Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
8C_170/2024
Urteil vom 17. Dezember 2024
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Wirthlin, Präsident,
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Métral,
Gerichtsschreiber Jancar.
Verfahrensbeteiligte
AXA Versicherungen AG, General Guisan-Strasse 40, 8400 Winterthur, vertreten durch Rechtsanwalt Martin Bürkle, Thouvenin Rechtsanwälte,
Beschwerdeführerin,
gegen
A.________,
vertreten durch Stephan Müller, Advokat, c/o Procap Schweiz,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Unfallversicherung (prozessuale Revision),
Beschwerde gegen das Urteil des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 1. Februar 2024 (VBE.2023.191).
Sachverhalt:
A.
A.a. Die AXA Versicherungen AG (nachfolgend AXA) sprach dem 1957 geborenen A.________ für die Folgen seiner Unfälle vom 13. März 2003 und 3. Februar 2008 gestützt auf die Gutachten der Gutachterstelle B.________ vom 28. Januar 2010 (neurologisch) und 21. Dezember 2011 (orthopädisch, neurologisch, neuropsychiatrisch, rheumatologisch) ab 1. August 2012 eine Invalidenrente von 33 % und eine Integritätsentschädigung von 20 % zu (Verfügung vom 20. Juni 2012). Dies bestätigte sie mit Einspracheentscheid vom 23. September 2013. Auf seine Beschwerde hin zog das Versicherungsgericht des Kantons Aargau ein (allgemein-internistisches, neurologisches, orthopädisches, psychiatrisches, ophthalmologisches und neuropsychologisches) Gutachten des Ärztlichen Begutachtungsinstituts (ABI), vom 30. Oktober 2015 bei. Am 23. März 2016 eröffnete es dem Versicherten, es könnte den Einspracheentscheid in dem Sinne abändern, dass mangels unfallkausaler Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit kein Rentenanspruch bestehe. Es gab ihm Gelegenheit zum Beschwerderückzug. Dies tat er am 13. April 2016, worauf das Gericht das Verfahren als erledigt von der Kontrolle abschrieb (Beschluss vom 21. April 2016).
A.b. Mit Verfügung vom 20. September 2016 nahm die AXA gestützt auf das ABI-Gutachten vom 30. Oktober 2015 eine prozessuale Revision ihres Einspracheentscheids vom 23. September 2013 vor und stellte die Rente per 31. Oktober 2015 ein. Hieran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 3. März 2023 fest.
B.
In Gutheissung der hiergegen von A.________ geführten Beschwerde hob das Versicherungsgericht des Kantons Aargau den Einspracheentscheid mit Urteil vom 1. Februar 2024 auf.
C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die AXA die Aufhebung des kantonalen Urteils und Bestätigung ihres Einspracheentscheids.
A.________ schliesst auf Beschwerdeabweisung. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf Vernehmlassung. Mit Eingabe vom 29. Mai 2024 hält die AXA an der Beschwerde fest.
D.
Mit Verfügung vom 24. Mai 2024 erteilt der Instruktionsrichter des Bundesgerichts die aufschiebende Wirkung.
Erwägungen:
1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden. Es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen oder mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde ( Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG ), grundsätzlich nur die vorgebrachten Rügen, sofern eine Rechtsverletzung nicht geradezu offensichtlich ist. Es ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu prüfen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen werden (BGE 145 V 57 E. 4.2; 143 V 19 E. 2.3).
Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2, Art. 105 Abs. 3 BGG ).
2.
2.1. Streitig ist, ob es vor Bundesrecht standhält, dass die Vorinstanz entschied, die AXA habe den Einspracheentscheid vom 23. September 2013 zu Unrecht in prozessuale Revision gezogen und die darin zugesprochene Rente per 31. Oktober 2015 aufgehoben.
2.2. Die Vorinstanz hat die rechtlichen Grundlagen und die Rechtsprechung betreffend die prozessuale Revision formell rechtskräftiger Verfügungen oder Einspracheentscheide (Art. 53 Abs. 1 ATSG; BGE 143 V 105 E. 2.1 und E. 2.3; 135 V 201 E. 5.1; 127 V 353 E. 5b) richtig dargelegt. Darauf wird verwiesen.
