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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_87/2023  
 
 
Urteil vom 18. September 2024  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Abrecht, Präsident, 
Bundesrichter Hurni, Kölz, 
Gerichtsschreiber Eschle. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Benjamin Leupi-Landtwing, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
1. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau, 
Frey-Herosé-Strasse 20, Wielandhaus, 5001 Aarau, 
2. B.A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Roger Baumberger, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Nichtanhandnahme, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 28. Februar 2023 (SBK.2022.337). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Mit Eingabe vom 7. Juli 2021 erstattete A.________ bei der Staatsanwaltschaft Zofingen-Kulm Strafanzeige gegen B.A.________ u.a. wegen Veruntreuung und ungetreuer Geschäftsbesorgung zum Nachteil der Erbengemeinschaft B.B.________. 
Die Staatsanwaltschaft verfügte am 29. September 2022 die Nichtanhandnahme der Strafsache gegen B.A.________ (nachfolgend: Beschwerdegegner 2). 
 
B.  
Das Obergericht des Kantons Aargau trat mit Entscheid vom 28. Februar 2023 auf die von A.________ gegen die Nichtanhandnahmeverfügung eingereichte Beschwerde nicht ein. 
 
C.  
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt A.________ dem Bundesgericht, es sei der Nichteintretensentscheid des Obergerichts aufzuheben und die Sache sei an die Vorinstanz zur materiellen Beurteilung zurückzuweisen. 
Es wurden die kantonalen Akten, nicht aber Vernehmlassungen eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Die Beschwerde wurde fristgerecht (Art. 100 Abs. 1 BGG) gegen einen kantonal letztinstanzlichen (Art. 80 BGG), verfahrensabschliessenden Entscheid (Art. 90 BGG) eines oberen Gerichts (Art. 80 Abs. 2 BGG) betreffend eine Strafsache (Art. 78 Abs. 1 BGG) eingereicht. 
Ungeachtet der fehlenden Legitimation in der Sache selbst kann die Privatklägerschaft die Verletzung von Verfahrensrechten geltend machen, deren Missachtung eine formelle Rechtsverweigerung darstellt. Zulässig sind Rügen formeller Natur, die von der Prüfung der Sache getrennt werden können. Die beschwerdeführende Partei kann - wie hier - namentlich vorbringen, auf ein Rechtsmittel sei zu Unrecht nicht eingetreten worden (sog. "Star-Praxis"; BGE 149 I 72 E. 3.1; 146 IV 76 E. 2; 141 IV 1 E. 1; 138 IV 78 E. 1.3 f.; je mit Hinweisen). 
 
2.  
Der Beschwerdeführer wirft der Vorinstanz vor, diese habe ihm zu Unrecht die Parteistellung aberkannt. 
 
2.1. Die Vorinstanz stellt fest, dass der Beschwerdeführer sich nicht als Strafkläger konstituiert habe. Er habe sich in der Strafanzeige durchgehend als "Anzeiger" bezeichnet und an keiner Stelle explizit die Bestrafung des Beschwerdegegners 2 verlangt. Zudem sei der Beschwerdeführer anwaltlich vertreten gewesen, weswegen darauf geschlossen werden könne, dass er die Rolle als Anzeiger und die damit einhergehenden Verfahrensrechte bewusst gewählt habe. Ohnehin sei es dem Beschwerdeführer neben der Strafanzeige in erster Linie um die Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche im Strafverfahren gegangen.  
Gleichermassen verneint die Vorinstanz die Parteistellung des Beschwerdeführers als Zivilkläger. Da die Erbengemeinschaft eine Gemeinschaft zur gesamten Hand sei (Art. 602 Abs. 2 ZGB) und zivilrechtliche Ansprüche aus einer Erbschaft von allen Erben gemeinsam einzuklagen seien, könne der Beschwerdeführer eine Zivilklage, die den Nachlass betreffe, nur zusammen mit seinen Miterben geltend machen. Im Strafverfahren gegen den Beschwerdegegner 2 könne er sich folglich auch nicht allein als Zivilkläger konstituieren. Mangels Parteistellung sei der Beschwerdeführer daher nicht zur Ergreifung der StPO-Beschwerde gegen die Nichtanhandnahmeverfügung legitimiert. 
 
2.2.  
 
