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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_503/2022  
 
 
Urteil vom 17. April 2023  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichterin Koch, 
Bundesrichter Hurni, 
Gerichtsschreiberin Lustenberger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich, Qualifizierte Wirtschaftskriminalität und internationale Rechtshilfe, 
Güterstrasse 33, 8010 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Kosten- und Entschädigungsfolgen (Einstellung), 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 2. März 2022 (UH200177-O/U/AEP>MUL). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Staatsanwaltschaft Ill des Kantons Zürich eröffnete aufgrund einer Strafanzeige der B.________ AG gegen A.________ und weitere Personen eine Strafuntersuchung wegen Betrugs etc. A.________ stand im Verdacht, in den Handel mit gefälschten Waschmittelprodukten verwickelt zu sein. An dem mutmasslichen Handel waren elf Gesellschaften beteiligt gewesen, von denen sechs mit dem Beschuldigten in Verbindung standen. Um den Verdacht des Handels mit gefälschten Waschmittelprodukten aufzuklären, war die Staatsanwaltschaft bestrebt, Einsicht in die Buchhaltung der involvierten Gesellschaften zu erhalten. Zu diesem Zweck führte sie im August 2016 unter anderem Hausdurchsuchungen an der Adresse von A.________ durch. Dort konnten jedoch keine Buchhaltungsunterlagen sichergestellt werden. Insbesondere wurden die Bücher der C.________ AG, die damals im Zentrum des Betrugsverdachts stand, nicht gefunden. A.________ war seit dem 18. Juli 2016 alleiniges Organ dieser Gesellschaft. Das Fehlen der Geschäftsbücher von Handelsgesellschaften mit Umsätzen in Millionenhöhe liess den Verdacht der systematischen Verschleierung von Handelsgeschäften aufkommen. 
In der Folge ergaben sich jedoch keine Anhaltspunkte für eine aktive und bewusste Beteiligung von A.________ am Waschmittelhandel. Die Staatsanwaltschaft stellte deshalb die Strafuntersuchung gegen ihn mit Verfügung vom 30. März 2020 ein. Sie hielt dazu fest, dass A.________ nach den Verdachtsmomenten eines zwischenzeitlich an die St. Galler Strafverfolgungsbehörden abgetretenen Strafverfahrens Gesellschaftsmäntel gekauft und verkauft habe, ohne viele Fragen zu stellen. Es sei unklar, ob er Warnsignale erhalten und eventualvorsätzlich ein betrügerisches System unterstützt habe. Diese Frage könne aber offenbleiben, da die St. Galler Behörden die strafrechtliche Relevanz des Mantelhandels von A.________ prüfen würden. Ein allfälliges Verschulden im Zusammenhang mit dem Waschmittelhandel habe angesichts der übrigen ihm zur Last gelegten Delikte keinen Einfluss auf die zu erwartende Strafe. Das Interesse der Privatklägerschaft an der Fortführung des Verfahrens sei nicht überwiegend. Die Staatsanwaltschaft auferlegte A.________ die Kosten des Untersuchungsverfahrens und lehnte die Zusprechung einer Entschädigung und einer Genugtuung ab, da er als einziges Organ der C.________ AG seinen Buchführungspflichten nicht nachgekommen sei und dadurch die Eröffnung einer Strafuntersuchung veranlasst habe. 
 
B.  
Mit Beschluss vom 2. März 2022 wies das Obergericht des Kantons Zürich die Beschwerde von A.________ gegen den Kostenspruch der Staatsanwaltschaft ab. 
 
C.  
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt A.________ dem Bundesgericht, es sei der Beschwerdeentscheid aufzuheben und ihm seien eine Entschädigung in der Höhe von Fr. 30'000.-- für Anwaltskosten und entgangenen Gewinn sowie eine Genugtuung von Fr. 6'000.-- zuzusprechen. Weiter sei ihm für das bundesgerichtliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege zu erteilen. 
Mit bundesgerichtlicher Verfügung der Strafrechtlichen Abteilung vom 23. Mai 2022 wurde das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege mangels Bedürftigkeit abgewiesen. Dagegen reichte A.________ ein Berichtigungs- bzw. Wiedererwägungsgesuch ein; auf dieses trat das Bundesgericht mit Verfügung vom 21. Juni 2022 nicht ein. 
Es wurden antragsgemäss die kantonalen Akten, nicht aber Vernehmlassungen eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Das Bundesgericht ist als oberste Recht sprechende Behörde (Art. 1 Abs. 1 BGG) keine strafrechtliche Berufungsinstanz, die eine freie Prüfung in tatsächlicher Hinsicht vornimmt oder die vorinstanzliche Beweiswürdigung mit freier Kognition überprüft (BGE 140 III 264 E. 2.3; Urteile 6B_1235/2021 vom 23. Mai 2022 E. 2.4.1; 6B_576/2020 vom 18. März 2022 E. 3.7). Es legt seinem Urteil vielmehr den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG) und kann die Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich". Die Willkürrüge muss nach Art. 106 Abs. 2 BGG explizit vorgebracht und substanziiert begründet werden, ansonsten das Bundesgericht darauf nicht eintritt (BGE 148 IV 356 E. 2.1; 147 IV 73 E. 4.1.2; je mit Hinweisen). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG).  
 