3.
Neue Tatsachen und Beweismittel im Sinne von Art. 53 Abs. 1 ATSG sind innert 90 Tagen nach ihrer Entdeckung geltend zu machen; nebst dieser relativen Frist gilt eine absolute 10-jährige Frist, die mit der Eröffnung der Verfügung resp. des Einspracheentscheids zu laufen beginnt (vgl. Art. 67 Abs. 1 VwVG in Verbindung mit Art. 55 Abs. 1 ATSG; BGE 143 V 105 E. 2.1 mit Hinweisen).
Die Vorinstanz äusserte sich nicht dazu, ob die AXA mit der Verfügung vom 20. September 2016, womit sie gestützt auf das ABI-Gutachten vom 30. Oktober 2015 eine prozessuale Revision des Einspracheentscheids vom 23. September 2013 vornahm, die 90-tägige relative Frist einhielt. Indessen hat die AXA in der Verfügung vom 20. September 2016 eingehend und schlüssig aufgezeigt, dass sie diese Frist gewahrt hat. Dies wird vom Beschwerdegegner denn auch nicht in Frage gestellt. Hiermit hat es somit ein Bewenden.
4.
4.1. Neu sind Tatsachen, die sich bis zum Zeitpunkt, da im Hauptverfahren noch tatsächliche Vorbringen prozessual zulässig waren, verwirklicht haben, jedoch trotz hinreichender Sorgfalt nicht bekannt waren. Die neuen Tatsachen müssen ferner erheblich sein, das heisst, sie müssen geeignet sein, die tatbeständliche Grundlage des zur Revision beantragten Entscheids zu verändern und bei zutreffender rechtlicher Würdigung zu einer anderen Entscheidung zu führen. Neue Beweismittel haben entweder dem Beweis der die Revision begründenden neuen erheblichen Tatsachen oder dem Beweis von Tatsachen zu dienen, die zwar im früheren Verfahren bekannt gewesen, aber zum Nachteil des Gesuchstellers unbewiesen geblieben sind (BGE 144 V 245 E. 5.1 und 5.2). Erheblich ist ein Beweismittel, wenn anzunehmen ist, es hätte zu einem anderen Urteil geführt, falls das Gericht bzw. die Verwaltung im Hauptverfahren davon Kenntnis gehabt hätte. Ausschlaggebend ist, dass das Beweismittel nicht bloss der Sachverhaltswürdigung, sondern der Sachverhaltsfeststellung dient. Es bedarf dazu neuer Elemente tatsächlicher Natur, welche die Entscheidungsgrundlagen als objektiv mangelhaft erscheinen lassen (BGE 143 V 105 E. 2.3; SVR 2022 IV Nr. 17 S. 53, 9C_12/2021 E. 2.1).
4.2. Die Revision ist ein ausserordentliches Rechtsmittel und dient nicht einfach der Weiterführung des Verfahrens. Es obliegt den Prozessparteien, rechtzeitig und prozesskonform zur Klärung des Sachverhalts entsprechend ihrer Beweispflicht beizutragen. Dass es ihnen unmöglich war, Tatsachen und Beweismittel bereits im früheren Verfahren beizubringen, ist nur mit Zurückhaltung anzunehmen. Somit hat die gesuchstellende Person im Revisionsgesuch darzutun, dass sie die Beweismittel im früheren Verfahren trotz hinreichender Sorgfalt nicht beibringen konnte (ARV 2013 S. 356, 8C_334/2013 E. 3.3; vgl. auch BGE 138 II 386 E. 5.1; SVR 2012 UV Nr. 17 S. 63, 8C_434/2011 E. 7.1; Urteil 8C_89/2024 vom 10. Juli 2024 E. 4.2).