2.2.1. Gemäss Art. 310 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 322 Abs. 2 StPO können die Parteien die Nichtanhandnahmeverfügung innert 10 Tagen bei der Beschwerdeinstanz anfechten. Als Parteien im Sinne von Art. 322 Abs. 2 StPO gelten die beschuldigte Person und die Privatklägerschaft (Art. 104 Abs. 1 lit. a und b StPO). Als Privatklägerschaft gilt die geschädigte Person, die ausdrücklich erklärt, sich als Straf- oder Zivilklägerin am Strafverfahren zu beteiligen (Art. 118 Abs. 1 StPO). Geschädigt ist, wer durch die Straftat in seinen Rechten unmittelbar verletzt worden ist, wer mithin Träger des durch die verletzte Strafnorm geschützten oder zumindest mitgeschützten Rechtsguts ist (Art. 115 Abs. 1 StPO; BGE 143 IV 77 E. 2.1 f. mit Hinweisen).  
 
2.2.2. Hinsichtlich strafbarer Handlungen gegen das Erbschaftsvermögen ist jeder Erbe unmittelbar Geschädigter im Sinne von Art. 115 Abs. 1 StPO und unabhängig von allfälligen weiteren Erben zur Konstituierung als Privatkläger im Strafpunkt persönlich legitimiert. Zivilrechtliche Forderungen können hingegen grundsätzlich nur durch gemeinsames Vorgehen aller Erben adhäsionsweise im Strafprozess geltend gemacht werden (BGE 142 IV 82 E. 3.3.2; Urteil 7B_80/2023 vom 6. Februar 2024 E. 1.3.3). Dass der einzelne Erbe zivilrechtlich grundsätzlich nicht allein vorgehen kann, wenn er Ansprüche aus dem Nachlass geltend machen will, steht der Beschwerdelegitimation im Sinne von Art. 310 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 322 Abs. 2 StPO nicht entgegen (BGE 141 IV 380 E. 2.3.6).  
 
2.2.3. Die Erklärung der geschädigten Person, sich als Privatklägerschaft am Verfahren als Straf- oder Zivilklägerin zu beteiligen, ist gegenüber einer Strafverfolgungsbehörde spätestens bis zum Abschluss des Vorverfahrens abzugeben (Art. 118 Abs. 3 StPO). Der Strafantrag ist dieser Erklärung gleichgestellt (Art. 118 Abs. 2 StPO). Hat die geschädigte Person von sich aus keine Erklärung abgegeben, so weist sie die Staatsanwaltschaft nach Eröffnung des Vorverfahrens auf diese Möglichkeit hin (Art. 118 Abs. 4 StPO).  
Der Wille der geschädigten Person, sich am Strafverfahren als Straf- und/oder Zivilklägerin zu beteiligen, muss ausdrücklich gegenüber der Strafverfolgungsbehörde, d.h. der Polizei oder der Staatsanwaltschaft, manifestiert werden. Es reicht nicht aus, dass die geschädigte Person z.B. im Rahmen einer Strafanzeige die Strafverfolgung und Bestrafung des Angezeigten verlangt, sondern sie muss darüber hinaus zum Ausdruck bringen, dass sie im Strafverfahren die Parteirechte beanspruchen will. Nicht als Konstituierung gilt, zumindest bei Offizialdelikten, die Strafanzeige, womit die Behörde über einen bestimmten Sachverhalt informiert wird, wenn darin der Wille, sich am Strafverfahren zu beteiligen, nicht zum Ausdruck gebracht wird. Werden adhäsionsweise privatrechtliche Ansprüche geltend gemacht, so ist der Beteiligungswille in der Regel selbstverständlich. Ist zweifelhaft, ob die geschädigte Person aufgrund von bestimmten schriftlichen Eingaben am Verfahren teilnehmen möchte, so trifft die Staatsanwaltschaft nach Treu und Glauben eine Rückfrage- und Abklärungspflicht (Urteil 6B_1308/2021 vom 17. März 2022 E. 2.1.3 mit Hinweisen). 
 
2.3. Der Beschwerdeführer erstattete ohne die übrigen Erben der geschädigten Erbengemeinschaft Strafanzeige. Da grundsätzlich nur alle Erben gemeinsam adhäsionsweise Zivilforderungen im Strafprozess geltend machen können, konnte er sich, wie die Vorinstanz zutreffend erwägt und er im Übrigen selbst anerkennt, nicht alleine als Zivilkläger konstituieren.  
 