1.2. Die Beschwerde ans Bundesgericht ist zu begründen, wobei die Begründung in der Beschwerdeschrift selbst enthalten sein muss (vgl. Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG). Der Beschwerdeführer ersucht um Edition der kantonalen Akten und fügt an, die bereits bei den Vorinstanzen vorgebrachten Ausführungen würden unverändert auch im bundesgerichtlichen Verfahren als integrierender Bestandteil gelten. Derartige Verweise vermögen als taugliche Begründung vor Bundesgericht jedoch nicht zu genügen und haben daher unbeachtlich zu bleiben (vgl. BGE 144 V 173 E. 3.2.2; 143 IV 122 E. 3.3; je mit Hinweisen).  
 
2.  
Der Beschwerdeführer rügt die vorinstanzliche Bestätigung des staatsanwaltschaftlichen Kostenspruchs als bundesrechtswidrig. 
 
2.1. Die beschuldigte Person trägt die Verfahrenskosten, wenn sie verurteilt wird (Art. 426 Abs. 1 StPO). Wird das Verfahren eingestellt oder die beschuldigte Person freigesprochen, so können ihr die Verfahrenskosten ganz oder teilweise auferlegt werden, wenn sie rechtswidrig und schuldhaft die Einleitung des Verfahrens bewirkt oder dessen Durchführung erschwert hat (Art. 426 Abs. 2 StPO). Unter den gleichen Voraussetzungen kann nach Art. 430 Abs. 1 lit. a StPO eine Entschädigung herabgesetzt oder verweigert werden (Urteile 6B_1119/2021 vom 6. Oktober 2022 E. 2.3.2; 6B_950/2020 vom 25. November 2020 E. 2.3.3; je mit Hinweisen). Der Kostenentscheid präjudiziert die Entschädigungsfrage (BGE 147 IV 47 E. 4.1).  
Bei der Kostenüberbindung bei Verfahrenseinstellung handelt es sich nicht um eine Haftung für strafrechtliches Verschulden, sondern um eine zivilrechtlichen Grundsätzen angenäherte Haftung für fehlerhaftes Verhalten, durch das die Einleitung oder Erschwerung eines Strafverfahrens verursacht wurde. In diesem Sinne stellt die Kostenüberbindung eine Haftung prozessualer Natur für die Mehrbeanspruchung der Untersuchungsbehörden und die dadurch entstandenen Kosten dar. Das Verletzen bloss moralischer oder ethischer Pflichten genügt für die Auferlegung der Verfahrenskosten nicht (BGE 144 IV 202 E. 2.2; 116 Ia 162 E. 2c; Urteile 6B_1119/2021 vom 6. Oktober 2022 E. 2.3.2; 6B_665/2020 vom 22. September 2021 E. 2.2.1). In der Regel wird diese Haftung auf Art. 41 Abs. 1 OR gestützt. Nach dieser Grundnorm ist zum Ersatz verpflichtet, wer einem anderen widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit (BGE 147 IV 47 E. 4.1; Urteile 6B_1119/2021 vom 6. Oktober 2022 E. 2.3.2; 6B_665/2020 vom 22. September 2021 E. 2.2.1). Eine Kostentragung kommt nur in Frage, wenn sich die Behörde aufgrund des normwidrigen Verhaltens des Beschuldigten in Ausübung pflichtgemässen Ermessens zur Einleitung eines Strafverfahrens veranlasst sehen konnte. Jedenfalls fällt eine Kostenauferlegung ausser Betracht, wenn die Behörde aus Übereifer, aufgrund unrichtiger Beurteilung der Rechtslage oder vorschnell eine Strafuntersuchung eingeleitet hatte. Es ist ferner verfassungswidrig, einem Beschuldigten wegen eines allein unter ethischen Gesichtspunkten vorwerfbaren Verhaltens Kosten zu überbinden. Zwischen dem zivilrechtlich vorwerfbaren Verhalten und den Verfahrenskosten muss ein adäquater Kausalzusammenhang bestehen (BGE 144 IV 202 E. 2.2; Urteile 6B_1119/2021 vom 6. Oktober 2022 E. 2.3.2; 6B_925/2018 vom 7. März 2019 E. 1.3.1 mit Hinweisen). 
Art. 426 Abs. 2 StPO ist als Kann-Vorschrift ausgestaltet, sodass dem Sachgericht ein Ermessen zusteht (Urteile 6B_1119/2021 vom 6. Oktober 2022 E. 2.3.3; 6B_925/2018 vom 7. März 2019 E. 1.3). 
 