4.3. Betrifft der Revisionsgrund eine materielle Anspruchsvoraussetzung, deren Beurteilung massgeblich auf Schätzung oder Beweiswürdigung beruht, auf Elementen also, die notwendigerweise Ermessenszüge aufweisen, so ist eine vorgebrachte neue Tatsache als solche in der Regel nicht erheblich. Ein (prozessrechtlicher) Revisionsgrund fällt demnach überhaupt nur in Betracht, wenn bereits im ursprünglichen Verfahren der untersuchende Arzt und die entscheidende Behörde das Ermessen wegen eines neu erhobenen Befundes zwingend anders hätten ausüben und infolgedessen zu einem anderen Ergebnis hätten gelangen müssen. An diesem prozessualrevisionsrechtlich verlangten Erfordernis fehlt es, wenn sich das Neue im Wesentlichen in (differenzial-) diagnostischen Überlegungen erschöpft, also auf der Ebene der medizinischen Beurteilung anzusiedeln ist (BGE 144 V 245 E. 5.3 mit Hinweisen). Neue medizinische Expertisen, die im Verfahren, das zur früheren Verfügung geführt hat, keine gravierende und unvertretbare Fehldiagnose feststellen, erfüllen das Kriterium der Erheblichkeit nicht (BGE 144 V 245 E. 5.4 mit Hinweis).
5.
5.1. Die Vorinstanz erwog zusammengefasst, obwohl in den Gutachten der Gutachterstelle B.________ vom 28. Januar 2010 und 21. Dezember 2011 ein Thalamusinfarkt vom 10. Februar 2008 diagnostiziert worden sei, bestünden Hinweise darauf, dass die Gutachter hieran gezweifelt hätten. Gemäss dem neurologischen Gutachten vom 28. Januar 2010 habe zwar das MRI des Kopfes vom 27. Februar 2008 eine 6 mm grosse Läsion im Thalamus rechts gezeigt, vereinbar mit einem subakuten Infarkt. Die MRI-Bilder (Magnetic resonance imaging) hätten jedoch laut dem Gutachter in "CD-Form" vorgelegen, weshalb die beschriebene Veränderung (möglicherweise auch aufgrund des "Datenformat[s] auf CD") nicht einfach nachzuvollziehen gewesen sei. Der Untersuchungsbefund der neurologischen KIinik des Spitals C.________ vom 11. März 2008 sei unauffällig und der Hirnarterien-Ultraschall sei ebenfalls normal gewesen. Das Spital C.________ habe im neurokardiologischen Kolloquium vom 5. Mai 2008 einen Thalamusinfarkt rechts als Folge einer paradoxen Embolie auf Grund einer Beinvenenthrombose links interpretiert. Im polydisziplinären Gutachten der Gutachterstelle B.________ vom 21. Dezember 2011 sei auf den "aktuell" und im Rahmen der neurologischen Voruntersuchungen (z.B. im Spital C.________) festgestellten, weitgehend normalen neurologisch-klinischen Untersuchungsbefund betreffend den thalamischen Insult hingewiesen worden. Es sei keine vorwiegend sensible Hemisymptomatik gefunden worden, die typischerweise zu erwarten wäre. Im MRI des Kopfes vom Februar 2008 habe sich retrospektiv keine relevante thalamische Läsion gezeigt. Dies schliesse eine thalamische Ischämie "durchaus nicht aus", deute aber doch darauf hin, dass diese nur klein und somit nicht von dauerhafter und erheblicher klinischer Relevanz gewesen sein dürfte. Nach dem Gesagten hätten die Gutachter der Gutachterstelle B.________ - so die Vorinstanz weiter - bereits aufgrund der bildgebenden MRI-Abklärungen allfällig vorliegende Verletzungen "nicht einfach" nachvollziehen können. Selbst die von ihnen festgestellte Läsion im rechten Thalamus hätten sie als "nicht sicher abnorm" gewertet. Auch in den sensitiven Flair-Sequenzen habe kein sicherer Infarkt erkannt werden können. Im Gutachten vom 21. Dezember 2011 sei nochmals explizit gefolgert worden, es habe retrospektiv keine relevante thalamische Läsion erkannt werden können. Somit hätte die AXA bei hinreichender Sorgfalt erkennen können, dass ein Thalamusinfarkt mit bleibenden funktionellen Beeinträchtigungen nicht überwiegend wahrscheinlich erstellt gewesen sei. Sie hätte daher weitere Abklärungen tätigen müssen. Hieran ändere nichts, dass ihr beratender Arzt in der Beurteilung vom 4. September 2013 das Gutachten der Gutachterstelle B.