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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_263/2023  
 
 
Urteil vom 17. April 2023  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Herrmann, Präsident, 
Bundesrichter Schöbi, Bovey, 
Gerichtsschreiber Möckli. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Vital Burger, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
B.________, 
vertreten durch Advokatin Dominique Anwander, 
Beschwerdegegner, 
 
C.________, 
vertreten durch Advokat Dr. Jonas Schweighauser, 
betroffenes Kind. 
 
Gegenstand 
Sorgerecht und Obhut, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts 
Basel-Landschaft, Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht, vom 11. Januar 2023 (810 22 150). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die in Moskau wohnhafte russische Mutter und der in der Schweiz wohnhafte Vater sind die unverheirateten Eltern eines Ende 2017 in Thailand geborenen Mädchens, welches bislang unter der elterlichen Sorge der Mutter stand. 
Ursprünglich lebten die Eltern mit dem Kind in Thailand. Nach der Trennung zog die Mutter mit der Tochter nach Russland. Von August 2019 bis März 2020 lebte das Kind mit der Zustimmung der Mutter wieder beim Vater in Thailand. Im April 2020 kehrte dieser mit der Zustimmung der Mutter mit dem Kind in die Schweiz zurück, wo er seither mit diesem lebt. 
 
B.  
Am 12. April 2021 beantragte der Vater bei der KESB Liestal die gemeinsame elterliche Sorge und die Zuteilung der Obhut an ihn. 
Am 7. Juni 2021 stellte die KESB die schweizerische Zuständigkeit fest; ein dagegen erhobenes Rechtsmittel blieb erfolglos. Am 24. Juni 2021 räumte die KESB der Mutter vorsorglich ein Besuchsrecht in der Schweiz ein und errichtete für das Kind vorsorglich eine Vertretung; ein dagegen erhobenes Rechtsmittel blieb erfolglos. Am 13. August 2021 wies das Kantonsgericht Basel-Landschaft das Gesuch der Mutter um Rückführung des Kindes nach Russland ab. Aufgrund eines angekündigten Besuches verfügte die KESB am 29. März 2022 ein Kontaktrecht zwischen Tochter und Mutter während der Aufenthaltsdauer; ferner errichtete sie für das Kind eine Beistandschaft. Am 11. April 2022 wurde die Mutter und am 2. Mai 2022 der Vater persönlich angehört. 
Mit Entscheid vom 20. Juni 2022 installierte die KESB die gemeinsame elterliche Sorge und teilte die Obhut dem Vater zu; in Bezug auf das Kontaktrecht zur Mutter sah die KESB Viedeoanrufe vor, jeweils am Dienstag, Donnerstag und Sonntag um 18:30 Uhr, sowie (ein vorderhand in der Schweiz auszuübendes) unbegleitetes Besuchsrecht bei Aufenthalten der Mutter in der Schweiz, welches von der Beiständin zu erarbeiten sei und bei fehlender Einigung mindestens vier Tage in der Woche betrage. 
Die hiergegen erhobene Beschwerde wies das Kantonsgericht Basel-Landschaft nach Durchführung einer Parteiverhandlung mit Urteil vom 11. Januar 2023 ab, soweit es darauf eintrat. 
 
C.  
Mit Beschwerde vom 30. März 2023 verlangt die Mutter, das bisherige elterliche Sorgerecht sei zu bestätigen und das Kind unter ihre Obhut zu geben. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid betreffend elterliche Sorge und Obhut; die Beschwerde in Zivilsachen steht offen (Art. 72 Abs. 1, Art. 75 Abs. 1 und Art. 90 BGG). 
Der von der Vorinstanz festgestellte Sachverhalt ist für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich (Art. 105 Abs. 1 BGG). Diesbezüglich kann nur eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung gerügt werden, für welche das strenge Rügeprinzip gilt (Art. 97 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 2 BGG), was bedeutet, dass das Bundesgericht nur klar und detailliert erhobene und belegte Rügen prüft, während es auf ungenügend substanziierte Rügen und rein appellatorische Kritik am Sachverhalt nicht eintritt (BGE 142 III 364 E. 2.4; 144 V 50 E. 4.2; 145 II 32 E. 2.1). 
In rechtlicher Hinsicht hat die Beschwerde eine Begründung zu enthalten, in welcher in gedrängter Form dargelegt wird, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG), was eine sachbezogene Auseinandersetzung mit dessen Begründung erfordert (BGE 140 III 115 E. 2; 142 III 364 E. 2.4). 
 
