Strasse 20, 5001 Aarau, 
2. B.________, 
3. C.________, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Hausfriedensbruch; Willkür, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht, 2. Kammer, vom 28. November 2023 (SST.2022.304). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Staatsanwaltschaft Muri-Bremgarten warf A.________ im Strafbefehl vom 28. April 2022 u.a. vor, am 27. April 2021 und 12. Juli 2021 trotz bestehenden Hausverbots den Garten von B.________ und C.________ betreten zu haben. 
 
B.  
Mit Urteil vom 30. August 2022 sprach das Bezirksgericht Bremgarten A.________ u.a. des Hausfriedensbruchs, begangen am 12. Juli 2021, schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingten Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu Fr. 240.-- und zu einer Busse von Fr. 1'000.--. Vom Vorwurf des Hausfriedensbruchs, begangen am 27. April 2021, sprach es ihn frei. Die von A.________ gegen dieses Urteil erhobene Berufung hiess das Obergericht des Kantons Aargau teilweise gut und verurteilte ihn am 28. November 2023 wegen Hausfriedensbruchs, begangen am 12. Juli 2021, zu einer bedingten Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu Fr. 240.-- und zu einer Busse von Fr. 500.--. 
 
C.  
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt A.________, das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 28. November 2023 sei aufzuheben und er von Schuld und Strafe freizusprechen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Das Obergericht und die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau haben auf eine Vernehmlassung verzichtet. B.________ und C.________ haben sich nicht vernehmen lassen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Die Beschwerde wurde form- und fristgerecht eingereicht, sodass grundsätzlich darauf einzutreten ist. Nicht weiter zu beachten ist allerdings die als "Nachtrag" betitelte Eingabe des Beschwerdeführers vom 26. März 2024, welche erst nach Ablauf der 30-tägigen Beschwerdefrist und damit verspätet getätigt wurde (vgl. Art. 100 Abs. 1 BGG). 
 
2.  
 
2.1. Der Beschwerdeführer beanstandet die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz. Diese sei mehrfach in Willkür verfallen und habe sowohl sein rechtliches Gehör als auch die Unschuldsvermutung verletzt. Sie habe verschiedene Ereignisse durcheinandergebracht und ein "narratives Mischmasch" aus dem bereits rechtskräftig beurteilten Sachverhalt vom 27. April 2021 und dem in Frage stehenden Vorfall vom 12. Juli 2021 geschaffen, indem sie davon ausgegangen sei, dass er an diesem Tag mit dem Locheisen hantiert habe. Den Schuldspruch habe sie einzig auf die falschen und widersprüchlichen Behauptungen der befangenen Auskunftsperson D.________ gestützt, die seinen genauen Standort gar nicht habe feststellen können. Auf eine Befragung seiner ebenfalls anwesenden Ehefrau habe sie trotz entsprechenden Antrags zu Unrecht verzichtet.  
 
2.2. Die Vorinstanz erachtet den vorgeworfenen Sachverhalt gestützt auf die als glaubhaft bewerteten Aussagen von D.________ als erstellt. Zwar sei zu beachten, dass sie die Tochter bzw. Schwester der Beschwerdegegner sei und dass der Beschwerdeführer, zu welchem ihre Familie ein schlechtes Verhältnis habe, jahrelang auch ihr Nachbar gewesen sei. Sie habe immer noch eine grosse Abneigung ihm gegenüber und ihre Befangenheit verlange eine kritische Auseinandersetzung mit ihren Aussagen. Gleichwohl könne nicht gesagt werden, ihnen komme von Vornherein kein Beweiswert zu, sei sie doch auf die Strafbarkeit einer falschen Anschuldigung hingewiesen worden. Sie habe bei ihren Einvernahmen jeweils ausgesagt, den Beschwerdeführer auf der Mauer gesehen zu haben. Die Mauer sei von der Strasse und vom Vorplatz aus gut sichtbar - und zwar umso besser, je rechtwinkliger man darauf schaue. Genau dies sei bei ihr der Fall gewesen, als sie das Elternhaus durch die Garage betreten habe. Der Beschwerdeführer selbst habe bei der erstinstanzlichen Verhandlung nicht ausgeschlossen, auf der Mauer gestanden zu sein, sondern lediglich ausgesagt, dass es, sollte er dort gestanden sein, um das Loch gegangen sei; er habe mit dem Locheisen gearbeitet. Nachdem sich aber zum Tatzeitpunkt auf der Grundstücksseite des Beschwerdeführers bereits eine Holzwand befunden habe und bis zur Mauer der Beschwerdegegner nur noch 20 bis 30 cm verblieben seien, müsse davon ausgegangen werden, dass er nicht ausschliesslich von seinem Grundstück aus mit dem Locheisen habe hantieren können, was für die Glaubhaftigkeit der Aussagen von D.________ spreche. Nach Ansicht der Vorinstanz sei somit hinreichend erstellt, dass der Beschwerdeführer den Garten der Beschwerdegegner gegen deren Willen betreten habe. Auf die beantragte Einvernahme seiner Ehefrau könne verzichtet werden. Es sei davon auszugehen, dass sie, wie der Beschwerdeführer auch, keine genauen Angaben dazu machen könne, wo er an jenem Tag gestanden sei.  
 