________ als nachvollziehbar erachtet habe. Zudem habe das Gericht mit Beschluss vom 25. März 2015, womit das ABI-Gutachten vom 30. Oktober 2015 angeordnet worden sei, dargelegt, inwiefern das Gutachten der Gutachterstelle B.________ vom 21. Dezember 2011 bezüglich der thalamischen Läsion widersprüchlich bzw. nicht nachvollziehbar sei. Somit stelle die Beurteilung der ABI-Gutachter vom 30. Oktober 2015, dass der Beschwerdegegner keinen thalamischen Infarkt mit bleibender Schädigung von Hirngewebe erlitten habe, keine neue Tatsache nach Art. 53 Abs. 1 ATSG dar. Die Voraussetzungen einer prozessualen Revision seien daher nicht erfüllt.
5.2. Die AXA wendet im Wesentlichen ein, entgegen der Vorinstanz hätten die Gutachter der Gutachterstelle B.________ am Thalamusinfarkt des Beschwerdegegners vom 10. Februar 2008 nicht gezweifelt. Im Gutachten vom 21. Dezember 2011 hätten sie den Infarkt nicht verneint, sondern einzig seine Relevanz für die geklagten kognitiven Beschwerden relativiert, indem die Arbeitsunfähigkeit von 50 % gemäss dem Gutachten der Gutachterstelle B.________ vom 28. Januar 2010 auf 25 % herabgesetzt worden sei. Trotzdem hätten sie die Folgen des thalamischen Insults unverändert als unfallkausal erachtet. Hieran habe auch der Neurologe Dr. med. D.________ im vom Beschwerdegegner veranlassten Gutachten vom 18. Dezember 2012 nicht gezweifelt. Zudem habe der beratende Arzt der AXA in der Stellungnahme vom 4. September 2013 den Thalamusinfarkt vom 10. Februar 2008 bejaht. Im Zeitpunkt des Einspracheentscheids vom 23. September 2013 habe für die AXA somit kein begründeter Anlass bestanden, am Vorliegen eines Thalamusinfarkts zu zweifeln. Die Einholung eines weiteren Gutachtens durch sie wäre somit als "second opinion" unzulässig gewesen. Erst die im Rahmen des ABI-Gutachtens vom 30. Oktober 2015 erfolgte neuroradiologische Abklärung mit einer MRI-Untersuchung des Neurocraniums vom 3. September 2015 habe zuverlässig den Schluss zugelassen, dass in den Gutachten der Gutachterstelle B.________ (und den medizinischen Berichten davor) mit der Bejahung eines Thalamusinfarkts eine Fehldiagnose gestellt worden sei. Selbst wenn mit der Vorinstanz davon ausgegangen würde, dass das Gutachten der Gutachterstelle B.________ vom 21. Dezember 2011 gemäss ihrem Beschluss vom 25. März 2015 nicht überzeugt habe, ändere dies nichts daran, dass erst mit dem ABI-Gutachten vom 30. Oktober 2015 und somit nach dem Einspracheentscheid vom 23. September 2013 ein Thalamusinfarkt habe ausgeschlossen werden können. Dieses Gutachten sei somit ein neues Beweismittel nach Art. 53 Abs. 1 ATSG, das Tatsachen belege, die zwar im früheren Verfahren allenfalls bereits hätten bekannt sein können, aber unbewiesen bzw. nicht beweisbar gewesen seien. Weil die Vorinstanz sich nicht damit auseinandergesetzt habe, dass ein neues Beweismittel vorgelegen habe, habe sie auch die Tatsache nicht berücksichtigt, dass am 10. Februar 2008 kein Thalamusinfarkt stattgefunden habe. Es liege damit eine neue Tatsache und nicht einzig eine neue Würdigung einer bekannten Tatsache vor. Diese neue Tatsache sei auch erheblich. Sie verändere die tatsächliche Grundlage des Einspracheentscheids vom 23. September 2013 und führe zu einer anderen Entscheidung, da laut dem ABI-Gutachten vom 30. Oktober 2015 kein relevanter Insult erfolgt sei, der die geklagten Beschwerden hätte erklären können.
