Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
6B_790/2024
Urteil vom 17. Januar 2025
I. strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin,
Bundesrichter Muschietti,
Bundesrichterin Wohlhauser,
Gerichtsschreiberin Arquint Hill.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
gegen
Statthalteramt des Bezirks Uster,
Amtsstrasse 3, 8610 Uster,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Strafbefehl; verspätete Beschwerde,
Beschwerde gegen die Verfügung des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 7. August 2024 (UH240179-O/U).
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Das Bezirksgericht Uster trat am 13. Mai 2024 auf eine erhobene Einsprache gegen den Strafbefehl des Statthalteramts Uster vom 22. September 2023 nicht ein, mit welchem der Beschwerdeführer in einer Übertretungsstrafsache kostenfällig mit Fr. 140.-- (Überfahren einer Sicherheitslinie) gebüsst wurde.
Auf eine dagegen gerichtete Beschwerde trat das Obergericht des Kantons Zürich am 7. August 2024 nicht ein. Zur Begründung führt es aus, der Beschwerdeführer habe die ihm an seine Wohnadresse in Genf zugesandte Verfügung des Bezirksgerichts Uster am 17. Mai 2024 in Empfang genommen. Diese Zustellung habe die 10-tägige Frist zur Erhebung und Begründung einer Beschwerde ausgelöst. Die Beschwerde hätte folglich spätestens am 27. Mai 2024 bei der Strafbehörde abgegeben oder zu deren Handen der schweizerischen Post oder einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung übergeben werden müssen. Die Beschwerdeeingabe des Beschwerdeführers sei am 24. Mai 2024 der slowakischen Post übergeben worden, habe die Grenzstelle der Schweiz, d.h. die schweizerische Post, aber erst am 28. Mai 2024 und damit nicht rechtzeitig erreicht. Auf die Beschwerde sei daher wegen Verspätung nicht einzutreten.
Der Beschwerdeführer wendet sich an das Bundesgericht. Er kritisiert, dass das Obergericht des Kantons Zürich auf seine kantonale Beschwerde nicht eingetreten ist, und macht insofern geltend, weder in der angefochtenen Verfügung des Bezirksgerichts Uster vom 13. Mai 2024 noch in der darin enthaltenen Rechtsmittelbelehrung oder sonst wie darauf hingewiesen worden zu sein, dass er die Beschwerdeeingabe innert einer Frist von 10 Tagen der Post in der Schweiz übergeben müsse und eine Postaufgabe im Ausland nicht fristwahrend sei. Da sein Rechtsbeistand weder Anwalt noch Inhaber eines juristischen Diploms sei, könne sich das Gericht nicht der Pflicht entziehen, ihn - den Beschwerdeführer - entsprechend zu belehren.
2.
In Strafsachen dürfen Parteien vor Bundesgericht nur durch Anwälte vertreten werden (Art. 40 Abs. 1 BGG). Da die Beschwerde an das Bundesgericht auch durch den Beschwerdeführer mitunterzeichnet ist, kann darauf ohne Weiteres eingetreten werden. Eine Nachfristansetzung gemäss Art. 42 Abs. 5 BGG erübrigt sich. Auf die nach Ablauf der Beschwerdefrist gemäss Art. 100 Abs. 1 BGG und damit verspätet eingereichte Rechtsschrift ist, soweit nicht das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege betreffend, nicht einzutreten.
3.
Die Beschwerde wurde zulässigerweise auf Französisch eingereicht (Art. 42 Abs. 1 BGG), die Verfahrenssprache ist aber Deutsch (Art. 54 Abs. 1 BGG).
4.
Die Frist für die Beschwerde gemäss Art. 393 ff. StPO beträgt 10 Tage (Art. 396 Abs. 1 StPO). Die Frist beginnt am Tag nach der Mitteilung des angefochtenen Entscheids zu laufen (Art. 90 Abs. 1 StPO). Sie ist eingehalten, wenn die Beschwerde spätestens am letzten Tag der Frist bei der Strafbehörde abgegeben oder zu deren Handen der Schweizerischen Post, einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung oder, im Falle von inhaftierten Personen, der Anstaltsleitung übergeben wurde (Art. 91 Abs. 2 StPO).