2.3. Die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz kann vor Bundesgericht nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig bzw. willkürlich ist oder auf einer Rechtsverletzung beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Willkür im Sinne von Art. 9 BV liegt vor, wenn die vorinstanzliche Beweiswürdigung schlechterdings unhaltbar ist, das heisst, wenn die Behörde in ihrem Entscheid von Tatsachen ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen oder auf einem offenkundigen Fehler beruhen. Die Willkürrüge muss in der Beschwerde explizit vorgebracht und substanziiert begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG). Auf ungenügend begründete Rügen oder allgemeine appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 148 IV 356 E. 2.1; 146 IV 88 E. 1.3.1).  
 
2.4. Wie der Beschwerdeführer zutreffend geltend macht, geht die Vorinstanz bei der Sachverhaltsfeststellung offensichtlich vom falschen Vorfall aus. Aus dem insoweit bereits rechtskräftigen erstinstanzlichen Urteil ergibt sich nämlich, dass das besagte Loch, das er gemäss ihren Feststellungen am 12. Juli 2021 von der Mauer der Nachbarn aus erstellt haben soll, bereits am 27. April 2021 entstanden ist (vgl. Urteil des Bezirksgerichts vom 20. August 2022, S. 9 f.; erstinstanzliche Akten, act. 309 f.). Entsprechend bezog sich auch die von ihr zitierte Aussage des Beschwerdeführers, wenn er auf der Mauer gestanden sei, sei es um "das Loch" gegangen, nicht auf den Vorfall vom 12. Juli 2021, sondern auf jenen vom Frühling 2021 (vgl. Protokoll vom 30. August 2022, S. 4; erstinstanzliche Akten, act. 256).  
Die Aussagen von D.________ bilden die einzige Grundlage der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellung. Die Glaubhaftigkeit dieser Aussagen begründet die Vorinstanz ausschliesslich damit, es müsse davon ausgegangen werden, der Beschwerdeführer habe nicht bloss von seinem Grundstück aus mit dem Locheisen hantieren können. Dies tat er aber eben nicht an diesem Tag (12. Juli 2021), sondern bereits am 27. April 2021. Das angefochtene Urteil beruht somit offensichtlich auf einem Irrtum und erweist sich als willkürlich. Die Vorinstanz wird den Sachverhalt neu feststellen müssen. Dabei wird sie sich sowohl mit der Glaubhaftigkeit der Aussagen von D.________ als auch mit dem Antrag des Beschwerdeführers auf Einvernahme seiner Ehefrau auseinandersetzen müssen. Auf dieser Grundlage wird sie dann erneut über die rechtliche Würdigung des Vorfalls vom 12. Juli 2021 zu entscheiden haben, womit es sich erübrigt, auf die weitere Kritik des Beschwerdeführers am Urteil einzugehen. 
 
3.  
Die Beschwerde ist gutzuheissen. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Für das bundesgerichtliche Verfahren sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Die Beschwerdegegner 2 und 3 haben sich nicht vernehmen lassen, weshalb sie keine Gerichtskosten zu tragen und keine Parteientschädigung zu entrichten haben. Der Kanton Aargau hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 28. November 2023 wird aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.  
Der Kanton Aargau hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 2. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 17. Januar 2025 
 
Im Namen der I. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari 
 
Die Gerichtsschreiberin: Fildir