6.
6.1. Umstritten ist mithin, ob das ABI-Gutachten vom 30. Oktober 2015 im Rahmen der prozessualen Revision geeignet ist, die Annahme in den Gutachten der Gutachterstelle B.________ vom 28. Januar 2010 und 21. Dezember 2011 zu entkräften, wonach der Beschwerdegegner als Folge des Unfalls vom 3. Februar 2008 am 10. Februar 2008 einen unfallbedingten thalamischen Insult erlitten habe. Der geltend gemachte Revisionsgrund betrifft mithin den Gesundheitszustand des Beschwerdegegners und damit eine materielle Anspruchsvoraussetzung, deren Beurteilung massgeblich auf Schätzung oder Beweiswürdigung beruht, mithin auf Elementen, die notwendigerweise Ermessenszüge aufweist (vgl. E. 4.3 hiervor; SVR 2022 IV Nr. 17 S 53, 9C_12/2021 E. 6.2.2). Damit ein neues Beweismittel einen Revisionsgrund bilden könnte, müsste es den Fehler in der früheren Beweisgrundlage eindeutig aufzeigen (BGE 144 V 245 E. 5.5.5).
6.2. Die AXA wendet ein, die Vorinstanz habe sich nicht damit auseinandergesetzt, dass mit dem ABI-Gutachten vom 30. Oktober 2015 ein neues Beweismittel vorgelegen habe, womit sie auch die gutachterlichen Ausführungen nicht berücksichtigt habe, dass am 10. Februar 2008 kein Thalamusinfarkt stattgefunden habe.
Ob die Vorinstanz diesbezüglich die Begründungspflicht verletzt hat (hierzu siehe BGE 148 III 30 E. 3.1), scheint angesichts der Bezugnahme darauf in E. 4.2 des angefochtenen Urteils und der bestehenden Möglichkeit zur sachgerechten Anfechtung zweifelhaft, braucht aber nicht geprüft zu werden. Denn wie sich aus den nachfolgenden Erwägungen ergibt, würde eine Rückweisung an sie zu einem formalistischen Leerlauf und damit zu unnötigen Verzögerungen führen, die mit dem (der Anhörung gleichgestellten) Interesse der Beschwerdeführerin an einer beförderlichen Beurteilung der Sache nicht zu vereinbaren sind (vgl. BGE 133 I 201 E. 2.2; Urteile 8C_401/2023 vom 19. Februar 2024 E. 6.2 und 8C_674/2022 vom 15. Mai 2023 E. 7.4, je mit Hinweisen).
6.3.
6.3.1. Die AXA argumentiert weiter, im Rahmen des ABI-Gutachtens vom 30. Oktober 2015 sei ein neuroradiologisches Fachgutachten des PD Dr. med. E.________, Chefarzt, Spital F.________, vom 4. September 2015 in Auftrag gegeben worden, in dessen Rahmen am 3. September 2015 eine MRI-Untersuchung des Neurocraniums durchgeführt worden sei. Erst diese neuroradiologischen Abklärungen hätten dazu geführt, dass eine organische Läsion und eine organische Genese der geklagten schweren neuropsychologischen Defizite des Beschwerdegegners beweisrechtlich zuverlässig ausgeschlossen habe werden können.