2.  
Im 17-seitigen angefochtenen Entscheid wird der Sachverhalt umfassend dargestellt und die gemeinsame elterliche Sorge und die Obhutszuteilung an den Vater einlässlich begründet. 
Die Feststellungen gehen dahin, dass die Tochter seit drei Jahren beim Vater lebe, dass nicht ersichtlich sei, inwiefern er sich nicht gut um sie kümmern würde (im Abklärungbericht vom 10. Oktober 2022 sei zwar von Differenzen zwischen den Eltern und einer schwierigen Gestaltung der Besuchsausübung, aber doch regelmässigen Kontakten die Rede, wobei die Absprachen über die Besuche gemäss der Beiständin grösstenteils eingehalten würden), dass die mütterlichen Vorwürfe an den Vater entweder gänzlich unbelegt (angeblicher THC-Konsum, angeblich fehlende stabile Verhältnisse, angeblicher Sozialhilfebezug) oder durch Belege des Vaters widerlegt seien (Arbeitsvertrag, Bestätigung der Tagesstätte für das Kind), dass die Angaben der Mutter über ihre Arbeit und Wohnsituation in Russland unpräzise seien und unklar bleibe, wie die Betreuung der Tochter aussehen würde, sowie ihre Vorstellungen in Bezug auf eine alternierende Obhut nicht umsetzbar seien, dass die Tochter seit August 2022 in U.________ in den Kindergarten gehe und seit drei Jahren die gleiche Kindertagesstätte besuche, dass der Vater zu 60 % arbeite und die Tochter bis auf einen Wochentag ab 13 Uhr jeweils selbst betreue, dass er um deren Wohlbefinden bemüht sei und seinen Alltag so organisiert habe, dass die Tochter klar im Vordergrund stehe, dass diese ein unkompliziertes, gelöstes und interessiertes Kind sei, dass die Mutter nunmehr in der Schweiz ein Zimmer habe und unbezahlt in einem Gestüt arbeite, dass sie wegen ihres 12-jährigen Sohnes aber immer wieder nach Russland müsse, dass sie ihre An- und Abreisen nicht frühzeitig ankündige, dass ihr Diplom als Tierärztin in der Schweiz nicht anerkannt werde; sodann hat das Kantonsgericht beweiswürdigend festgestellt, dass die Mutter zwar angebe, dauerhaft in der Schweiz leben zu wollen, ihre momentane Situation jedoch nicht gerade auf einen definitiven Aufenthalt in der Schweiz hindeute, woran auch ihre Aufenthaltsbewilligung nichts ändere, da sie sich in Russland noch um ihren Sohn kümmern müsse. 
Die Beschwerdeführerin behauptet eingangs der Beschwerde abstrakt, viele Fakten würden von den Behörden (gemeint ist wohl und relevant wäre jedenfalls: vom Kantonsgericht im angefochtenen Entscheid) willkürlich dargestellt. Die einzige Willkürrüge geht aber dahin, dass ihr der Kanton Zug erst im August 2022 einen Aufenthaltstitel gegeben habe; diese Rüge richtet sich indes an die Migrationsbehörden und ist im vorliegenden Zivilverfahren fehl am Platz. Alle weiteren Ausführungen sind rein appellatorisch und bestehen darin, dass verschiedene Sachverhaltselemente aus eigener Sicht geschildert werden. Dies genügt nicht zur Begründung von Willkürrügen in Bezug auf die Sachverhaltsfeststellung im angefochtenen Entscheid (im Einzelnen wird behauptet: es sei abgemacht gewesen, dass der Vater ihr das Kind an Weihnachten 2019 in V.________ wieder übergebe; sie habe in der Folge stets versucht, ihr Kind zurückzuerhalten und sei immer nur vertröstet worden; es sei ihr anfänglich ein normales Visum verweigert worden, um die Tochter zu besuchen; der Halbbruder habe bislang trotz ihren intensiven Bemühungen kein Besuchsvisum für die Schweiz erhalten; sie könne sich deshalb nicht dauernd in der Schweiz aufhalten und sei gezwungen, wegen ihres Sohnes periodisch nach Russland zurückzukehren, zumal dessen Vater aus Russland habe fliehen müssen und deshalb die ganze Verantwortung bei ihr liege; es sei komplett weltfremd, wenn das Kantonsgericht daraus konstruiere, dass sie sich nicht in der Schweiz niederlassen wolle; der versprochene Russischkurs für die Tochter finde nicht statt und es werde also bewusst versucht, jegliche Bindung an das Heimatland zu verhindern; im Unterschied zu ihr sei der Vater früher fürsorgeabhängig gewesen; er halte Absprachen über Besuchskontakte oft überhaupt nicht ein und gebe keine Informationen über den Impfstatus; die Umstände der Kindesrückbehaltung in der Schweiz seien vom Vater minutiös geplant und von den involvierten Behörden und dem EDA in grotesker Weise unterstützt worden; es bestünden berechtigte Hinweise auf abnormale Handlungen des Vaters; das sonderliche Verhalten des Kinderanwaltes trage nicht zur Entkräftung dieses Verdachtes bei). 
Ohnehin gehen die meisten der vorstehend aufgelisteten Vorbringen - selbst wenn sie in Form von Willkürrügen erhoben und hinreichend substanziiert worden wären - am für die Frage des Sorgerechts und der Obhutszuteilung zentralen Sachverhaltskern vorbei. Dieser besteht darin, dass C.________ seit fast drei Jahren in der Schweiz beim Vater in stabilen Verhältnissen lebt und dieser im Rahmen der seither bestehenden faktischen Betreuung gut für sie sorgt, während die Lebensumstände für die Tochter in Russland unklar wären und schwerlich zu sehen sei, dass die Mutter dauerhaft in der Schweiz leben würde. 
 