2.4. Demnach ist zu prüfen, ob der Beschwerdeführer sich im Sinne von Art. 118 Abs. 1 und Art. 119 Abs. 2 lit. a StPO als Strafkläger konstituiert hat. Dies ist zu verneinen.  
Der Vorinstanz ist beizupflichten, dass aus der Strafanzeige vom 7. Juli 2021 weder explizit noch implizit der Wille des Beschwerdeführers hervorgeht, am Verfahren teilzunehmen und Parteirechte ausüben zu wollen. Weil der Beschwerdegegner 2 nach den vorinstanzlichen Feststellungen (vgl. Art. 105 Abs. 1 BGG) als Cousin kein Angehöriger des Beschwerdeführers im Sinne von Art. 110 Abs. 1 StGB ist, handelt es sich bei den angezeigten Straftaten der Veruntreuung (Art. 138 Ziff. 1 Abs. 4 StGB) und der ungetreuen Geschäftsbesorgung (Art. 158 Ziff. 3 StGB) um Offizialdelikte. Bei solchen reicht eine Strafanzeige grundsätzlich nicht zur Konstituierung als Privatkläger aus (Urteil 6B_1308/2021 vom 17. März 2022 E. 2.1.3 mit Hinweisen). 
Ins Gewicht fällt auch, dass der Beschwerdeführer im gesamten Verfahren anwaltlich vertreten war. Es musste ihm folglich bewusst sein, dass er nur als Privatkläger als Partei am Verfahren partizipieren könnte und ihm die vollen Verfahrensrechte als Strafanzeiger nicht zukommen würden (Art. 301 Abs. 3 StPO). Sowohl in der Strafanzeige vom 7. Juli 2021 als auch in der Beschwerde an das Obergericht vom 7. Oktober 2022 bezeichnete er sich durchgehend als "Anzeiger". In der Strafanzeige verlangte der Beschwerdeführer, es sei "ein Strafverfahren zu eröffnen und die entsprechenden Ermittlungen aufzunehmen". Zudem sei er über den Abschluss des Strafverfahrens zu orientieren. Damit übte er ein typisches Recht eines Anzeigers aus (vgl. Art. 301 Abs. 2 StPO). Es trifft zwar zu, dass der Beschwerdeführer die Staatsanwaltschaft aufforderte, bestimmte Editionen vorzunehmen sowie Parteibefragungen und einen Augenschein durchzuführen. Aus diesen allgemein gehaltenen Beweisofferten lässt sich aber noch nicht auf einen Willen schliessen, selbst an diesen Erhebungen oder am Verfahren zu partizipieren. 
Auch aus dem Vorbehalt, im Rahmen des Verfahrens Zivilansprüche zu stellen, lässt sich kein entsprechender Wille ableiten. Wie der Beschwerdeführer selbst anerkennt, war er ohne die übrigen Erben nicht dazu legitimiert, Zivilansprüche in einer Zivilklage adhäsionsweise für die Erbengemeinschaft geltend zu machen. Mehr noch: Der Vorbehalt deutet darauf hin, dass es ihm vordergründig um die Durchsetzung seiner bzw. der Zivilansprüche der Erbengemeinschaft ging und nicht um die Bestrafung des Beschwerdegegners 2. Das Strafverfahren darf aber nicht dazu instrumentalisiert werden, die Durchsetzung zivilrechtlicher Forderungen in einem späteren Zivilprozess vorzubereiten (vgl. BGE 137 IV 246 E. 1.3.1; Urteil 7B_287/2022 vom 22. Februar 2024 E. 1.3). Andere Willensäusserungen im Rahmen des Vorverfahrens, die als Konstituierung zur Privatklägerschaft hätten verstanden werden müssen oder die die Staatsanwaltschaft zu entsprechender Nachfrage verpflichtet hätten, behauptet der Beschwerdeführer im Übrigen nicht. 
 
2.5. Die Vorinstanz hat dem Beschwerdeführer zu Recht keine Parteistellung zuerkannt.  
 
3.  
Die Beschwerde erweist sich als unbegründet. 
Bei diesem Verfahrensausgang wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 18. September 2024 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Abrecht 
 
Der Gerichtsschreiber: Eschle