Der AXA ist diesbezüglich entgegenzuhalten, dass mit dem MRI keine neue Abklärungsmethode angewandt wurde, die den Gutachtern der Gutachterstelle B.________ nicht zur Verfügung gestanden hätte (vgl. THOMAS FLÜCKIGER, in: Basler Kommentar, Allgemeiner Teil des Sozialversicherungsrechts, 2020, N. 30 zu Art. 53 ATSG). Bereits am 27. Februar 2008 wurde denn auch im Röntgeninstitut, Aarau, ein MRI des Schädels des Beschwerdegegners durchgeführt. Im Bericht gleichen Datums wurde u.a. festgehalten, es ergebe sich der Nachweis einer "kleinen fokal verstärkt enhancenden Parenchymläsion in den Stammganglien in der rechten Hemisphäre 6 mm Durchmesser auf Höhe des Thalamus, vereinbar mit einem subakuten Infarkt". Dieser Bericht wurde von den Gutachtern der Gutachterstelle B.________ berücksichtigt.
6.3.2. Weiter kann entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht davon ausgegangen werden, die Gutachter der Gutachterstelle B.________ hätten am Vorliegen des unfallbedingten thalamischen Insults gezweifelt. Denn sie gingen letztlich vorbehaltlos von dieser Diagnose aus. Hätten sie Zweifel gehabt, hätten sie bloss einen Verdacht auf einen unfallbedingten thalamischen Insult diagnostiziert, womit dieser nicht mit dem erforderlichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit erstellt gewesen wäre (vgl. auch Urteil 8C_312/2023 vom 31. Januar 2024 E. 5.2.1 mit Hinweis).
6.3.3. Insgesamt sind mit dem ABI-Gutachten vom 30. Oktober 2015 keine neuen Tatsachen bewiesen, bei deren Kenntnis die Gutachter der Gutachterstelle B.________ am 28. Januar 2010 und 21. Dezember 2011 zwingend zu einer Ermessensausübung im Sinne der Einschätzung des ABI-Gutachtens vom 3. Oktober 2021 hätten gelangen und den unfallkausalen thalamischen Insult hätten verneinen müssen (vgl. E. 4.2 hiervor). Dies ergibt sich auch daraus, dass der Neurologe Dr. med. D.________ im vom Beschwerdegegner veranlassten Gutachten vom 18. Dezember 2012 und der beratende Arzt der AXA in der Stellungnahme vom 4. September 2013 nach Würdigung der Akten in Bestätigung des Gutachtens der Gutachterstelle B.________ vom 21. Dezember 2011 das Vorliegen des thalamischen Insults vom 10. Februar 2008 ebenfalls bejahten.
6.3.4. Nach dem Gesagten ist es im Ergebnis nicht bundesrechtswidrig, wenn die Vorinstanz feststellte, dass die Voraussetzungen von Art. 53 Abs. 1 ATSG nicht erfüllt sind.
7.
7.1. Unter diesen Umständen kann offen bleiben, ob die vorinstanzliche Auffassung zutrifft, die AXA habe nicht die erforderliche Sorgfalt walten lassen, indem sie vor dem Einspracheentscheid vom 23. September 2013 auf weitere Abklärungen betreffend das Vorliegen des Thalamusinfarkts verzichtet habe (vgl. E. 4.1.2 hiervor).
7.2. Nicht geprüft zu werden braucht auch die Frage, ob es vor Bundesrecht standhält, dass die AXA eine prozessuale Revision des Einspracheentscheides vom 23. September 2013 gestützt auf das ABI-Gutachten vom 30. Oktober 2015 verlangt, obwohl das ursprüngliche Verfahren infolge Rückzugs der Beschwerde gegen diesen Einspracheentscheid erledigt wurde, nachdem das kantonale Gericht dem Beschwerdegegner am 23. März 2016 gestützt auf eben dieses Gutachten eine Verschlechterung (reformatio in peius) angedroht und ihm Gelegenheit zum Beschwerderückzug gegeben hatte (vgl. Sachverhalt lit. A.a).
8.
Die unterliegende AXA trägt die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sie hat dem Beschwerdegegner eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 2 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'000.- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 17. Dezember 2024
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Wirthlin
Der Gerichtsschreiber: Jancar