3.  
In rechtlicher Hinsicht wäre darzulegen, inwiefern das Kantonsgericht mit der ausgehend vom Kontinuitäts- und Stabilitätsgedanken getroffenen Sorgerechts-, Obhuts- und Besuchsrechtsregelung das Recht falsch angewandt haben soll. Hierzu sind die nur ansatzweise erfolgenden Ausführungen nicht geeignet: Mit dem Vorbringen, es wirke schon komisch, wenn ihr als bis heute unbestrittenermassen alleiniger Sorgerechtsinhaberin bloss Videoanrufe und begleitete Besuche gewährt würden, verdreht die Mutter, dass sie die Tochter in der Schweiz unbegleitet besuchen kann und die Videoanrufe sich auf die Zeiten beziehen, in denen sie in Russland weilt. Auch mit der allgemeinen Aussage bzw. Kritik, es werde ihr als einzig sorgerechts- und obhutsberechtigter Mutter konsequent eine engere Bindung mit dem Kind verweigert und einer russischen Mutter vor deren Augen widerrechtlich faktisch das Kind weggenommen, ist vor dem Hintergrund der willkürfreien Sachverhaltsfeststellungen (dazu E. 2) keine Rechtsverletzung darzutun, denn es geht nicht um die frühere rechtliche Situation, sondern um die Frage, wie das Eltern-Kind-Verhältnis für die Gegenwart und Zukunft zum besten Wohl des Kindes auszugestalten ist. 
 
4.  
Aufgrund des Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit auf sie einzutreten ist. Angesichts der konkreten Umstände ist auf die Erhebung von Gerichtskosten zu verzichten (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist. 
 
2.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kindesvertreter, der KESB Kreis Liestal und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht, mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 17. April 2023 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Herrmann 
 
Der Gerichtsschreiber: Möckli