Urteile und andere verfahrenserledigende Entscheide müssen, sofern sie anfechtbar sind, eine Rechtsmittelbelehrung enthalten (Art. 81 Abs. 1 lit. d StPO). Die Rechtsmittelbelehrung soll die Parteien in die Lage versetzen, die ihnen von Gesetzes wegen zustehenden Rechtsmittel auch effektiv wahrzunehmen. Dies ist ohne Kenntnis des in Art. 91 Abs. 2 StPO geregelten Fristenlaufs unter Umständen nicht möglich. Da den Parteien aus einer mangelhaften Eröffnung eines Entscheids keine Nachteile erwachsen dürfen (BGE 145 IV 259 E. 1.4.4; 144 II 401 E. 3.1 S. 404 f; Art. 29 Abs. 1 und 2 BV ), muss die Rechtsmittelbelehrung eines Entscheids - wenn und soweit der Zustellungsempfänger im Ausland wohnhaft ist - daher grundsätzlich auch einen Hinweis auf Art. 91 Abs. 2 StPO enthalten (BGE 145 IV 259 E. 1.4.3 und 1.4.4; Urteil 6B_1104/2020 vom 25. Februar 2021 E. 1.3.3).
5.
Es ist richtig, dass weder die angefochtene Verfügung des Bezirksgerichts Uster vom 13. Mai 2024 noch die darin enthaltene Rechtsmittelbelehrung einen Hinweis auf Art. 91 Abs. 2 StPO enthält. Indessen handelt es sich beim Beschwerdeführer nicht um einen im Ausland, sondern um einen in der Schweiz wohnhaften Zustellungsempfänger, der - neben seinem Rechtsbeistand - sämtliche Rechtseingaben an die Vorinstanzen stets mitunterzeichnet hat. Die Verfügung des Bezirksgerichts Uster vom 13. Mai 2024 wurde ihm - wie sich aus der angefochtenen Verfügung des Obergerichts ergibt - an seine Wohnadresse in Genf zugestellt, nachdem sein in der Slowakei ansässiger Rechtsbeistand trotz entsprechender Aufforderung kein Zustelldomizil in der Schweiz verzeichnet hatte. In Genf nahm der Beschwerdeführer die Verfügung des Bezirksgerichts Uster vom 13. Mai 2024 in Empfang (vgl. angefochtene Verfügung mit Hinweis auf die kantonalen Akten, postalische Sendungsverfolgung; act. 8/30 bzw. act. 10). Dass die Zustellung an sein Wohndomizil in Genf nicht gesetzeskonform erfolgt wäre, macht der Beschwerdeführer (auch) vor Bundesgericht nicht geltend. Vor diesem Hintergrund und angesichts seines schweizerischen Wohndomizils erweist sich ein Hinweis auf Art. 91 Abs. 2 StPO in der Verfügung vom 13. Mai 2024 bzw. in der darin enthaltenen Rechtsmittelbelehrung als entbehrlich. In dieser Konstellation vermag der Beschwerdeführer aus dem Vorbringen, der im kantonalen Verfahren tätige Rechtsbeistand sei weder Rechtsanwalt noch Inhaber eines juristischen Diploms, nichts für sich abzuleiten. Mithin ist nicht zu beanstanden, dass das Obergericht auf die Beschwerde wegen Verspätung nicht eingetreten ist.
6.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde im Verfahren nach Art. 109 BGG abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist wegen Aussichtslosigkeit abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Unter Berücksichtigung der finanziellen Verhältnisse des Beschwerdeführers und des relativ geringen Aufwands ist eine reduzierte Entscheidgebühr angemessen (Art. 65 Abs. 2 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 17. Januar 2025
Im Namen der I. strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari
Die Gerichtsschreiberin: Arquint Hill