2.2. Die Vorinstanz erwägt, aus den Akten ergebe sich, dass die C.________ AG erhebliche Beträge erhalten oder überwiesen habe. Der Beschwerdeführer habe angegeben, während seiner Zeit als Verwaltungsrat der C.________ AG weder über eine Buchhaltung noch über Geschäftsunterlagen verfügt zu haben. Gemäss den Akten sei der Beschwerdeführer ab dem 16. Juni 2016 Verwaltungsrat der C.________ AG gewesen. Damit habe er die Pflichten nach Art. 716a OR übernommen und sei somit für die ordnungsgemässe Buchführung der Gesellschaft verantwortlich gewesen. Entgegen seinen Einwänden habe er sich dieser Pflicht nicht dadurch entledigen können, dass er seine Verwaltungsratstätigkeit auf den An- und Verkauf des Gesellschaftsmantels beschränkt habe. Dies habe ihm als Rechtsanwalt und Notar bewusst sein müssen. Bei der Hausdurchsuchung am 10. August 2016 hätten jedoch keine Buchhaltungsunterlagen sichergestellt werden können. Der Beschwerdeführer habe somit seine Aufsichtspflichten gemäss Art. 716a OR, insbesondere die Pflicht zur Sicherstellung der ordnungsgemäss geführten Buchhaltung klar verletzt. Indem der Beschwerdeführer als einziges Verwaltungsratsmitglied der C.________ AG die gesetzlichen Organpflichten verletzt habe, habe er die Ausdehnung der Strafuntersuchung auf seine Person veranlasst. Die Staatsanwaltschaft habe deshalb zu Recht entschieden, dem Beschwerdeführer die Kosten des von ihm verursachten Teils der Strafuntersuchung aufzuerlegen und ihm weder eine Entschädigung noch eine Genugtuung zuzusprechen.  
 
2.3. Was der Beschwerdeführer gegen diese zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz vorbringt, vermag nicht zu überzeugen. Er erhebt zunächst sich wiederholende Sachverhaltsrügen, in deren Zentrum die Behauptung steht, er habe entgegen den Feststellungen der Vorinstanz sehr wohl eine Buchhaltung der C.________ AG für das Jahr 2016 erstellt. Dies will er mit einer rudimentären Aufstellung in Beilage 7 zu seiner Beschwerde belegen, die allerdings undatiert ist und von der auch nicht ersichtlich ist, ob sie bereits im vorinstanzlichen Verfahren eingereicht wurde und damit nicht mehr als unzulässiges Novum im Sinne von Art. 99 Abs. 1 BGG gelten kann. Davon abgesehen widerspricht die Argumentation seinem Vorbringen vor der Vorinstanz, wonach seine Tätigkeit auf den Kauf und Verkauf des Gesellschaftsmantels beschränkt gewesen sei und ihn deshalb keine Buchführungspflicht getroffen habe. Zum Nachweis von Willkür sind seine Ausführungen so oder anders nicht geignet. Damit geht der Beschwerdeführer mit seiner Sachverhaltsrüge fehl und es ist von der vorinstanzlichen Beurteilung auszugehen, wonach er seiner aktienrechtlichen Pflicht, für eine ordnungsgemässe Buchführung zu sorgen, nicht nachgekommen ist.  
Sodann rügt der Beschwerdeführer, die ihm vorgeworfenen Pflichtverletzungen stünden in keinem Zusammenhang mit dem Vorwurf des gewerbsmässigen Betrugs mit gefälschten Waschmitteln. Dabei übersieht er, dass ihm nicht das Strafverfahren gegen die weiteren Beschuldigten, sondern dessen Ausdehnung auf ihn selbst vorgeworfen wird, und zwar gerade wegen seiner aktienrechtlichen Verfehlungen als verdachtsbegründende Elemente. Folglich erweist sich sein Einwand, zum Zeitpunkt der Waschmittellieferungen noch gar nicht Verwaltungsrat der C.________ AG gewesen zu sein, als unbehelflich. Im Ergebnis vermag der Beschwerdeführer die vorinstanzlichen Erwägungen, soweit er sich mit ihnen überhaupt in einer den Begründungsanforderungen von Art. 42 Abs. 2 BGG genügenden Weise auseinandersetzt, nicht als bundesrechtswidrig auszuweisen. 
 
3.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit auf sie eingetreten werden kann. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 17. April 2023 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Denys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Lustenberger